• Das sehe ich im Grunde genommen genauso, nur bin ich ja nicht mehr so ganz am Anfang. Meine Entgiftung ist schon fast ein halbes Jahr her, zwischenzeitlich habe ich monatelang nichts getrunken, da hätte ich wenigstens bei meiner engeren Familie reinen Tisch machen müssen. Wir verstehen uns alle sehr gut, die "Beichte" wäre also auch kein Supergau gewesen, sondern ich hätte Unterstützung erfahren, die ich in den letzten Wochen gut hätte gebrauchen können. Ich habe ja auch bei meinen Eltern "kontrolliert getrunken". Hätten sie von meiner Krankheit gewusst, hätte ich in ihrer Gegenwart nicht trinken können.

    Aber ich verstehe wie du das meinst Rattenschwanz. Freunden oder Bekannten werde ich in meiner jetzigen Situation nichts davon erzählen. Auch auf der Arbeit nicht, diesen "Stempel" würde ich momentan nicht ertragen.

    LG
    Kate

  • So beim Lesen hier, ging mir grad durch den Kopf, dass der Mensch doch schon sehr ver-gesslich ist und – meiner Meinung nach – noch schneller vergisst, was in seinem Leben schei.ße gelaufen ist. Wenn ich an meine Armeezeit denke, dann in erster Linie an die lustigen Zeiten, an die Bestrafungen zum Beispiel erst ganz weit hinten. Oder an die Zeit vor meiner ersten Langzeittherapie, das mag jetzt manchem blöd vorkommen aber da denk ich zuerst nicht an die letzten Wochen in denen ich nur noch vom ersten Schluck aus einer Flasche Weinbrand bis zum letzten am Leben war und das zog sich von Flasche zu Flasche zu Flasche. Irgendwann bekam ich davor Angst, dass es nicht genug Alk für mich auf der Welt geben könnte und musste deshalb noch mehr und schneller saufen bis eben ein – einer von vielen – für mich persönlich temporärer Endpunkt erreicht war und ich in die Anstalt gekrochen bin. Nein, ich denke zuerst an die Tage an denen das Saufen manchmal auch richtig Spaß gemacht hat – mir jedenfalls. Ich war ja nun allein in meiner eigenen alleinigen Wohnung in der mich niemand kontrollierte, ich musste nicht arbeiten und hatte auch noch „Kohle“. Was ich machte, das war völlig egal, niemandem musste ich Rechenschaft ablegen. (Nur mal so nebenbei: Diese relative Unabhängigkeit von anderen Menschen hat mich damals zu einem egoistischen Ar.schloch gemacht, anders egoistisch als heute.) Und so konnte ich früh noch in einem relativ angenehmen „Tran“ aufstehen, als erstes einen richtigen Schluck aus der Pulle nehmen, danach natürlich gut gelaunt duschen, was essen und mich vor den Computer setzen. Vor allen Dingen – und darum beneide ich mich von damals bissl – gingen mir alle Probleme irgendwo am Ar.sch vorbei. Dass die ganze Sache schon damals für mich nicht mehr kontrollierbar war – was ich aber in meinem Suff nie bezweifelte – kann ich tatsächlich für Augenblicke ausblenden. Gefährlich, ich weiß. Angenehm – und deshalb denke ich daran gern zurück – waren für mich beide LZT. Ja, jetzt kommt wieder, dass es ja aber damals nicht für eine lange Trockenzeit gereicht hat, das stimmt. In meinem Kopf war noch nicht alles klar aber dort hab ich mir mein Rüstzeug abholen dürfen, welches mir jetzt schon eine ganze Zeit hilft, trocken zu bleiben. Ja, ich lese sehr oft in meinen alten Therapieaufzeichnungen (Tagebücher, Suchtbericht u. s. w.) auch wenn das alles lange her ist, liegt das Zeug griffbereit. Vor allen Dingen, wenn ich der Meinung bin, dass es mir gerade mal wieder zu gut gehen könnte, greif ich zur Lektüre und kann mich damit gut „wieder runter holen“. Also insofern haben die LZT eben doch was gebracht, wenn auch nicht das sofortige Tro-ckensein.

    Über Freunde habe ich heute hier im Forum auch was gelesen. Ich hab hier auch keine Freunde und ich weiß gar nicht so richtig, ob ich überhaupt einen will. Wie schon geschrieben, der beste Freund, den ich hatte, der hat sich 2008 tot gesoffen. Bester Freund, auch so ein Blödsinn – entweder Freund oder nicht. Überhaupt wird – meiner Meinung nach – mit dem Begriff Freund inflationär um sich geschmissen. Ein Freund ist doch keiner, mit dem ich mal zum Sport gehe oder mit dem ich mal über Fußball quatschen kann – zum Beispiel. Mit einem Freund muss ich über alles reden können, auch darüber, dass ich vielleicht mal irgendwo keinen „hoch“ gekriegt habe – oder nicht? Den muss ich nachts um Vier anrufen können wenn ich nicht schlafen kann, für den muss ich bereit sein auf mein persönliches Wohl zu verzichten damit es ihm gut geht und so weiter … So was find ich doch nicht, wenn ich danach suche, das muss sich ergeben. Bei meinem Freund hab ich versagt – denk ich mal. Seit ich 2004 weggezogen war, haben wir nur noch telefoniert und ich hab nicht mitbekommen wie dreckig es ihm ging. Kann ich jetzt auch nicht mehr ändern.

    Ansonsten war ich Gestern beim Chirurgen, nun wird meine Schulter bald aufgeschnitten, die Knochen werden abgefräst und zwei angerissene Sehnen wieder zusammen genäht. Wird schon nicht sooo schlimm werden.

  • Hallo Rattenschwanz

    Zitat

    So beim Lesen hier, ging mir grad durch den Kopf, dass der Mensch doch schon sehr ver-gesslich ist und – meiner Meinung nach – noch schneller vergisst, was in seinem Leben schei.ße gelaufen ist.

    ist das nicht gut so ? Für mich ist das eine Schutzfunktion für das heutige Leben . Leider kann das leider bei einem Alkoholiker schon wieder der Anfang vom Ende sein . Wenn er die Krankheit vergisst.


    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Eben, deswegen ist es auch wichtig, sich die schlechten Zeiten immer mal wieder ins Gedächtnis zu rufen oder rufen zu lassen. Gestern Abend war ich bei der realen Selbsthilfegruppe, es war wieder Extremerinnern. Hab ich glaube schon mal geschrieben, dass zu uns jede Woche Leute aus der Entgiftung zum "Schnupperkurs" geschickt werden. Manchmal gehts ja aber Gestern waren eben wieder paar Extremfälle dabei. Da wirste dran erinnert und wie.

  • Moin Rattenschwanz,

    Deine Auffassung von Freundschaft teile ich vollkommen, aber findste es tatsächlich blödsinnig, wenn ich von einem „besten Freund“ rede/schreibe?
    Ich bin ja nun eine Frau und wenn ich nicht verheiratet bin, bezeichne ich meinen Partner als „meinen Freund“. Mein „bester Freund“ ist aber nicht mein Partner und wird es auch nie sein, denn diese Freundschaft würde ich mir nicht versemmeln. Um da keine Mist-Verständnisse aufkommen zu lassen, benutze ich diese Bezeichnung.
    Viel wichtiger aber ist, dass ich meine Freunde sehr mag und schätze, denn sonst wären sie nicht meine Freunde, aber nur mit einem von ihnen würde ich auch tatsächlich zusammenziehen - denn das ist nochmal ein ganz anderer Schnack - und das ist dann eben der „beste“ Freund.
    Wenn Du die Bezeichnung jetzt immer noch blödsinnig findest, würde ich mich freuen, wenn Du mir raten könntest, wie ich ihn stattdessen titulieren könnte.

    Gruß und einen entspannten Tag
    Katha

  • Ja Katha aus deiner Sicht der Dinge ... gut und für mich auch verständlich. Da ich meinen Freund aber nie heiraten wollte, war er für mich eben mein Freund, die anderen waren Kumpel's und keine weniger besten Freunde. Einverstanden?

  • Ich lese immer wieder, dass irgendwas grad schei.ße ist, dass das aber mit der Trockenheit schon besser werden wird. Das liest sich – für mich - manchmal so: Ich warte mal auf die Trockenheit und dann gibt‘s den Sack mit den Problemlösungen dazu. Den Sack gibt es nicht und mit der Trockenheit kommt nichts automatisch. Da ist viel Kampf und Krampf und Erschrecken aber eben auch viel Erkenntnis und Freude auszuhalten, ja auch Freude muss der/die Säufer/in erst mal wieder lernen aushalten zu können. Alles ni so einfach. Das ist aber auch das Gute an der ganzen Phase – so beschis.sen die auch manchmal ist -, dass zeitweise gar keine Zeit da ist, um an das Saufen zu denken.

    Aber – und jetzt kommt die Eigenverantwortung ins Spiel – mit bissl gutem Willen ist trocken viel machbar. Ni alles aber viel.

  • Guten Morgen Rattenschwanz,

    hab deinen Thread grade aufmerksam durchgelesen.
    Muss schon sagen, für mich sind viele deiner Ansichten absolut zutreffend, manche weniger und nochmals Andere unverständlich.
    ABER, das ist genau der Punkt den Du - so finde ich - richtig gut beschreibst & rausarbeitest.
    Wir haben ALLE die gleiche Krankheit & das gleiche Ziel.
    Das war´s dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Wir sind ALLE grundverschieden, unser Leben, der Suchtverlauf & der Zeitpunkt sich HILFE zu nehmen. Und da sehe ich auch, dass es unterschiedliche Vorgehensweisen gibt.
    Bin ja grad mal "Frischling", und verstecke mich auch zurzeit vor jeder Konfrontation mit Alk.!
    Du beschreibst das aber richtig Gut - aus meiner Sicht - man kann nicht ewig davor weglaufen !! Der Alk. ist absolut überall, und die Menschheit wird sich für mich nicht ändern. ICH muss damit klar kommen !! Ich werde mich sicher nicht vorsätzlich einem Risiko aussetzen und z. Bsp. eine reine Saufkneipe besuchen - habe ich zuvor ja sowieso auch nicht gemacht.
    (Ich hätte dein Grillfest zuhause so nicht gemacht!)
    Da hab ich auch schon das erste Problem - Orte meiden an denen ich viel getrunken habe !!! Kann aber mein ZUHAUSE nicht meiden - und werd´s auch nicht abreissen, hab´s grade 1 1/2 Jahre mühevoll gebaut !!
    Finde Du stellst auch die Individualität einer Person in den Vordergrund, mir gefällt´s !!
    Will aber auch noch sagen, das ich Allen Leuten hier, die sich die Mühe machen & sich Zeit nehmen ALLEN Hilfsbedürftigen eine breite Plattform an Erfahrungen & Hilfen bereitzustellen, ein großes Dankeschön sagen möchte.

    Viele Grüsse

    Wenn Du die FREIHEIT liebst, kannst Du dich nicht von einer Sucht GEFANGEN nehmen lassen !

  • glück auf rs

    ich "zitiere" ja gerne - bei deinem letzten beitrag müsst ich alles markiern ...
    genau so is das. dafür gibt’s n apfel (vom baum der erkenntnis).

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo Rattenschwanz,

    Zitat

    ja auch Freude muss der/die Säufer/in erst mal wieder lernen aushalten zu können.

    Das ist beispielsweise für mich ein ganz wichtiger Punkt gewesen.

    Ich habe meist aus Stress gesoffen.
    Oder um Schönes noch zu toppen.
    Ich war keine Problemtrinkerin, denn ich hatte gar keine wirklichen Probleme.
    Ich hatte eine liebe Tochter und einen lieben Partner.
    (Habe ich ja immer noch :) )
    Ich hatte einen guten Job, Haus, Auto und alles, was man sich so wünscht.
    Und TROTZDEM bin ich alkoholkrank geworden !
    Das alles schützt davor nicht.

    Als ich trocken wurde, wurde nicht gleich alles wieder supi.
    Ist ja klar.
    Aber ich konnte trocken tatsächlich meine Schwierigkeiten besser angehen, bzw. überhaupt erst wieder.
    Ich nenne mal ein ganz banales Beispiel:
    Ich ging kaum noch persönlich zur Bank, weil es mir oftmals so schlecht von der Sauferei ging.
    War froh, wenn ich erstmal irgendwo hin kam, wo ich an Stoff komme.
    So schlimm war das am Ende bei mir.
    Und ich hatte direkt Angst, das ich keinen Überweisungsträger ausfüllen kann aufgrund von Händezittern.
    Also vermied ich das. Und VIELES mehr !
    Ich drückte all diese Dinge immer mehr meinem Mann auf.
    Nicht alles von heute auf morgen, aber kontinuierlich immer mehr.

    Als ich trocken wurde, konnte ich diese ganz alltäglichen Dinge wieder selbstständig erledigen und war sehr stolz darauf.
    So half mir im Endeffekt doch die Trockenheit, Schwierigkeiten angehen zu können.
    Die allerdings auch nur durch die Sauferei entstanden sind :wink:

    Aber nochmal zu obigen Punkt:
    Ich merkte (als ich trocken wurde) das ich gesellige und lustige Runden oftmals durch Alk noch getoppt hatte.
    Und da lag ein ganz großer Gefahrenpunkt bei mir !
    Ich bekam auch mal Saufdruck in geselliger Runde mit der Verwandschaft, ohne das auch nur ein Tropfen Alk von den anderen konsumiert wurde.
    Ich lernte im Grunde erst hier, das es sowas auch gibt und mitunter auch andere betrifft.
    Von daher stimmt Deine Aussage für mich 100%.

    LG Sunshine

  • Zitat von Sunshine_33


    Und ich hatte direkt Angst, das ich keinen Überweisungsträger ausfüllen kann aufgrund von Händezittern.

    Wenn ich das lese, hab ich eine Situation vor Augen für die ich mich jetzt noch schäme: Ich kam nach einer Kurzreise auf dem Bahnhof an und hatte auus verschiedenen Gründen über 24 stunden keinen Alk trinken können und zitterte dementsprechend. Meine Faru holte mich ab. Auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause, hielten wir bei einem Lebensmitteldiscounter an um noch etwas einzukaufen. Ich brauchte unbedingt Alk, konnte aber vor Zittern keine Flasche aus dem Regal nehmen. Ich bettelte meine Frau an mir eine Flasche zu kaufen. Sie hats gemacht, mit Tränen in den Augen.

  • Zitat von Sunshine_33

    Als ich trocken wurde, konnte ich diese ganz alltäglichen Dinge wieder selbstständig erledigen und war sehr stolz darauf.
    So half mir im Endeffekt doch die Trockenheit, Schwierigkeiten angehen zu können.

    Genau, trocken lässt sich vieles erledigen, was vorher nicht möglich war. Die Trockenheit ist eine große Hilfe wenn die Hilfe mit allen Konsequenzen angenommen wird. Dazu gehören eben auch schwierige Situationen die bewältigt werden müssen - seelisch, moralisch, körperlich ... mit bissl Willen wirds schon.

  • Hallo Rattenschwanz,

    ich denke, alle Alkoholiker, die so schwer drauf waren, kennen ähnliche Situationen.
    Natürlich schämt man sich dafür, ich tat es schon zu dem Zeitpunkt, als ich noch gesoffen habe.
    Denn das nix daran okay ist, war mir auch da schon klar.
    Und es tut mir auch heute noch leid, das ich meinen Mann (und sonst übrigens niemanden) bat, mir Alk zu besorgen.
    Und ihn damit auch einer Art Hilfslosigkeit und Traurigkeit aussetzte, wie sie wohl auch Deine Frau empfunden hat.

    Ich habe meinen Mann gleich nach meiner Entgiftung gefragt, ob er mir das denn alles verzeihen könne?
    Er sagte, das habe er schon an dem Tag getan, als ich mit dem Saufen aufhörte.
    Ich denke, meine Angehörigen haben auch sehr hautnah miterlebt, das ich wirklich keine Willensschwäche habe oder böse bin,
    sondern schwer alkoholkrank.
    Sie haben ja um mein Leben gebangt im KH bei meiner schweren Entgiftung.
    Und die Ärzte haben auch mit ihnen über meine Alkoholkrankheit gesprochen.
    So fiel es ihnen vielleicht leichter, meine Krankheit auch wirklich als solche zu sehen?

    Erst später habe ich begriffen, das vieles von meinem damaligen Verhalten ganz typische Symptome meiner Krankheit sind.
    Da konnte ich mir auch selbst verzeihen.
    Ich glaube, meine Angehörigen hatten mir eh viel eher alles verziehen als ich selbst.
    Heute fühle ich mich nicht mehr schuldig für das, was damals geschah.
    Ich handelte so, weil ich im nassen Stadium meiner Krankheit war.
    Leid tut mir trotzdem manches noch, vielleicht empfinden das einige hier nun als Widerspruch.
    Für mich persönlich ist es allerdings keiner. :wink:

    LG Sunshine

  • Schuldig fühle ich mich auch nicht, weil ich ja nun die Familie und Bekannte nicht bewusst mit Absicht geärgert habe - es ging eben damals ni anders und fertig. Um so mehr freue ich mich darüber, dass meine Frau an meiner Seite wieder glücklich ist und ich das auch merke.

    Sie hat damals viel in der Suchtfibel gelesen und auch damals schon manchmal zu mir gesagt, dass sie weiß, dass ich krank bin und zur Zeit nicht anders kann. Dafür bin ich dankbar.

    Das bedeudet allerdings nicht, dass ich nun jetzt vor lauter Dankbarkeit immer das mache was sie will.

    ;)

  • Zitat

    Das bedeudet allerdings nicht, dass ich nun jetzt vor lauter Dankbarkeit immer das mache was sie will. :wink:

    Ich glaube, wenn ich alles machen würde, was mein Mann sagt, wäre das für ihn ein Scheidungsgrund.
    Anders herum genau so :lol:

    LG Sunshine

  • Zitat von Sunshine_33

    Erst später habe ich begriffen, das vieles von meinem damaligen Verhalten ganz typische Symptome meiner Krankheit sind.
    Da konnte ich mir auch selbst verzeihen.
    Ich glaube, meine Angehörigen hatten mir eh viel eher alles verziehen als ich selbst.
    Heute fühle ich mich nicht mehr schuldig für das, was damals geschah.
    Ich handelte so, weil ich im nassen Stadium meiner Krankheit war.

    Hallo Rattenschwanz,

    ich will hier nicht deinen Thread missbrauchen, aber Sunshines Worte gehen mir gerade sehr nahe. Ich mache mir viele Gedanken über die Vergangenheit und bin noch lange nicht an dem Punkt angelangt, dass ich mir selber verzeihen könnte. Es tut mir alles so leid, dass ich meine Familie lange Zeit angelogen habe, dass ich manchmal nicht richtig für meine Tochter da sein konnte, dass ich überhaupt in den ganzen Mist reingerutscht bin. Sunshine, ich verdrücke gerade ein paar Tränen und hoffe, dass ich mir das alles irgendwann auch verzeihen kann.

    LG, Ina

  • Manchmal frag ich mich, ob dieses ganze durchtherapieren überhaupt Sinn macht oder für Irgendjemanden gut ist – außer für den Geldbeutel des Therapeuten.

    Ich hab selten gelesen, dass es Therapiewilligen gut dabei geht, wenn Sie in Ihr – angeblich – Innerstes sehen wollen, können, sollen, dürfen … was auch immer. Ich schreib jetzt nicht von irgendwelchen Missbrauchsopfern oder so, nein, von Alkoholikern. Was bringt mir das, wenn ich erfahre – oder mir eher jemand einredet – dass ich aus irgendeinem Grund, der meistens irgendwo in der Kindheit/Jugend liegt, gesoffen habe? Das ist vielleicht für einen 18 bis na ja, so 30 Jährigen interessant aber dann?

    Zum größten Teil – denk ich mal – ist es doch so, dass die/der Therapierende denkt: Was ist das denn wieder für eine Schei.ße. Und sich richtig elend dabei fühlt und – ich will den Teufel mal an die Wand malen – sich vor Schreck erst mal einen Schnaps genehmigt, weil sie/er das ganze Leiden überhaupt nicht aushalten kann, überhaupt nicht gelernt hat so was auszuhalten. Gehört das zum Leben unbedingt dazu so was auszuhalten, aushalten zu müssen? Ich denke: Nein.

    Bei all den Therapieversuchen, die ich – freiwillig – über mich ergehen lassen habe und das zum größten Teil auch gern, hab ich mir immer Hintertüren offen gelassen und hab auch nie alles erzählt. Ich hab die Therapien eher so als bezahlten Urlaub mit Vollpension unter Einhaltung bestimmter Regeln – die mir nach den Extremsaufzeiten auch ganz gut taten - gesehen. Und dort wäre ich im Leben nicht auf die Idee gekommen auf Knopfdruck mein Leben auszuschütten. Nö, schön dosiert und kontrolliert und alle waren zufrieden. Alles erzählt oder geschrieben, hab ich irgendwo Irgendwem wenn mir so war und ich das Gefühl hatte, dass die/der/das Gegenüber auch wirkliches Interesse dafür zeigte, Interesse an mir als Mensch und nicht an mir als zu Therapierender. Und da hab ich auch nicht erzählt um irgendwelche Hilfestellungen zu bekommen, sondern um es eben zu erzählen weil mir grad so ist, aus purem Egoismus sozusagen. Ist vielleicht auch Therapie aber eher unbewusste und ohne dem Ziel, nun unbedingt den Punkt überhaupt zu suchen. Und dabei ging mir’s ganz gut.

    Mal ganz ehrlich, in die Tiefen unseres Lebens haben wir – also ich auf jeden Fall – doch sowieso schon jedes Mal geblickt wenn wir uns die nötigen Drehzahlen angesoffen hatten und das oft genug. Das war besoffen schon beschi.ssen und das soll ich mir jetzt nüchtern noch mal antun?

  • Moin Karsten.

    Genau, dein Beispiel mit dem Selbstbewusstsein zum Beispiel, da muss dann theoretisch heute nicht mehr dran rumgedoktert werden. Und wenn das Selbstbewusstsein nach 30 Jahren immer noch fehlt, da brauch ich dann wahrscheinlich auch keinen Therapeuten mehr dazu, das festzustellen, dass das fehlt. Denk ich mal.

    Aber: Eben, dass muss am Ende jeder selbst für sich entscheiden, ob ja oder nein.

  • Hallo Rattenschwanz,
    ich kann Deine Gedankengänge gut verstehen und sehe vieles ähnlich. :wink:

    Zitat

    Manchmal frag ich mich, ob dieses ganze durchtherapieren überhaupt Sinn macht oder für Irgendjemanden gut ist – außer für den Geldbeutel des Therapeuten.

    Für den Geldbeutel des Therapeuten isses schonmal super.
    Und darum wird ein Therapeut sicher auch immer versuchen, seine Klienten an sich zu binden.
    Ich schreibe hier mal absichtlich nicht Patienten, denn ich denke, viele sind gar keine, sondern werden erst dort zu welchen gemacht.
    Ich sehe (auch hier) Leute, die schon jahrelang in Therapie sind und frage mich, wo sind denn bitte die Ergebnisse?
    Wie und wo und was hat hier denn konkret wirklich geholfen? Oder soll man etwa gar nicht wirklich gesunden? 8)
    Würde ja Geldverlust für den Therapeuten bedeuten, also versuchen wir es doch lieber nochmal mit dieser oder jener Art von Therapie...
    Sorry, aber ich traue dieser Sache nicht, und das auch nicht ohne Grund.
    Es gibt genug Hinweise und auch Fakten, das hier Menschen oftmals ausgenutzt wurde, und das auch nicht nur finanziell.
    Ein befreundeter Therapeut sagte mir übrigens mal, das man im Grunde auch immer sich selbst mittherapiert.
    Och, dafür will ich persönlich aber nun wirklich nicht herhalten. :P
    Die sollen sich lieber selbst n Therapeuten dafür suchen. :P

    Ich möchte aber auch nicht jede Therapie grundsätzlich abwerten. Es gibt sicher Menschen, denen sie helfen.
    Viele können sich aber auch ganz gut selbst helfen, und das hier ist ja auch ein SELBSTHILFE-Forum.
    Darum halte ich nicht für grundsätzlich nötig, das jeder Alkoholiker auch ne Therapie bekommt
    Im übrigen kenne ich halt auch 2 Therapeuten seit Jahrzehnten persönlich und ich sehe, das da ebenso gescheiterte Beziehungen sind, persönliche Probleme, die sie nicht in den Griff bekommen und vieles mehr.
    Und solche Leute wollen mir sagen, was ich besser (Ich schreibe jetzt hier mal vereinfacht"besser machen", mir ist trotzdem bekannt, das ein Therapeut wie ein Begleiter oder Trainer sein soll und piapo)machen kann?
    Aha, is ja interessant. :lol:
    Tut mir leid, mir mir funzt sowas einfach nicht.

    Ich schaue lieber bei Menschen nach, die selbst schon vor bestimmten Problemen standen und wie sie die lösen konnten, damit umgehen konnten oder wie auch immer.
    Das ist mir persönlich einfach authentischer.
    So ist eine Selbsthilfegruppe mit ihren Menschen für mich halt einfach "glaubhafter", weil diese Menschen dort wirklich auch erlebt haben, worüber sie sprechen.
    Ich bin eben so. :lol:

    Zitat

    Mal ganz ehrlich, in die Tiefen unseres Lebens haben wir – also ich auf jeden Fall – doch sowieso schon jedes Mal geblickt wenn wir uns die nötigen Drehzahlen angesoffen hatten und das oft genug. Das war besoffen schon beschi.ssen und das soll ich mir jetzt nüchtern noch mal antun?

    Das war bei mir sicher ähnlich. Zumindest die letzten Jahre meiner Saufzeit.
    Ich bin einfach nur froh, das hinter mich gelassen zu haben.
    Und ich möchte jetzt einfach mein Leben so leben, wie ich es für richtig halte, weil ich es wieder kann.
    Und da lass ich mir auch von niemanden mehr reinquasseln.
    Ich bin zufrieden und oft auch glücklich.
    Zurück gesehen und reflektiert habe ich auch oft genug.
    Und allein durchs Schreiben hier tut man es ja auch immer mal wieder, wenn man bei den noch nicht so lange Abstinenten schreibt.
    Ich sehe das auch durchaus als Aufarbeitung der eigenen Geschichte, so "nebenbei".

    Karsten schrieb:

    Zitat

    Kaum kommt der Gedanke auf, dass man sich Gedanken über seinen Alkoholkonsum macht, sucht man einer Therapie oder einem Psychologen.

    Das ist mir gerade in letzter Zeit hier bei Frischlingen aufgefallen.
    Ich will das gar nicht schlecht reden.. aber irgendwie finde ich es auch komisch, muss ich zugeben.
    Wir sagen zwar, das man sich alle Hilfe holen sollte, stimmt ja auch.
    Aber warum traut man denn einem Psycho im Endeffekt mehr zu als einer SHG mit Menschen, die das alles doch selbst erlebt haben?
    Therapeuten sind auch nur Menschen, mit eigenen Problemen, Schwierigkeiten und auch Unfähigkeiten.
    Hm... versteh ich halt auch nicht. Aber muss ich ja auch nicht. :wink:

    Und nö, das Thema ist hier nicht besonders beliebt.
    Und wenn man persönlich nicht viel von dem ganzen Thera-Kram hält, wird man sich hier auch nicht grade Freunde machen. :wink:
    Aber soll mir egal sein, darum bin ich auch nicht hier.
    Das hier ist für mich auch irgendwie schon ne andere Welt, als die, in der ich mich sonst aufhalte.
    Da kenne ich zwar auch Leute, die mal ne Thera gemacht haben oder machen, aber es sind in meinem Bekanntenkreis eher wenige.
    Darum fällt es mir hier wohl auch umso mehr auf, wie viele ne Thera machen. Hm.

    LG Sunshine

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