Hey Hakan,
Vieles was du erzählst war bei mir ähnlich, mit ~16 angefangen zu trinken, aktuell bisschen über 30, eigentlich jedes Wochenende bis zum Totalabsturz gesoffen. Ab und zu wenn's die Gelegenheit gab auch mal unter der Woche. Es gab eigentlich keine soziale Abendveranstaltung wo ich nicht getrunken habe, ist ja auch gesellschaftlich extrem normal und wird fast schon erwartet ("trink doch eins mit", "nur einen Schnaps", "nur einen Absacker" etc.).
Was soll ich sagen. Nach der langen Zeit sind wir, auch wenn wir nicht dauerhaft getrunken haben und auch mal Wochen ohne Alkohol hatten, extrem geschädigt und haben eigentlich keine Ahnung von einem nüchternen Leben. Wie man Lebensinhalte, Abende, soziale Kontakte & Veranstaltungen ohne Alkohol pflegt.
Nachdem ich das nun eingesehen habe und mittlerweile wieder fast ein Monat clean bin, verspüre ich so eine leere und Suchtdruck.
Das ist nach einem Monat leider "völlig normal". Viele denken mit dem akuten Entzug (erste 14 Tage) sei alles rum, aber das ist es nicht. Der Alkohol hat uns verändert. Das müssen wir akzeptieren. Häufige Symptome in den ersten 1-6 Monaten sind u.a. enormer Suchtdruck, Depressive Verstimmung oder Apathie (Gleichgültigkeit, kein Spaß an nichts), und vieles mehr. Natürlich solltest du das alles mit einem Arzt / Therapeuten / Psychiater abklären, wenn es auftritt. Ansonsten können das aber alles post akute Entzugssymptome bei jahrelangem Alkoholkonsum sein, die je nach Mensch verschieden stark und lang gehen können.
Das wichtigste ist glaube ich jetzt erstmal, das ich selbst nicht anfange an meiner Abstinenz zu zweifeln.
Das sollte für dich überhaupt keine Option sein, dieser Entschluss muss fest in deinem Kopf sein. Es werden herausfordernde Zeiten auf dich zukommen, wenn dieser Entschluss nicht fest ist, wirst du es nicht schaffen.
Du musst dein Leben neu entdecken, streich den Gedanken an Alkohol völlig aus deinem Kopf. Du musst deine echte Persönlichkeit - ohne Alkohol und Drogen - entdecken. Deine Hobbys & Interessen, deine Eigenschaften, alles. Und ich weiß, wie schwer das ist. Alkohol war 15 Jahre lang mein hauptsächliches Persönlichkeitsmerkmal, auf das ich auch noch stolz war. Immer gut drauf, immer lustig, smart, der Clown der alle zum lachen bringt. Man muss sich klar machen, dass es nicht so war. Man hat sich vergiftet, war nicht mehr man selbst, hat seine Lebenszeit zum Fenster rausgeschmissen.
In dem Sinne, versuch den Gedanken an Alkohol aus deinem Kopf zu streichen.
Darüber hinaus versuche ich jetzt in der ersten Phase Feierlichkeiten zu vermeiden, mich selbst nicht zu stressen und mit anderen Dingen zu beschäftigen.
Das ist auch gut so. Vor allem wenn die Feierlichkeiten im Endeffekt nur Besäufnisse sind. Habe festgestellt, dass diese Events nüchtern spätestens ab 0 Uhr keinen Spaß mehr machen (war in meinem 2. abstinenten Monat als DJ auf einer Party). Auch der permanente Geruch von alkoholisierten Personen ist extrem unangenehm (ist mir vorher logischerweise nie aufgefallen). Meide diese Ereignisse, und mach Dinge die dir wirklich Spaß machen.