• Hallo,

    Was ist denn eigentlich, wenn jemand hier ein paar Wochen oder Monate angemeldet ist und abstinent lebt und dann wieder anfängt zu trinken?

    Karsten hatte ja kürzlich das Thema "Warum keine Rückfallmeldungen" eingestellt und sich damit speziell an rückfällige Mitglieder gewandt. (Ich weiß übrigens nicht, Karsten, ob es immer so eine gute Idee ist, reinzuschreiben, von wem du Antworten haben willst und von wem nicht, aber das ist ein anderes Thema.)

    Da habe ich darüber nachgedacht, wie das eigentlich bei mir damals gelaufen ist, als ich nach einer jahrelangen Abstinenzphase wieder begonnen habe zu trinken. War ja erst nur einmal, und nur ein Glas Wein. Und dann irgendwann wieder, heimlich. Und da hatte mein Hirn schon den Schalter umgelegt und ich empfand das nicht als "Rückfall", denn ich war wieder zurückgeworfen in die Phase, in der ich glaubte, mir selbst "verkaufte", dass ich jederzeit wieder aufhören könnte. Dass ich also gar nicht abhängig sei. Und das ganze fing also wieder von vorne an - mit dem mich selbst belügen und natürlich auch andere belügen.

    Wie wäre es wohl jetzt - ich lebe seit weniger als drei Jahren trocken (damals waren es sechs Jahre) und bin - im Unterschied zu damals jetzt hier im Forum und in einer weiteren SHG, in der ich mich über meine Krankheit austausche. Ich weiß es nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass es trotz meiner gewachsenen Krankheitseinsicht wieder so kommen könnte, dass ich wieder ins Lügen, Vertuschen und Selbsttäuschen rutschen würde.

    Wie geht es euch? Habt ihr ähnliche Erfahrungen mit euch selbst gemacht, oder ganz andere?

    Grüße
    Thalia

  • Liebe Thalia!
    Ja, ich glaube, wenn ich wieder trinken würde, weil ich dneke, das eine Mal, das geht schon - dann wäre ich sehr schnell wieder ganz dabei - und dann würde ich das auch wieder heimlich tun. Ob es mir gelingen würde - früher wusste mein Umfeld nix davon, jetzt schon - das wäre die andere Frage - aber der nasse Alkoholiker ist da ja ausgefallen kreativ.
    Die Erfahrung habe ich selbst auch schon gemacht. Ich war nicht jahrelang abstinent. Aber ich habe bewusst immer mehrere Wochen nicht getrunken. Es ging mir gut, auch, weil ich nicht lügen musste. Und dann fings wieder an und ich hab getrunken, mir eingeredet, ich könnte ja wieder aufhören, weitergtrunken und gelogen.
    Ich glaube (und habe es auch so gelesen), dass unsere Krankheit uns auf jeden Fall weitertrinken lassen will. Um jeden Preis. So beweist man sich, dass man es lassen kann, um dann weitertrinken zu können. Und so macht man es heimlich, weil es ja offen Probleme geben würde bzw. sich jemand der Sucht in den Weg stellen könnte.
    Ich glaub die Krankheitseinsicht erhöht die Chance, dass Du trocken bleibst, aber keine Änderung, wenn Du wieder im nassen Zustand sein solltest. Ich denke, da schlägt die Krankheit dann zu, vollkommen wurscht, was vorher war.
    Denkst Du denn darüber nach, wieder zu trinken? Oder machst Du Dir Sorgen, dass Du den Wunsch haben könntest?
    Liebe Grüße
    Calida

  • Hallo Karsten,

    Ja, das habe ich gelesen bei dir - das ist eine andere Erfahrung, die du gemacht hast. Würdest du also sagen, du hast dich gar nicht selbst belogen?

    Calida, nein, ich denke nicht im Traum dran (;)), wieder zu trinken. Mein Leben ist gerade so schön, und das ist eine Folge meiner Trockenheit.

    Aber ich finde es heilsam erschreckend, mir deutlich zu machen, dass es vermutlich (?) bei mir nicht so wäre, dass ich mich hier (oder woanders) melden würde, wenn ich rückfällig geworden wäre. Dabei würde ich jeden anderen ermutigen, genau das zu tun. Paradox.

    Ich glaube ja, ohne Ehrlichkeit sich selbst gegenüber geht es nicht. Aber die will oft mühsam erarbeitet werden, manchmal auch nur in kleinen Schritten.

    Bin gespannt auf weitere Beiträge.

    Viele Grüße,
    Thalia

  • Liebe Thalia,
    mir gehts auch so mit dem heilsam erschreckend. Und ach ja, meinen Rückfall, nachdem ich mich für ein trockenes Leben entschieden habe, habe ich hier ja zugegeben. Zum Glück. Da dachte ich, bloß nicht mit der Heimlichtuerei anfangen. Das Glück war auch, dass sonst nix da war, was ich hätte trinken können. Aber angenommen, ich hätte die Kurve nicht gekriegt, dann wäre ich vermutlich hier rausgefallen. Hätte ich über Wochen geschrieben, dass ich trinke? Eher nicht. Aber ich hätte womöglich begründet, warum ich verschwinde. Ich finds selbst bedauerlich, wenn Menschen hier abtauchen, ohne etwas dazu zu sagen.

    Lieber Karsten,
    ja, die Zeit muss schon auch reif sein. Vor zwei oder drei Jahren.... Da wäre ich nicht so weit gewesen, dauerhaft trocken leben zu wollen. Dieser Gedanke hat mich beängstigt. Er musste lange reifen.

    Viele Grüße
    Calida

  • Liebe Thalia,
    mir gehts auch so mit dem heilsam erschreckend. Und ach ja, meinen Rückfall, nachdem ich mich für ein trockenes Leben entschieden habe, habe ich hier ja zugegeben. Zum Glück. Da dachte ich, bloß nicht mit der Heimlichtuerei anfangen. Das Glück war auch, dass sonst nix da war, was ich hätte trinken können. Aber angenommen, ich hätte die Kurve nicht gekriegt, dann wäre ich vermutlich hier rausgefallen. Hätte ich über Wochen geschrieben, dass ich trinke? Eher nicht. Aber ich hätte womöglich begründet, warum ich verschwinde. Ich finds selbst bedauerlich, wenn Menschen hier abtauchen, ohne etwas dazu zu sagen.

    Lieber Karsten,
    ja, die Zeit muss schon auch reif sein. Vor zwei oder drei Jahren.... Da wäre ich nicht so weit gewesen, dauerhaft trocken leben zu wollen. Dieser Gedanke hat mich beängstigt. Er musste lange reifen.

    Viele Grüße
    Calida

  • Also ich muss wirklich sagen, dass ich nicht weiss wie ich reagieren würde.

    Grade nach meinen letzten beiden Saufdruck-Attaken habe ich mir viele Gedanken gemacht wie ich mit einem Rückfall umegehen würde.

    Gute Frage, ich würde mir wünschen, dass ich dazu stehen kann, es ist aber ebenso möglich, dass ich hier entweder garnix davon schreiben würde und euch quasi belügen würde weil ich es mir selbst nicht einegstehen kann, oder dass ich mich eben beschämt verkrümle.

    Ich hoffe dazu wird es nicht kommen! das Problem ist halt Hirn vs Sucht da hat die Sucht sich schon so viele Tricks einfallen lassen dem Hirn was vor zu spielen.

    Grade auch weil das Thema Rückfall hier ja angeschrieben wurde denke ich trotzdem, dass die Chancen gut stehen, dass ich hier schreiben würde, mich hoffentlich fangen und dann eben noch konsequenter an meiner Beruflichen Situation arbeiten würde.

    Wills aber nicht ausprobieren!

    Train to survive

    survive to train

  • Hallo!
    Das Gefährliche ist in meinen Augen gerade das Abtauchen in die Heimlichkeit. Das waren für mich Mauern, hinter denen ich allein war - aber auch sehr einsam. Das gehört für mich mit zur Krankheit dazu, weil Du heimlich eben leichter saufen kannst. Und Sinn der Krankheit ist es ja, dass du saufen sollst. Um jeden Preis. Ich hab deshalb fest im Kopf: wenn ich irgendwann rückfällig werden sollte, dann sag ich es! Ich glaube, mit würde es erstmal sehr schlecht gehen, weil ich doch eigentlich nicht saufen wollte. Die Chance, wieder am trockenen Leben anzuknüpfen, ist meines Erachtens direkt nach einem Rückfall noch vergleichsweise hoch. Wenn ich erst wochenlang getrunken habe - und es hier verheimlicht habe und dann gar nicht mehr hier lese und schreibe, dann bin ich doch wieder richtig drin - hinter meiner Mauer. Und dann wirds im schwieriger, da wieder rauszukommen.
    Viele Grüße
    Calida

  • Zitat von Thalia1913

    Calida, nein, ich denke nicht im Traum dran (;)), wieder zu trinken.

    Ich schon manchmal und dann werd ich munter, bin völlig fertig und muss erst mal realisieren, dass ich wirklich nur im Traum gesoffen habe.

    Wenn ich nen Rückfall hätte, ich glaube ich würde lügen, so lange es nur geht.

  • Und warum ist es so schwer, sich und anderen Versagen einzugestehen?
    Damit nimmt man sich doch selbst die Chance, da wieder rauszukommen, oder liege ich da falsch?
    Und ist das Forum nicht auch dafür da?
    Ich meine, es ist ja schön, wenn wir uns gegenseitig erzählen, wie wir trocken leben. Aber gehörts nicht auch dazu, um Hilfe zu bitten, wènn man wieder getrunken hat? Und darum, anderen zu helfen, die einen Rückfall hatten?
    Ich glaub schon, dass das auch eine Frage der Forumskultur sein könnte.
    Bisher ist es doch so: nur wenige haben geschrieben, dass sie einen Rückfall hatten. Die meisten verschwinden irgendwann ohne Worte und der Rest denkt sich seinen Teil. So wie das läuft, weiß man selbst dann womöglich nicht, wie man im Fall des Falles dem Forum gegenüber auftreten soll.
    Dabei kann ich sagen, was den Geschlossenen Bereich betrifft, ich hab bisher nicht erlebt, dass einer einen Rückfall hatte und der Rest über ihn hergefallen ist. Im Gegenteil.
    Ich möchte für mich persönlich schon, dass ich das Forum auch als Hilfe nutze, wenn es mir nicht gut geht und nicht nur von meinen Sonnenstunden berichte. 'Viele Grüße
    Calida

  • Zitat von Karsten

    [...]

    würdest du denn hier auch besoffen weiter schreiben und den Eindruck machen, du seist nüchtern?

    Gruß
    Karsten

    Besoffen den Eindruck machen ich sein nüchtern würde ich für mich wahrscheinlich nicht hinbekommen.
    ich muss mich ja so schon konzentrieren die Tasten zu treffen ;)

    Ich denke die Leser würden schon merken, dass da was im Busch ist (oder man sich verändert)


    Weniger Energie auf Rückfallgedanken verwenden ist denke ich auch ein guter Tipp, zum einen hat man dann mehr für sich und zum Andern habe ich auch irgenwo gelesen (kanns leider grade nicht hervorkramen wo), dass sich das detailierte Vorstellen eines Rückfalls schon der erste Schritt ist rückfällig zu werden. (ironisch, dass ich mir trotzdem soviele Gedanken gemacht habe...)

    Train to survive

    survive to train

  • Hallo zusammen,

    sollte ich einen Rückfall haben, könnte ich den Rausch wahrscheinlich überhaupt nicht genießen.
    Nur ein Bier trinken würde mir auch gar nicht reichen. Ich hab vorher getrunken, um was zu merken.
    Bier trinken war nie ein Genuss, es war Mittel zum Zweck.
    Es sollte meinen Dopaminhaushalt auffüllen, mich glücklich machen.

    Da ich diesen Selbstbetrug für mich erkannt habe, kann ich ihn nicht mehr genießen. Oder anders gesagt, es hat seinen Zauber verloren.
    (obwohl mir mein Suchtgedächtnis des öfteren was anderes einreden möchte)

    Mein neues Ziel ist nun natürlich glücklich zu werden. Dopaminausstoß ohne Suchtmittel. Oder zumindest das Leben so zu nehmen und zu akzeptieren, wie es ist. Mal schön und mal beschi****.

    Beste Grüße
    lT

  • Nein Karsten, ich würde hier nicht mehr schreiben, weil das dann für mich keinen Sinn mehr machen würde. Nimm mir's nicht übel aber für mich hatt das hier mehr den Charakter eines Erfahrungsaustausches oder schreiben über Dinge, über die ich jetzt gerade mit Niemandem reden kann. Für die Selbsthilfe, da ist dann doch die reale Selbsthilfegruppe "zuständig". Dort seh ich die Menschen wenn ich mit Ihnen spreche und das ist mir unheimlich viel wert. Und das wären wahrscheinlich - neben meiner Frau - die einzigen Menschen mit denen ich über einen Rückfall reden würde. Bei allen anderen wär mir's eben peinlich. Tja Calida, warum mir das peinlich wäre? Weil das an meinem Ego kratzen würde. Ja, da bin ich eitel. Fehler geb ich nicht gern zu und ich bin auch ein schlechter Verlierer, da ist in früheren Zeiten schon mal das "Mensch ärger dich nicht" - Brett durch die Wohnung geflogen wenn ich verloren habe. Und so wäre das auch bei einem Rückfall, ich hätte verloren - für mich jedenfalls. Ich weiß, dass die Eitelkeit nicht gerade der beste Charakterzug ist aber ich kann es (will es?) nun auch nicht mehr ändern. Meine Frau holt mich schon wieder auf den Boden zurück, wenn ich am Abheben bin.

    Vielleicht ist das auch damit zu erklären, dass ich - seit ich keinen Alk mehr trinke - sehr viel Achtung und Schulterklopfen von Bekannten und Kollegen erfahren habe und das gefällt mir natürlich - wem nicht ? Das würde mich einfach anko.tzen, wenn ich nun sagen müsste: Alles aus! Ja gut es wär nicht das Ende und vielleicht würde macher auch wieder sagen, dass er den Mut bewundert, so offen zu sein und den Rückfall zum Thema zu machen ... bla bla bla ... Ich würde es eben erst mal - mit dem Wissen, dass es irgendwann raus kommt - nicht sagen. Was später wird ... tja.

  • glück auf

    für mich gehört: "lügen<>saufen<>kaufen<>lügen" zu den grundübeln unserer krankheit.
    und der allergrößte fehler/blödsinn is: mich selber belügen (geht das überhaubt?).

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo Rattenschwanz,

    Zitat

    aber für mich hatt das hier mehr den Charakter eines Erfahrungsaustausches oder schreiben über Dinge, über die ich jetzt gerade mit Niemandem reden kann. Für die Selbsthilfe, da ist dann doch die reale Selbsthilfegruppe "zuständig".

    wo ist denn der Unterschied zwischen Erfahrungsaustausch und Selbsthilfe :?:

    LG Martin

  • Zitat von Karsten



    So wie antwortest, geht es dir also nur um ein bisschen Unterhaltung, wenn du hier schreibst?

    Nein nicht nur aber das bisschen Unterhaltung - zum Glück sind hier nicht alle nur nur ernst - nehm ich gerne mit.

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