Die Prägung "Nicht stören"

  • Liebe Forumsleser und -schreiber,

    zunächst eine Kurzvorstellung:
    Ich bin Biene1967 und habe hier einige Zeit schon mitgelesen.
    Ich bin erwachsene Tochter eines Alkoholikers und habe einen Partner, der -so mein Verdacht - auch viel Alkohol trinkt.
    Ich hoffe hier auf Austausch und natürlich auch auf Rat erfahrener Leser und Schreiber.

    Nun mein konkretes Anliegen bzw. Thema:
    Von Kindheit an bin ich gewohnt - oder geprägt - nicht zu "stören". Mein Vater war Alkoholiker, meine Mutter hielt die Familie irgendwie zusammen und regelte den Alltag (sie besuchte damals übrigens bereits Angehörigengruppen). Ich war ein unkompliziertes Kind, erfüllte Anforderungen, war gut in der Schule und im Studium und im landläufigen Sinne wohl "tüchtig". Das bin ich immer noch.

    Mein Partner (7 Jahre Wochenendbeziehung) trinkt ebenfalls viel (täglich um die 6 Bier, soweit ich das einschätzen kann). Entsprechend erlebe ich Stimmungsschwankungen und Wechsel aus Zuneigung und Abweisung.

    Das Paradoxe ist: Obwohl ich darum weiß, dass es nicht an mir liegt, fühle ich mich "störend". Denn wenn er gereizt ist, geht es natürlich gegen mich. Und ich fühle (nicht denke!) mich schuldig. Dass ich meine Bedürfnisse vollkommen zurückschraube, ist meine Schutzstrategie. Weder will ich "reizen" noch kann ich diese uneinschätzbare Reaktion einkalkulieren.

    Ich, die "Tüchtige", im sonstigen Alltagsleben gestandene Frau fühle mich nicht mehr imstande, ganz authentisch zu sein. Weil ich nicht weiß, ob das Gegenüber angemessen darauf reagiert.

    Mein Partner ist nicht aggressiv im Sinne körperlicher Gewalt oder Anbrüllen, er kann auch unglaublich liebevoll sein.
    Doch ich erlebe eine passive Aggression, die mich in einer (vertrauten) und passiven Hab-Acht-Stellung hält.

    Ich weiß nicht, ob ich nur noch da bin, um diesen alten Kindheitsknoten aufzulösen: Auch mal "wichtig" sein, auch Bedürfnisse erfüllt bekommen, mehr zu sein, als die Tröstende in für ihn belastenden Situationen.

    Ist das typisch? Dass man sich mit wenig zufrieden gibt, weil man (wie als Kind) immer auf mehr hofft und deshalb am Ball bleibt?

    Ich weiß gerade noch nicht, ob ich klar genug bin in meiner Fragestellung.
    Es treibt mich eben gerade um und ich bin noch etwas ungeordnet.

    Viele Grüße
    Biene

    I miss the one I saw in you

  • hallo Biene,

    herzlich willkommen bei uns im Forum.

    du beschreibst es ganz gut und verständlich.
    Dieses nicht stören zu wollen oder sich ruhig zu verhalten, kenne ich auch sehr gut.
    Es ist das Verhalten, womit ich immer versucht oder gehofft habe, das er aufhört zu trinken.
    Ich hatte den Gedanken, wenn ich nur gut genug bin, ist die Chance da.
    Aber nichts davon hat er getan, nur ich habe mich immer schlechter gefühlt,
    weil immer weniger von mir blieb.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Morgenrot,

    Dankeschön für Deine Rückmeldung.
    Hier ist es aber eher so dass ich mich "ruhig und brav" verhalte, damit er nicht genervt ist. Darum geht es ....
    Sein Trinkverhalten versuche ich nicht zu steuern, ich versuche vielmehr, keinen Anlass für Genervt-sein zu bieten.
    Wobei ich insgesamt eine ruhige Person bin, also keine Quasselstrippe oder Dauerfragerin.
    Seine Toleranz sinkt immer mehr, diese Stimmungsschwankungen nehmen zu. Als wolle er mich damit in Schach halten. Ich muss also ständig auf seine Stimmung achten, damit es nicht eskaliert.
    Da ich sehr harmoniebedürftig bin, ist das dann ein ziemliches Gefälle.

    I miss the one I saw in you

  • Hallo Biene,

    ich bin Alkoholiker, seit 14 Jahren trocken.

    Du kannst dich verhalten wie du willst, es wird nie richtig sein oder etwas bringen.

    Für einen nassen Alkoholiker zählt nur dass er in Ruhe trinken kann, alles andere stört nur.

    Gehst du ihm aus dem Weg liebst du ihn nicht mehr, suchst du Nähe störst du ihn beim Trinken.

    Redest du mit ihm kann es genau so falsch sein wie wenn du still bist.

    Ein nasser Alkoholiker ist nicht berechenbar :!:

    Möchtest du wirklich so leben :?:

    LG Martin

  • hallo Biene,

    Martin hat recht, du kannst alles machen und alles wird falsch sein.
    Ein nasser Alkoholiker findet immer einen Grund um zu trinken.
    Wenn du sagst, der Himmel ist heute schön blau und er da anderer Meinung ist, reicht es und er der "unverstandene" wird trinken, weil du ihn nicht verstehst.
    Du siehst, da ist nichts berechenbares, und dein Leben wird immer enger,da ist der Rückzug fast zwangsläufig die Folge.
    Bei mir war es so, und da war es wichtig irgendwann den ersten Schritt wieder nach draußen zu tun.
    Das geht nicht von heute auf morgen, wichtig ist es aber, dass du für dich weißt, dass du keine Schuld an seinem Trinken hast.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Danke Martin,
    eine Antwort aus Deiner Perspektive (bzw. in Rückschau darauf) finde ich aufschlussreich.

    Ja, genau so ist es. Ziehe ich mich zurück, zeige ich nicht genug Zuwendung. Zeige ich Zuwendung, ist sie falsch.

    Ich komme so schwer los von dem Gedanken, ich sei tatsächlich "falsch". Für sein Trinkverhalten fühle ich mich nicht verantwortlich, aber ich versuche so zu sein, dass er nett und liebevoll ist. Gelingt mir selten.
    Ich bin noch sehr gefangen in der "wenn ich nur lieb bin wird alles gut"-Rolle.
    Ich habe mich ja mal in ihn verliebt, weil er sehr, sehr emotional und weich sein kann, hochsensibel wahrscheinlich auch.
    Und ich bin auch so eine .... da fühlte ich mich dann immer sehr verstanden und auf einer Ebene. Es war nie oberflächlich.
    Und Angst vor dem Alleinsein habe ich auch, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin.
    Lieber dies Wenige, Anstrengende als gar nichts .... ?

    I miss the one I saw in you

  • Ja Morgenrot,
    nicht Berechenbar trifft es genau.
    Wobei ich eben nicht den Eindruck habe, er sucht einen Grund zum Trinken, sondern er sucht Wege, die Nähe und Distanz zu kontrollieren.

    I miss the one I saw in you

  • und wenn er merkt, das er die Kontrolle verliert, hat er seinen Grund.
    Denn sowie du etwas für dich änderst, scheint es bei ihm anzukommen wie "Kontrollverlust".
    Als ich damals hier im Forum begann, und mir auch noch eine reale Gruppe suchte, witterte er Gefahr für sich, und wurde unausstehlich.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Morgenrot,
    ich habe mehr das Gefühl, es geht um Kontrolle von Nähe und Distanz. Wenn ich "lieb" bin, damit er nicht unausstehlich wird, kann ich nichts verlangen, kann keine Bedürfnisse anmelden, bin ich sozusagen pflegeleicht und anspruchslos.
    Ich mag nicht mehr "anspruchslos" sein.

    Neulich fragte er mal: "Was willst du denn?" Ich sagte, ich wolle gern mal in den Arm genommen werden (Ich hatte einen anstrengenden Arbeitstag gehabt). Als Antwort kam "Warum brauchst Du eine Umarmung? Ich kann das jetzt nicht".
    Und so werde ich zur Bedürfnislosigkeit erzogen ....
    Das wird gern so verquer begründet, dass meine Bedürfnisse offenbar meine "Altlast" wären und somit nicht sein Problem.
    Nur mag ich mir wegen des Bedürfnisses einer Umarmung nicht gern eine Defizit unterstellen lassen oder das umständlich erklären müssen.

    Na, und so ist in solchen banalen Situationen die Schieflage und der Streit dann da. Es ist zermürbend und ja, unberechenbar.
    Und bei mir eben das Schuldgefühl, ich hätte unangemessene Ansprüche

    I miss the one I saw in you

  • Hallo Biene,
    herzlich willkommen.

    Ich glaube, manche von uns - und gerade wir Kinder von psychisch kranken Eltern - haben sehr starke Antennen entwickelt, was die Befindlichkeiten unseres Umfeldes angeht. Und auch trainiert, die Verantwortung dafür zu übernehmen. So haben wir versucht ...stop, ich red mal lieber von mir statt von "wir", also: so habe ich versucht, irgendwie Einfluss zu nehmen, Kontrolle zu bekommen über die Unkontrollierbarkeit, Unberechenbarkeit. Das ist ein Muster, das ganz schön tief sitzt.

    Gerade, wenn du auch von Hochsensibilität sprichst, dann weißt du ja, was ich meine.

    Ich habe es nicht innerhalb meiner Beziehung geschafft, mich davon soweit frei zu machen, dass es mir besser ging. (Und bei meinem Partner spielte noch nicht mal Alkohol eine Rolle!)

    Ich glaube, dieses ungesunde aufeinander bezogen sein (denn das läuft ja in beiden Richtungen) kann man durchbrechen, aber es ist schwer, weil es mit soviel negativen Gefühlen (Schuldgefühlen, Angst vor Einsamkeit etc.) einher geht.

    Hast du schon mal über eine Psychotherapie nachgedacht?

    Viele Grüße
    Thalia

  • Hallo Thalia,

    ja, das beschreibst Du gut, diese Antennen. Und irgendwie auch eine Art "Größenwahn" wenn man meint, das Verhalten des anderen steuern zu können mit Wohlgefälligkeit.

    Therapeutische Beratungen hatte ich bereits ein paar, es bestätigte vor allem meine Überanpassung. Meine Angst ist vom Verstehen aber nicht besser.
    Hast Du Dich denn auch sensibel den Befindlichkeiten Deines Partners angepasst und bist selbst verlorengegangen?

    Ich habe keine Ahnung mehr, wie ich meine Bedürfnisse anbringen soll- Es geht noch nicht einmal primär um die Trinkgewohnheiten, es geht auch darum, dass ich auch mal etwas Zuwendung brauche. Und nicht nur, wenn sie mir "zugeteilt" wird.
    Ich bin schon wahre Auskennerin in Ich-Botschaften, wie man "richtig" um etwas bittet etc. Nur fühle ich mich dabei ALLEIN und mache schon wieder Dinge, die wir beide tun sollten.
    Als könne ich allein einen Umgang heilen ... um überhaupt wieder Gespräche zu ermöglichen. Das Thema Alkoholkonsum geht auf dieser Ebene der Zaghaften gar nicht.

    Ja, und ich sehne mich nach dem, der er einmal war.
    "Wir schaffen das" war sein Satz.
    Und nun schaffe ich so viel allein, weil er nicht will/kann.
    Ich denke, ich bin nur noch Zweck, um nicht allein zu sein. Ein Wir kommt von ihm nicht mehr. Eher komme ich mir vor wie eine "Bedrohung" seines Ungestörtseins. Freizeitgestaltung und dann ab vor den Fernseher und Biertrinken. Das wirkt fast trotzig, wenn er da so glasig vor sich hinstiert.

    I miss the one I saw in you

  • Hallo Biene,

    wie geht es dir inzwischen?

    Bitte entschuldige meine späte Antwort. Ja, ich habe mich in der Bemühung, die anderen (meinen Partner, eigentlich die ganze Welt) unter Kontrolle zu halten (damit er/sie lieb zu mir ist) auch selbst verloren. Und dann noch ein zweites Mal durch meine Alkoholabhängigkeit, beides hängt bei mir eng zusammen.

    Meine "offenen Sinne" für die Befindlichkeiten der Menschen, die mich umgeben, hatte ich immer schon (soweit ich mich an mich erinnern kann). Was davon Veranlagung ist und was auf die Familienkonstellation in der Kindheit zurückzuführen ist, ist für mich mittlerweile zweitrangig. Durchs Verstehen wird es letztlich auch nicht anders (auch wenn ich das gerne glauben mag).

    Du schreibst von Bedürfnissen. Die sind ein wichtiger Hinweis für dich. Wenn ich weiß, woran es mir mangelt, dann kann ich mich daran machen, diesen Mangel zu stillen. Ich! Nicht mein Partner, ich.
    Herauszufinden, was ich wirklich (!) brauche, das ist nicht leicht, finde ich.

    Viele Grüße
    Thalia

  • Zitat von Thalia1913

    Du schreibst von Bedürfnissen. Die sind ein wichtiger Hinweis für dich. Wenn ich weiß, woran es mir mangelt, dann kann ich mich daran machen, diesen Mangel zu stillen. Ich! Nicht mein Partner, ich.
    Herauszufinden, was ich wirklich (!) brauche, das ist nicht leicht, finde ich.

    Liebe Thalia,
    Dankeschön für Deine Antwort. Mir geht es gerade nicht so gut, ich fühle mich alleingelassen .... und da nun der Bogen zu dem obigen Zitat:
    Überall liest man, man sei allein für das Stillen seiner Bedürfnisse zuständig. In weiten teilen stimme ich da zu.
    Nur mein tiefstes Grundbedürfnis, nämlich das nach einem Wir-Gefühl, das kann ich nicht allein stillen. Beruflich ja, da habe ich mir mein tolles Team gesucht. Privat .... nein, da fehlt es mir.
    Und der Verzicht auf Bedürfnisse, also sie an jemanden herantragen, das finde ich dann doch befremdlich.
    Ist bedürfnisfrei und nichts erwarten nicht sehr unverbindlich? Ich glaube, ich müsste mich sehr verstellen, wenn ich mich erwartungsfrei zeigte. Das mag für einen Partner "easy" und erholsam sein, doch so ein Grundbedürfnis gehört doch auch zu mir und muss Raum haben.

    Ich wünsche mir ein GESUNDES aufeinander bezogen sein.

    I miss the one I saw in you

  • Hallo Biene,

    Zitat

    Ich wünsche mir ein GESUNDES aufeinander bezogen sein.

    Meiner Meinung nach geht das nur, wenn beide mit sich im Reinen sind. Ich bin grundsätzlich auch der Meinung, dass ich für die Befriedigung meiner Bedürfnisse verantwortlich bin bzw. wenn ich mich irgendwie einen Mangel fühle, ich dafür sorgen kann/muss, diesen Mangel auszugleichen. Bürde ich dem Partner nicht eine Last auf, wenn ich sage, Du bist für die Befriedigung meiner Bedürfnisse verantwortlich und ziehe mich mich selbst damit nicht aus der Verantwortung und nehme mir die Chance, mein Leben zu gestalten? Bis zum Tag x war ich auch der Meinung, dass sich nur mein Mann zu ändern brauchte und meine Welt wäre in Ordnung. Dann die Trennung und meine Welt war nicht in Ordnung. Als ich anfing, mich selbst um meine Mängel zu kümmern, kam meine Welt langsam in Ordnung. Heute, 5 Jahre später, leben wir beide zusammen ein neue Beziehung. Wir brauchten eine gewisse Zeit um jeder für sich ins Reine zu kommen und jetzt haben wir ein gesundes aufeinander bezogen sein.

    sonnige Grüße
    Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Liebe Lütte,

    ich stimme Dir zu, dass niemand dafür verantwortlich ist, meine Bedürfnisse vollumfänglich zu erfüllen - außer ich selbst.

    Wenn jedoch so gar kein Bedürfnis erfüllt wird (eine Umarmung, eine Rückmeldung, mein Schlafbedürfnis als Frühaufsteher), dann glaube ich nicht, dass dieser Partner gut für mich ist.
    So eine "Mangelbeziehung" kann ich mir nicht schönreden, indem ich mir alle Bedürfnisse selbst erfülle.

    Gute Freunde zu haben, den Tag schön zu gestalten, mir Gutes tun, Achtsamkeit mir selbst gegenüber - ja, das ist meine Verantwortung.
    Nur eben dies Projektionsfläche sein für die Unzufriedenheit des Partners, Blitzableiter für die Launen, das ist dann doch zu wenig und läuft meinen Bedürfnissen deutlich entgegen.

    Ist ein Bedürfnis nach Freundlichkeit im Umgang miteinander schon zuviel Last, die ich ihm da aufbürde?

    I miss the one I saw in you

  • Hallo Biene,

    Zitat

    Ist ein Bedürfnis nach Freundlichkeit im Umgang miteinander schon zuviel Last, die ich ihm da aufbürde?

    alles was ihn vom trinken abhält ist eine "Last" für ihn.

    Es ist auch nicht so einfach die jeweils andere Seite zu verstehen, so geht es mir zumindest :oops:

    Ich lese schon seit Jahren die Beiträge hier und ich habe immer noch Probleme die Co's zu verstehen.

    Bei einem Alkoholiker ist mir das klar, der fühlt sich elend, krank wenn er nicht genug Alkohol bekommt.

    Damit will ich die Alkoholiker nicht "freisprechen", sie müssen was unternemen um trocken zu werden.

    Wie soll er sich denn plötzlich ein Leben ganz ohne vorstellen wenn er schon bei 2-3 Stunden Probleme bekommt.

    Du solltest aber nicht glauben dass automatisch alles gut ist wenn er nicht mehr trinkt,

    wer weiss was dann aus ihm wird/von ihm übrig bleibt :!:

    LG Martin

  • Liebe Mitleser und -schreiber,

    unsere Beziehung ist vorbei. Mein Partner hat sich vor 4 Wochen getrennt, einen Grund hat er nicht konkret genannt, war eben nur in den letzten Monaten immer unleidlicher. An mir fand er tausend Unzulänglichkeiten, war genervt u.s.w.
    Eine neue Frau ist auch schon da, viel extrovertierter und auch lebendiger im Wesen als ich (sie war im letzten Jahr auf seinem Geburtstag).

    Ja, ich bin traurig. Meine Therapeutin meinte (schon vorher war ich manchmal bei ihr), ich sei traurig um das Potential, das ich in ihm/uns gesehen hätte.
    Ja .... wir sind Beide so Intros ,-) mit weichen Zügen.
    Und ich bin traurig, so ausgetauscht worden zu sein in so eine ganz und gar andere Frau.

    Heute las ich im Magazin einer Wochenzeitung das Inteview einer Paartherapeutin (Esther Perel) , die da sagt, man müsse spannend bleiben für den Partner, dann ginge es gut.
    Ich bin nicht spannend, ich werde es nie sein.
    Und das macht mir Angst.
    Geht man so mit mir um, wirft man mich fort, weil ich nicht "spannend" bin?
    Ich bin ein ruhiger, eher zurückgezogener Mensch. Ich meide Lautes, spiele keine Spielchen, trickse nicht, bin zuverlässig und berechenbar. Langweilig?

    Ist man als solch ein Mensch
    - anfälliger für schädliche Beziehungen?
    - nicht liebenswert, da nicht aufregend?

    Ich fühle mich gerade allein, auch ich habe nun einen "Entzug" von meiner Droge XY. Der ja auch gut war, grüblerisch, nachdenklich, introvertiert.

    Dann wieder denke ich (denke, nicht fühle), dass ich die ganze Zeit in einer Mangelbeziehung war, in der meine Bedürfnisse keinen Platz hatten.
    Denn sie galten meist als unangemessen oder meinen Defiziten geschuldet, insofern war xy nicht zuständig, sie zu erfüllen.
    Doch der Wunsch nach in den Arm genommen werden ist doch ziemlich bescheiden. Irgendwann war ich mir sicher, dass das zuviel verlangt ist.
    Und ich fühle mich "selbst schuld", dass ich das nicht bekommen habe.
    Und wie bei vielen Verlassenen die Angst, die Nachfolgerin bekäme das nun alles und er bleibt nicht jede Nacht bis zwei Uhr mit Bier auf dem Sofa ...
    Ich bin in all den Jahren allein schlafen gegangen. Immer.
    Das war oft ein allein fühlen zu zweit. Aber es war die Option auf ein WIR da.

    Mir fällt es sehr schwer gerade, das Alleinsein. Und dieses unfreiwillige Kopfkino, wie schön die zwei es nun haben.

    I miss the one I saw in you

  • Hallo Biene,

    ja, das ist traurig, wenn eine Beziehung zu Ende ist, auch wenn sie irgendwann nicht mehr gut war. Es ist ja trotzdem ein Verlust von etwas.

    Zitat

    Von Kindheit an bin ich gewohnt - oder geprägt - nicht zu "stören".

    Ich glaube, diese Prägung ist bei dir ganz stark präsent. So wie du dich beschreibst. Und deine Ex-Beziehung. Was bedeutet es, "spannend" zu sein? Das verstehe ich nicht so ganz. In meiner Beziehung möchte ich Ruhe finden, Geborgenheit, Liebe. Und natürlich auch Lustiges, Leichtes, Freudiges. Aber Spannendes? Das habe ich mir noch gar nicht überlegt... Ich habe eine 26-jährige Lebenszeit mit meinem Ex hinter mir, da war es spannend und unberechenbar genug. Mit seiner Trinkerei und all dem... Das brauche ich echt nicht mehr, mein Bedarf ist gedeckt. Und bei dir?

    Zitat

    Geht man so mit mir um, wirft man mich fort, weil ich nicht "spannend" bin?
    Ich bin ein ruhiger, eher zurückgezogener Mensch. Ich meide Lautes, spiele keine Spielchen, trickse nicht, bin zuverlässig und berechenbar. Langweilig?

    Vielleicht war es so in dieser gerade beendeten Beziehung. Das kann doch sein, dass dieser Mann da was anderes braucht. Das hat ja aber was mit diesem Mann zu tun und nicht mit dir! Hast du dir das schon mal so überlegt? Ich kenne Männer, die möchten eher so unaufgeregte Frauen wie dich (und ich bin auch so), das gibt es doch auch.

    Und das heißt doch überhaupt nicht, dass du nicht liebenswert bist :shock: . Knall mal diesen Killergedanken in die Tonne, da gehört er hin :wink: .

    Du bist es von Kindesbeinen an gewöhnt, dich ruhig zu verhalten und angepasst zu sein. Nur nicht stören und schon gar nicht eigene Bedürfnisse haben, die wahrscheinlich eh nicht befriedigt werden.

    Dieses alte Muster ist für dich schädlich. Das hast du ja in dieser Beziehung selbst gemerkt. Es macht es dir schwer was einzufordern, was du gerade brauchst, zum Beispiel eine Umarmung. Du fühlst dich schuldig, solche Gefühle und Bedürfnisse zu haben, die ganz natürlich und menschlich sind. Wenn du nun noch solchen Partner hast wie deinen Ex, dann bedient das dein Muster ja klasse, denn er ist ja nicht in der Lage, dir das zu geben, was du brauchst. So wie früher...

    Gut, dass du eine Therapeutin hast. Um das mal anzuschauen und zu entschärfen, dieses alte Muster.

    Zitat

    Mir fällt es sehr schwer gerade, das Alleinsein. Und dieses unfreiwillige Kopfkino, wie schön die zwei es nun haben.

    Ja, das Alleinsein fällt schwer, aber alleine warst du ja auch schon in der Beziehung.
    Und ob die Beiden da es nun wirklich schön haben steht in den Sternen. Du bist jedenfalls diesen Mann los, der nicht bereit war, dir ein Minimum an Zuneigung zu geben. Ist das wirklich solch Verlust?

    Das fühlt sich bestimmt gerade trotz allem so an. Aber das vergeht auch. Ich wünsche dir eine gute Nacht und morgen einen schönen Tag, vielleicht hast du etwas Nettes vor?

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Liebe Heli,

    ja, Du beschreibst viel Vertrautes.
    Insgesamt war es eine "Mangelbeziehung" für mich, ich bekam stets weniger, als ich brauchte. Vielleicht ist man deshalb zufrieden, wenn man überhaupt ein bisschen bekommt?
    Und das abgewiesen werden, das wurde ja begründet mit meinen Mängeln.
    (Beispiel: Ich bat ihn um eine Umarmung. "Warum brauchst Du das? Was ist mit Dir, dass Du das brauchst?")
    So, als könne man mich eben nicht so lieben, wie ich es brauche bzw. mein Bedürfnis irgendwie besonders absurd wäre.

    Und ich war mehr als bescheiden und gewiss nicht zu anspruchsvoll.
    Nur so im Nachhinein fällt mir auf, dass mir das Wenige lieber war als so gar Nichts.

    Die Trauer ist trotzdem da und wirklich auch diese Vorstellung, er kann das nun doch alles geben .... jemand anderem.
    Wenn man ausgetauscht wird, dann glaubt man leicht, das Neue sei eben doch besser, liebenswerter.

    Ich versuche mir auch manchmal dieses Sofa-Bier-Bild in den Kopf zu rufen, gelingt aber gerade nicht.
    Im Moment überwiegt eben dieses Schuldgefühl, nicht liebenswert zu sein, er offenbar schon (neue Partnerin eben).
    Und mein Kopfkino läuft, das dort alles gut ist.

    Er sagte mal zu mir: "Warum ist es nicht leicht bei uns". Wie soll es für mich leicht sein, wenn ich immer nur auf mehr warte wie ein trockener Schwamm und ich vor allem nie das Gefühl hatte, es gibt ein WIR.
    Einer gab in wohldosierten Portionen, ich war so "ausgeliefert", ob und wieviel man mir zuteilt. Unbefangenheit hatte da keinen Raum für mich und easy-locker-flockig war ich dann auch nicht.
    Es blieb zu wenig übrig für ein Wir.

    LG Biene

    I miss the one I saw in you

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