• Hallo allerseits,

    jemand aus unserer SHG ist zur Zeit in der LZT. Ein Anderer aus unserer SHG war ihn neulich besuchen und erzählte von einigen Neuerungen in dieser Klinik.

    So werden - wohlgemerkt - ausgewählte Patienten in einen Laden geschickt um sich völlig legal, also abgesegnet von der Klinik, eine Flasche ihres Lieblingsfusels zu kaufen. Anschliessend dürfen sie völlig allein den Abend und die Nacht auf dem Zimmer verbringen. Gemütlich, allein, mit Fernseher und eben jener Flasche Fusel. Es ist ihnen auch gestattet den Schnaps zu tinken. Wenn sie wollen auch vollständig, je nach Lust und Laune ohne aus der LZT zu fliegen. Anschliessend soll das was dann geschieht natürlich therapeutisch aufgearbeitet werden.

    Jetzt lässt mich das nicht mehr los und ich frage mich tatsächlich - welchen Nutzen soll das haben und was soll das tatsächlich bringen? Konfrontation mag ja bei einer Flugangst oder Spinnenphobie Sinn machen, aber das hier?

    Ich hab mich da mal ernsthaft reinversetzt. Was würde ich tun, wie würde es mir gehen? Zuerst mal würde es mir allein schon beim Kauf des Fusels echt mies gehen. Ich hab einen innerern Widerstand aufgebaut Alkohol zu kaufen über den ich eigentlich glücklich bin da er für mich hilfreich ist. Diesen Widerstand müsste ich schon beim Kauf brechen. Allein das halte ich schon für schädlich.
    Dann der Abend mit der Flasche Fusel im Zimmer. Ich würde ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht trinken. Aber der Abend wär ziemlich unangenehm für mich. Einer der Gründe warum ich den Alkohol nicht trinken würde, wäre unter anderem, dass ich keine Lust auf das anschliessende Gelaber der Ärzte bzw. Therpauten bei der anschliessenden Aufarbeitung der Geschehenisse hätte. Ich würde also den Abend vermutlich zwar trocken aber auch mit einem enormen inneren Zwiespalt und Druck verbringen. Ob dieser Druck sich in Saufdruck verwandeln und ich letzten Endes doch trinken würde vermag ich nicht zu 100% vorherzusagen.

    Das was mich tatsächlich beschäftigt, was soll das bringen? In meinen Augen bringt das dem Alkoholiker überhaupt nichts sondern lediglich dem Therapeuten. Das Ganze ist sowas von gestellt, dass das Ergebnis nichts aussagen würde, was im Leben und Alltag des Alkoholikers überhaupt eine Rolle spielt. Welcher Alkoholiker der wirklich trocken bleiben will, setzt sich denn bewusst und mit voller Absicht einem solchen Risiko aus? Egal ob der Alkoholiker in diesem Versuch nun trinkt oder nicht, bedeutet das noch lange nicht, dass er sich später in seinem Leben genauso verhalten würde. In diesem speziellen Fall kommt ausserdem noch dazu, dass dem Alkoholiker ja bewusst ist, dass er zwar darf, aber unter Beobachtung steht und es anschliessend rechtfertigen muss.

    In meinen Augen ist das wie ein völlig nutzloser und zudem gefährlicher Laborrattenversuch in dem der Alkoholiker die Ratte ist und der Therapeut der Laborant.

    Was meint ihr dazu?

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • hallo kaleu

    ich stimm dir da zu, ich halte davon auch nicht all zu viel da es eben, aus den von dir genannten gründen, sicher kein ergebnis gibt das wirklich aussagekräftig ist. ich gehe mal davon aus das das sicher gut gemeint ist, aber es zeigt letztendlich mal wieder, das auch der beste therapeut eben nicht nachvollziehen kann was im kopf eines abhängigen tatsächlich vorgeht. eine therapie ist sicher für viele wirklich hilfreich, aber letztendlich ist es dann doch der austausch unter betroffenen der die sache rund macht.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Meine persönliche Rückfallprophylaxe besteht darin keinen Alkohol in meiner Nähe zu haben, schon gar nicht in Reichweite oder auf dem Zimmer.
    Mich regt das furchtbar auf, wenn ich mir vorstelle, ich wäre da in Therapie und soll mir den Teufel sogar noch kaufen. Verführung pur. Ich wüßte nicht, ob ich trinken würde. Wahrscheinlich doch. Deswegen kaufe ich ja keinen Alkohol und meine Wohnung ist alkoholfreie Zone.
    Dieser eine therapeutisch motivierte Rückfall kann der letzte sein und danach kommt vielleicht das Grab und was dann?
    Ne, sowas regt mich echt auf

  • hi ich melde mich da auch mal zu wort..... :wink:
    ich war ja schon öfters inner stationären terapie...aber vonner klinik...die ihre patienten anregt alk..zu kaufen & dan noch zu konsumieren...habe ich noch nie gehört..... :evil:
    irgendwie kann ich das auch nicht so recht glauben, da entzugsklinken einer ständigen kontrolle unterliegen und jedes jahr 1x überprüft werden...
    auch würde nach bekannt werden solcher vorgehendsweise...die leistungsträger sprich knappschaft...lva..usw.,ihre patienten nicht mehr in diese einrichtung schicken....das wäre des klinikende..... :mrgreen:

  • Hallo,

    ich stelle mir gerade folgendes vor: Ich trinke den Inhalt der Flasche und sitzte am nächsten Tag mit einem Kater, einem schlechten Gewissen und dem Gefühl versagt zuhaben, vor dem Therapeuten. Das Geschehnis wird in ein paar Gesprächsstunden "aufgearbeitet" und mir fängt es an besser zugehen.

    Was hätte ich dann daraus gelernt?

    Im schlimmsten Fall doch die Erfahrung, dass ein Rückfall gar nicht so schlimm ist und ich einen Weg kennen gelernt habe, danach wieder aufzustehen, denn das würde ja geschehen.
    Vielleicht soll das ja auch der Sinn dieser Übung sein, nur wird dabei wohlmöglich vergessen, dass man im Leben nach der Therapie nicht rund um die Uhr von Ärzten umgeben ist.

    Ich finde, dass sich die Therapeuten mit dieser Aktion einer Aufgabe verschrieben haben, die sie nicht leisten können und dabei sogar Kontraproduktives leisten.

    Natürlich sind meine Gedanken dazu nur Spekulationen.

    Oliver

  • Hallo Kaleu,

    ich habe mal vor 2-3 Jahren eine Reportage aus Russland gesehen.

    Die haben das dort genau so gemacht, waren wohl noch der Meinung dass Alkoholismus eine Frage des Willens ist.

    LG Martin

  • Lieber Kaleu,

    das ist ja interessant was Du da schreibst, immer wieder neue Therapieverfahren.....

    Weisst Du nach welchen Kriterien die Patienten ausgesucht werden und weisst Du, wieviele tatsächlich getrunken haben? Das fände ich spannend zu wissen.

    Erklären könnte ich es mir folgendermassen.

    Es werden speziell Patienten ausgewählt, bei denen sich die Ärzte ziemlich sicher sind, dass sie das Trinken wirklich aufhören wollen und darin auch fest und stabil sind (sicher kann man nie sein, aber gehen wir jetzt mal davon aus..)

    Gehen wir davon aus, dass der Patient den Abend ohne die Flasche angerührt zu haben verbracht hat.

    Ich könnte mir denken, dass es als Ankerübung dienen soll.

    Der Patient der aus der LZT kommt, kann ja auch jeden Tag losmarschieren und sich Alkohol besorgen. In dieser "Übung" hier wird er ganz bewusst mit dem alltäglichen Leben konfrontiert - Hat er keinen Alkohol getrunken soll es wahrscheinlich eine Art "remembering" für ihn sein.

    Also wenn der Patient unter "Saufdruck" kommt oder mit Alkohol konfrontiert wird, er sich sofort an diese Situation erinnert und weiss, dass er es geschafft hat nichts zu trinken, obwohl die Flasche vor ihm stand und er sie nicht angefasst hat - es ging auch ohne.

    Anders kann ich es mir nicht erklären, oder ob es als Test dienen soll, wie stabil der Patient wirklich ist?

    Es steht mir nicht zu, das zu bewerten...

    Liebe Grüsse Martha

    Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten ...

  • Hallo Kaleu

    ich halte nichts von Menschenversuche , bei dem das scheitern der Tod sein kann. Wer trotz besseren Wissens, solche Konfrontationsmaßnahmen zu Testzwecken missbraucht, lässt das Suchtgedächtnis als eine Willensschwäche dastehen.

    Aber das Rad wird ja bekanntlich jeden Tag neu erfunden .

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut,

    ich habe ein Verständnisfrage, auch wenn es hier vielleicht nicht reinpasst. Wenn das Suchtgedächtnis hoch kommt, habe ich die Vorstellung, als nicht alkoholkranke Person, dass ich mit meinem Willen dagegen steuern kann, dem scheint aber nicht so zu sein. Wie geht ihr dann damit um, wenn nicht über den Willen? Ich würde das gerne verstehen. Oder gibt es einen Link, wo ich das nachlesen kann?

    Grüße Martha

    Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten ...

  • Hallo Martha,

    das wäre ein Extra -Thread wert :wink:

    Der Wille steht am Anfang und den brauche ich auch zum gegensteuern für den aufkommenden illusorischen Gedankens, der mir vorspielt wieder Saufen zu können. Dieser Wille wird jedoch mit der Zeit gebrochen, und das Suchtgedächtnis übernimmt das Handeln. Deswegen bin ich ja auch krank. Diese Krankheit spielt mir, wider besseren Wissens vor, nicht krank zu sein.

    Und mit dieser Erkenntnis fing auch meine Trockenheitsarbeit an, zu verstehen das ich alleine mit Willen nichts ausreichten kann und unheilbar erkrankt bin. Das es kein Zurück gibt und ich nur durch größtmögliche Risikominimierung entgegenwirken kann.

    das waren mal die ersten kurzen und knappen Gedanken dazu. :) Es ist weitaus umfangreicher und wenn du magst kannst du gerne noch eine Thread eröffnen.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

    Einmal editiert, zuletzt von Hartmut (30. April 2010 um 23:02)

  • Liebe Martha,

    das finde ich jetzt tatsächlich eine interessante Diskussion. Hier ist tatsächlich zu erkennen wie unterschiedlich Alkoholiker und Gesunder tatsächlich denken.
    Der Erklärungsversuch den Du zu dieser Therapie vorgenommen hast, klingt einleuchtend - für einen Gesunden! Jeder trockene Alkoholiker der sich ausgiebig mit seiner Sucht beschäftigt hat kann das was Du als Erklärungsversuch geschrieben hast sofort negieren.

    Auch als Ankerübung oder zur Stärkung einer inneren Sicherheit oder ähnlichem ist dieses Experiment nicht geeignet. Denn ein trockener Alkoholiker weiss, dass er auch 100 Mal zu Alkohol Nein sagen kann und das dennoch gar nichts bedeutet! Für den Alkoholiker gibt es keinen Weg mehr zurück. Denn er kann nie sicher sein ob er nicht beim 101 Mal dann doch zum Alkohol greift. Er kann es nicht.
    Das ist der wichtigste Grundbaustein um trocken zu bleiben. Ich kann mir vorstellen, dass es für den Gesunden kaum zu verstehen ist - aber der hat ja auch kein Problem mit Alkohol.

    Natürlich ist es in einem Moment des Suchtdrucks der Wille und die Vernunft die einen zurück hält - aber der Alkoholiker weiss auch, dass die Gefahr immer bestehen bleiben wird, dass es Ausnahmesituationen gibt in denen man zum Beispiel massivem Stress ausgesetzt ist oder Kummer hat, eben Ausnahmesituationen immer wieder eintreten können. In solchen Momenten ist es möglich, dass der Wille eben nicht reicht. Jeder der seine Trockenheit ernst nimmt, sorgt deswegen vor in dem er das Risiko in seinem eigenen Interesse bereits im Vorfeld minimiert, so gut es eben möglich ist. Meiner Meinung nach kann nur ein Gesunder auf die Idee kommen, dass es hilfreich wäre den Alkoholiker mit Alkohol in Berührung zu bringen um ihn sicherer zu machen. Im Grunde wäre das Ziel doch dann den Alkoholiker wieder gesund zu machen, nämlich gesund in dem Sinne, dass er in der Lage sein soll, immer und jederzeit Nein zu Alkohol sagen zu könnne, in jeder beliebigen Situation. Aber das geht nicht. Ginge das wäre der Alkoholiker kein Alkoholiker.

    Das hat gar nicht mal so viel mit Saufdruck zu tun, sondern mit dem Bewusstsein wie der Alkohol bei einem Alkoholiker wirkt.

    Ich versuchs mal in Zahlen auszudrücken, vielleicht ist es dann verständlicher. Bitte die Zahlen nicht genau nehmen, die haben keine Grundlage, und sind an den Haaren herbeigezogen. Sie dienen nur zur Visualisierung.
    Der Gesund kann zu Alkohol in 100% der Fälle Nein sagen, ob er's tut oder nicht ist eine andere Sache, aber er kann's. Denn er hat ja kein Problem mit dem Zeug.
    Der trockene Alkoholiker der sich mit seiner Sucht beschäftigt kann vielleicht in 80% der Fälle locker Nein sagen. Da er weiss, dass ein Restrisiko bleibt, minimiert er dieses. Kein Alkohol im Haus usw. So kommt er vielleicht auf 99%. Aber er wird nie wieder, in seinem ganzen Leben, auf die 100% des Gesunden kommen. Das ist nicht möglich. Und da der Alkoholiker das weiss, ist er doch nicht so blöd sich freiwillig einem völlig unnötigen Risiko auszusetzen, denn er weiss ja auch, dass nur ein einziges Glas den Einstieg in eine neue Suchtspirale bedeuten kann und diese mit dem Tod enden kann. Und da ist selbst das eine verbleibende restliche Prozent viel zu gefährlich als dass man sich da auf Spielchen einlässt.

    Es ist nicht nur eine Willensfrage, da spielen viele andere faktoren eine Rolle. Deswegen ist zum beispiel auch das zufriedene trockene Leben so wichtig. Denn das füttert den Willen trocken bleiben zu wollen während Unzufriedenheit diesem Willen das Wasser abgräbt.

    Ich glaube als Gesunder ist das schwer zu verstehen. Aber als gesunder kannst Du auch ein Glas Wein geniessen. Kann ein Alkoholiker nicht. Dem geht's nur um die Wirkung. Und da ein Glas dafür nicht ausreicht, würde ein Glas nur enormen Suchtdruck auslösen. Selbst wenn der Alkoholiker dann in der Lage ist durch Willen kein zweites Glas zu trinken würde das so viel Energie erfordern und ist so anstrengend und unangenehm, dass es in keinem Verhältnis zu dem "Genuss" dieses einen Glases stünde.

    Wenn der Alkoholiker angefangen hat zu trinken, dann muss er trinken bis er seinen Level erreicht hat. Für den Gesunden sicher kaum nachzuvollziehen.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Hallo,

    meiner Meinung nach ist das nichts anderes als, wie Hartmund schreibt, Versuche am Menschen zu Testzwecken. Mit Größter Wahrscheinlichkeit für irgend welche Studien und nicht aussagekräftigen Statistiken, bei denen die Kranken als Laborratten missbraucht werden und widerspricht allem, was ich in letzter Zeit über Alkoholismus gelesen, gelernt und an mir selbst erfahren habe. Und das nehme ich mir nun als „Frischling“ auf diesem Gebiet raus zu sagen. Wobei es mir gerade sehr schwer fällt einiger Maßen sachlich zu bleiben. Vielleicht sollen damit, nach erwiesenem Scheitern dieser neuen Therapieform, altbewährte Methoden unter Beweis gestellt werden…

    Liebe Grüße

    Natalie

    Liebe Grüße Wussele

  • Lieber Hartmut, lieber Kaleu,

    Danke für Eure Antworten. Ja und jetzt merke ich den Unterschied und habe ganz grosse Schwierigkeiten, das nachzuvollziehen, dass muss ich richtig sacken lassen Da ich selbst Mediziner bin, hätte ich mir auch so eine Übung einfallen lassen können....ihr seht ja mein Erklärungsmodel, allerdings mit fatalen Folgen wie ich lese.

    Da kommen jetzt schon einige Frage in mir hoch, um tiefer zu verstehen, wo darf ich sie wem stellen :-)?

    Ein Extrathread zu dem Thema fände ich sehr interessant, doch mir das hier zu erlauben, finde ich etwas anmassend, oder?

    Liebe Grüsse Martha

    Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten ...

  • Ich habe mal sowas ähnliches gesehen.
    Da ging es um trockene Alkoholiker ( nicht lange trocken ) die glaubten, keine Alkoholiker zu sein. Denen wurde dann gesagt, dass sie es mit sich selber ausmachen sollten.
    Sie durften Alk kaufen wenn sie es wollten. Sie konnten ihn mit ins Zimmer nehmen, wenn sie es wollten. Sie durften trinken wenn sie es wollten. Es ging wohl über ein WE, also nicht die ganze Zeit so. Sollten aber am nächstem Tag ehrlich ( vor allem zu sich selber ) sein. Insgesammt waren es wohl 20 die das durften, und 15 oder so sind dem Alkohol unterlegen gewesen. Bzw... 15 haben ihn gekauft und 10 oder so, haben ihn auch getrunken.
    Was aus diesen 10 geworden ist, weiß ich nicht, ( fingen wohl wieder bei NUll an ) aber die anderen 5 waren stark beeindruckt und sahen sich vortan als Alkoholiker.

    Das ist bestimmt schon 3 Jahre her als ich das gesehen habe. Wo es war und wie es hieß... leider keine Ahnung.

    Eine schmerzliche Wahrheit ist besser als eine Lüge.

  • Liebe Martha,

    wieso denn anmassend? Also mich freuts wenn Du Dich dafür interessierst und die Anderen sicher auch. Es gibt nicht viele Gesunde die sich wirklich für unsere Krankheit interessieren und die auch verstehen wollen.

    Mir fiel da gerade was zu ein, was ich gerne hier schreiben möchte, vielleicht hilft es Dir zu verstehen. Und es hat auch mit diesem Thema zu tun, deswegen schreibe ich es hier.

    Stell Dir vor Du brichst Dir ein Bein. Knack, Durch ist es. Anschliessend hinkst Du tage und wochenlang mit dem Beinbruch durch die Gegend. Es ist zwar lästig und tut weh und wird auch immer schlimmer, aber Du verdrängst das alles um nicht zum Arzt zu müssen. Ausserdem fühlst Du Dich auf der Arbeit unentbehrlich und willst nicht krankgeschrieben werden. Alle sagen schon zu Dir, hey, Hallo, lass das machen. Aber Du willst nicht, verdrängst sogar ein Problem zu haben und sagst allen, was habt ihr senn, ich funktioniere doch. Du bist nasser Alkoholiker.

    Hier setzt der Willen ein. Irgendwann tut das Bein dann doch so sehr weh, dass Du etwas unternimmst. Aber Dein Wille allein nützt Dir gar nichts. Mit dem kannst Du Dein Bein auch nicht ganz machen. Sondern Du brauchst Hilfe. Also gehst Du zum Arzt. Der Wille ist also nur der auslösende Faktor. Der Azt macht Dir eine Schiene oder einen Gips und schickt Dich nach Hause in's Bett um das Bein 4 Wochen zu schonen. Du bist auf dem Weg trocken zu werden.

    Jetzt liegst Du zu Hause. Mit Deinem Gips. Auch hier brauchst Du wieder Deinen Willen. Nämlich den, Dich wirklich zu schonen und das Bein nicht zu belasten. Die Gefahr ist sehr groß, dass Du nach 2 Wochen übermütig wirst und denkst, ach geht schon, ich schaff das schon, ich muss es nur Wollen. Du stehst zu früh auf und Knacks, Bein ist wieder im Eimer. Du hattest einen Rückfall weil Du dachtest der Wille allein genügt.

    Jetzt beginnt die Nummer von vorn. Neuer Gips. Diesmal schonst Du Dein Bein und lässt es ausheilen. Du willst trocken bleiben.

    Nur eins darfst Du nie vergessen. Dein bein wird nie wieder ein gesundes Bein werden, sondern es wird immer ein Bein mit einer verheilten Bruchstelle sein. Da kannst Du noch so viel Willen haben, das ändert sich trotzdem nicht. Du wirst Dein Bein nie wieder so belasten können wie vor dem bruch. Denn es könnte jederzeit wieder an der verheilten Stelle brechen. Du musst also Dein Leben lang gut auf Dein Bein aufpassen. Da kannst Du ncoh so sehr wollen, dass Dein bein wieder wie ein gesundes arbeitet, Deinem Bein ist das herzlich egal. Wenn Du nicht aufpasst wird es brechen - an der selben Stelle.

    Was passiert jetzt in diesem komischen Schnapsexperiment? Dein bein ist verheilt. Jetzt nimmt ein Arzt ein Gewicht und wirft es auf die Bruchstelle. Dieses gewicht ist so schwer, dass jedes gesunde Bein was nie gebrochen war, es unter allen Umständen aushalten würde.

    Was sagt es jetzt aus, wenn Dein Bein an der Bruchstelle bricht? Was sagt es aus wenn es nicht bricht? In beiden Fällen sagt das absolut nichts aus. Weder bedeutet das, dass Dein bein dauernd brechen wird noch bedeutet das, dass Dein bein immer halten wird. Es ist ein völlig nutzloses Experiment was keinerlei Aussagekraft besitzt.

    Wenn jemand zu einem trockenen Alkoholiker Alkohol hinstellt um ihn "sicherer zu machen" oder täte der Alkoholiker das selbst, wäre das gleichzusetzen mit Dir, die jeden Tag absichtlich mit ihrem verheilten Bein dauernd gegen Tischbeine stösst, Steine auf die verheilte Bruchstelle wirft und das alles nur um zu Testen ob es hält... :D

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • hallo, fuer mich klingt das ganze doch sehr nach dem 1. april. oder nach der spinne in der juccapalme.

    koennte doch jeder, der bei einem solchen feldversuch unterliegt und in eine neue trinkspirale einsteigt, anschliessend die klinik verklagen.
    auf fahrlassige toetung vielleicht oder aerztefehler.
    also, jeder, der mich ermuntert, die nacht mit einer schnapsflasche zu verbringen, ist mir ein schlechter ratgeber.
    mit oder ohne diplom.
    wenn ich weiss, dass ich einen hang zum zuendeln habe, stelle ich mir ja auch keine vollen benzinkanister ins schlafzimmer und tue gut daran, kein feuerzeug in der tasche zu haben.
    einen schonen abend, lg frank

  • Liebe Hermine,

    Danke für diesen Beitrag. Das könnte tatsächlich sein. Auf die Idee bin ich nicht gekommen. Das würde Sinn ergeben und klingt plausibel. Ein bisschen befremdlich vielleicht, aber als Augenöffner macht das vielleicht Sinn. Danke, dass Du das geschrieben hast, finde ich sehr interessant.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Hallo ihr alle,

    ich hab mal über Hermines Beitrag nachgedacht. Da könnte wirklich was dran sein und vielleicht ist das gar nicht so sinnlos. Ich hab ja geschrieben, dass das nicht bei allen Patienten gemacht wird, sondern nur bei ausgewählten. Nach welchen Kriterien die ausgewählt werden, das weiss ich nicht.
    Ich hab den Denkfehler gemacht, dass Jeder freiwillig in der LZT ist und trocken werden sowie bleiben will. Dabei hab ich vergessen, dass es ja genug gibt die dort sind weil sie eine Auflage vom Arbeitgeber bekommen haben oder die von der Familie dorthin geschickt wurden. Also Alkoholiker die unfreiwillig in der LZT sind und denen die Einsicht Alkoholiker zu sein noch völlig fehlt. Ich könnte mir wirklich vorstellen, dass es über diesen Weg möglich ist, einige zur Einsicht zu bewegen. Sicher nicht alle. Aber doch Einige.
    Ich stell mir gerade vor wie ich mich in meinen nassen Zeiten verhalten hätte, als ich noch der meinung war ich hätte das im Griff. Wär ich da in eine LZT geschickt worden, hätte ich zwar alles mögliche mit mir anstellen lassen, aber nur um meine Ruhe zu haben. Insgeheim würde ich die Zeit totschlagen und nach der LZT hätte ich die Flasche am Hals. Ich als nasser Alkoholiker wusste es doch sowieso besser. Ich war doch sicher, dass ich das im Griff hätte.
    Was wenn man mich da mit einer Flasche Fusel hingesetzt hätte und gesagt hätte, gut, wenn Du kein Problem damit hast, dann stört Dich die Flasche ja sicher nicht. Schönen Abend. Nach einem zünftigen Besäufnis, würde am nächsten Tag die Frage kommen "Na, immer noch sicher kein Problem mit Alkohol zu haben?" - sicher wäre ich mir nicht was ich darauf dann geantwortet hätte. Es bestünde eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass ich zumindest mal nachgedacht hätte.

    Danke nochmal Hermine. Ist wirklich ein interessanter Gedankengang.

    Liebe Grüße und allen einen schönen ersten Mai :)

    Kaleu

  • Hallo Kaleu,

    Deine Idee könnte meiner Meinung nach auch das Gegenteil bewirken. Denn was ist, wenn man es unter der Aufbietung seines ganzen Willen schafft, der Verlockung zu widerstehen?
    Das könnte doch für diejenigen, die noch unsicher sind bzw. die Therapie als Auflage absolvieren, eine trügerische Bestätigung sein, eben nicht abhängig zu sein. So nach dem Motte "Ich hab den Test bestanden, denen hab ich's gezeigt!"

    Ich glaube nicht, dass eine Krankheitseinsicht von außen herbeigeführt werden kann.

    Gruß
    Oliver

  • Hallo Oliver,

    ja, ich kann Deine Gedankengänge nachvollziehen und seh es sogar ähnlich. Aber vielleicht ist es möglich, zum nachdenken anzuregen. Mit Sicherheit nicht bei Jedem, das steht ausser Frage. Aber bei Jedem der gar nich einsichtig sein möchte, steht auch ausser Frage, dass der nach der LZT sowieso weiter trinkt. Somit ist es eigentlich auch kein Risiko.

    In Hermines Beispiel waren es immerhin 5 von insgesamt 20 bei denen das Nachdenken einsetzte. Das ist doch was. Die restlichen 15 gehen zwar raus und trinken weiter, aber das hätten sie aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso getan während 5 sich vielleicht wirklich für ein trockenes Leben entscheiden.

    Mal ausgehend davon, dass es hier eirklich um Alkoholiker geht, die unfreiwillig in der LZT sind, aufgrund von äusserem Druck. Warum nicht alle Chancen nutzen, wo sie sowieso schon da sind? Besser als zusehen wie sie ihre Zeit absitzen um ihre Auflagen zu erfüllen und anschliessend sowieso weitersaufen.

    Sind nur so Gedankengänge. Ich fand das Thema einfach interessant, weil ich's überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

    Lieb Grüße

    Kaleu

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