Clara - nur nicht trinken geht nicht

  • Hallo liebe Forumsteilnehmer,


    Ich bin Clara, bald 27 und seit 3 Monaten trockene Alkoholikerin.

    Ich weiß nicht recht, wie und wo ich anfangen soll, und diese Tatsache ist auch exemplarisch für meinen gegenwärtigen Trockenheitszustand - ich habe 3 Monate geschafft und sehe eigentlich überall Probleme, die nach Bearbeitung fordern. Die letzten 10 Jahre, in denen ich getrunken habe, die ja auch gleichzeitig eine ohnehin schwierige Zeit in der Entwicklung darstellen, haben einen Lebensstil bewirkt, in dem ich nur weggerannt bin, ich habe mein Leben nicht gestaltet, sondern war in jeder erdenklichen Art abhängig: von Drogen, Alkohol, anderen Menschen...

    Vielleicht versuche ich kurz, meinen "Werdegang" zu umreißen:

    - aufgewachsen bei meinen Großeltern in einem vollkommen alkfreien Zuhause (Wegen Trennung und Vater Alk- und drogenabhängig - bin also supertolles Exempel für die Verfechter der genetischen Bedingtheit unserer Krankheit)
    - Mit 15 erster Kontakt zu Alk (relativ spät und wirkte bei mir fast psychedelisch)
    - Bis 18 das für das Alter typische, grenzwertige Missbrauchstrinken am Wochenende, Parties, etc.
    - Ab 18: eigene Wohnung, andere Drogen, destruktive Beziehung mit Co-Struktur, Synchrontrinken. Jeden zweiten Tag eine Flasche Whisky, was ich mit selbstgewähltem Lebensstil rechtfertigte: Ich werde Rockstar und bin außerdem trotzdem hochfunktional
    - die nächsten Jahre: schwankender Konsum, bereits mit einigen Versuchen des Aufhörens, aber null Krankheitseinsicht.
    - mit Kennenlernen des Vaters meiner Kinder (erneute Alkbeziehung, wüsste eigtl nicht, mal mit jemanden zusammengewesen zu sein, der nicht trank) zementierte sich eine neue Trinkstruktur, die einerseits meinen Tiefpunkt darstellt und dadurch aber später auch endlich Krankheitseinsicht produzieren konnte: Tägliches Trinken, mit Ausnahme der Schwangerschaft, erneuter Trinkbeginn nach der Geburt mit der "Entschuldigung": Ich muss saufen, weil ich sonst nicht funktioniere, und nicht aushaltbar bin, und es auch alles nicht aushalte.

    Irgendwann begann ich hier im Forum zu lesen, damals noch unter Einfluss der allabendlichen Flasche Rotwein, und mit der Einstellung, alles und jeder, aber auch wirklich jeder, sei schuld an meinem Trinken und den Verfehlungen meines Lebens.

    Nach einigen gescheiterten Versuchen des Nichtrinkens habe ich dann vor drei Monaten den ehrlichen Weg gewählt, bin zu meinem Hausarzt und habe auch endlich mal einen Termin bei der Suchtberatung gemacht.

    Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, eigtl nach wie vor nicht ehrlich genug zu sein. Ich habe relativ schleppend den Menschen meines Umfeldes gesagt, dass ich nicht mehr trinke. Dass ich nicht "mal eine Zeitlang aufhöre", sondern nie mehr trinken werde. Einigen habe ich es aber immer noch nicht gesagt, teils, weil ich Angst habe, in Diskussionen über deren eigenes Trinkverhalten verwickelt zu werden, und deren eigene Widerstände zu spüren: "Wenn sie (ich) Alkoholikerin sein sollte, dann bin ich es doch auch?!" - Hier merke ich zB, dass ich mich viel zu viel um andere und deren Leben kümmere, anstatt endlich vor meiner eigenen Tür zu kehren, und ich habe weiß Gott genügend eigene Baustellen.

    Ich habe das Gefühl, seit meinem Saufstopp bin ich mit voller Wucht mit der Realität konfrontiert, keine besonders geistreiche Einsicht, wenn man bedenkt, dass es in dieser Situation wohl kaum jemandem anders geht.

    Auch wenn drei Monate bereits eine längere Zeit sind, habe ich das Gefühl, noch ganz am Anfang zu stehen.
    Ich habe hier schon öfter den Satz gelesen, "nur nicht trinken reicht nicht", ich formuliere ihn für mich so: nur nicht trinken geht auch nicht.
    Wenn ich mit einer Situation konfrontiert bin, in der ich früher einfach klein bei gegeben hätte, weiß ich sofort, ich hätte damals mit Saufen meinen Frust kompensiert. Diese Option fällt nun weg, allerdings gibt es ja 100erte von Wegen, erneut wegzurennen, zu verdrängen. Diese Wege möchte ich mir nicht erlauben, und scheitere dennoch immer wieder daran, weil die Fülle an Verdrängtem und zu Erledigendem einfach zu groß ist.
    Ich sage mir dann: Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, also brauche Geduld mit mir selber, und muss der Nüchternheit Priorität geben, das ist etwas, was ich aus der Lektüre des Forums bereits gelernt habe.

    Prekär ist nur, dass es Lebensentscheidungen gibt, die sich nicht ewig nach hinten verschieben lassen, und allein die Priorisierung von zu Bearbeitendem ist eine Sache für sich.

    Ich möchte bald noch etwas detaillierte auf meine eigene Geschichte eingehen, das wahrscheinlich dann aber im geschlossenen Bereich.

    Ansonsten werde ich jetzt mal schließen und vielleicht das ein oder andere zu anderen Beiträgen schreiben - die Balance zwischen der eigenen Problemwälzerei und der Notwendigkeit, auch mal bewusst von mir selbst abzusehen - auch so eine Schwierigkeit von mir...

    Liebe Grüße,
    Clara.

  • Hallo Clara,

    ich kann dir nur sagen was MIR geholfen hat ( nach 3 Monaten ):

    1. Mach das Wichtigste zuerst = ich nehme keinesfall ein Glas Alkohol in die Hand.
    2. Ich nehme mir nicht zuviel aufeinmal vor = ich arbeite an meiner geistigen und körperlichen Gesundung.
    3. Dinge die erledigt werden müssen, reduziere ich auf 3 Erledigungen pro Woche = zwei mach ich eh ganz gerne, die Dritte kommt dann leichter daher und klopft an.

    Ich wünsche dir alles Gute

  • Liebe clara nocte,

    da ich selbst erst am Anfang stehe, kann ich Dir leider keine Tipps zum Thema trockenwerden geben.

    Mit Depressionen (und Du klingst schon recht depressiv) kenne ich mich allerdings aufgrund langjähriger Erfahrung ganz gut aus. Und da kann ich Nutzer(in) mutig nur bestätigen, nimm Dir nicht zuviel auf einmal vor!

    Zitat

    weil die Fülle an Verdrängtem und zu Erledigendem einfach zu groß ist.


    Ich kenne das nur zu gut, wenn "die Baustellen sich türmen", ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll, und mich womöglich dabei noch selbst die ganze Zeit mit Vorwürfen bombardiere, mich selber runtermache, mein eigener Feind bin - was ja nur Energie kostet und sowieso Quatsch ist. Das Leben ist schon schwer genug.

    In solchen Situationen mache ich mir immer ToDo-Listen, die nicht zu umfangreich sein dürfen. Und ich versuche dabei, einzelne Projekte in viele kleinere Aufgaben zu zerlegen. Also nicht:
    - Wohnung aufräumen
    sondern
    - schmutzige Wäsche zusammensammeln
    - Wäsche waschen
    - Wäsche aufhängen
    - Altpapier aussortieren
    - Altpapier runterbringen
    - Regal x freiräumen
    - Regal x abstauben
    - Regal x einräumen
    und so weiter (nur mal so als Beispiel, um das Prinzip klar zu machen. Das es schwerere Aufgaben gibt als die Wohnung aufzuräumen versteht sich - obwohl, das kommt auf die Wohnung an ;) )

    Da kann ich dann schon nach einer Stunde zehn Sachen auf meiner Liste abhaken. Kleine Erfolgserlebnisse machen Mut und geben Kraft für die nächsten Schritte. So kann man eine Aufwärtsspirale in Gang setzen.

    Zitat

    Ich sage mir dann: Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, also brauche Geduld mit mir selber, und muss der Nüchternheit Priorität geben


    genau!

    Mach Dir bitte klar: Deine Entscheidng trocken zu sein und zu bleiben ist wichtiger und weitreichender als alles andere - und überhaupt die Bedingung dafür, dass Du alles weitere hinbekommst!

    Sei bitte nicht zu hart zu Dir selbst, Du hast 3 Monate nicht getrunken, da kannst Du doch stolz auf Dich sein!

    es grüßt herzlich

    KaffeeTasse

  • Hallo Clara,
    herzlich willkommen hier,
    ich kann es Dir nur herzlich empfehlen und möchte Dich einladen, es mal mit dem geschlossenen Teil zu probieren.
    Dort wird es etwas persönlicher, weil man nicht die Angst haben muß, daß das ganze WWW mitliest.

    Ich jedenfalls konnte mir dort vieles von der Seele schreiben und habe von den Kommentaren der anderen pofitiert.

    Alles Gute für die nächste Zeit,

    LG Frank

  • Hallo mutig,

    danke für deine antwort, du schreibst, diese dinge haben dir nach 3 monaten geholfen. wie lange hast du denn mittlerweile geschafft?

    Zitat von mutig


    3. Dinge die erledigt werden müssen, reduziere ich auf 3 Erledigungen pro Woche

    mit dem reduzieren der erledigungen klappt es momentan.. so mittelprächtig.
    ich schwanke immer so hin und her zwischen der sichtweise: es ist alles gar nicht so schlimm, und gar nicht so viel, doch wenn ich irgendetwas anpacke, habe ich sofort das gefühl, da kommt ein ganzer rattenschwanz hinterher. ungefähr so, wie wenn man alles in einen schrank gestopft und nun angst hat, die tür aufzumachen, weil man sonst unter einer lawine begraben wird. ;)

    einen schönen tag noch,

    clara.

  • Hallo KaffeeTasse

    Danke für deine ausführliche Antwort. Wenn ich fragen darf, ist das bei dir denn eine diagnostizierte Depression, oder eher so eine Niedergeschlagenheit, die auf einer Skala auch mal variiert? Ich beschäftige mich im moment immer mal wieder mit der Fragestellung, ob meine ganze psychische Kiste eher durch den Alkohol erst ausgelöst wurde oder ob es anders herum war. Quasi die Frage nach Henne und Ei. Irgendwie erscheint mir die Beschäftigung mit der Frage dann auch wieder wie eine willkommene Ablenkung von der konkreten Ausarbeitung meiner Nüchternheit.

    Zitat von KaffeeTasse


    Mit Depressionen (und Du klingst schon recht depressiv) kenne ich mich allerdings aufgrund langjähriger Erfahrung ganz gut aus. Und da kann ich Nutzer(in) mutig nur bestätigen, nimm Dir nicht zuviel auf einmal vor!

    Seltsam, dass es mir gar nicht aufgefallen ist, dass ich relativ depressiv war. Gestern und heute war ich wieder etwas aktiver und nicht mehr so ganz unfähig, irgendetwas anzupacken.

    Liebe Grüße,

    clara.

  • Hallo Frank,

    ja, ich denke, ich werde es tatsächlich machen mit dem geschlossenen Bereich. Dort eine Art Tagebuch zu führen erscheint mir sehr nützlich, hoffe, dass ich die Kontinuität aufbringe, da dann auch regelmäßig zu schreiben.

    LG

    Clara

  • Hallo an alle,

    heute Nachmittag habe ich meinen zweiten Termin mit einem Psychologen bei der Suchtberatung und meine Gedanken rasen mal wieder... was soll ich alles ansprechen? was ist eigentlich momentan am wichtigsten, bzw. welche Baustellen könnten meine Nüchternheit am ehesten gefährden?
    ICh bin mal gespannt, wie es laufen wird.
    Beim letzten mal war es etwas komisch, da ich meinen Berater direkt und sehr überstürzt mit allem möglichen überschüttet habe, und auf diese art etwas verwirrung gestiftet habe. heute muss ich versuchen, etwas gelassener an die Sache ran zu gehen. Schwierig, ich habe nur 4 stunden geschlafen, hab noch eine menge zu tun, und bin alles andere als ruhig.

    Letzte woche habe ich meiner besten Freundin abgesagt, die mich am Wochenende zu einer Party eingeladen hatte. Wir haben uns monatelang nicht gesehen, und obwohl es DIE gelegenheit gewesen wäre, werde ich nicht hingehen. Ihre Reaktion war sehr schwierig für mich, da sie zwar verständnisvoll reagierte, ich aber raushörte, dass sie eigentlich auf der Zunge hatte: Wieso kannst du nicht dafür eine Ausnahme machen?
    Ich denke in meiner Altersgruppe ist es schwer, überhaupt jemandem klarzumachen, dass man ein WIRKLICHES problem hat. Ein Alkoholproblem unter 30 zu haben, ist scheinbar irgendwie nicht schicklich.. Solange man doch noch auf der Welle des Studentlebens surft, ist doch noch nichts wirklich problematisch, mit den Konsequenzen kann man sich doch später auseinadersetzen, sofern notwendig *ironie off*
    Natürlich ist es schwierig, Krankheitseinsicht zu haben und auch zu behalten, wenn alle um einen herum nur auf dem Legititmationstrip sind und auch (scheinbar) gut damit fahren. Ich denke, im Endeffekt ist sich jedoch jeder selbst der nächste, und ich habe keine Lust mehr, bei dem Legitimationsspiel mitzuspielen.
    Ich verstehe auch besser, warum hier im Forum oft so kategorisch darauf hingewiesen wird, dass ein Wechsel des Freundeskreises bzw eine Aussortierung notwendig ist. Irgendwie ist doch unter nassen Alkoholikern auch jeder jedermanns Co, ich merke jedenfalls ganz deutlich, wie mein Entschluss zwar begrüßt wird, aber gleichzeitig eine Abgrenzung stattfindet: "nun, wenn sie ein Problem damit hat.. Klar, dann ist es gut, dass sie nicht mehr trinkt. Aber wir/ich haben keins."

    Naja, durchatmen, und bei mir selbst bleiben.


    Liebe Grüße,
    clara.

  • Hallo Clara,

    vielleicht ist das ja sogar ein gutes Einstiegsthema für das Gespräch? Daß du ansprichst, wie deine Gedanken rasen und du dadurch Probleme hast zu spüren, was jetzt wichtig ist und was nicht. Möglicherweise kann er dir dabei helfen.

    Daß du deiner Freundin abgesagt hast, hast du sehr gut gemacht. Ein Treffen in einem Café oder ein einfacher Spaziergang sind ja auch eine Möglichkeit. Kann sein, daß sich dein Freundeskreis verändert, lichtet. Dann ist das so und es eröffnet ja auch neue Perspektiven.

    Für heute mittag wünsche ich dir ein gutes Gespräch.

    Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde


  • ja, eben
    genau deshalb hatte ich mir diese 3 Dinge sogar auf eine Tafel in der Küche geschrieben, so dass es richtig "anschaulich" ist
    wenn die 3 Dinge erledigt waren, konnte ich den Rest "aushalten" der Rattenschwanz verschwand von selbst.
    Was glaubst was ich dadurch alles erledigt habe, alles bis auf diese "kacktelecom" das schieb und schieb ich vor mir her.
    Ich hab nächsten Mittwoch 1 Jahr voll mit Abstinenz, was ich schaffe das schaffst du auch :!:
    Ich bin übrigens auch seit paar Tagen in diesem erweitertem Bereich des Forums, das ist gut für mich.
    Wäre schön wenn du vielleicht auch dazustoßen könntest.

    l.g.

  • Hallo clara nocte,

    Zitat

    Wenn ich fragen darf, ist das bei dir denn eine diagnostizierte Depression, oder eher so eine Niedergeschlagenheit, die auf einer Skala auch mal variiert?


    Ich bin seit 5 Jahren wegen meiner Depressionen in ambulanter psychiatrischer Behandlung - sprich ich nehme Antidepressiva, wenn es zu arg wird. Auch mit Medikamenten geht es mir dann nicht besonders gut, aber ich kann - wenn auch freudlos - agieren. Ich tue das, was zu tun ist, fühle dabei aber nicht viel.

    Es ist wohl nicht ungewöhnlich, dass meine Depressionen phasenweise auftreten, das dauert meist etwa 2-4 Monate bis es wieder besser geht.

    herzliche Grüße + alles Gute

    KaffeeTasse

  • hallo an alle,

    habe eine zeitlang nichts geschrieben, obwohl ich jeden tag mehrmals gelesen habe. oft fällt es mir sehr schwer zu schreiben, habe eine schreibhemmung, die sich auch in anderen bereichen negativ auswirkt(e) (uni!!) - obwohl man meinen könnte, dass es im internet anonym nicht so schwierig sein dürfte, wie sich zb in einer realen shg von sich zu berichten, brauche ich manchmal einige ansätze um etwas zu formulieren und gebe des öfteren auch entnervt auf.
    habe jetzt auch meinen antrag für den geschlossenen bereich abgeschickt und will mit mir selbst geduldig sein dass das schreiben dann auch regelmäßiger klappt. soviel dazu.

    @linde:
    danke für dein interesse, das gespräch mit dem psychologen bei der suchtberatung lief in eine ganz andere richtung, als ich angedacht hatte, war aber ungemein hilfreich in vielen bereichen. ich bin auch mit der erkenntnis dort weggegangen, dass ich mich nicht selbst so enorm stressen sollte, in puncto: was soll ich sagen? - sondern auch durchaus mich darauf einlassen lernen sollte, dass ein gespräch sich von selbst in eine richtung entwickelt. habe den therapeuten diesmal auch nicht so überfahren, sondern ihm genug redeanteile gewährt ;). mein nächster termin ist freitag.

    ja, wie geht es mir ansonsten? ich bin ziemlich wechselhaft, manchmal rand-depressiv und untätig, aber auch oft beschwingt oder ausgeglichen.
    es laufen an vielen stellen wichtige und erkenntnisträchtige gespräche.

    ich bin nach wie vor mit mir selbst unzufrieden, was die informierung meines umfeldes angeht. zwei kontakte zb meide ich momentan, bzw. erfinde ausreden, warum ich mich nicht treffen möchte, weil ich weiß, dass ich vorher tacheles reden muss.

    im gespräch mit einem bekannten über meine abstinenz haben sich auch tatsächlich einige befürchtungen bewahrheitet, die reaktion sah in etwa so aus: "na, wenn du nichts besseres zu tun hast, als dich reinzusteigern, dass du ein alkproblem hast, dann kann ich dir auch nicht helfen. du hast doch nicht jeden tag getrunken!"
    dieser kommentar hat mir (abgesehen davon, dass er ziemlich unempathisch war) noch mal bewusst gemacht, dass jene, die noch (egal ob missbräuchlich oder süchtig) trinken, ihre eigenen legitimationswelten aufgebaut haben, die eben zu solchen äußerungen führen MÜSSEN, wenn man sie durch hinweis auf die eigene abhängigkeit anspricht. es war hart, somit auch einzusehen, dass diese legitimationswelt vor nicht allzu langer zeit auch teilmenge meiner eigenen war. nach dem gespräch hatte ich das gefühl, meine eigene position noch mal exakter bestimmt zu haben, bzw. mich abgegrenzt zu haben.
    generell stelle ich aber einfach fest, dass es sehr hart ist, an allen möglichen stellen vom eigenen alkoholproblem zu reden, wenn jeder aber auch wirklich jeder einem das wieder ausreden möchte.

    überlege gerade, dass thema noch mal gesondert in einem thread anzusprechen.

    liebe grüße,
    clara.

  • du musst auch nicht an allen möglichen Stellen über dein Alkoholproblem sprechen !
    Du musst vor Allem das tun, was dir nicht schadet !

    Gib dir auch in dieser Hinsicht Zeit, bitte; auch wenn ich der Meinung mancher user widerspreche:
    Ich persönlich musste erst mein Selbstbewusstsein wieder ausgraben, mich aufrichten, sehen und spüren dass mein trockenes Leben fast automatisch Kompetenzen und Ressourcen in der Kommunikation mit meinem Gegenüber freimachte.
    Das dauert schon ein bisschen

    l.g.

  • Zitat von clara nocte


    ich bin nach wie vor mit mir selbst unzufrieden, was die informierung meines umfeldes angeht. zwei kontakte zb meide ich momentan, bzw. erfinde ausreden, warum ich mich nicht treffen möchte, weil ich weiß, dass ich vorher tacheles reden muss.

    im gespräch mit einem bekannten über meine abstinenz haben sich auch tatsächlich einige befürchtungen bewahrheitet, die reaktion sah in etwa so aus: "na, wenn du nichts besseres zu tun hast, als dich reinzusteigern, dass du ein alkproblem hast, dann kann ich dir auch nicht helfen. du hast doch nicht jeden tag getrunken!"
    dieser kommentar hat mir (abgesehen davon, dass er ziemlich unempathisch war) noch mal bewusst gemacht, dass jene, die noch (egal ob missbräuchlich oder süchtig) trinken, ihre eigenen legitimationswelten aufgebaut haben, die eben zu solchen äußerungen führen MÜSSEN, wenn man sie durch hinweis auf die eigene abhängigkeit anspricht. es war hart, somit auch einzusehen, dass diese legitimationswelt vor nicht allzu langer zeit auch teilmenge meiner eigenen war. nach dem gespräch hatte ich das gefühl, meine eigene position noch mal exakter bestimmt zu haben, bzw. mich abgegrenzt zu haben.
    generell stelle ich aber einfach fest, dass es sehr hart ist, an allen möglichen stellen vom eigenen alkoholproblem zu reden, wenn jeder aber auch wirklich jeder einem das wieder ausreden möchte.

    überlege gerade, dass thema noch mal gesondert in einem thread anzusprechen.

    liebe grüße,
    clara.

    hallo clara nocte,

    ich habe heute deinen thread gelesen und finde mich absolut darin wieder. im punkt freunde alles zu offenbaren und mit ihnen darüber zu sprechen, habe ich auch leider sehr viele schlechte erfahrungen machen müssen.....zuguterletzt auch leider 2 rückfälle gebaut....

    es ist wichtig offen und ehrlich zu sprechen, nur wie wenn ein zu oft der mut und das durchsetzungsvermögen verlässt oder man kein starkes selbstbewusstsein besitzt oder die unsicherheit einen nicht mehr loslässt...

    ich konnte das nur bei einigen wenigen freunden und von dem rest habe ich mich entweder (schmerzvoll) losgesagt oder mit ausreden gekontert....letzteres ist immer noch im vollen gange und leider verliert man dadurch auch sehr viele freunde. ich befinde mich gerade in so einer krise, habe 2 gute freundinnen durch erfundene ausreden verloren, nur weil ich in anfänglichen erklärungsgesprächen immer wieder von diesen ausgebremst worden bin mit den sätzen: ist doch gar nicht so schlimm und du hast doch nicht jeden tag getrunken....

    das ist ein teufelskreis und leider hängt man auch an die erinnerungen die man mit diesen leuten verbindet.....
    letztendlich tut es nur weh und ich versuche bis heute diese thematik immer wieder beiseite zu schieben und doch verfalle ich immer wieder ins stundenlange grübeln, da ich die sache nicht vernünftig abgeschlossen habe....

    eine riesige zwickmühle.....

    aber du hast recht vielleicht sollte das ein eigener thread werden....

  • Hallo Clara!

    Zunächt möchte ich dir sagen, dass Du einen tollen Schreibstil hast. Du liest Dich sehr interessant und formulierst toll. Ich würde mich freuen, mehr von dir zu lesen :)

    Bezüglich "Outen" hatte ich anfangs auch große Probleme. Ich habe dann aber im geschlossenen Bereich von einer Möglichkeit des Outens gelesen, mit der ich mich sehr gut identifizieren kann und die wunderbar funktioniert.

    Beispiel:
    Jemand fragt:
    "Trinkst Du denn nie Alkohol" oder "denn gar keinen Alkohol mehr?"
    Ich: "Nein, gar keinen."
    "Und warum nicht?"
    Ich: "Aus gutem Grunde." - Diese Worte mit einem entschlossenen, freundlichen Blick in die Augen des Gegenübers schaffen Klartext und laden nicht zu weiteren Diskussionen ein.

    Ich habe zu meiner eigenen Überraschung mittlerweilenauch recht oft sehr positive Reaktionen geerntet, wie etwa: " Toll" oder "Das ist super" .... "eigentlich trinke ich ja auch oft mehr als ich eigentlich wollte..."
    Dann nicke ich meist nur freundlich und das Thema ist für mich beendet.
    Ansprechpartner für Diskussionen sind lediglich mein Arzt, meine beste Freundin und selbst Betroffene.

    Ich lass Dir einen lieben Gruß da und wünsche Dir einen schönen Tag.
    Paula

  • Hallo Clara,
    wenn Du offen darüber sprichst, daß du nicht mehr tirnken willst, machst du in meinen Augen etwas wichitges.
    Du nimmst Dir selber die Möglichkeit, nach ner Weile so zu tun, als sei nichts gewesen.

    Ob andere dich so sehen, ob sie mehr trinken, ob sie Deinen Entschluß gut finden, ist zweitrangíg.

    Übrigends, eine gute Entscheidung, in den gschlossenen Teil zu wechseln.

    Gruss Frank

  • Hallo Clara,

    ich bin ja auch noch sehr neu hier, jedoch ist das Thema des Gesprächs mit dem Umfeld über die Abstinenz wohl gerade am Anfang akut.

    Ich habe da derzeit wenig Probleme, da wir sehr wenig weggehen und ich bislang (Tag 11) gar nicht in "erklärungsbedürftige" Situationen kam. Ich für mich werde jedoch differenzieren zwschen, Menschen, die es angeht und Menschen, die es nicht angeht. Wenn ich der Meinung bin, dass es sich um jemanden handelt, mit dem ich meine persönlichen Themen nicht besprechen würde, würde ich meine Grundsatzentscheidung, abstinent zu leben, wahrscheinlich gar nicht mitteilen. Ich habe da relativ leicht reden, da es in meinem Umfeld auch gar nicht so auffällt, wenn man nichts trinkt.

    Manchmal denke ich, dass es bei mir auch ein "Altersthema" ist. Während des Studiums wäre es bei mir auch etwas ganz anderes gewesen, diese Entscheidung zu treffen und umzusetzen. Hut ab davor, dass Du das schaffst ! Bei uns gab es immer Leute, von denen wusste man, die trinken was und andere trinken eben nichts. Ich habe eine Freundin, die trinkt nie Alkohol, hat sie noch nie gemacht und es fällt eigentlich gar nicht auf. Ich fiel eben in die Kategorie "trinkt ganz gerne und gerne auch mehr", so dass eine Abkehr Fragen aufgeworden hätte. Die Frage, die ich mir stelle ist, ob man wenn man seine Entscheidung fernstehenderen Menschen mitteilt, auch immer die Motivation (Alkoholiker) mitteilen muss, oder ob es auch "zulässig" wäre, zu sagen, dass man eben nicht mehr will z.B. weil man sich schlecht dabei fühlt, die gesundheitlichen Aspekte sieht oder ähnliches. Wenn jemand aufhört zu rauchen, wird doch auch Anerkennung gezollt und nicht blöd nachgefragt - geschweige denn eine Zigarette angeboten.

    Die Diskussion, ob man nun Alkoholiker ist oder nicht, kenne ich leider auch. Auch hier würde ich die Kraft und Mühe der Erklärung auf die Menschen beschränken, die mir wichtig sind. Ich versuche es in der Regel so zu erklären, dass die Menge unwichtig ist, da der Konsum des Suchtmittels eine Tätigkeit (man trinkt Alkohol) und die (Suchtmittel-) Abhängigkeit eine Eigenschaft des Menschen ist, die er (egal wo sie herkommt) nicht wieder los wird. Viele Menschem konsumieren, sind aber nicht abhängig. Viele konsumieren (vielleicht auch weniger als andere) und sind abhängig. Man muss diese beiden Punkte differenzieren. Nur den Konsum zu vergleichen ist falsch.

    Wovor haben Deine Frende denn Angst, wenn Du keinen Alkohol mehr trinkst - abgesehen von der möglichen eigenen Erkenntnis und Konfrontation ? Bist Du nur dann deren Freundin oder deren passende Freundin, wenn Du trinkst ? Das ist aber nicht Dein Problem, sondern das Problem Deines Umfeldes, welches Dich doch auch nüchtern akzeptieren sollte. Versuche, Dich nicht runterziehen zu lassen. Es ist eine positive und absolut anerkennenswerte Entscheidung keinen Alkohol mehr zu konsumieren - vorallem für Deine Zukunft. Ich bin im Moment oft traurig, dass ich es nicht früher geschafft habe und ich mir jahrelang etwas vorgemacht habe.

    Soviel zu meinen Gedanken. Ich wünsche Dir einen schönen Tag - und bis bald.

    Wille

    Wille2011

  • Zitat von claro

    Hallo Clara,
    wenn Du offen darüber sprichst, daß du nicht mehr tirnken willst, machst du in meinen Augen etwas wichitges.
    Du nimmst Dir selber die Möglichkeit, nach ner Weile so zu tun, als sei nichts gewesen.

    Ob andere dich so sehen, ob sie mehr trinken, ob sie Deinen Entschluß gut finden, ist zweitrangíg.

    Übrigends, eine gute Entscheidung, in den gschlossenen Teil zu wechseln.

    Gruss Frank


    ja, das ist richtig und sehr wichtig.
    Meine Erfahrung in diesem Jahr der Trockenheit ist aber auch dass es KEINEN, wirklich nicht eine Person in meinem engeren Umfeld bis jetzt gab, die mich jemals gefragt hätte : "cool dass du nichtmehr trinkst; und wie schaffst du das ? " Es wurde nur auf die eigene natürlich selbstverständlich nicht vorhandene Suchtproblematik hingewiesen.
    Qualmend und mit einem Gläschen Aperol oder Sekt in der Hand, das ist ja kein Alkohol.....
    Da konnte ich nur aufstehen und gehen.
    Verstanden, b.z.w. zugehört hatten mir bisher nur ausschließlich trockene Alkoholiker,
    meine beiden erwachsenen Kinder, die sich extrem mit ihrem eigenen Trinkverhalten beschäftigen und mein Arzt
    der mich fragte ob ich anderen Alkoholikern in seiner Praxis weiterhelfen könnte.

    Deshalb schrieb ich an Clara

  • sorry, hatte die Absenden - Taste gedrückt.
    Deshalb schrieb ich an Clara, dass es nicht notwendig ist sich jedem x-Beliebigen zu outen, b.z.w. sich rechtfertigen zu müssen warum und wieso sie nichtmehr trinkt.
    Da wo es wirklich notwendig ist, klar und offen sein Problem zugeben zu müssen, das weiß jeder Alkoholiker mit Sicherheit ganz genau
    oder er kommt mit der Zeit schon drauf.

    Grüße

  • Hallo liebes Forum,

    ich war einige Zeit nicht da, da ich mit meinem Sohn im Krankenhaus war.
    Seitdem ich wieder zu Hause bin geht es mir körperlich und psychisch schlecht, ich bin ausgelaugt und habe das gefühl, dass "irgendetwas mit mir nicht stimmt." entsprechend oft meldet sich auch das suchtgedächtnis, gestern abend war es besonders schlimm. ich merke, dass ich so fertig bin, dass ich eine möglichkeit suche, aus meiner momentanen situation zu entfliehen, und dabei schiebt sich mir wieder ständig der gedanke an alkohol in den weg.

    heute morgen hatte ich wieder einen termin bei der suchtberatung, und habe nun die unterlagen für eine ambulante reha. seitdem geht es mir etwas besser, auch das lesen hier im forum hilft meinem momentan sehr trägen verstand dabei, mich an die bereits erarbeiteten einsichten zu erinnern.

    ich versuche, der situation auch etwas positives abzugewinnen, indem ich sage: nun ist eine schwere lebenslage und die musste früher oder später kommen, und es ist wichtig, zu lernen, wie man nüchtern damit umgeht.
    trotzdem (das kann zwar selektive wahrnehmung sein, keine ahnung) habe ich den eindruck, dass es eigentlich, abgesehen von meinen ersten beiden wochen trockenheit, noch nie schlimmer war.

    möchte später noch auf die antworten von letzte mal eingehen,

    liebe grüße
    clara.

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