Dann versuche ich es jetzt mit eigenem Thread. Hoffe, dass das funktioniert.
Guten Morgen zusammen,
da ich mein erstes Jahr Trockenheit noch nicht komplett vollhabe (was in dem anderen Thread ja als Voraussetzung angeführt ist), schreibe ich hier kurz was zu mir:
Bin seit einigen Monaten 50 (hatte vor zwei Jahren noch Zweifel daran, ob ich dieses Datum überhaupt erleben werde), lebe im Raum Köln/ Bonn und habe innerhalb von ca. vier Jahren so um die 40 klinische Entgiftungen hinter mich gebracht. Zzgl. zwei Therapien.
Das, was mir Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter alles erzählt haben, war natürlich richtig, und ich hatte es auch verstanden (Alkoholiker zu sein, bedeutet ja nicht notgedrungen, dass man nichts mehr checkt), aber es verfing irgendwie nicht bei mir. Obwohl ich wusste, dass der erste Schluck Bier (damit geht es bei mir immer los) zwangsläufig den nächsten Klinikaufenthalt nach sich zieht, habe ich immer wieder getestet, ob es evtl nicht doch funktionieren könnte. Nach einer Woche war ich dann schon wieder beim Wodka - den ich dann trinke wie Bier. Also direkt aus großen Gläsern - und einige Tage später entweder aufrecht (wenn es halbwegs gut lief) oder per Liegendtransport im Krankenhaus. Beim letzten Mal vier Tage auf der Intensivstation. Das war selbst für mich ein (trauriger) Rekord. Die Ärzte erklärten mir, dass es haarscharf gewesen sei und ich beinahe abgekratzt sei. Ich dachte damals: "so what? Beinahe ist halt nur beinahe" und war mir unsicher, ob ich mit dem Trinken dieses Mal aufhören würde.
Als ich aus der anschließenden Entgiftung rauskam, habe ich angefangen, mein Leben in kleinen Schritten umzubauen. Und tageweise gedacht. Ich war am Anfang schon froh, den ersten Tag draußen ohne Alkohol hinter mich gebracht zu haben. Dann waren es 48h, dann eine Woche, ein Monat, etc. bis es sich heute zu knapp einem Jahr aufaddiert hat.
Suchtdruck iSv von "Druck" verspüre ich nicht. Allerdings erwische ich mich mitunter, dass ich entweder Durst auf ein Bier bekomme (Kunststück, habe das Zeug knapp 30 Jahre lang täglich getrunken) oder gar davon träume. Diese Gedanken kann ich aber ausschalten. So wie bis vor einem Jahr Alkohol fest mit vielen meiner Freizeitaktivitäten verknüpft war, so lautet heute die Assoziation: "Ein Schluck Bier = Intensivstation". Und da ich da ums Verrecken nicht mehr so schnell hin möchte, ziehe ich seitdem die Abstinenz vor. Mittlerweile kann ich sogar auf sommerlichen Grillparties "nein" sagen, wenn mir ein Kölsch angeboten wird. Das waren früher Hochgefahrengebiete für mich. Versuche aber ansonsten, Gefahrenzonen (bspw Kneipen und Bars) eher zu meiden. Das wirkt dann auf andere mitunter eigenbrötlerisch; ist mir aber egal. Ich habe in meinem Leben genug Party gefeiert.
SHGen habe ich in meiner Dauerrückfallzeit oft besucht. Auch einige von denen getestet. Dabei viele nette Menschen kennengelernt. War auch bei therapeutischen Gruppenrunden und Einzelgesprächen bei Psychologen. Hat mich alles (leider) nicht vom Trinken abgehalten. Weil ich es eben gegen die Vernunft trotzdem tat. Der letzte KH-Aufenthalt mit dem Hinweis des Arztes, "beim nächsten Mal sind Sie wahrscheinlich tot", hat mich wachgerüttelt. Das war mein entscheidender Meilenstein, der mich dazu brachte, den Stoff in Zukunft zu meiden wie der Teufel das Weihwasser.
Und trotzdem bin ich mir natürlich darüber im Klaren, dass Trockenheit ein Tagesgeschäft ist. Der Rückfall lauert an jeder Ecke. Es wird zwar aus meiner Beobachtung heraus zum einen einfacher, dem Druck zu widerstehen, zum anderen wächst aber latent der Faktor Leichtsinn an. Zu dem ich als Rheinländer zugegebenermaßen neige. Noch habe ich den Griff. Hoffe, dass das auch noch eine Zeit lang anhält. Genieße es nämlich mittlerweile, morgens frisch aus dem Bett zu steigen und nicht mehr stündlich an die Besorgung neuer Vorräte denken zu müssen.
So viel fürs Erste von mir. Bin ja noch brandneu hier im Forum und will nicht sofort alle mit meiner Lebensgeschichte zutexten.
Wünsche allen ein schönes und sonniges WE!
vg Caligula