Es lief so gut ... Brauche dringend Zuspruch

  • Ihr Lieben,

    habe lange nichts mehr von mir hören lassen. Um genau zu sein, war es mir peinlich, weil ich wieder "rückfällig" geworden bin und die damalige Trennung nicht konsequent durchgezogen habe.
    Und das, wo ich mich so stark gefühlt habe!

    In Kürze zusammengefasst: 2 Jahre Beziehung mit einem Alkoholiker, diverse Manipulationsversuche beiderseits, haben uns gegenseitig sehr gut unterstützt (und zwar im negativen Sinne, wenn Ihr versteht, was ich meine...), das perfekte Zusammenspiel von Alkoholiker und Co-Abhängiger, bis ich vor 4 Monaten ausgezogen bin.

    Haben dann zunächst gemeinsam, dann nur noch ich alleine, eine Beratungsstelle aufgesucht, mein Partner hatte den Antrag auf eine Therapie schon in der Tasche, hat ihn aber nie ausgefüllt.

    Habe dann mithilfe der Suchtberatung immer mehr gelernt, etwas für mich zu tun, ihn nicht mehr zu kontrollieren, nicht halb durchzudrehen, wenn ich wusste, er sitzt in der Kneipe und hat einen "Totalabsturz", ich habe nicht mehr für ihn gelogen, ihm kein Geld mehr geliehen, bin eben "unabhängiger" geworden.
    Aber bei ihm ging es bergab. Tägliche Kneipenaufenthalte, nur noch Kontakt mit anderen Alkoholikern, neuerdings auch morgens schon getrunken, nicht mehr zur Arbeit gegangen und stattdessen 3 Tage durchgetrunken...

    Habe trotzdem tapfer durchgehalten und merkte (gerade heute!), dass es mir schon wesentlich besser geht, auch wenn es ihm immer schlechter ging.
    Ich weiß, ich habe alles getan, was ich tun konnte (bis auf die allerletzte Konsequenz: Die endgültige Trennung) und merke, dass mein eigenes Leben langsam aber sicher immer schöner wird, auch ohne ihn.

    Bis heute.

    Wir haben uns 1 Woche nicht gesehen, und schon gestern am Telefon war er seltsam. Haben uns dann für heute mittag verabredet.
    Als ich ankam, war er schon betrunken. Er sagte, ihm geht es schlecht. Auf mein "Warum" bekam ich keine Antwort mehr.
    Bin dann wieder nach hause.

    Heute Abend dann eine sms, in der er mich als Dreckstück beschimpft.
    Ich wusste, er war wieder unterwegs in den Kneipen. Habe dummer weise auf diese sms geantwortet. Und zwar mit der Wahrheit:
    Dass ich mir das nicht mehr mitansehen werde, wie er sich langsam aber sicher selbst zugrunderichtet.

    Daraufhin kam die Antwort, die mich veranlasst, doch wieder hier zu schreiben:
    Er bringe sich jetzt um.


    Ich war so froh über mein neues Leben, und gerade in den letzten Wochen habe ich gemerkt, dass es mir gut tut, endlich wieder etwas für mich zu tun, und nicht ständig über den Alkohol nachzudenken (genau genommen: Ich habe mit dem Trinken ein größeres Problem als mein Partner! Aber das ist ja offenbar so als Co...)!
    Ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin, und jetzt, wo ich mir quasi mein eigenes Leben geschafft habe, droht er mit Suizid und ich beginne zu zweifeln.
    An mir und meinen Entscheidungen.

    Ich habe schon ca. 10 mal dem Drang widerstanden, loszufahren und ihn zu suchen, aus Angst, er könnte es doch ernstmeinen.

    Aber um ehrlich zu sein: Ich glaube NICHT, dass er es ernstmeint.
    Für mich sieht es aus, als wollte er mich nur wieder in die alte Schiene zurückdrängen.

    Ich habe doch alles getan, was möglich war!
    Muss ich jetzt doch wieder die Verantwortung für ihn übernehmen?
    Sind solche Drohungen "normal"?
    Sollte ich irgendwie tätig werden? Und sei es nur, die Polizei zu verständigen?

    Ein klein wenig Unterstützung würde mir jetzt sehr helfen, und ich kann mit niemandem sonst darüber reden...

  • Hallo und willkommen zurück!

    Mach dir mal keinen Kopp von wegen peinlich und so...

    Also, es ist "normal", daß solche Drohungen kommen, wenn der Alkoholiker spürt, das sein Co selbstständig wird. Geh einfach weiter deinen Weg, das wird nachlassen. Klar zieht er erst mal alle Register, hat ja bisher funktioniert, daß du immer wieder inkonsequent geworden bist.

    Du kannst das mit der Drohung der Polizei mitteilen und dein Handy ausmachen.

    Unterm Strich sieht es ja so aus, daß er sich sowieso täglich schon per Alk umbringt, nur langsamer...

    Unabhängig von der heutigen Aktion, möchtest du dich denn nun endgültig trennen? Oder es wieder "probieren"?

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Linde,
    vielen Dank für Deine Antwort.
    Ich möchte mich tatsächlich trennen.
    Ich habe nämlich gemerkt, dass ich tatsächlich glücklich bin mit meinem Leben, und das diese Beziehung ein Störfaktor ist.
    Allerdings muss ich zugeben, dass ich schon ein schlechtes Gewissen habe.
    Ich sehe, wie er leidet, und ich habe großes Mitleid mit ihm, und obwohl ich genau weiß, dass er noch mehr leiden wird, lasse ich ihn fallen.

    Aber ich weiß auch, dass das die einzige Chance für ihn ist. Und vorallem FÜR MICH!
    Ich starte gerade beruflich wieder voll durch, und das möchte ich mir nicht versauen. Ich habe endlich etwas gefunden, das mich ausfüllt, an dem ich Spaß habe! Und das tu ich nur für mich.

    Zitat von Linde66


    Unterm Strich sieht es ja so aus, daß er sich sowieso täglich schon per Alk umbringt, nur langsamer...


    Ich weiß. das war auch mein erster Gedanke.

  • Hallo desperate,

    Ich kann dem, was Linde sagt, nur zustimmen. Wenn sich Dein XY statt mit Alkohol jetzt tatsächlich schneller, also unmittelbar, umbringen will, kannst Du es nicht verhindern. Und solltest Du auf die Drohung eingehen, weiß er, womit er Dich ab sofort und in alle Zukunft in der Hand hat. Aber die Polizei würde ich einschalten - und wenn die mich nur beraten würden. Schon alleine, damit ich auch wüßte, dass ich rechtlich abgesichert bin.

    Die Drohung, sich umzubringen, ist eine ganz gemeine Art der Erpressung. Du kannst auch bei Monty nachlesen, dass nur konsequentes Einschalten der Polizei und das absolute sich-abgrenzen etwas bringt.

    Oh Mann, da hast Du ein ganz schönes Päckchen zu tragen heute. Ich wünsche Dir, dass alles möglichst glimpflich und schnell vorbeigeht.

    Feeli

    Liebe Grüße von

    Feeli

  • Mitleid bringt keinem was. Ganz im Gegenteil. Fallengelassen zu werden ist das beste, was einem nassen Alkoholiker passieren kann.

    So kann der Tiefpunkt zum Wendepunkt werden. Kann. Das ist aber SEINE Entscheidung. Du hast da keinerlei Einfluß darauf.

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Liebe Linde,
    ich weiß, ich weiß . ;)
    Und ich kann mir auch vorstellen, dass Ihr das alles nicht mehr hören könnt, weil Ihr es von jedem hier regelmäßig hört. Ich kann mich ja selbst nicht mehr hören!
    Aber ich bin so frei und sage: ich bin auf einem sehr guten Weg.

    Trotzdem: Solche Drohungen beschäftigen mich. Alles andere wäre doch sicher auch seltsam, oder?

  • Hallo desperate,

    wenn er sich ernsthaft umbringen will, wirst DU ihn nicht davon abhalten, auch wenn du ihn ankettest.

    Indem du die Polizei informierst und gleichzeitig jeglichen persönlichen Kontakt vermeidest, zeigst du ihm, dass du nicht ins alte Fahrwasser zurückkehren wirst, aber seine Drohung trotzdem ernst nimmst.

    Es kommt also ganz darauf an, wohin dich DEIN Weg führen soll: zurück zu ihm oder weg von ihm...

    Lieben Gruß
    Nina

    Lieben Gruß
    Nina

  • Hallo desperate,

    solche Äußerungen nagen innerlich. Abhalten kannst Du ihn nicht, sollte er es wirklich tun, aber die Polizei kann es, die hat die entsprechenden Möglichkeiten. Das Beste, was Du tun kannst ist, der Polizei den Vorfall melden. Vielleicht hält ihm das sogar die Sinnlosigkeit seiner Ankündigung vor Augen.

    Sag Deinem Unterbewußtsein daß sein Selbsterhaltungstrieb größer sein wird, als der Mut diesen letzten Schritt mutwillig zu gehen.

    Schlaf gut ohne schlechtes Gewissen

    lg inga

  • Guten Morgen zusammen!

    Ich habe verhältnismäßig gut geschlafen, aber als ich wach wurde, kam sofort wieder diese Rastlosigkeit und die Panik, er könnte sich wirklich umgebracht haben.
    Ich habe sofort mein Handy eingeschaltet - nichts.

    Habe aber dann im Interet gesehen, dass er vor 5 Stunden noch online war.
    Also muss er Zuhause gewesen sein. Und leben...

    Die Polizei habe ich nicht eingeschaltet aus folgendem Grund:
    Ich weiß, dass er bei seiner Drohung unterwegs war.
    Ich hätte aber nicht sagen können, wo er genau ist. Und das hätte die Polizei sicher wissen wollen.
    Und abgesehen davon: Wie schon gesagt, so ernst habe ich seine Drohung auch nicht genommen (und ich hoffe, das bereue ich nie!).

    Mir stellt sich jetzt die Frage:
    Was soll ich nun tun?
    Kontakt zu ihm aufnehmen? Ihr werdet vielleicht fragen: Wozu? Und ich würde antworten: Weil er mir leid tut, weil er doch sonst niemanden hat, weil ich mir doch auch Sorgen mache, weil ich wieder etwas unruhig bin, weil ich das Bedürfnis habe, mit ihm darüber zu reden...

    Oder soll ich abwarten, bis er sich meldet?
    Will ich überhaupt, dass er sich meldet?

    Ach, es ist so furchtbar kompliziert.
    Man denkt, man ist drüber weg, und dann wird man doch wieder rückfällig...

  • Hallo desperateS,

    ich kann dich sehr gut verstehen und finde deine Gefühle normal.

    Trotzdem ist die Frage, ob er nicht genau das erreicht, was er wollte, mit seiner Drohung, wenn du jetzt wieder den Kontakt suchst. Insbesondere, wenn du mit ihm "drüber reden" willst, da wird überhaupt nichts bei rauskommen.

    Ich bin jetzt seit über eineinhalb Jahren von meinem Mann getrennt und immer wieder gibt es eine etwas andere Konstellation und immer wieder neuen Grund, sich Sorgen um ihn zu machen.
    Am Anfang hab ich täglich mit ihm telefoniert, weil ich das alles doch nicht so stehen lassen konnte, wollte auch "drüber reden", und rechtliche Dinge klären. Viele viele total sinnlose Telefonate hab ich geführt. Gut, sie hatten für mich den Sinn, dass ich langsam begriffen habe, dass er mir im nassen Zustand NICHTS geben kann und dass er sich meistens noch nicht mal daran erinnert, was wir geredet haben.
    Später machte ich mir Sorgen, weil er obdachlos war (während ich hier in einem riesigen Haus wohne - was meinste, was ich da für ein schlechtes Gewissen hatte), im Winter dachte ich, er erfriert vielleicht, dann waren wieder Phasen, in denen er Wohnung hatte und man aber ewig nichts von ihm gehört und gesehen hat, da dachte ich, er liegt da vielleicht tot in der Wohnung. Jetzt ist er oft im Krankenhaus und da hab ich natürlich auch wieder irgendwie Mitleid.

    Ich finde, das Mitleid an sich ist ja auch berechtigt, aber wohin führt das Ganze?
    Mir ist es zum Glück gelungen, nach der Trennung trotzdem mein Leben zu leben. Alles, was ihn betrifft, habe ich zwar mitbekommen, aber es beherrscht mich nicht mehr so.

    Du musst einfach sehr vorsichtig sein, dass er dich nicht wieder in sein Leben mit hineinzieht!!
    Pass einfach gut auf und schreib hier weiter. Das Forum ist doch die beste Rückfallversicherung.

    Liebe Grüße
    Doro

  • Das schlimmste an der ganzen Sache ist ja:
    Ich weiß schon seit anderthalb Jahren, was zu tun wäre, aber ich schaffe es einfach nicht, konsequent zu bleiben.

    Der Verstand kämpft mit dem ... ja, mit wem eigentlich? Mit dem Herzen?

    - die letzten Monate haben mir immer mehr gezeigt, dass mein Partner gar nicht mehr der Mensch ist, in den ich mich verliebt habe.
    Wenn wir uns trafen, bin ich immer mit einer positiven Erwartung zu ihm gekommen, die tatsächlich IMMER enttäuscht wurde.
    Ich konnte mich kaum noch mit ihm unterhalten. Alles war so stumpf!
    Er hat es zum Schluss nicht mal mehr geschafft, einen ganzen Satz zu bilden, ohne, dass ihm dabei ein simples Wort nicht einfiel.
    Und mit steigendem Pegel wurde er zuerst gleichgültig, und dann auch immer aggressiver. Meist nur verbal, aber auch körperliche Aggression hatten wir schon - in "Ausnahmesituationen". Und auch dafür hat er meist mir die Schuld gegeben.

    Körperliche Nähe gab es nur am Wochenende, vormittags, weil er da noch nüchtern war.
    Abends (und in der Woche haben wir uns - wenn überhaupt- nur abends gesehen, weil ich berufstätig bin) saßen wir vor dem TV.
    Gemeinsam, und doch getrennt, weil wir beide in völlig verschiedenen Welten unterwegs waren.
    Wie oft habe ich nur darauf gewartet, endlich ins Bett gehen zu können, damit ich sein Gesicht nicht mehr sehen musste....!!!!

    Und da stellt sich mir dann immer wieder dieselbe Frage:
    Was hält mich bei ihm? Irgendwas muss er mir ja geben, das ich brauche.
    Klar, als Co wird das wohl etwas sein wie das Gefühl, gebraucht zu werden.
    Aber ich merke immer mehr, dass er mich gar nicht braucht. Und dass ich ihm auch ziemlich egal bin.
    Andererseits: Seit ich tatsächlich nicht mehr rund um die Uhr für ihn da bin,, wird mir auch immer klarer, dass ich gar nicht mehr von ihm gebraucht werden will....

    Es ist alles so kompliziert, dabei könnte es so einfach sein, und in der Theorie weiß man ja auch bestens Bescheid. Aber wem erzähle ich das. Ihr alle habt das schon erlebt, manche haben es sogar überstanden.
    Und seit ich in diesem Forum lese, habe ich die Vorstellung, ER und ICH seien nicht so wie alle anderen - wir sind kein typisches Alkoholiker-Co-Paar!!- über Bord geworfen.
    Wie oft habe ich die Threads gelesen und gedacht:
    Himmel! das hätte aus meiner Feder stammen können!

    Aber es ist ja nun mal auch ein Krankheitsbild, und was ich täglich erlebe, sowhl bei ihm, als auch bei mir, sind ganz einfach Symptome.

  • Hallo DesperateS,

    eigentlich hält dich doch gar nichts bei ihm. Es ist nur eben diese Verstrickung, das Gefühl, es ihm irgendwie schuldig zu sein, sich um ihn zu kümmern. Irgendwie sowas.

    Ich glaube, je weiter du dich von ihm entfernst, desto schwächer wird das Gefühl, dass dich noch irgendwas zu ihm hinzieht.
    Und sobald da wieder Kontakt entsteht, kommen die alten Gefühle schnell wieder.

    Du brauchst ihn nicht. Trotzdem ist da eben so eine Struktur entstanden, eine Art Abhängigkeit, die aber in dem Moment weg ist, wo du wirklich mal Abstand einhältst. Sie ist vielleicht nicht von heute auf morgen weg, aber wenn du es mal schaffen würdest, ein paar Wochen KEINEN Kontakt zu haben, würdest du es spüren. Du hast es ja schon gespürt.

    Ich hatte wirklich Monate, in denen ich gar nichts von ihm gehört habe. Da hab ich ihn fast vergessen.
    Das zeigt mir, dass ich ihn überhaupt nicht brauche.
    Gefährlich wirds für mich immer dann, wenn er sich aus irgendeinem Grund wieder nähert.

    Ich glaub nicht, dass man erst rausfinden muss, was die Person einem "gibt", sie gibt nix, sie verwickelt einen in eine ungesunde Abhängigkeit.
    (Vielleicht hat sie dir mal was gegeben, aber jetzt nicht mir.)

    Halte dir vor Augen, wie du die Leere, die er hinterlässt füllen willst.
    Du hast deinen Beruf angesprochen!! Das ist doch eine Super-Motivation.
    Halte dir vor Augen, dass du all die Energie, die du ihm gibst, dich wieder von deinem Beruf abhält. Du vernachlässigt dann etwas anderes. Und die Energie, die du ihm gibst, ist total verschwendet. Er bekommt es ja noch nicht mal mit.

    Liebe Grüße
    Doro

  • Liebe Doro,
    genau so ist es!

    Sehe ich ihn länger nicht, stelle ich irgendwann fest, dass ich ihn auch gar nicht vermisse.
    Und dass ich auch kaum an ihn denke! Und es geht mir gut dabei, und seltsamer Weise bin ich in diesen Phasen auch im Beruf erfolgreicher.

    Aber es stimmt schon: Irgendwie glaube ich wohl, ich bin es ihm schuldig.
    Als ob ich auf ihn aufpassen würde.
    Und ob das nun stimmt oder nicht: Ich halte ihn auch irgendwie für... naja, nicht wirklich zurechnungsfähig. Weil er ja eigentlich dauerbetrunken ist. Und das teilweise so schlimm, dass ich ihn ansehe und denke: Meine Güte, was für ein Häufchen Elend.
    Was dann auch zur Folge hat, dass ich ihn 1. nicht mehr wirklich ernstnehmen kann und 2. denke, dass ich gerade deshalb auf ihn aufpassen muss.

    Andersherum: Er "passt" nie auf mich auf. Aus den schlimmsten Klemmen habe ich mich immer selbst befreien müssen. Oft auch, weil er besoffen war, als ich ihn brauchte.
    Und das war vielleicht auch gut so, weil ich dadurch immer mehr lerne, dass ich allein klarkomme. Und, dass offenbar ICH die Stärkere bin.

    Dadurch, dass er immer mehr zu einem Riesenbaby mutiert (überspitzt ausgedrück... andererseits: So überspitzt nun auch wieder nicht!), macht er es mir eigentlich immer leichter, mich zu distanzieren.

  • Hallo DesperateS,

    ja, meiner ist auch so ein Riesenbaby, leider ein ziemlich aggressives. (Oder zum Glück, erleichtert den Abstand).

    Du, diesen Punkt mit der Zurechnungsfähigkeit, darüber hab ich mir auch oft den Kopf zerbrochen. Mein Mann müsste eigentlich einen Betreuer haben, er kann sich offenbar nicht selbst versorgen. Bloß rechtlich geht sowas nicht so einfach. Und er würde sich mit Händen und Füßen dagegen wehren.

    Ich denk dann auch immer: Die Gesellschaft oder irgendjemand müsste sich kümmern. Und da dies niemand tut, bleibe ich als einzige.
    Aber das funktioniert nicht. Ich bin zum Beispiel aus diesem Grund mit meinem Mann - damals Freund - in eine Wohnung gezogen, weil ich auf ihn aufpassen wollte. Ich dachte, er trinkt dann nicht mehr oder weniger, wenn ich ja immer da bin und ihm außerdem noch ein liebevolles Heim biete. Er hat trotzdem getrunken und er hat mich total mit runtergezogen, auch was so äußere Dinge angeht.
    Und außerdem stimmt es nicht: Unsere Gesellschaft hat einen Haufen Hilfsmöglichkeiten, die aber alle nix bringen, wenn die Person sie nicht haben will. Und Zwangsmaßnahmen kann man rechtlich nicht durchsetzen und sie würden wohl auch nichts bringen.

    Ach, irgendwann ist auch genug.
    Wir wissen auch nicht, wie lange wir leben, wieviel Lebenszeit wollen wir noch verplempern?

    Schöne Grüße
    Doro

  • Tja, ich bin damals mit ihm zusammengezogen, weil ich nicht wusste, dass er trinkt.
    Und kaum bin ich wieder ausgezogen, wurde es noch schlimmer, und noch schlimmer.

    Ich sehe es auch so, dass er nicht allein für sich sorgen kann. Nicht mehr.
    Aber wie schon gesagt: Ich habe ihm mehrfach Hilfe angeboten (sprich: ihn zur Suchtberatung geschleift, ihm Infomaterial mitgebracht, Internetseiten empfohlen, andere Suchtberatungen und SHG vorgeschlagen - die erste Beratungsstelle fand er ja blöd. Die hatten keine Ahnung...- usw.), aber das ist nicht die Art von Hilfe, die er sich wünscht.
    Er hätte gerne, dass ich ihm das Trinken so einfach wie möglich mache, indem ich ihm Geld leihe, seinen Papierkram erledige, das Haus sauberhalte, ihn morgens wecke, damit er zur Arbeit gehen kann und vorallem: Dass ich ihn tröste, wenn er mal wieder einen Totalabsturz hatte.

    Aber die Zeiten sind vorbei.

    Über die Verantwortung der Gesellschaft habe ich auch schon oft nachgedacht.
    Klar, derjenige muss Hilfe wollen, dann bekommt er sie auch.
    Aber für mich ist es mittlerweile unverständlich, wie ein Staat so viele Alkoholiker beherbergen kann (und durch meinen Partner habe ich eine Menge Alkoholiker kennengelernt!), und trotzdem ist Alkohol noch immer etwas, das man an jeder Ecke bekommt.
    Für Zigaretten gibt es Warnhinweise auf der Schachtel, die fast größer sind als der Markenaufdruck. Auf dem Oktoberfest ist jetzt das Rauchen verboten.
    Aber ich habe noch nie jemanden sagen hören: Nikotin hat meine Familie zerstört oder Mein Mann ist obdachlos, weil er raucht.

    Sicher, Rauchen ist genauso eine Sucht, und es schädigt nciht nur den Raucher selbst. Aber ich denke, Du weißt, worauf ich hinaus will.
    Alkohol ist einfach anerkannt. Und im gegenteil: Wenn man auf einer Party nichts trinkt, erntet man noch dumme Sprüche, vorallem als Mann...

    Aber das wird sich wohl auch nicht ändern. zumindest nicht mehr in unserem Leben.
    Wir müssen einfach das beste aus dem machen, was wir haben, und ich freue mich, dass Du schon so weit bist. Und dass ich auch auf einem guten Wege bin.

  • Hallo DesperateS,

    Das mit dem Alkohol und dem Rauchen sehe ich ganz genauso. Rauchen ist wirklich lächerlich harmlos dagegen. Klar, man kann daran sterben, aber man hat nicht vorher jahrzehntelang seine Umwelt tyrannisiert...

    Ich glaube, es ist einfach so, dass Alkohol in unserer Gesellschaft und Kultur einen sehr hohen Stellenwert hat. Denk mal allein an die Weinberge in Süd-West-Deutschland. Stell dir vor, die Leute würden keinen Wein mehr kaufen!
    Und die Brauereien...
    Und die edlen Weine, die in Restaurants verkauft werden.
    Da hängen einfach riesige Wirtschaftszweige dran. Und wer damit klarkommt, nur gelegentlich etwas zu trinken, dagegen ist ja gar nichts zu sagen.

    Aber wenn ich Gesetzgeber wäre, würde ich trotzdem versuchen, das eine oder andere Gesetz zu erlassen, das zumindest das Sich-Besaufen unter Strafe stellt. Besoffen AUtofahren ist ja schon strafbar, wenn was passiert. Genauso könnte man ja sagen, dass es verboten ist, sich bis zum Rausch zu betrinken. Und wer es dennoch tut und es passiert was wie z.B. Körperverletzung oder Sachbeschädigung, dann müsste es strafverschärfend wirken und nicht strafmildernd. GEnauso wie beim Autofahren. Wenn jemand im Rausch stürzt und sich was tut, sollte er zumindest symbolisch einen Teil der Arztkosten tragen.

    Ich mein das auch gar nicht gegen die Alkoholiker. Im Gegenteil, vielleicht würde dann mancher eher die Finger vom Alkohol lassen. Heutzutage gehört es für einen ordentlichen Jugendlichen ja geradezu dazu, sich ab und zu mal ordentlich die Kante zu geben...

    Na ja, tolle Ideen, aber leider fragt mich keiner.
    Vielleicht verfasse ich mal einen Brief an einen Politiker.

    Doro

  • Liebe Doro,

    ich bin ganz Deiner Meinung. Alkoholeinfluss sollte eigentlich nicht strafmildernd, sondern -verschärfend sein.
    Es ist ja auch im Grunde genau wie mit dem Autofahren:
    Ich darf nicht betrunken Auto fahren (wobei mir die 0 Promille Grenze einfällt, für deren Einführung ich übrigens bin!), weil ich weiß, dass meine Reaktionszeit herabgesetzt ist usw.

    Warum gilt dann gleiches nicht für andere Bereiche?
    Viele Menschen werden aggressiv, wenn sie trinken. Oder machen Dinge, die ihnen am nächsten Tag peinlich sind. Da sind doch Prügeleien usw. vorprogrammiert.
    Alleine was die Polizeieinsätze kosten, die durch Alkoholeinwirkungen verursacht werden...


    Und jeder Alkoholiker weiß auch irgendwo, dass er sich umbringt, wenn er weitertrinkt - allerdings ist Selbstmord ja nicht strafbar, ob nun mit Tabletten, Schienenfahrzeugen oder eben der Flasche...

    ach, es ist wohl ein Thema, über das man lange diskutieren könnte.
    Und es gibt ja eben auch Menschen, die tatsächlich mit Alkohol umgehen können.
    Leider können unsere Partner es nicht. Und da würden auch keine Gesetze helfen.

    Was wäre wohl, wenn Co-Abhängigkeit unter Strafe stünde?
    Wäre doch auch eine Überlegung wert, denn sie unterstützt ja den Alkoholismus noch...
    Dann müsste ich in Zukunft vielleicht auch mit einem Warnhinweis auf der Stirn rumlaufen.
    "Diese Frau unterstützt unbewusst Ihre Alkoholsucht. Fangen Sie gar nicht erst was mit ihr an!" :D

  • Liebe DesperateS,
    gut geschrieben :) Aber tatsächlich mit ganz vielen Körnchen Wahrheit. Der hilflose Helfer hält wirklich den Süchtigen (der sich helfen lassen könnte) in seiner Sucht, ermöglicht diese und sorgt dafür, dass sie unauffällig bleibt.

    Das aber kostet so viel Kraft und Mühe, dass der hilflose Helfer nun selber am Ende ist, ebenso Hilfe benötigen würde und sie ebenso wenig einholt.

    Ich finde immer mehr Gleichmässigkeiten zwischen mir als Co und dem damaligen trinkenden Partner, nicht gerade schön für mich....

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo Dagmar,

    mir geht es ganz genauso.
    Mir ist zwar schon länger klar, dass ich in einer Form von meinem Partner abhängig bin, aber insbesondere in den letzten Tagen (und auch durch das Schreiben hier) ist mir erstmal aufgegangen, dass ich ihm vorwerfe, was ich selbst auch nicht tue.

    Ich will, dass er aufhört zu trinken. Und wenn er es mir verspricht, bin ich sauer, weil er es nicht durchhält.
    Gleichzeitig drohe ich an, ihn zu verlassen, tue es dann aber doch nicht.

    Sowohl ich, als auch er sind abhängig. Und unsere Sucht äußert sich in den selben Symptomen. Der einzige Unterschied ist: Seine Droge ist das Bier, meine Droge ist ER.

    In einem anderen Thread habe ich es schon geschrieben:

    100 mal hat er gesagt, er hört auf. 100 mal hat er wieder angefangen.
    100 mal habe ich gesagt, ich gehe. 100 mal bin ich geblieben.

    Und so drehen wir uns im Kreis, und bisher hat es keiner von beiden geschafft, aus diesem Karussell auszusteigen...

  • glück auf desperateS

    Zitat von desperateS

    100 mal hat er gesagt, er hört auf. 100 mal hat er wieder angefangen.
    100 mal habe ich gesagt, ich gehe. 100 mal bin ich geblieben.

    und die schlussfolgerung daraus?????

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

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