Ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll

  • Hallo,

    ich bin neu hier und hoffe ich werde alle Regeln beachten. Deshalb versuche ich auch so wenig Details wie nötig zu schreiben.

    Bei mir ist es so, dass ich bereits meinen Bruder durch eine Abhängigkeit inklusive Therapieaufenthalt (geschlossene und offene Psychatrie) begleitet habe. Er ist alkohol- und drogenabhängig. Während dieser Zeit sind wir uns emotionaler näher gekommen und ich glaubte das war der nötige Schuss vor den Bug den er brauchte. Dem war nicht so, er brach den Kontakt kurz nach dem Aufenthalt ab und ist wieder in seiner Sucht angekommen. Seit 1,5 Jahren haben wir keinen Kontakt mehr.

    Ende letzten Jahres habe ich einen Mann kennengelernt, mit dem alles stimmte, der sich sehr um mich bemüht hat. Nach anfänglichen anderem vorgeschobenen Grund offenbarte er mir sein Alkoholproblem. Dieses habe er schon einmal in den Griff bekommen und müsse er erst wieder im Griff haben bevor er sich auf was Neues einlassen kann. Er wollte einen Kontaktabbruch, begründete dies damit, dass er Angst hat mich zu verletzen, dass er weiß wie verletzend und kalt er sein kann.
    Wir vereinbarten daraufhin eine Kontaktpause (beide dürfen sich melden, wenn sie wollen und ich würde mich erstmal zurückhalten). Daran habe ich mich gehalten. Zu Weihnachten gab es eine kurze Meldung seinerseits die ich ebenso kurz und freundlich beantwortete.
    Vor 1,5 Wochen meldete er sich abends plötzlich, entschuldigte sich für sein Verhalten, "erklärte" sein Suchtverhalten und bat mich um Verständnis. Zu diesem Zeitpunkt hatte er auch getrunken.

    Ich antwortete ausführlich und lang und bot ihm wie zuvor an mit ihm gemeinsam eine Beratungsstelle aufzusuchen. Zeigte Verständnis für seine Mechanismen, habe aber auch gesagt, dass ich nur soweit unterstützen kann wie ich es leisten kann und er es zulässt. Ich habe erneut betont, dass ich ihn mag und ihn nicht dafür verurteile.

    Diese Nachricht blieb eine Woche unbeantwortet. Ich machte mir große Sorgen als es wieder Wochenende war (unter der Woche trinkt er laut eigenen Angaben nicht) und fuhr unangekündigt hin. Am ersten Abend traf ich ihn auch nach 4 Stunden warten nicht an und war schon erleichtert, weil er nicht trinkt, wenn er fährt.

    Am zweiten Abend traf ich ihn nach 3 Stunden des Wartens an. Er war sehr überrumpelt und überrascht, wir fanden aber dennoch schnell in ein vermeintlich konstruktives Gespräch. Er schlug vor, dass er mir über sein Trinkverhalten Bericht erstattet, das sei für ihn ein Ansporn. Ich war nicht begeistert, willigte aber ein als er sagte, dass er sonst bereit wäre mit mir gemeinsam Alternativen bei Beratungsstellen zu suchen.

    Er war dankbar, dass ich da war, weil er dadurch nicht trank. Bat mich gerade gekauften Alkohol mitzunehmen und bot immer wieder an ich könne alles durchsuchen. Ich lehnte dies ab mit dem Hinweis, dass wir uns dann nicht auf Augenhöhe befänden, ich nicht kontrollieren will und er es für dich tun soll.
    Wir verabredeten ein erneutes Treffen. Ich glaubte alles würde langsam Gestalt annehmen. Er konnte sehr gut logisch darüber reden, sagt auch von sich selbst, dass er Alkoholiker ist.

    Ich bekam auch den wöchentlichen Lagebericht, Nachrichten voller Dankbarkeit für meinen Besuch. Es sei der richtige und wichtige Schubs gewesen den er gebraucht hätte.

    Nun ist es so, dass er dennoch den Kontakt vorerst abbrechen möchte, weil er sagt, dass er weiß, dass er zu ambivalent ist, mich nicht gut behandeln wird und sich mit seinem jetzigen Verhalten nicht eine mögliche spätere Chance verbauen will.
    Auf Nachfragen hat er gesagt er möchte wieder Kontakt zu mir sobald er es im Griff hat und sieht die Perspektive auf eine Beziehung. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre sein kühles und unfaires Verhalten aber Alltag in einer Beziehung mit ihm und das wolle er für mich nicht.

    Einen Zeitraum kann er nicht nennen.

    Er bedankte sich für alles was ich für ihn getan habe und das es der Auslöser sei, sein Leben in den Griff zu bekommen und das er hofft, dass wir noch mal eine bessere Chance haben und bittet mich unsere Zeit positiv in Erinnerung zu behalten.

    Nun fällt es mir sehr schwer. Ich bin die einzige Person die davon weiß, ich habe das Gefühl ihn im Stich zu lassen, obwohl er ja keine Hilfe möchte. Gleichzeitig entsteht für mich wieder ein Schwebezustand dem ich mich irgendwie nicht entziehen kann. Ich schätze seine selbstreflektierte Art und auch die Tatsache, dass er mich schützen will vor seinem Verhalten.
    Allerdings weiß ich nicht wie ich weiter machen soll. Nicht zu wissen wie es ihm geht finde ich furchtbar, will aber seinen Wunsch respektieren. Gleichzeitig weiß ich nicht wie lange ich ins Ungewisse warten kann.
    Dann doch der Gedanke sich in einigen Wochen mal zu melden und nur zu fragen wie es ihm geht?!

    Dieser Text ist wahnsinnig lang, aber ich weiß gerade weder ein noch aus. Ich will ihn nicht bedrängen, will mich aber auch nicht aufgeben.

  • Liebe Sinneswandel,

    zuerst mal willkommen im Forum :) .

    Puh, das ist ja eine Masse, auf der du rum kaust.
    Ich finde, du bist dir sehr im Klaren, dass du ihm nicht helfen kannst. Er muss selbst mit seiner Sucht klar kommen. Du hast ihm deine Hand gereicht, er hat sie nicht angenommen. Und ja, es ist ja so, da kannst du nichts machen. Er hat sich entschieden.

    Dabei manipuliert er dich ganz schön, finde ich. Er will dich warm halten, falls er sich mal anders besinnt. Er will dich jetzt schützen. Hört sich erst mal gut an, "er meint es gut mit dir", aber irgendwie stößt mir das auf.

    Du weißt ja selbst am Besten, was dir gut tut, dazu brauchst du nicht seine Erlaubnis oder Gnade. Ich finde, du weißt sehr gut über deine Dinge Bescheid.

    Sicher tut es erst mal weh. Seine Ablehnung deiner Hilfe und dann das Beenden der Beziehung. Aber ehrlich, was besseres kann dir ja nicht passieren. Ich würde an deiner Stelle mein Leben neu sortieren und gut einrichten. Und zwar ohne dauernd an ihn zu denken oder auf ihn zu warten, wann er dir denn die "Gnade" erweist. Das hast du doch nicht nötig. Er ist erwachsen, er hat sich für die Sucht entschieden und jut is.

    Und nun entscheidest du dich für dich und für ein Leben in Zufriedenheit und Selbstbestimmung.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Liebe Aurora,

    vielen Dank für deine Antwort und deine Worte.

    Du schreibst "er hat sich für die Sucht entschieden" - das sehe ich eigentlich nicht. Ich halte es zwar auch für suboptimal, dass er alleine dagegen an will, aber nun gut.
    Er hat ja sein Problem auch selbst erkannt und den Willen etwas dagegen dazu unternehmen.

    Ob es ein "warm halten" ist, habe ich mir auch überlegt. Aber er betont immer wieder, dass er Angst davor hat mich zu verletzen in seinem jetzigen Stadium. Und er auch schon mal Beziehungen deshalb kaputt gemacht hat. Er sprach halt immer von "erstmal kein Kontakt", "bis ich mich im Griff habe" und so weiter - ich habe das halt hinterfragt was es bedeutet, also ob er wieder Kontakt will und er hatte Angst, dass ich eine Zeit wissen will. Ich habe ihm gesagt, dass der Zeitraum und ob es dann eine Chance gibt auf einem anderen Blatt steht. Er sagte, dass er natürlich gerne wieder den Kontakt hätte und dann habe ich ihn nach der Basis des Kontakts gefragt.
    Also er hat mich nicht darum gebeten zu warten oder ähnliches.

    Ich schaffe es halt nicht los zu lassen. Ich überlege jetzt schon ob ich mich mal 4-6 Wochen melden kann um zu fragen wie es ihm geht. Oder auch: ich weiß, dass er Anfang Februar zwei wichtige Situationen zu meistern hat, vor denen er Bammel hat (bzgl des Trinkens). Ich überlege dann wirklich nur eine kurze Nachricht/Karte zu schreiben um ihm dafür Kraft zu wünschen. Ist das zu viel?

  • Hallo Sinneswandel,

    ich bin trockener Alkoholiker und wenn ich lese wie gut er es mit dir meint kommen mir starke Zweifel.

    Nun bin ich auch schon sehr lange hier in unserem Forum und habe so etwas so gut wie nie gelesen.

    Solange ein Alkoholiker unbeschwert trinken kann stört ihn auch eine Partnerin nicht,

    sie kümmert sich doch um das Essen und die Wäsche.

    Anders sieht es auch wenn der Alkoholiker Bedenken hat nicht ungestört saufen zu können,

    dann ist meist der Alk wichtiger wie eine Partnerschaft.

    Wie es bei dir genau ist weiss ich nicht, wie lange willst du warten ?

    Zitat

    Er hat ja sein Problem auch selbst erkannt und den Willen etwas dagegen dazu unternehmen.

    Ja, ich hatte mein "Problem" auch erkannt und habe trotzdem 20 Jahre gesoffen.

    LG Martin

  • Hallo Martin,

    vielen lieben Dank für deine Worte.

    Wie lange ich warten will ist schwierig für mich zu beantworten. Von wollen kann eh nicht wirklich die Rede sein, aber es fällt auch schwer sich von dem Gedanken an ihn zu lösen, gerade weil es emotional sonst harmoniert.

    Ich weiß nicht, ob ich es mir schön rede, ich empfand sein Verhalten bisher als sehr selbstreflektiert und eben auch den Wunsch mich nicht mit hinein zu ziehen. Das er sein Problem erkennt finde ich wichtig für den ersten Schritt, weil ich sonst garkeine Basis sehen würde.

    Er weiß, dass er in einer Partnerschaft mit mir nicht ungestört trinken könnte und er beteuert ja auch dies nicht zu wollen. Essen, Wäsche machen ect steht eh nicht zur Debatte.

    Ich weiß halt nicht wie ich sein Verhalten einschätzen kann/soll. Es ist ja auch sehr ambivalent, einmal bin ich die tollste Frau und im nächsten Moment frage ich Zuviel. In einem Moment ist mein Überraschungsbesuch das Beste was ihm passieren konnte, dann wieder nur "nachvollziehbar".
    Angesprochen auf diese emotionale Ambivalenz erklärt er dies damit, dass er sich eben momentan selbst nicht im Griff hat und genau deshalb gerade keine Beziehung eingehen kann/will, weil er wüsste, dass es auf Dauer zu Verletzungen bei mir führen würde.

  • Hallo Sinneswandel,

    herzlich willkommen bei uns im Forum.

    Zitat

    Ich weiß halt nicht wie ich sein Verhalten einschätzen kann/soll. Es ist ja auch sehr ambivalent, einmal bin ich die tollste Frau und im nächsten Moment frage ich Zuviel.


    Das ist in meinen Augen das ganz typische Verhalten eines nassen Alkoholikers. Das kenne ich zur Genüge.
    Ich sage dazu Zuckerbrot und Peitsche, je nach Bedarf, wie er es braucht.
    Ich bin zu dem Schluß gekommen, das solches Verhalten meines XY dazu diente, mich immer mehr zu destabilisieren.
    Je mehr er die "Peitsche" auspackte, desto mehr tat ich für das "Zuckerbrot" für all die süßen Worte, wie wichtig ich doch sei usw.
    Zum Schluß wußte ich nicht mehr, was ich selbst wollte.
    i

    Zitat

    ich empfand sein Verhalten bisher als sehr selbstreflektiert und eben auch den Wunsch mich nicht mit hinein zu ziehen


    in meinen Augen ist das nicht selbstreflektierend sondern Berechnung, tut mir leid es so sagen zu müssen. Perfekte Ausbildung zur CO.
    In dem er dich angeblich nicht mit hineinziehen will, manipuliert er dich, weil er dich genau kennt und weiß wie du tickst.
    Ich habe damals diese Manipulationen auch nicht sehen können und erst recht nicht sehen wollen.

    Zitat

    Das er sein Problem erkennt finde ich wichtig für den ersten Schritt, weil ich sonst garkeine Basis sehen würde.


    wenn er sein Problem erkannt hat, was hindert ihn daran, sofort etwas dagegen zu tun?


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Sinneswandel,
    herzlich Willkommen in unserem Forum. Ob dein Freud dich manipuliert, kann ich von der Ferne nicht einschätzen. So wie ich dich verstehe, hat er dich darum gebeten, dass ihr jetzt keinen Kontakt habt, sondern er erst mal seins allein auf die Reihe kriegen will. Da würde ich mich hinterfragen, wieso ich das Nein nicht akzeptieren kann. Du möchtest dir gerade viele viele Probleme ans Bein binden, nämlich die Probleme eines Alkoholikers, der sich noch nicht grün ist, wie es mit ihm weitergeht. Ob er mit dem Trinken aufhört, kannst du nicht beeinflussen. Ob du weiterhin drei oder vier Stunden vor verschlossener Tür stehen willst, kannst du sehr wohl beeinflussen.

    Ich hoffe, du hast hier einen guten Austausch und findest einen guten Weg für dich.

    Alles Liebe, B.Nyborg

  • Vielen Dank für eure Einschätzungen.

    Ich kann ja immer nur von dem Ausgehen was er mir sagt. Sein Statement ist, dass er das Problem angehen will, aber ohne meine Hilfe, weil er glaubt dabei Zuviel bei mir und zwischen uns kaputt zu machen.
    Dazu muss ich vielleicht sagen, dass wir erst in der Kennenlernphase sind und nicht zusammen waren.

    Zwischenzeitlich wollte er es ja zusammen angehen, jetzt wieder nicht. Er sagt er wolle es aus eigener Kraft schaffen, weil er es auch schon mal geschafft hat.

    Mir fällt es auch schwer sein Alkoholproblem einzuordnen. Er spricht mal von einem Alkoholproblem, mal davon Alkoholiker zu sein. Er trinkt (laut eigenen Angaben) unter der Woche garnicht. Aber eben am Wochenende und dann mitunter auch massiv und alleine zu Hause. Das will er eben in den Griff bekommen.

    Ich kann das "Nein" schwer akzeptieren, das stimmt, weil mir sehr viel an ihm liegt und dazu kommt, dass ich ja nun weiß, dass auf beiden Seiten die Gefühle da sind. Ich habe ihm gesagt, dass ich das akzeptieren werde, aber mir fällt es sehr schwer. Ich bekomme so nun garnicht mit wie es ihm geht, ob er auf einem guten Weg ist ect.
    Ich bin ein Mensch der gerne anpackt und macht und tut und habe auch ein Helfersyndrom. Mir fällt es schwer jemanden so alleine zu lassen, auch wenn er meine Hilfe nicht will.

    Die Beschreibung mit Zuckerbrot und Peitsche trifft es sehr gut. Er war anfangs ein sehr charmanter, aufmerksamer Mann, hat mir Komplimente gemacht, tolle Treffen vorbereitet, Geschenke (ideeller Wert) gemacht und und und.
    Seitdem das Problem auf dem Tisch ist, ist es so, dass auch die netten direkten Worte weniger sind. Er sagt selbst er stößt mich kalt weg, weil er gerade niemanden in sein Leben lassen kann.

    Dann kommt er eben wieder mit einer Nachricht, dass ihm sein Verhalten leid tut. Und dann zieht er sich wieder komplett zurück.

  • Vielen Dank für eure Einschätzungen.

    Ich kann ja immer nur von dem Ausgehen was er mir sagt. Sein Statement ist, dass er das Problem angehen will, aber ohne meine Hilfe, weil er glaubt dabei Zuviel bei mir und zwischen uns kaputt zu machen.
    Dazu muss ich vielleicht sagen, dass wir erst in der Kennenlernphase sind und nicht zusammen waren.

    Zwischenzeitlich wollte er es ja zusammen angehen, jetzt wieder nicht. Er sagt er wolle es aus eigener Kraft schaffen, weil er es auch schon mal geschafft hat.

    Mir fällt es auch schwer sein Alkoholproblem einzuordnen. Er spricht mal von einem Alkoholproblem, mal davon Alkoholiker zu sein. Er trinkt (laut eigenen Angaben) unter der Woche garnicht. Aber eben am Wochenende und dann mitunter auch massiv und alleine zu Hause. Das will er eben in den Griff bekommen.

    Ich kann das "Nein" schwer akzeptieren, das stimmt, weil mir sehr viel an ihm liegt und dazu kommt, dass ich ja nun weiß, dass auf beiden Seiten die Gefühle da sind. Ich habe ihm gesagt, dass ich das akzeptieren werde, aber mir fällt es sehr schwer. Ich bekomme so nun garnicht mit wie es ihm geht, ob er auf einem guten Weg ist ect.
    Ich bin ein Mensch der gerne anpackt und macht und tut und habe auch ein Helfersyndrom. Mir fällt es schwer jemanden so alleine zu lassen, auch wenn er meine Hilfe nicht will.

    Die Beschreibung mit Zuckerbrot und Peitsche trifft es sehr gut. Er war anfangs ein sehr charmanter, aufmerksamer Mann, hat mir Komplimente gemacht, tolle Treffen vorbereitet, Geschenke (ideeller Wert) gemacht und und und.
    Seitdem das Problem auf dem Tisch ist, ist es so, dass auch die netten direkten Worte weniger sind. Er sagt selbst er stößt mich kalt weg, weil er gerade niemanden in sein Leben lassen kann.

    Dann kommt er eben wieder mit einer Nachricht, dass ihm sein Verhalten leid tut. Und dann zieht er sich wieder komplett zurück.

  • ... ich habe haargenauso lange getrunken:

    Am Wochenende Abschuss, Sontag bis Dienstag ausnüchtern, Freitag wieder von Vorne...

    Ich würde dir auch den Rat annehmen, geh' und lass' ihn ziehen.
    Wenns in 2-3-6 Jahren dann doch irgendwann zustande kommt, OK vielleicht, aber verbau' dir nicht deine Chancen!

    Achte auf dich, lerne auf deine Wünsche zu hören, lerne auch mal NEIN zu sagen wenn du grade nicht willst, Sei nicht immer die die "akzeptiert" und "schluckt" ....

    So klingt es für mich, leider, Helfersyndrom, für andere da sein wollen.
    Das ist viel leichter als auf sich selbst auf zu passen...

    Train to survive

    survive to train

  • Ja, mein Helfersyndrom ist stark ausgeprägt. Ich habe bei meinem Bruder auch sehr lange gebraucht und sehr viel Ablehnung und Hass, bis ich damit halbwegs abschließen konnte.
    Ich zucke jetzt noch zusammen, wenn mich ein Anruf mit der Vorwahl aus seiner Stadt erreicht, mir wird schlecht, ich bekomme schweissnasse Hände, immer mit der Angst, dass es jetzt soweit ist und er tot ist.

    Dieses "sich um sich selbst kümmern" fällt mir so schwer, weil ich ja glaube, dass eine Beziehung mit ihm mein Leben bereichern würde.
    Ich weiß ja auch nicht ab welchem Status er wieder Kontakt haben möchte. "Problem im Griff haben" ist so weitläufig und dehnbar für mich. Aber mein Fragen stresst ihn.

    Wäre es denn sehr schlimm ihn in einigen Wochen nach seinem Befinden zu fragen?

  • "Schlimm" wäre es sicher nicht, die Frage ist ob es zielführend wäre ;)
    Ihr seind beide alt genug. Nach deiner bisherigen Schilderung ist das alles andere als "sich im Griff haben".
    Er ist immer noch "nass" wenn er sich regelmäßig am Wochenende abschießt, und du wirst hier von niemandem hören dass man sich mit einem Nassen Alkoholiker einlassen sollte (ausser als Arzt/Therapeut).
    Das kostet einfach viel zu viel Kraft, grade weil du ja auch bereit bist, soooo viel Energie da rein zu pumpen. Das ist wie beim Lotto: du schiebst jede Woche Geld rein in der Hoffnung doch mal den Jackpot zu knacken, die "kleinen" Gewinne Halten dich an der Stange, aber die Chancen mit Gewinn raus zu gehen sind verschwindend gering.

    Schwierig, ich würde nicht zig Jahre auf "Verdacht" andere Möglichkeiten ausschließen, sonst stehst du wahrscheinlich irgendwann da und machst dir Vorwürfe warum du so lange auf was gewartet hast das nicht eingetreten ist und so viele andere Dinge dabei verpasst hast.

    Es gibt soviele Dinge die (d)ein Leben berreichern können :) und das Gute ist: man muss sie nicht alle ausprobieren.

    Train to survive

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  • Mir fällt es schwer das einzuordnen - schießt er sich ab, wenn er 2-3 Bier trinkt? Er hat letzte Woche Freitag 4 Bier getrunken, Samstags war ich da, da wollte er gerade trinken, war dankbar, dass ich da war. Er hat mir dann auch berichtet Samstag und Sonntag nicht getrunken zu haben.
    Ich will nix beschönigen, aber ich weiß nicht woran man ausmacht: Abhängig und muss trocken werden oder er trinkt mal Zuviel.

    Er sagt auch, dass er sich momentan nicht im Griff hat. Meint mein Auftreten wäre der notwendige Arschtritt gewesen (sowas sagt sich aber auch leicht).

    Ich will ihn ja nicht bedrängen, aber es ist auch schwierig ohne jede Information. Ich weiß zB um zwei Situationen die im Februar bevorstehen vor denen er Angst hat (im Bezug aufs Trinken) und hatte mir überlegt ihm diesbezüglich nur eine Nachricht/Karte zu schicken, dass ich ihm viel Kraft wünsche.

  • Da gibts nen paar Kriterien zu...

    Prinzipiell: wenn er sich selbst als "süchtig" sieht und "Probleme mit seinem Konsum" hat... besser davon ausgehen, dass er Alkoholiker ist, "mal zuviel trinken" klingt finde ich sehr beschönigend, falls man wirklich krank ist.

    War er mal beim Arzt, macht er ne Therapie, geht er in ne SHG? oder will er einfach nur "weniger" trinken...

    Im Endeffekt muss er das wissen und dir kanns erstmal egal sein.

    Du willst ihn nicht bedrängen, klar, darum ja mein Ratschlag (aber ich bin nicht allwissend und habe auch nicht immer den richtigen Rat oder er muss unbedingt befolgt werden)
    Bedränge ihn nicht, lebe dein Leben tu' was du nicht lassen kannst solange es dir nicht schadet.

    Aus Erfahrung kann ich dir aber sagen, dass (bei mir) 2-4 Bier auch mal 2-4Bier +halbe Flasche Vodka waren, und ich ganz schnell dabei war zu sagen "ich habe nix getrunken".

    Alkoholiker trinken, tricksen, tarnen und täuschen fast zur Perfektion.
    Ja das klingt jetzt alles sehr Misstrauisch, ist mir bewusst und aus der Ferne zeichne ich damit vielleicht ein zu schlechte Bild von einem zu guten Menschen, ich weiss es nicht, ich schildere nur das Wesen der Krankheit wie ich es kennen gelernt habe)

    Sollte er Alkoholiker sein -> Renn' so weit du kannst
    Trinkt er "nur ab und zu zuvie" -> Deine entscheidung ob du damit leben willst und ob du deine Kraft darauf verwenden willst ihn zu kontrollieren -> Co.-Abhängig zu werden

    Alles nicht leicht und je tiefer man drinne steckt, desdo schwerer wird der Rückweg wenns schief geht (oder man erkennt erst garnicht, dass es schief geht)

    Train to survive

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  • Er bezeichnet es selbst "Alltag eines Alkoholikers". Er trinkt unter der Woche eben nicht und will es jetzt am Wochenende auch nicht. Wobei er mich da auch schon wieder fragte, ob man nicht in Maßen in Gesellschaft trinken könnte. Aber meinte dann selbst er will nicht schon wieder Ausreden finden. Und ich habe dazu nur gesagt, dass ich das nur bedingt beurteilen kann, ich es aber für sicherer halte, garnicht zu trinken.

    Er war nicht beim Arzt, SHG o.ä. - ich habe das angeregt. Und ihm auch angeboten ihn zu begleiten, wenn er das möchte. Er bat mich darum es nochmals so zu versuchen und mir halt wöchentlich Bericht zu erstatten. Er sagte das sei für ihn und seinen Ego auch Ansporn, nicht mir sagen zu müssen getrunken zu haben. Wenn das nicht klappen sollte, würde er sich Hilfsangebote anschauen. Problem ist, selbst diese Vereinbarung ist ja nun wieder hinfällig.

  • Liebe Sinneswandel,

    Dein Titel heißt: "ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll". Ich hab da ne tolle Idee. Wie wäre es, wenn Du Dein Leben in den Fokus rückst und nicht seins. Ich glaube, das ist es auch, was Barthell Dir sagen will. Es geht um Dich und Dein Leben. Dein Partner redet in meinen Augen nur. Was in diesem Fall überzeugen würde, wären Taten, aber die folgen, so wie ich es lese, nicht. Du brauchst Dir nicht über wenn und hätte den Kopf zu zerbrechen. Er ist erwachsen und wenn er sein Leben ändern will, hat er in diesem Land viele Hilfsangebote und Unterstützung - auch von Deiner Seite. Es liegt aber ganz allein an ihm, ob und wie er das nutzen möchte. Mir ging es zu Anfang genauso. Ich wollte unbedingt von jemandem bestätigt haben, dass mein Mann ein Alki ist. Ich wollte unbedingt helfen und er sollte den Weg gehen, den ich ihm aufgezeigt hatte. Dabei war ich unglücklich und verband mein Glück/Unglück immer mit seinem Verhalten. Wenn er dieses und jenes macht oder lässt, dann ..... - alles völlig Banane. So wie er erwachsen und für sich verantwortlich ist, so bin ich auch erwachsen und für mich verantwortlich :shock: . Das heißt, ich bin für mein Glück/Unglück verantwortlich, ich bestimme, wie mein Leben aussieht. In meiner Geschichte gibt es ein Happy End und keinen Alkohol mehr, vielleicht auch weil wir beide unsere Verantwortlichkeiten kennen und noch viel Liebe auf beiden Seiten da war. Es war aber kein einfacher Weg und vieles was mir im Kopf klar war, stand im krassen Gegensatz zu meinen Gefühlen. Diese innere Zerrissenheit hat mich lange begleitet, aber es hat sich gelohnt.

    Ich möchte Dir Mut machen, Deinen Weg zu gehen. Mach Dir klar, was Du vom Leben möchtest und fang an, das umzusetzen, auch wenn die Schritte klein und manchmal in die falsche Richtung gehen. Es lohnt sich. Schaff Dir kleine Oasen und sei gut zu Dir.

    Viel Kraft und Geduld.

    Sonnige Grüße
    Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Liebe Sinneswandel,

    mir ist da auch noch etwas aufgefallen in deinen letzten Beiträgen...

    Er schiebt dir schon einen Teil seiner Eigenverantwortung zu. Zum Beispiel in dem er dir sagt, "gut, dass du gekommen bist, sonst hätte ich getrunken...". Oder das hier

    Zitat

    Wobei er mich da auch schon wieder fragte, ob man nicht in Maßen in Gesellschaft trinken könnte.

    Zitat

    Er bat mich darum es nochmals so zu versuchen und mir halt wöchentlich Bericht zu erstatten.

    Damit bindet er dich ganz schon in seine Dinge ein. Und dein Helferlein springt voll darauf an. Und irgendwann kann es dann passieren, dass er dir die Schuld gibt, wenn er trinkt. Weil du nicht genug dieses oder jenes gemacht hättest... Und du selbst wirst immer tiefer in die Kontroll-Rolle fallen. Und alles dreht sich nur noch darum, ihn vom Trinken abzuhalten, ihn bloß nicht in Situationen kommen zu lassen, in denen er wohl trinken könnte. Dich zu verdrehen, immer für ihn da zu sein, rund um die Uhr. Und dann bist du mit ihm schon so weit verschmolzen, dass du nicht mehr dazu kommst, dein Leben zu leben. Du fühlst dich rund um die Uhr verantwortlich. Schuldig, wenn "es" doch passiert. Du stehst unter Dauerstrom. Ich habe es jedenfalls so erfahren in meiner Ex-Beziehung.

    Das ist trostlos, super anstrengend und unnötig ist es auch. So sieht kein schönes Leben aus. Wenn er meint es nicht alleine zu schaffen gibt es professionelle Hilfe. Die Leute sind dort neutral. Das ist ein Unterschied!

    Es ist tatsächlich so. Du kannst nur dein Leben leben, nicht seines auch noch. Hast du denn am Wochenende etwas Schönes für dich vor?

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Liebe Lütte,

    ich danke dir für deine offenen Worte. Mir fällt es tatsächlich schwer mich auf mich zu besinnen. Irgendwie ist die Angst um ihn sehr präsent. Und irgendwie weiß man ja alles besser und es ist frustrierend zu sehen, dass einem "nur" dieses Problem im Wege steht.

    Ob und was er ändert werde ich wohl vorerst nicht mitbekommen. Ob das gut oder schlecht ist weiß ich ehrlich gesagt nicht. Auf der einen Seite würde ich gerne wissen wie es ihm geht, auf der anderen Seite tat es mir sehr weh als er letztes Mal sich bei mir ausgekotzt hat und ich nur hilflos daneben stehen konnte.

    Ich habe gestern versucht mit mir selbst den Pakt zu schließen, mich erstmal auf mich zu konzentrieren. Ich habe voraussichtlich im März meine wichtige Examensprüfung. Ich versuche mich selbst auszutricksen in dem ich mir sage: bis dahin sollte dein Fokus eh auf dir und der Prüfung liegen, danach kannst du schauen ob und wie es mit ihm weiter geht. Das klingt vielleicht für viele komisch, aber damit habe ich hoffentlich nicht so das Gefühl des aktiven Wartens und dazu noch nicht so eine Endgültigkeit drin.

  • Liebe Aurora,

    er will meine Hilfe generell ja nicht. Ich bin auch unangekündigt hingefahren um ihn von professioneller Hilfe zu überzeugen. Ich war überrascht wie zugänglich er in dem Moment war, 2 Tage später dann wieder nicht mehr.

    Er will mich eigentlich aus seinem ganzen Suchtproblem raushalten, aber ich muss zugeben, dass ich mich da auch in gewisser Weise aufgedrängt habe, weil es mir schwer fällt los zu lassen, wenn ich weiß, dass es dem Gegenüber schlecht geht.

    Ich mache momentan sehr viel Sport um mich abzulenken und auszupowern und versuche vorerst nur von einem auf den anderen Tag zu denken. Ich bin jemand der sehr zum Grübeln und Zerdenken neigt. Für mich ist es schon unheimlich schwer zu wissen, dass jetzt Wochenende ist und damit für ihn die Gefahr des Trinkens besteht. In meinem Kopf entstehen so Gedanken "letzte Woche war ich da und konnte es verhindern, ich wäre jetzt auch besser da"
    Aber ich versuche dem immer und immer wieder entgegen zu setzen, dass er das nicht will. Und ich das akzeptieren muss.

    Ich versuche mir etwas schönes vorzunehmen auch wenn es gerade schwer fällt (ich muss lernen, habe eine schwere Erkrankung in der Familie und eine Freundin bei der Krebs gerade diagnostiziert wurde) wenn es kommt, dann wohl alles. Aber ich habe mir fest vorgenommen es stark durchzustehen.

  • Du KANNST es nicht verhindern, das ist eine Verantwortung die du dir selbst auferlegst und die du garnicht tragen kannst.


    freue dich an den kleinen Dingen wenn du nix großes hast.

    Aurora hat es schon ziemlcih genau getroffen ... es wurden halt die richtigen Knöpfe bei dir gedrückt, und da ist es schwer NICHT an zu springen.

    Train to survive

    survive to train

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