Kann man überhaupt jmd. eine Chance geben?

  • Ich gebe ihm nochmal eine Chance...

    Das war seine letzte Chance....

    Ich habe ihm schon so viele Chancen gegeben....

    Wenn er diese Chance nicht nutzt....

    Eine Chance bekommt er noch von mir....

    usw.


    Hallo beisammen,

    solche oder ähnliche Sätze tauchen immer wieder hier auf.

    Ich behaupte mal, daß das gar nicht geht, jemandem eine Chance zu geben. Ich als Mensch habe es nicht in meiner Hand, jemand anderem eine Chance zu geben. Das Leben selber bietet mir jeden Tag jede Menge Chancen, die ich annehmen oder nicht annehmen kann. Wie seht ihr das?

    Wie kann ich als Mensch einem anderen Menschen eine Chance geben? Wie soll das funktionieren? Welch anmaßende Haltung steht dahinter? Ist da tatsächlich so ein Machtgefälle? Die Chancengeberin/der Chancengeber ganz weit oben in der Machtposition, der/die Alkoholiker das Würmchen, dem nochmal zugestanden wird, sich in die richtige Richtung zu bewegen, sonst.... Ja was sonst eigentlich?? Ich geb dir eine Chance, wenn du die nicht nutzt, dann... was dann?

    Die Frage ist doch, ob ich selber die mir vom Leben geschenkten Chancen nutze oder mein Wohl und Wehe, meine Entscheidungen und meinen Weg vom Verhalten eines anderen abhängig mache.

    Nutzt ihr EURE Chancen oder wartet ihr mehr oder weniger bewegungslos darauf, daß der Alkoholiker sich bewegt?

    Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Linde,

    du hast vollkommen Recht. Diese Formulierung passt eigentlich für den Sachverhalt nicht.

    Aber als Partner/in muss ich mir natürlich selbst ein Limit geben: Wann ist für mich Ende? Oder ist dies vielleicht auch schon Quatsch, weil es nur zur eigenen Inkonsequenz verführt? (Nach dem Motto: Also, wenn er jetzt dies und das zu dem und dem Zeitpunkt noch nicht getan hat, dann trenne ich mich aber wirklich. Und dann hat er vielleicht ein bisschen was gemacht, dann eiert man wieder mal rum.)

    Wenn ich als Partnerin anfange, mich um mich selbst zu kümmern und mich selbst wiederzufinden, werde ich auch automatisch einen Punkt finden, an dem ich vielleicht sagen muss: Und hier gehts nicht mehr gemeinsam oder ich will das so nicht mehr. Das muss dann nicht moralisch überhöht werden und auch nicht vorher festgelegt werden.
    In der Tat, es steht uns gar nicht zu, Chancen zu verteilen...

    Doro

  • Hallo Linde,

    ich als Alkoholiker, der sich nicht wirklich in eine/n Co hereinversetzen kann, stelle mir die Frage

    Wann gibt sich ein/e Co die Chance auf ein eigenes Leben ?

    LG Martin

  • Hallo Linde,
    mein Fehler war zu warten.
    Auf die Chance,die ER ergreift.
    Dass ich dabei keine Rolle spielte,war mir schon lange klar.

    Was ich als Chance definierte,war für ihn keine.

    Ich kann niemandem eine Chance geben,weil ich ja gar nicht weiß,was für den anderen eine Chance ist.

    Grüße
    Susanne

  • Hallo,

    also ich finde es schon wichtig, das man anderen Menschen eine Chance gibt, wenn der andere das einsieht, das er Fehler gemacht hat, kann das ja auch manchmal was bringen, aber man muß rechtzeitig die Notbremse ziehen, wenn man merkt, daß der andere diese Aussage nur ausnutzt um Zeit zu schinden. Aber ich finde einen Versuch ist es wert.

    Ich würde sonst immer glauben, das ich zu früh aufgegeben hätte, oder ist das zu viel Co-denken?

    LG empty

  • Hallo Linde,

    ich glaube, dass diese Äußerungen vom Chance geben von Co´s deshalb auf diese Art gemacht werden, weil die Alkoholabhängigkeit immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung als Willensschwäche und nicht als Krankheit angesehen wird.

    Für mich sagen diese Äußerungen aber auch etwas über Macht aus. Und zwar eine ganz versteckte, subtile Macht. Die genau deshalb in meinen Augen auch umso schlimmer ist, weil sie sich allzu oft hinter der Opferrolle der ach so gebeutelten Co´s versteckt.

    Ja, es ist schlimm, mit einem alkoholabhängigen Partner so leben. Aber vielleicht sollten wir uns, wenn wir in einer solchen Situation leben, mal die ganz ungeschminkte Wahrheit dahinter ansehen.

    Da wird der Alkoholiker oft als der nicht richtig Funktionierende betrachtet, der Schlechte, dem man/frau noch letzte Chancen geben muss. Und noch eine und noch eine, denn – keine Chance mehr zu geben würde ja auch heißen, selbst aktiv am herrschenden Zustand etwas zu ändern. Man müsste seine Opferrolle verlassen, die doch auch immer Aufmerksamkeit und Zuwendung von Dritten zur Folge hat.

    In meiner tiefsten Co-Zeit habe ich definit noch Chance und noch eine deshalb gegeben, weil ich nicht selbst etwas verändern wollte. Ich wollte, dass ER sich ändert. Darauf hatte ich jedoch keinen Einfluss auch nicht mit noch so viel Manipulation und emotionaler Erpressung. Die Sucht war stärker und konnte erst gestoppt werden, als ER selbst es wollte. Was ich in dieser Situation von ihm wollte, wurde immer nur kurzfristig für ein paar Tage erfüllt.

    Jemanden eine Chance geben – entweder aus einem Machtgefühl heraus, weil ich mich als der bessere Mensch fühle. Oder aber, um selbst nichts ändern zu müssen, weil ich mir selbst nicht genügend Wert beimesse. Beides keine sehr sympathischen Gründe – aber in Suchtbeziehung an der Tagesordnung.

    Wobei es natürlich etwas anderes ist, wenn wir in gesunden Beziehungen leben. Aber dazu sind wir, die wir hier schreiben, m. E. erst nach einer ganzen Weile der Persönlichkeitsentwicklung in der Lage.

    Hallo Renate

    Zitat von RenateO

    Denn wenn ich so lese und langsam begreife,ist der Alk der Egoist und der Co,derjenige der sich anpasst ,richtig?

    Als Co in meiner Hoch-Zeit war ich mindestens so egoistisch wie „mein Alki“. Schließlich gab er mir die Möglichkeit, meine innere Leere nicht spüren zu müssen. Er gab meinem Leben einen Mittelpunkt, um den sich alles drehte und somit einen Sinn. Seine Saufereien machten mein Leben unberechenbar, aufregend, alles andere als langweilig. Meine Anpassung war nichts anderes als die Angst, ohne ihn allein zu sein. Besser eine schlechte Beziehung als gar keine. Und ich glaube, mit dieser Art von Egoismus bin ich nicht allein. Um es nicht Egoismus oder Abhängigkeit nennen zu müssen, nannte ich es Liebe. Und auch hier, denke ich, bin ich nicht allein.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Ja, Renate, das meine ich, weil ich es so erfahren habe. Nicht nur bei mir selbst, sondern auch am Verhalten von Gruppenmitgliedern in meiner gemischten, realen SHG.

    Lies dich hier durch. Du wirst feststellen, dass bei ganz Vielen der trinkende Partner im Mittelpunkt der Postings steht. Auch noch nach Monaten, in denen hier gelesen und geschrieben wird.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Bei den "letzten"Krach mit meinem Mann hat Er um eine letzte Chance gebettelt.
    Ich hab gesagt "Du willst ne Chance, ok." dann stieg Er ins Auto rein.
    Ich habe ihn dann schnurstracks zum Haus der AA gefahren und gesagt "steig aus, Du wolltest eine letzte Chance, gib sie Dir, ich kann Dir keine geben !"
    Zu dem Zeitpunkt war mir klar, dass unsere Welt verrutscht war.
    Wer war ich denn, dass ich mir anmaßte ihm einen Chance geben zu können?
    Und zu wem hat Er sich entwickelt bei mir um eine Chance betteln zu müssen ?
    Nee, da war was gewaltig im Unlod. Ich fühlte mich stufeneise höher, und Er fühlte es genau so.
    War es geplant ? Oder hat es sich einfach so entwickelt ?
    Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass mich meine Art, es ja zu wissen wie´s läuft, was zu machen ist und was nicht, auf arroganter Weise ins Messer laufen lassen.
    Mich und aber auch ihn.
    Nee, ich wurde ja nie unterdrückt, nicht geschlagen, ich hatte die Fäden in der Hand, und mit diesem Hochmut ( kein Mut!!) hab ich mich geradewegs in die Co-Abhängigkeit gesteuert und ihn noch weiter in den Alkoholismus.
    Da kommt davon, wenn man sich für so schlau hält.

    Gruß,
    nici

  • Ok im laufe der Zeit hab ich gelernt das die Menschen mit dem Wort Liebe ganz verschiedene Dinge meinen können.Ich genieße die Zeiten wo mein Partner und ich Dinge miteinander machen ,Trödelmärkte,Bummeln, Kochen,Besuche bei Verwandten etc.
    Die 4 Bier (?) die er an diesen Tagen jeden abend trinkt,hab ich ,,hingenommen,, dachte es ist sein Problem was er so raucht(auch viel zuviel) und trinkt.
    Das stimmt nur bedingt weil wenn er die Alk-Dosis erhöht gehts im körperlich schlecht,er wälzt sich nachts im Bett ,es ist als ob sein Körper sich wehrt.
    Natürlich beeinträchtigt das meine Nachtruhe und ärgert mich auch.
    Wenn dann noch alle paar monate sein ,,schlussmachen ,,dazukommt,leide ich zuerst und denke dann ,mußt du (ich) das haben?
    Bin nachdenklich...
    Gruß Renate

  • Hi,

    Soll man denn überhaupt niemanden mehr eine Chance geben? Oder gild das nur suchtkranken gegenüber? Ich weiß ja auch in was man sich da reinbegeben kann. Jetzt muß ich erstmal darüber nachdenken, ob ich das ganze wirklich nur für IHN oder vielleicht doch für mich gemacht habe, aus Angst ein einsames, langweiliges Leben ohne IHN zu haben? oder hab ich mich echt auch noch gut dabei gefühlt, wenn ich IHM eine Chance gegeben habe? Ich war auf jeden Fall immer beschäftigt. War oder ist das meine Liebe?? Eigentlich war mein Ziel mit ihm zusammen normal zu leben, ohne den ganzen Stress.

    Hmmm......In einer Beziehung mit einem Alkoholiker ist das ja das so ziemlich sinnloseste zu sein was man tun kann.

    Bin auch nachdenklich....LG empty

  • Hallo Forum,

    also, ich denke, ein Aspekt dieser Beziehung war bei mir sicherlich auch, dass ich ein gewisses Überlegenheitsgefühl ausleben konnte.
    Aber das war nur ein Teilaspekt, da bin ich mir sicher.

    DAss ich nicht gehen konnte, das hatte m.E. mit diesem Überlegenheitsgefühl nicht mehr so viel zu tun. Ich träumte davon, er möge doch bitte eine andere finden, die mich erlöst von meiner vermeintlichen Verantwortung.
    Am Anfang stand vielleicht wirklich mein Wunsch, ihm irgendwie den Weg zu weisen, aber das kippte sehr schnell und dann war ER es, der es mit allen Regeln der Kunst verstand, mein Verantwortungsgefühl immer wieder anzuschmeißen.

    Angst vor dem Alleinsein hat bei mir keine große Rolle gespielt.
    Auch das mit dem Egoismus des COs kann ich für mich nicht unterschreiben. Es war kein Egoismus, sondern eher die totale Verneinung meiner Selbst - Selbstverlust, ICH-Verlust. Ich war nicht mehr in der Lage, meine Bedürfnisse überhaupt noch ernst zu nehmen.

    Sicher, das Gefälle wurde immer stärker, aber ich hab doch darunter nur noch gelitten. Wieso sollte ich DESWEGEN die Beziehung aufrecht erhalten haben.

    Auf der anderen Seite ist es wirklich so, dass ich jetzt - alleine - erst merke, wie sehr das Zusammensein mit ihm meine Wahrnehmung davon, was "normal" ist, verändert hat. Ich merk auf einmal, in wie vielen Bereichen ich ganz und gar nicht so toll bin. Neben einem Blinden ist der Einäugige König. So ungefähr. Wenn du jemanden an deiner Seite hast, der es noch nicht mal schafft, irgendeiner Arbeit nachzugehen, dann fühlst du dich schon stark, wenn du das nun mal tust.

    Also, vielleicht hat das im Unterbewusstsein doch eine große Rolle gespielt.

    Doro

  • Hallo
    Ich glaube ,dem Anderen eine Chance zu geben ,heißt in Wirklichkeit ,die Verantwortung abgeben um selbst nicht handeln zu müssen und den Istzustand ,solange man ihn noch aushält ,bei zu behalten.
    Gruß R.

  • GuMo Renate,

    Zitat

    Ich glaube ,dem Anderen eine Chance zu geben ,heißt in Wirklichkeit ,die Verantwortung abgeben um selbst nicht handeln zu müssen und den Istzustand ,solange man ihn noch aushält ,bei zu behalten.


    für mich hast Du heute den Satz des Tages geschrieben :!:

    Ich danke Dir.
    nici

  • Hallo ihr,

    danke für eure Beiträge! So langsam wird mir das Thema klarer.

    Wie ist das mit den EIGENEN Chancen? Was empfinde ich eigentlich als MEINE Chance? Kann das sein, daß ich eine Situation überhaupt nicht als Chance für mich wahrnehme? Und deswegen nicht ins Handeln komme?

    So im Nachhinein betrachtet waren es immer die Brüche in meiner Biographie, die zum Wendepunkt wurden. Oder eben nicht. Manchmal war es noch nicht so weit, um die Chance zu ergreifen. Aber was ist dieses ominöse "es", was noch nicht soweit war?

    Liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo,
    ich glaube dein Bewusstes war noch nicht so weit. Unser Unterbewusstes weiß in der Regel schon viel früher ob was stimmt oder nicht.
    Auch glaube ich ist Chance eine definitions Sache. In meiner "Beziehung" galt das Schlüssel-Schloss-Prinzip. Er konnte nur durch mich seine Sucht richtig ausleben, da ich dafür sorgte daß er die Möglichkeit dazu bekam. Ich widerrum brauchte das Gefühl zu helfen, denn nur durch Helfen, dachte ich bekomme ich anerkennung= Liebe? dazu hätte ich mal das Gefühl Liebe zu einem mann erst mal kennen sollen. Aber woher? Wir Co`s sind ja alle geprägt, so wie alle Menschen natürlich, wir aber im ducken, nachgeben sich selbst nicht kennen.
    Ich gebe Menschen und mir immer eine Chance, weil es für mich eine Positive Bestzung hat. Dazu bin ich Mensch. Nur ich muss lernen meine grenzen zu kennen und zu verteidigen.(Ist bei mir in Arbeit).
    Etwas wirr, aber ich hoffe es kommt ein wenig rüber.
    Liebe Grüße
    Nancy

  • Hallo Linde,

    ich denke auch das man den Menschen eine Chance geben sollte und sich da auch einlassen. Sich selbst zuliebe ja auch. Wenn es dann nicht passt kann man ja auch dazu stehen und sich sagen, das man es wenigstens probiert hat. Ichbin inzwischen auch sensibel genug zu spüren , befohr es richtig schlimm wird und ich mich in was reinverstricke dann auch eine beziehung abzubrechen.Mir zuliebe. Dann eben wenn es für mich der richtige Zeitpunkt ist. Klar bin ich noch sehr vorsichtig , das brauch ich aber auch un kann es für mich zumindest annehmen und akzeptieren. Ich hatte schon Zeiten, wo ich alles um mich abgelehnt hatte und das machte mich einsam. Nein, das ist auch nichts für mich....Einsamkeit tut weh.....

    Dazu malte ich ein Bild, da liege ich unter der Erde in meinem Bett und über mich die grüne Wiese, Blumen, Sonne und ganz viele Menschen. Schrecklicher Zustand in demich mich damals befunden habe....da will ich nie wieder hin.....darum gehe ich das "Risiko" auch mal ein, mich in eine Beziehung fallen zu lassen, es so lange laufen zu lassen bis ich dann einfach merke ob sie mir gut tut oder nicht. Wenn nicht ist mir klar gibt es keinen Kompromiss und ich gehe.....das Resultat aus meiner Lebensgeschichte und damit kann ich gut und sicher leben

    Alles Liebe melanie

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