Falsche Wahrnehmung?

  • Hallo Pilsum!

    Ich kann natürlich nichts über deinen Freund sagen, aber ich kenne aus meiner ehemaligen Ehe mit einem Alkoholiker den Fakt, dass nach einer Horrornachricht der Alkohol für einen bestimmten Zeitraum stehen gelassen werden konnte. Diese Rauch und Trinkpausen gab es in den fast fünfzehn Jahren immer wieder mal. (Meistens nach erschreckenden Blutwerten oder wenn ich ausgetilt bin)
    Das war recht fatal - ich dachte dadurch: Siehst du, alles halb so wild. Und er wahrscheinlich auch.

    Letztlich waren es dennoch nur Pausen, nichts was getragen oder zur Trockenheit geführt hätte.
    Meistens haben keine Stresssituationen zum erneuten Trinken geführt, sondern das Verstärken einer positiven Sache (Party oder so) mit dem Hintergrund: Ich habe ja bewiesen, dass ich es jederzeit wieder lassen kann und nu lass mir doch meinen Spaß, du alte Ziege :D

    Beobachte es und lass dich nicht so leicht beruhigen, wie ich es gemacht habe. Wenn dein freund Alkoholiker ist, ist er in professionellen Händen am besten aufgehoben - der Alleingang bewährt sich selten dauerhaft.

    Liebe Grüße und halt die Ohren steif

    ahoi

  • Hey Pilsum,

    inwiefern denn falsche Wahrnehmung? Wessen?

    Die Trinkpausen gab es bei meiner Mutter auch immer wieder, wenn sie mal wieder im Krankenhaus landete oder
    total abgestürzt ist.

    Dann war danach ein paar Tage Ruhe, mein Vater feierte in seiner Naivität ihre Gesundung und danach soff sie um so schlimmer weiter.

    Wie stellst du dir deine Zukunft vor und wie möchtest du denn leben?

    Viele Grüße,
    Zimttee

  • Hallo Pilsum,

    es gibt den sogenannten Tiefpunkt. An dem hört der Alkohokranken auf zu trinken oder der Partner sieht ein sich zu trennen. Dieser PUNKT ist bei jedem unterschiedlich.

    Frage ist, wie es Dir in der Partnerschaft geht und wie Dein Vertrauen in Deinen Partner ist. Indie Glaskugel sehen kann keiner. Es geht um Dein eigenes Gefühl,was Du jetzt empfindest, vor der Trinkpause empfunden hast und in Zukunft empfinden könntest - je nachdem was die ZUkunft bringt. Es geht um Dein Gefühl und was Du meinst was gut für Dich ist. Meiner meinung nach hört eine Alkoholkrankheit ja nicht von heute auf morgen auf. Auch wennjemand trocken wird ist er ja weiterhin alkoholkrank.

    Gruß
    Rhein

  • Hallo Pilsum,

    du beschreibst sehr gut den ganzen Gefühlswirrwarr, den Mitbetroffene oft haben. Also ich hatte das jedenfalls auch ähnlich, sagen wir mal so. Obwohl mein Ex sich kein Auto gekauft hat... Da ist auch eine Menge Verletztheit, weil, für dich hat er anscheinend nicht aufgehört...

    Was nun genau in deinem Partner vor sich geht, weiß ja hier niemand. Auch du weißt es nicht wirklich, wie du schreibst. Und das ist ja auch verständlich. Du kannst ja keinem in den Kopf gucken. Du kannst da mehr erfahren, wenn du mit ihm redest, das Gespräch suchst. Und er hoffentlich dazu auch bereit ist. Dann wäre es hilfreich, wenn beide Seiten offen und ehrlich ihre Dinge sagen.

    Du bist nun natürlich sehr verunsichert. Also hat das Vertrauen ja doch schon auch gelitten. Er hat sich nun ein Auto gekauft. Und du? Was kannst du dir Gutes tun? Ich meine, es muss ja nicht noch 'n Auto sein :wink: , was Gutes kannst du dir sicher auch anders tun.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo pilsum,

    Zitat

    Du hast vollkommen Recht damit, daß ich gerade in einem totalen Gefühlswirrwarr stecke. Tut mir leid, daß das auch noch so rüber kommt.

    Warum tut es dir leid? Das muss es doch nicht. Es sind doch deine Gefühle und die sind völlig ok in deiner Lage da jetzt. Ich finde es gut, dass du das auch so hier aufschreiben kannst. Denn da zeigt doch, dass du es auch erkannt hast, wie es dir geht.

    Ja, ich glaube es dir, dass es sehr schwer ist für dich. Zu sehen, wie es nun weiter gehen soll. Aber du musst doch auch nicht sofort eine Entscheidung treffen. Mach mal langsam. Manche Dinge ergeben sich von ganz alleine oder werden auf einmal ganz klar.

    Viele Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo pilsum,

    ich kann sehr gut Deine Gefühlslage verstehen. Wenn es in einer Partnerschaft ein Problem gibt, versucht man dahinter zu kommen und es zu lösen, am besten natürlich auch durch Gespräche mit dem Partner.

    Wenn der Partner dann über die Jahre alkoholkrank geworden ist, fällt das natürlich sehr schwer. Ich habe mich auch gefragt, ab wann ist das bei meinem Partner passiert, hätte ich das bemerken können und was hätte ich tun müssen. Ich war auch lange Jahre sehr naiv und je näher man sich einem Menschen fühlt, desto schwieriger ist es manchmal, objektiv die auftretenden Probleme zu sehen.

    Dazu kommt auch noch, dass Alkoholismus eine Krankheit ist, die sich meist schleichend verschlimmert und man die vielen kleinen Schritte Richtung Abgrund als betroffener Partner nicht bemerkt. Ich kann Dein Gefühlschaos gut nachvollziehen. Außenstehende denken vielleicht in erster Linie, dass zunächst mal dem Alkoholkranken geholfen werden muss, die Angehörigen kommen erst später. Das habe ich auch so gedacht, weil ich ja der Meinung bin, dass ich nicht soviele Probleme habe und auch noch relativ gesund bin.
    Ich habe auch versucht, meinen Partner zu verstehen und es ist mir nicht gelungen, auch weil die Erklärungen von seiner Seite nur sehr dürftig waren. Was ich als schlimm empfinde, ist , dass man oft seinen eigenen Empfindungen nicht mehr traut oder im schlimmsten Fall nicht mehr weiß, was man fühlen soll. Man hört in sich hinein und da ist nichts. Das hat aber nichts mit Depressionen zu tun sondern resultiert meiner Meinung nach aus den Aussagen und Lügen des Partners. Je geschickter diese rüberkommen, desto weniger glaubt man seinen eigenen Gefühlen.

    Ich finde es sehr gut, dass Du nach Dir schaust und Dich auf Deine Umwelt und Dein Erleben konzentrierst. Was ich hier aus dem Forum mitnehmen konnte, obwohl ich auch noch nicht so lange dabei bin, ist die notwendige Fokussierung auf sich selbst . Nur durch Abstand zum Partner und dessen Handlungsweisen kommt man selbst wieder dazu, das Ruder in die Hand zu nehmen.
    Ich wünsche Dir viel Kraft.
    Viele Grüße
    Freya

  • Hallo liebe Pilsum,
    ich kann mir schon vorstellen, dass Trinker, die nicht körperlich abhängig sind (was ich mir ganz gut vorstellen kann, wenn man "nur" Bier trinkt), ihre Sucht vielleicht schon selbst überwinden können. Die psychische Abhängigkeit kann der Trinker ja mit reiner Willenskraft in den Griff kriegen. Also, ich bin keine Fachfrau. Die Frage ist einfach nur, wie wichtig es ihm ist, ohne Alkohol zu leben. Aber ich kann mir gut vorstellen, wenn es gesundheitlich wieder passt, dann gibt es ja keinen Grund mehr, weiter zu machen mit der Nüchternheit. So denken die. Wenn einer aufhört, dann nur für sich selbst, nicht wegen dir, wegen der Arbeit oder sonstwas.
    Aber nimm doch diese Zeit jetzt einfach, um eure Beziehung zu durchleuchten, aber bereite dich drauf vor, dass die Trockenheit nicht für ewig sein wird.
    LG, Elisa-Chrissy.

  • Hey Pilsum,

    was in ihm wirklich vorgeht, kann dir keiner wirklich sagen.
    Nach allem, was ich erlebt habe, würde ich darauf nichts geben. Ich würde nichtmals eine Wette abschließen.
    Dafür ist die Sucht zu tückisch.

    Ich habe etwas den Eindruck, dass du eure Beziehung total von seiner Abhängigkeit abhängig machst, wenn ich das so schreiben darf.
    Macht es denn einen Unterschied?
    Letztendlich zählt doch, ob du glücklich bist
    und nicht, was wäre, wenn.
    Es gibt keine Garantie, dass er zu dem Traumtypen wird, wenn er nüchtern ist. Es ist sogar häufig so, dass Alkohol vorhandene Eigenschaften zu Tage fördert und verstärkt. Er wird dann wohl immer noch ein Ekel sein, wenn er nüchtern ist.

    Wie ist denn eure Beziehung so?
    Du schreibst von 3 Jahren, die nicht einfach waren. In denen er dein Herz trat, sich im Ton vergriff und nicht dafür einstand. Er interessiert sich nicht für dich.
    Ja, warum bist du denn dann mit ihm zusammen?
    Es gäbe doch sicher andere Männer, die dich mehr würdigen würden. Warum verschleuderst du dich an jemanden, der eher eine Nanny und einen Blitzableiter möchte als eine tolle Beziehung?

    Mir scheint, als habe er nichts wirklich verstanden.
    Trau da deinem Bauchgefühl- der Autokauf klingt wirklich wie eine Ersatzhandlung. Hätte er es wirklich verstanden, würde er nicht auf Geldausgeben ausweichen, sondern sich mit sich auseinandersetzen und wirkliche Schritte dagegen einleiten.

    Also: Was wünschst du dir vom Leben, wo möchtest du in 5 Jahren stehen?

    Und der nächste Schritt: Ist das mit deinem XY erreichbar?

    Liebe Grüße,
    Zimttee

  • Hallo Elisa-Chrissy,

    Zitat von Elisa-Chrissy

    was ich mir ganz gut vorstellen kann, wenn man "nur" Bier trinkt


    Also ist die Sucht weniger schlimm, wenn man von Bier abhängig ist als von dem "bösen" Zeug?
    Es geht doch um den Alkohol im Getränk- und da spiel es keine Rolle, ob man den nun aus dem Bier zieht oder aus Wodka. Ich würde es sogar als tückischer sehen- weil Bier von vielen, anscheinend auch von dir, nicht ernst genommen wird. "ach ist ja nur Bier". Und so kann man sich lange was vormachen.

    Zitat von Elisa-Chrissy

    Ihre Sucht vielleicht schon selbst überwinden können.

    Ich kenne niemanden, der es selbst geschafft hat. Und auch der Tenor hier im Forum ist: ohne ärztliche Hilfe geht es nicht. Willensstärke alleine reicht nicht. Es handelt sich um eine Krankheit und keine schlechte Angewohnheit. Und das ist die Aussage derer, die selbst getrunken haben und von denen ich dann mehr Wissen erwarte als von einem Arzt, der das Thema nicht am eigenen Leib erlebt hat.

    Zitat von Elisa-Chrissy

    Die Frage ist einfach nur, wie wichtig es ihm ist, ohne Alkohol zu leben.


    Es ist eine Krankheit. Die Krankheit verhindert die Selbsterkenntnis.
    Ich würde die Frage eher so formulieren, wie wichtig es dem Co ist, ein lebenswertes Leben zu führen. Man hat ja nur das eine- und das kann ich eben glücklich und erfüllt oder an der Seite eines Säufers mit seinen X Biergeliebten verbringen.
    Wobei wir auch da wieder beim Thema "Selbsterkenntnis" wären.

    Zitat von Elisa-Chrissy

    Aber ich kann mir gut vorstellen, wenn es gesundheitlich wieder passt, dann gibt es ja keinen Grund mehr, weiter zu machen mit der Nüchternheit. So denken die. Wenn einer aufhört, dann nur für sich selbst, nicht wegen dir, wegen der Arbeit oder sonstwas.


    Ja richtig.

    Ich habe das Thema studiert und meinen Abschluss darin gemacht. Ich habe den Eindruck, wenn ich das so schreiben darf, dass du das Ganze noch sehr unterschätzt. Das ist nicht böse gemeint, sondern ein Ratschlag, den ich selbst im Bereich SelbstHILFEgruppe erwarten würde.
    Ich kann dir nur raten, dich auf der Alkoholikerseite etwas umzuschauen- das hat mir damals sehr geholfen, die Situation bei mir zu Hause richtig einzuschätzen.

    Liebe Grüße
    ZImttee

  • noch ein kleiner Nachtrag:

    Ich habe in mehrern Texten von dir gelesen, dass du sehr zwischen physischer und psychischer Abhängigkeit unterscheidest.
    Warum denn? Was macht das für einen Unterschied?

    Abhängig ist abhängig- eine unschöne Partnerschaft oder ein schlechter Vater, der den Kindern schadet, wird doch dadurch nicht besser, wenn man ihm den Zettel "vermutlich nur psychisch abhängig" auf die Stirn klebt.

  • Zimttee ,

    Zitat

    Aber wofür?


    ich sag auch danke, könnte mir denken, das Aurora das gleiche meint.
    Während ich noch am Worte basteln war, hattest du schon geschrieben.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Liebe Zimttee,

    danke für den Beitrag an Elisa-Chrissy, den über "nur Bier" und das alles.
    Ich hatte gestern, als ich das abends noch las, keine Worte dafür, weil ich so k.o. war. Du hast das gut erklärt, klar gemacht.

    Viele Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Pilsum,

    "Komisch ist, daß es mich noch so wütend macht und daß ich jetzt, obwohl er seit vier Wochen nichts mehr getrunken hat, so enttäuscht bin von seinem Verhalten. Er versteht es jetzt eh nicht mehr, weil er ja nicht merkte, wie sehr er mir damit weh tat."

    das kenne ich. Mir tat es damals ebenso weh, dass xy für die Verletzungen, die er mir durch die Manipulationen und Abwertungen zufügte, scheinbar kein Gespür hatte. Darüber zu reden mit ihm war irgendwie nicht möglich. Ich war ja in meiner Wahrnehmung schon gestört.

    Da fing ich an, meine Beobachtungen in der Beziehung zu xy in einem "richtigen" Tagebuch aufzuschreiben. Es war mir an dem Punkt nicht mehr wichtig, dass xy etwas versteht sondern dass ich BEGRIFF. Das ich meiner Wahrnehmung wieder traute. Das nachlesen konnte. Und meinen eigenen Worten, die dort geschrieben standen, glauben konnte. Als Partner von xy fragte ich mich of, stimmt das, was ich da erlebe. Meine Wörter im Tagebuch waren jedoch zeugen der Wahrheit.

    Es gab keinen Selbstbetrug mehr. Die Manipulation und Abwertungen konnten als System erkannt werden. Ein System, gegen das ich machtlos war. Ein System, das Vertrauen nicht mehr zuließ.

    Vielleicht magst Du auch Deine Wahrnehmung schärfen und auch ein handschriftliches Tagebuch zu den täglichen Vorkomnissen führen.

    Einmal gab es dann später eine Situation mit xy in der ich ihn mit Vorkomnissen aus meinem Tagebuch konfrontieren konnte. Die Tagebucheinträge war mir behilflich die Situationen klar vor Augen zu haben. Nebenbei bemerkt: bei diesem Treffen war xy sogar etwas zugänglich. Ich merkte aber, letztlich mußte ich alles mit mir selber ausmachen. Ob xy versteht oder nicht, was bedeutet das für Dich? Für Vertrauen?

    Ein Jahr, nachdem ich mich von xy distanziert und somit letztlich getrennt hatte, hat er einen Entzug gemacht und dann eine stationäre Therapie (abgebrochen). Der Schritt des Entzugs von xy war für mich wichtig, als das ich als Ex Partner eines Alkoholkranken endliclh offiziel belegt bekam, dass xy alkoholkrank war. Das ich mich nicht getäuscht hatte. Das auch die Außenwelt endlich Bescheid wußte. Mir gegenüber hatte xy jedoch bis heute nie etwas zugegeben, entschuldig, Verständnis gezeigt. Ich warte da auch nicht mehr drauf.

    Rhein

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