Hallo Manfred,
Du machst Dir Sorgen, wie sich Dein Leben ohne Herkunfstfamilie gestalten wird, ob das Beibehalten der bisherigen Situation möglicherweise der bequemere Weg sei........Ich lebe seit dem Tod meiner Mutter mehr oder weniger ohne eine solche, mein Vater soff und meine älteren Schwestern hatten bereits ihre eigenen Projekte laufen. Mit Anfang 20 verließ ich mein Dorf um in die nächst größere Stadt zu ziehen.
Ich habe viele Jahre mit dem Gefühl gelebt, mit mir sei etwas grundsätzlich nicht in Ordnung, weil ich nicht verstanden habe, weshalb mich meine komplette Familie verlassen hatte. Den Weg ins Erwachsenenleben mußte ich mir selber suchen. Niemand stand am Rand und jubelte mir zu, wenn ich glaubte, etwas gut geschafft zu haben. Manchmal kamen noch Weihnachtskarten oder sowas, aber irgendwann schmieß ich die Floskelpost nur noch in die Tonne, weil mich diese inhaltsleeren Anstandskarten mehr schmerzten als alles andere. Ich fühlte mich unbeschützt, unbehaust und glaubte, etwas Grundlegendes in meiner Biographie reparieren zu müssen, bevor ich ein vollständiges Leben würde führen können.
Aber! - Wenn ich auch nur ein bißchen von dem erhalten hätte, wonach ich mich so sehnte, wäre ich mit Sicherheit in einem Leben steckengeblieben, von dem ich spätestens jetzt - beinahe 30 Jahre später - das Gefühl hätte, das es nicht meines wäre. Ich hätte meine gesamte Kraft damit vergeudet ein Leben zu führen, welches ihren Vorstellungen irgendwie entsprochen hätte: heiraten, kegeln, Schuhe sammeln sowas......So aber mußte (konnte, durfte) ich meinen Weg selber suchen, und habe mich schließlich sehr weit von dem kleinen katholischen Arbeitermädchen entfernt. Das war streckenweise sehr schwer und schmerzhaft und manche Dinge machen mir immer noch zu schaffen, aber es ist mein Leben. Ich habe nicht das Gefühl gegen meine innersten Überzeugungen ankämpfen zu müssen oder in die vollkommen falsche Richtung gelaufen zu sein. Und deshalb denke ich, dass mich dieser Stolperweg letzlich bereichert hat.
Zu meinen Schwestern habe ich inzwischen wieder einen lockeren Kontakt, für mich ist er einigermaßen unverkrampft, weil ich nichts mehr von ihnen erwarte. Ich kann aber auch nicht allzuviel mit ihnen anfangen, weil ihre Welt für mein Empfinden ziemlich klein geblieben ist.
Was ich damit sagen will: Es ist manchmal hilfreich seine Orientierung ohne Rücksicht auf wen auch immer, neu ausrichten zu können, Du wirst ohne `Störquellen` ganz andere Impulse wahrnehmen können, aber mach Dir keinen Streß damit. Die Dinge entwickeln sich langsam, sei freundlich zu Dir.
Schlaf gut
Malika