Ich helfe nicht mehr

  • Hallo,
    ich möchte mal meine gegenwärtige Situation kurz beschreiben. Ich lebe seit 27 Jahren mit einem Mann zusammen, der seit etwa 4 Jahren immer exzessiver trinkt. Das war früher nicht so, wenngleich es so vor 20 Jahren schon fast normal war, jeden Abend 1 oder 2 Bier zu trinken. Auch ich hatte damit kein Problem. Ich habe auch Verständnis, wenn man mal „richtig“ (mit Alkohol feiern) will und dabei über die Stränge schlägt, ich hab das als junger Mensch auch mal eine Zeit gern gemacht. Aber nun ist das etwas ganz anderes.

    Er hat immer wieder mal Phasen, wo er gar nichts trinkt und bleibt dabei der Meinung, er könnte das kontrollierte Trinken irgendwann lernen. Aber bei jedem Rückfall ist er dem Tod näher, so kommt es mir manchmal vor. Mittlerweile zieht sich so ein Rückfall ca. 2 Wochen lang hin, davon schreit und stöhnt er ca. 2-3 Tage lang fast pausenlos also nur, wenn er dazwischen schläft, ist Pause, an den anderen Tagen trinkt er immer so viel Bier, Schnaps und Wodka, bis er einschläft. Dann wacht er auf, torkelt zur Tankstelle und holt Nachschub. Dazwischen gibt es dann immer noch 1 bis 2 Sani-Einsätze, mindestens 1 Tag Krankenhaus, wo er dann abhaut um Nachschub zu besorgen und mehrere Stürze, wo er sich diverse Verletzungen, meistens im Gesicht, zuzieht. Bis letztes Jahr ist er sogar mit dem Auto zum Nachschub holen gefahren, weshalb ich immer versucht habe, die Autoschlüssel zu verstecken, damit niemand zu Schaden kommt. Bis dann der Führerschein auch weg war und ich muss zugeben, dass ich dazu beigetragen habe, weil ich das für eine gute Lösung hielt und die Polizei hereingebeten habe usw. , damit sie sehen, in welchem Zustand er durch die Gegend fährt.

    Wenn er jetzt nicht zu besoffen zum Fahrrad fahren ist, geht er zu Fuß – bei jedem Wetter und in jedem Zustand. Einmal haben ihn die Nachbarn unterwegs aufgelesen, als er mal wieder aus dem Krankenhaus geflüchtet ist und auf dem Weg nach Hause auf der Straße liegen blieb. Da wollte ich ihn eigentlich aussperren und nicht mehr reinlassen, aber die Nachbarn haben mich mit ihrer Hilfsbereitschaft und Anteilnahme so ausgebremst, baten um eine Decke (es war letzten Winter, er hatte unterwegs die Kleidung verloren), die dachten wohl, ich wollte ihn erfrieren lassen.

    Bei all diesen kurzen Krankenhausaufenthalten hatte er selten weniger als 3 Prm. Und hat aber dabei noch die ganze Station unterhalten (er ist sehr kreativer Mensch und sehr talentiert). Und auch dort hat man ihm gesagt, kontrolliertes Trinken sei für ihn ein möglicher Weg! Es geht nicht, auch wenn er behauptet, dass seine Rückfälle umso schlimmer sind, je mehr Monate lang er ganz abstinent war und es besser wäre, jeden Tag ein bisschen zu trinken.

    Ich kümmere mich inzwischen nicht mehr um ihn, wenn er trinkt. Auch nicht, wenn er wieder die Treppe hinunter gefallen ist und ich ihn weinen höre. Ich gehe jetzt immer, wenn ich merke, die Wut steigt in mir auf und dann kümmere mich nur um mich. Ich will ihn dann weder sehen noch mit ihm sprechen. Ist das unterlassene Hilfeleistung?

    Er ist mir gegenüber nie aggressiv oder gewalttätig, aber ich bin schon einmal so wütend gewesen, dass ich ihn geschlagen habe. Das hat mit furchtbar leid getan, weil er dann wieder geweint hat. Ich denke, es ist überflüssig, zu erwähnen, dass er im nüchternen Zustand der beste Mann der Welt ist. Das kennt ihr bestimmt auch.

    Würdet Ihr sagen, dass ich doch co-abhängig bin?

  • ok, heute war es wieder so weit. Vorhin hat mich die Polizei angerufen, er war mit dem Fahrrad unterwegs, ist gestürzt und bewusstlos liegen geblieben. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, aber eher wegen der Nichtansprechbarkeit infolge Alkoholkonsums als wegen der Verletzungen und evtl. Unterkühlung. Das heißt, sobald er die Augen aufmacht wird er wieder losmarschieren, aqlso spätestens morgen, schätze ich.

  • Liebe coup. Ich bin neu hier im Forum,habe aber schon so einige eigene Erfahrungen gemacht. Du liest dich nicht so richtig co abhängig. Eher wütend und in der Mutter Rolle. Das deinem Mann im Krankenhaus gesagt wurde er könnte kontrolliert trinken ,kann ich mir nicht recht vorstellen. Sagt er das so oder haben die Ärzte das zu dir gesagt??? A würde ich nicht glauben und B finde ich bodenlos und fahrlässig. Das wäre für mich unterlassene Hilfeleistung. Ja und nun zu dir. Du hörst dich so an ,als könntest du dich noch gut um dich selber kümmern und bist mit dir im Reinen. Das ist gut so👍 Dein Mann scheint „noch“ keinerlei krankheitseinsicht zu haben. Also für mich hieße das : kann und will ich so leben? Kann und will ich so leben wenn es schlechter wird— und das wird es!!!!! Dein Mann ist sehr krank und braucht Hilfe,die du ihm aber nicht geben kannst. Will er nichts tun. - im Krankenhaus entgiften, Reha, Therapie und vor allem lebenslange Abstinenz..... kannst du ihm beim langsamen sterben zusehen....... da musst du dich fragen ob du das willst und ihm damit geholfen ist??? Vielleicht muss er ganz tief fallen— allein....vielleicht reicht eine zeitweilige räumliche Trennung..... Spüre mal in dich hinein was du vom Leben möchtest, wie dein Leben aussehen soll. Und sei versichert, wenn dein Mann nicht trocken werden will kannst du gar nichts machen!,,,,,, Ganz viel Kraft. Mcfly

  • Hallo Coup,

    erstmal "Willkommen im Forum" und sei wie es sei, einen hoffentlich annehmbaren Silvestertag.
    Was machst du denn heute? Gemeinsam wirst mit deinem Partner wohl keinen schönen Abend haben können?

    So wie du den Alltag mit diesen Mann beschreibst, ist wohl seine Abhängigkeit schon ziemlich massiv? Wahrscheinlich muss er
    bereits trinken, um eine mögliche alkoholbedingte Depression und die Entzugssymptome noch auszuhalten?
    Kurz um: Ein wahrer Teufelskreis den er ohne "adäquate Entgiftung" nicht mehr durchbrechen kann. So ohne seinen
    Willen sowie seine Mithilfe, vom Alkohol wegzukommen, kann man wenig für ihn tun. Vielleicht wird sein persönlicher Tiefpunkt irgendwann
    noch mal was bewirken, muss aber auch nichts heißen.

    Du schreibst in einem andern Thread, dass du jedenfalls nicht vorhast, aus eurem Haus auszuziehen? Das kann ich gut nachvollziehen, allerdings ob es in eurer Konstellation klug ist, sich um jeden Preis durchzusetzen? Ist es nicht möglicherweise eine Option, nur vorübergehend woanders unterzukommen, nicht nur um die gegenseitige Resigations-und Aggressionsdynamik zu unterbrechen? Mit etwas Abstand von ihm, könntest auch nochmal was Neues entdecken, Freiheit atmen, dir ein Umfeld schaffen, wo der gegenseitige Respekt und Geborgenheit einen Platz hat.

    Ich sag es dir, habe in meiner Partnerschaft unglaubliches geleistet und viel versucht, ihm, den einzigen Menschen, der mir was bedeutet
    hat, vom Alkohol wegzubekommen. Nur war`s ein schier aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen!

    Was ich aus dieser Zeit mitnehmen konnte (20.. verstorben), ist die Erkenntnis. Man muss als erwachsene Person immer für sich die Verantwortung übernehmen, dass das Leben und mein Umfeld, meine Freundschaften und mein Beschäftigungsfeld entsprechend so lebenswert ist um sich wohlzufühlen.
    Jeder kann ein Leben führen, wo man Nächstenliebe geben kann und empfangen darf. Dazu bedarf es auch keiner Partnerschaft.
    Man darf um der Liebe willen, an keinem Mann/Frau festhalten, wenn das ..Pferd bereits Tod ist.

    Ich wünsche dir den Mut, die Dinge zu verändern, die du verändern kannst. Schritt für Schritt nur vorwärts zu gehen!
    Alles Gute, Emma.

  • Hallo Emma,

    ja, natürlich hat er auch immer Depressionen und Ängste. Er hat schon oft zugegeben, dass er krank ist, aber er will sich von niemandem helfen lassen. Ich weiß, dass ich ihm nicht helfen kann und probiere das schon Jahre nicht mehr. Aber er nimmt auch sonst von niemandem Hilfe an. Kein Verwandter, keine Beratungsstelle, keine Therapeuten, die haben alle keine Ahnung ...

    Er macht seine Entzüge auch immer selbst zu Hause, mit Heruntertrinken und Halluzis und allem Drum und Darn, vom Feinsten! Weil ja auch die im Krankenhaus keine Ahnung haben. Er möchte nämlich sofort Medis, aber die bekommt man erst ab 0 Prm. Das taugt ihm nicht.

    Ich habe den Eindruck, er hofft, dass sich das irgendwie von selbst erledigt und er beim Trinken stirbt.

    Im Moment kann ich mich nur ausklinken, wenn die Saufphase beginnt. Ich überlasse ihn sich selbst, soweit das in einem Hause möglich ist. Vielleicht geht das noch, weil die Trockenphasen immer länger als die Saufphasen sind. Zuletzt war er fast ein halbes Jahr trocken, dafür schlägt er jetzt wieder umso doller zu bei der Selbstvernichtung.


  • Ich habe den Eindruck, er hofft, dass sich das irgendwie von selbst erledigt und er beim Trinken stirbt.

    Hallo!

    Das kann passieren. In D kann sich jeder zu Tode saufen, fressen, koksen, spritzen...

    Es schafft halt nicht jeder, sich aus dem Klammergriff der Droge zu befreien. Das ist halt eine Art natürlicher Auslese. Die einen schaffen es, viele bleiben auf der Strecke.

    Daran kann ich nichts ändern, außer meinen Weg aufzeigen, den ich bislang gegangen bin. Laufen müssen die Betroffenen schon selbst. Ich kann und werde sie nicht tragen oder wie heißt es so schön: "Man hilft einer Omi nicht über die Straße, wenn sie nicht will."

    Gruß
    Carl Friedrich


  • ...

    Das kann passieren. In D kann sich jeder zu Tode saufen, fressen, koksen, spritzen...

    Es schafft halt nicht jeder, sich aus dem Klammergriff der Droge zu befreien. Das ist halt eine Art natürlicher Auslese. Die einen schaffen es, viele bleiben auf der Strecke.
    ...

    Ja, so ist es. Er hat auch schon viel in den Griff bekommen, auch das Rauchen aufgehört, nur den Alk packt er nicht. Er hat vor über 30 Jahren einen Heroinentzug gemacht (auch kalt zu Hause) und sagt schon immer, dieser Entzug sei ein Spaziergang gewesen im Vergleich zum Alkoholentzug.


  • Liebe coup. Ich bin neu hier im Forum,habe aber schon so einige eigene Erfahrungen gemacht. Du liest dich nicht so richtig co abhängig. Eher wütend und in der Mutter Rolle. Das deinem Mann im Krankenhaus gesagt wurde er könnte kontrolliert trinken ,kann ich mir nicht recht vorstellen. Sagt er das so oder haben die Ärzte das zu dir gesagt??? A würde ich nicht glauben und B finde ich bodenlos und fahrlässig. Das wäre für mich unterlassene Hilfeleistung. Ja und nun zu dir. Du hörst dich so an ,als könntest du dich noch gut um dich selber kümmern und bist mit dir im Reinen. Das ist gut so👍 Dein Mann scheint „noch“ keinerlei krankheitseinsicht zu haben. Also für mich hieße das : kann und will ich so leben? Kann und will ich so leben wenn es schlechter wird— und das wird es!!!!! Dein Mann ist sehr krank und braucht Hilfe,die du ihm aber nicht geben kannst. Will er nichts tun. - im Krankenhaus entgiften, Reha, Therapie und vor allem lebenslange Abstinenz..... kannst du ihm beim langsamen sterben zusehen....... da musst du dich fragen ob du das willst und ihm damit geholfen ist??? Vielleicht muss er ganz tief fallen— allein....vielleicht reicht eine zeitweilige räumliche Trennung..... Spüre mal in dich hinein was du vom Leben möchtest, wie dein Leben aussehen soll. Und sei versichert, wenn dein Mann nicht trocken werden will kannst du gar nichts machen!,,,,,, Ganz viel Kraft. Mcfly

    Hallo Mcfly, ich hatte deine Frage ja noch gar nicht beantwortet: :roll:
    eventuell habe ich verwechselt, wo genau man ihm das gesagt hat. Vielleicht war es auch in der MPU-Vorbereitung? Der Satz: Wenn man nicht sofort ganz aufhören kann, soll man es mit dem kontrollierten Trinken versuchen. So in etwa, vielleicht nicht wörtlich. Also, ich habe beruflich auch immer wieder mit Suchtberatern und Therapeuten zu tun, und daher glaube ich, dass das jemand gesagt haben soll. Das höre ich in letzter Zeit öfter, dass man von der totalen Abstinenzempfehlung langsam abrückt, weil das in anderen Ländern ja auch vorgeschlagen werde.

  • Hallo Coup,

    Zitat

    Das höre ich in letzter Zeit öfter


    ich arbeite auch in diesem Bereich, und kann es bestätigen, das es angeboten wird.
    Ich halte es für "Geldmacherei", so erhält man sich die Patienten.
    Ein Alkoholiker kann nicht kontrolliert trinken, genauso wie ich als ehemalige Raucherin auch nicht lange brauchen würde, um wieder auf die Menge meiner Zigaretten zu kommen, die ich vor 9 Jahren geraucht habe.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Zitat

    Wenn man nicht sofort ganz aufhören kann, soll man es mit dem kontrollierten Trinken versuchen.

    Hallo coup,

    in einem anderen Zusammenhang könnte es Sinn ergeben.

    Wenn man aufhören möchte und einen Termin zur Entgiftung hat, dann soll man auf gar keinen Fall alleine daheim im stillen Kämmerlein ohne ärztliche Begleitung einen Kalten Entzug machen. Das könnte zu schlimmsten Entzugserscheinungen führen, z. B. zu Krampfanfällen.

    Daher raten wir immer, daß die Leute bis zum stationären Entgiftungstermin bzw. bis zur ärztlich begleiteten ambulanten Entgiftung ihr übliches Level weitertrinken.

    Also nicht runtertrinken, nicht ausschleichen, nicht urplötzlich aufhören - sondern wie üblich bis zum Termin weitertrinken! Ein Kalter Entzug kann nämlich tödlich verlaufen.

    Nur in diesem Zusammenhang macht der obige Satz Sinn. Aber unabhängig davon ist für einen Alkoholiker "kontrolliertes Trinken" unmöglich. Der Kontrollverlust ist ja eines der Zeichen für Alkoholismus.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

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