Wodurch wird man zum Alkoholiker?

  • Hey, sorry, ich hoffe, dass sich niemand angegriffen fühlt, aber mir fällt es recht schwer, zu verstehen, wieso jemand Alkoholiker wird. Ich möchte einfach die Denkweise verstehen, bzw. was der Alkohol euch in dem Moment, als ihr noch getrunken habt, "gab".

    Ich bin die Tochter eines Alkoholikers, ich verurteile das Verhalten meines Vaters aber nicht, ich habe ihn trotzdem gern, er ist kein schlechter Mensch oder schlechter Vater.

    Bei ihm denke ich, dass der Alkoholismus auf die Kindheit zurückgeht, bzw. auf sein ganzes Leben. Seine Mutter (wohnt bei uns im Haus) hat ihn zur völligen Unselbstständigkeit erzogen, ist total herrsüchtig. Mein Vater hat noch eine Schwester, sie trinkt nicht, hat aber Depressionen.

    Seit frühster Kindheit hat meine Oma beiden Kinder immer gesagt, wie schlecht sie sind, sie tut das sogar heute noch und hält ihnen vor, wie viel besser der Bruder bzw. die Schwester das Leben geregelt bekommt. Man kann ihr nichts recht machen. Geschlagen wurde wohl auch, gehe ich mal von aus, weil meine Oma Schläge als Erziehungsmethode zwingend erforderlich findet, damit aus einem Kind was wird.

    Trotzdem würde mich interessieren, in welchen Situationen ihr getrunken habt und was ihr in dem Moment gefühlt hat. Ich möchte einfach euer Gefühl dabei verstehen und somit vielleicht meinen Vater (leider nicht trocken) besser verstehen können und auch für mich besser mit diesem Thema umgehen zu können.

    Das sind die Starken,
    die unter Tränen lachen,
    eigene Sorgen verbergen
    und andere glücklich machen.
    (Franz Grillparzer)

    Hat eine Freundin über mich gesagt. Besser kann man mich auch nicht beschreiben.

  • Ich denke, verstehen kannst du das nicht. Deine Erfahrungswelt ist halt eine andere, als jene von Alkoholikern. Abgesehen davon, dass ohnehin jeder seine Individualität hat.
    Weißt du, der Unterschied liegt ja schon darin, dass beim Alkoholiker andere Gründe fürs Trinken ausschlaggebend sind als beim Gesunden. Der Alkohol ist eine Art Schmerzmittel. Bei starken Schmerzen nimmt das Gros der Bevölkerung auch irgendwelche Mittel, um nicht zu leiden. Und für den Alkoholiker stellt "sein" Stoff eben eine Art Pille dar, mit welcher eine ausgeglichenere Seelensituation erreicht wird. Eine Seelenpille sozusagen.

    Die Kindheit ist sicher entscheidend. Aber es muss immer ein ganzes Bündel an Faktoren betrachtet werden. Ein Grund alleine ist zu wenig. Nicht jeder mit einer überfürsorglichen und gleichzeitig verletzenden Mutter trinkt, als Beispiel.

    Bei mir war es so. Für mich war der Alkohol eben eine Art Stütze. Ein Mittel, welches gewisse Gefühlszustände erzeugt. Ich trank mindestens alle paar Tage. Es war eine Art Rettungsanker, um von den Qualen dieser Welt zumindest für einige Zeit Abstand zu gewinnen.

    Ursache und Wirkung. Die Ursache sind sicher nicht die Allerweltsprobleme, denn jeder Mensch hat Probleme. Aber wir können sie nicht lösen. Das ist der entscheidende Punkt. Wir haben nie eine vernünftige, zielorientierte Problemlösung gelernt. Und hinzu kommt nach einer gewissen Zeit die steigende Toleranz für Alkohol bei gleichzeitig sinkender Hemmschwelle für seelische Probleme, weil der Körper regelrecht darauf gedrillt wird, dass er bei Unbehagen mit Alk zugeschüttet wird. Und so wirkt das dann als selbstverstärkender Prozess.

    Lg, Stefan

  • Guten Morgen, Kämpferherz

    Zitat

    Ich möchte einfach euer Gefühl dabei verstehen und somit vielleicht meinen Vater (leider nicht trocken) besser verstehen können und auch für mich besser mit diesem Thema umgehen zu können.

    Da es in meiner Kindheit von seiten der Eltern auch recht streng zuging - Schläge etc. -, war ein Teil meines Alkoholismus, und wie gesagt, nur eine Ursache ein vielleicht unbewusster Schrei nach Liebe, Zuwendung, mehr Geborgenheit.

    Zitat

    Seit frühster Kindheit hat meine Oma beiden Kinder immer gesagt, wie schlecht sie sind

    Wenn einem das oft genug gesagt wird, vor allem seit frühester Kindheit und von jemandem, von dem man eigentlich Liebe, Geborgenheit etc. erwartet, dann glaubt man es mit der Zeit auch selber.
    Und die (wahrscheinliche) Folge?
    Wenig bis kein Selbstvertrauen, denn man ist ja "von Grund auf schlecht".

    In meinem Fall wars dann so, daß ich mein "Manko" im Seelenleben in den diversen Situationen des Lebens eben mit Alkohol ausgeglichen habe, dies verschaffte mir über Jahre Erleichterung, und es war eben ein Mittel, das mir meine verborgenen Ängste vergessen ließ, sie waren wie weggeblasen.
    Noch dazu hatte ich in meinem Vater ein "gutes" Vorbild pkto. Alkohol.

    Ich sage aber an dieser Stelle noch, daß das nicht der einzige Grund meines "Saufens" war, aber mit großer Wahrscheinlichkeit der "wichtigste".

    Mir fallen heute noch (trocken seit 2005) einzelne Situationen aus meiner Kindheit ein, die ich gerne vergessen hätte, aber die haben sich eben in die Seele "eingebrannt", und weil deine Frage war:


    Zitat

    in welchen Situationen ihr getrunken habt und was ihr in dem Moment gefühlt hat.

    Hier kann ich nur kurz und bündig sagen, ich konnte "vergessen".
    Eben auch vergessen, wie´s in meinem Innenleben aussieht.
    Ich mußte mich nicht ständig mit diesen vergangenen Dingen - gedanklich - beschäftigen. Mit einem "Schwipserl" ging halt alles leichter.

    Und über die Jahre hat sich bei mir eben diese Krankheit/Sucht entwickelt.

    Zum Schluß sage ich noch fairerweise, das meine Kindheit natürlich auch ihre guten Seiten hatte, aber dieses "runtermachen" verbunden mit Schlägen von seiten der Eltern dem Kind gegenüber, haben sich bei mir in meine Seele eben eingebrannt und ganz vergessen werde ich das nie.

    Im Zuge meiner Therapien und der damit verbundenen Aufarbeitung konnte ich teilweise "verzeihen", dies, als ich sah, daß sie gar nicht anders erziehen konnten, es war ja in ihrer Kindheit auch so - ich geh davon aus, oft noch schlimmer, die Nachkriegsjahre ... - und diese Erkenntnis und das Verständnis dafür - falls es für derartige Dinge überhaupt Verständnis geben kann - taten meiner Seele gut und ich führe jetzt ein wesentlich unbeschwerteres und gelasseneres Leben.

    Ein Leben, das ich jetzt ohne Alksucht leben darf, denn ich wollte es so.

    Mein abstinentes Leben begann am 25. Okt. 2005

  • Servus Kämpferherz,

    Deine Eingangsfrage lautet: "wie wird man zum Alkoholiker".

    Nun, das ist ganz einfach: durch das Trinken von Alkohol.

    Nur derjenige, der Alkohol trinkt, kann auch Alkoholiker werden.

    Die restlichen "Gründe" für's Saufen sind -mit Verlaub- völlig unwichtig und nicht relevant. Warum? Ganz einfach: nimm den oder die "Gründe" von einem Alkoholiker und ich zeige Dir zig andere Menschen, die das Gleiche erlebt und empfunden haben und dennoch nicht zum Alkoholiker wurden. Also sind die "Gründe" unwichtig, den sie machen einen Menschen nicht zum Alkoholiker!

    Ein nicht-süchtiger wird nie in der Lage sein, den Zwang einer Sucht rationell nachvollziehen zu können. Und ich wünsche keinem, das Gefühl der Abhängigkeit erleben zu müssen.

    Hingegen wünsche ich jedem Süchtigen, das Gefühl der neugewonnen Freiheit dauerhaft erleben zu dürfen, wenn er/sie sich aus der Sucht befreit hat.


    LG
    Spedi

  • Hallo Kämpferherz

    Bei mir war es ein langer schleichender Prozess. Als Jugendlicher bin ich mit Alkohol in Berührung gekommen , wie die meisten anderen auch. In meinem weiteren Leben vor allem die Bundeswehr, war immer wieder Alkohol angesagt. Um nicht aufzufallen, hab ich alles mitgemacht. ( Mitläufer)
    Also war ich in meiner ersten eigenen Wohnung mal der eigene Chef.
    Dazu gehörte auch das einrichten einer eigenen Bar. Dann konnte man ab und zu mal etwas trinken ohne irgendwo hin zugehen. Gedacht habe ich mir nichts dabei. Im Laufe der Jahre, wurde der Alkoholkonsum immer mehr. Mal wegen Geburtstag feiern, mal weil Besuch kam usw. Da in meiner Wohnung irgendwie der Alkohol Einzug genommen hatte, war er auch immer griffbereit. Meistens habe ich nach einem Arbeitstag ein zwei Gläser getrunken. Das wurde aber irgendwie immer mehr. Ich fühlte mich meistens durch den Alkohol belohnt. Gute Arbeit geleistet, hieß Belohnung. Irgendwann belohnte ich auch meine eigene private Arbeit. Ergo suchte ich immer mehr Sachen zu Hause um mich belohnen zu dürfen. Irgendwann, merkte ich das ich da was falsch mache. Aber der Alk. hatte mich schon gepackt. Nun trank ich schon vor zu erledigten Aufgaben meinen Alk. Hab mich ja schon vorher belohnt für die schweren Dinge (was ein Witz) die da auf mich zukamen. Und nach der Arbeit erst recht. Das Alk. Hirn verlangte seine Belohnung. Das ging noch mal so ganz viele Jahre. Irgendwann belohnte ich mich nur noch, weil ich an anstehende Aufgaben dachte. Meine Gefühle dabei waren bis zu einem gewissen Grad immer die absolute Zufriedenheit.

    Deine Frage, " Wodurch wird man zum Alkoholiker" kann ich dir nur so beantworten: In dem man zu gibt, einer zu sein.

    LG Nobby

  • @Spedi: Darf ich widersprechen?
    Natürlich, wenn ich nicht trinke kann ich nicht abhängig werden, logisch.

    Doch jetzt kommt das große ABER; Kämpferherz meinte mit seiner Frage ja, warum nahezu alle Europäer mit Alk in Berührung kommen und trozdem der weitaus größte Teil der Bevölkerung keine Probleme mit dessen Genuss hat?

    Und da kann die Antwort nicht lauten, dass man durch bloßes Trinken eben süchtig wird. Denn warum wird denn getrunken?

    Weil gewisse Schmerzzustände im Suff erträglicher sind. Weil der Alkoholiker eben, warum auch immer, die Alltagsprobleme nicht verarbeiten kann. Er muss sie folglich "chemisch", mit Hilfe des Alkohols, vergesen, verdrängen etc.
    Der Alkoholiker ist in Sachen Konfliktverdrängung nahezu perfekt. Zumindest bei mir ist es so, dass ich mir eine ganze Palette an Konfliktverdrängungsstrategien aneignete. Wird aber wohl bei allen Alkoholikern so sein. Denn eine dieser Strategien, oder im fortgeschrittenen Krankheitsstadium dann eh schon die einzige, ist ja das Vergessen durch Alkohol.

    Und da ist es naiv (nicht persönlich oder gar bös gemeint ;)) zu glauben, dass alleiniges Trinken die Sucht induziert. Denn dann wäre wohl ja auch jeder so intelligent zu wissen, dass er besser aufhören sollte, bevor es zur Sucht kommt ;) Sucht = Persönlichkeitsstörung.

    Bei den typischen "Saufurlauben" von 18- oder 20-Jährigen wird aus geselligen Anlässen heraus auch oft eine Woche durchgetrunken. Trotzdem werden die nicht süchtig. Zumindest die Gesunden nicht. Und diejenigen, die eben diese Persönlichkeitsstörung entwickelten und die volle Wirkung des Alkohols kennenlernten, können im Prinzip ÜBER NACHT zum Alkoholiker werden, weil sie ihn von nun an als perfektes Heilmittel ansehen.
    So gesehen kann jemand sein ganzes Leben ab und zu ein Achterl Wein (oder auch mal wesentlich mehr) trinken, ohne süchtig zu werden. Wohlgeschmack ist zB der Grund des Trinkens.
    Andererseits kann ein 60-jähriger, der NOCH NIE trank über Nacht zum Alkoholiker werden wenn er die spezifische Wirkung als Seelenbalsam und Schmerzmittel empfindet. Zugegeben, ein krasses Beispiel. Aber ist alles schon so passiert.

    Lg

  • Servus Gavris,


    mit Verlaub: warum ein Teil alkoholtrinkender Menschen suchtkrank wird und ein anderer Teil nicht, ist so bedeutsam wie der Pickel am Ars.. eines Braunbären in der Mongolei.

    Es ist, wie es ist - und wir werden es nicht ändern.

    Viel wichtiger ist: Wenn ich Alkoholiker bin, dass ich von meinem Suchtmittel loskomme und ein Leben ohne Suchtmittel erlerne.

    Dieses ganze "Gründe suchen", "Ursachen erforschen", "Zusammenhänge herstellen", das kann gerne in einem vierten, fünften, sechsten oder wievielten Schritt auch immer getan werden, wenn ich

    - Schritt eins: trocken werden
    - Schritt zwei: trockenes Leben erlernen
    - Schritt drei: trockenes Leben verinnerlichen

    so sicher beherrsche, dass mich die Ergebnisse meiner "Suche" nicht gleich wieder "umwerfen".

    Ach ja, noch was: die allermeisten Alkoholiker, die ich kennen gelernt habe, können ihre Probleme sehr wohl lösen. Zum Zeitpunkt des Trinkens wollten sie dies jedoch nicht, sondern haben die betäubende Wirkung des Alkohols vorgezogen.

    Deine Betrachtungsweise greift für mich viel zu kurz, denn sie schließt die Eigenverantwortung, die wir alle nun mal haben, einfach aus.

    Ich weiss, dass meine Aussage sehr provozierend klingt, aber wer sich die Mühe macht, einmal ehrlich sein Handeln zu hinterfragen, wird feststellen:

    Ich war nicht immer Alkoholkrank. Erst mein destruktives Handeln in Form des permanenten Alkoholmissbrauchs hat mich alkoholkrank werden lassen.

    Folglich -und jetzt sind wir in einer anderen Ebene der Diskussion- habe ich zwar meine Alkoholkrankheit verschuldet (im Sinne von verursacht), ohne Schuld zu sein an meiner Krankheit.

    Du kannst das drehen und wenden wie Du willst, wir alle haben immer die Möglichkeit, uns anders zu entscheiden. Es stand nie jemand mit geladener Waffe im Anschlag hinter uns und hat uns den Alkohol eingeflößt. Sondern wir haben getrunken, wir aus eigenem Antrieb.

    Die "Gründe" für unser Trinken, die sind -siehe oben- egal: es gibt immer noch mehr Menschen, die wegen genau dieser Gründe trotzdem nicht trinken.

    Alles klar?

    LG
    Spedi

  • Zitat von Spedi

    Viel wichtiger ist: Wenn ich Alkoholiker bin, dass ich von meinem Suchtmittel loskomme und ein Leben ohne Suchtmittel erlerne.

    Dieses ganze "Gründe suchen", "Ursachen erforschen", "Zusammenhänge herstellen", das kann gerne in einem vierten, fünften, sechsten oder wievielten Schritt auch immer getan werden,

    Hi Spedi

    Die Frage war aber " Wodurch wird man Alkoholiker " oder :?:

    LG Nobby

  • Servus Waschbaer,

    Zitat von Waschbaer

    Die Frage war aber " Wodurch wird man Alkoholiker "

    richtig. Und da

    Zitat von Spedi

    Nun, das ist ganz einfach: durch das Trinken von Alkohol.
    Nur derjenige, der Alkohol trinkt, kann auch Alkoholiker werden.
    Die restlichen "Gründe" für's Saufen sind -mit Verlaub- völlig unwichtig und nicht relevant.


    steht auch die Antwort.

    Ihr dreht Euch da im Kreis. Es gibt keinen "Grund" warum jemand säuft, außer, dass der Betreffende saufen will.

    Manche Dinge im Leben sind verdammt einfach. Wir tun uns nur unheimlich schwer damit, diese Einfachheit zu akzeptieren.

    LG
    Spedi

  • Zitat von Spedi


    Ihr dreht Euch da im Kreis. Es gibt keinen "Grund" warum jemand säuft, außer, dass der Betreffende saufen will.

    Manche Dinge im Leben sind verdammt einfach. Wir tun uns nur unheimlich schwer damit, diese Einfachheit zu akzeptieren.

    Habe das jetzt mehrmals durch den Kopf laufen lassen.
    So kann man es auch ausdrücken. :roll:

    Nobby

  • @Spedi: Aha, der Alkoholiker WILL also saufen, weil der Alkohol ja so lieb ist und weil ihm das irrsinnigen Spaß macht, wenn er im Leben nix auf die Reihe kriegt, ständig abstürzt, gegen Entzugserscheinungen kämpft etc.

    Noch einmal: Ich wollte dich nicht provozieren oder sonst was damit bezwecken, sondern mir geht es schlicht um eine konsensorientierte Diskussion. Und da haben Aussagen wie "Alkoholiker sind selbst Schuld", "Sie wollen saufen", "sind süchtig, weil sie halt trinken", nix verloren.

    Auch von meiner Seite mit Verlaub gesagt; deine eigenen bisherigen Lebenserfahrungen diesbezüglich sind unwichtig, weil jeder Mensch ein Individuum ist und du die Weisheit wohl auch nicht mit dem Löffel geschluckt hast!

    Zur Erklärung: Alkoholiker trinken NICHT weil sie das so GERNE WOLLEN, sondern weil Schmerzzustände für sie unerträglich geworden sind. Wenn du dir einen Arm abtrennst, dann brauchst du auch Schmerzmittel.
    Und noch einmal: Man kann der Sucht auch schon vor dem eigentlichen Trinken den Weg ebnen - Persönlichkeitsstörung! Natürlich muss sich jeder selbst um seine Genesung kümmern und das ist in hoch entwickelten Ländern wie Ger oder Aut zum Glück auch möglich. Es gibt viele Einrichtungen. Aber der Alkoholiker weiß sich zunächst nicht anders zu helfen, als durch Alkohol.
    Wenn das alles so einfach ist, warum schreibst du dann nicht sämtliche wissenschaftliche Bücher um.

    UND: Anzunehmen, die Ursachenforschung sei unwichtig, ist nichts anderes als naiv. Schließlich kann ich eine dauerhafte Abstinenz erreichen, wenn ich es denn schaffe diese Urprobleme zu lösen. Das ist schmerzlich und akut rückfallgefährdend, führt oft zu heftigen Weinattacken, aber deswegen wird das ja auch oft bei stationären LZT durchgeführt.

  • Hallo!

    Ich bin neu hier und möchte zu diesem Thema auch gleich mal meinen "Senf" dazugeben.
    Keiner von uns ist eines Morgens aufgewacht und hat sich entschlossen mal eben Alkoholiker zu werden.
    Bei jedem gab es Ursachen. Probleme mit denen manche Menschen gut umgehen können aber wir konnten es eben nicht.
    Wenn ich diese Ursachen und Gründe nicht kenne werden sie immer wieder unvorbereitet auf mich zukommen und der Rückfall ist mE vorprogrammiert.
    Was soll ich denn auch ändern, an den Umständen oder an mir selbst, wenn ich nicht weiss was ich ändern muss?
    Wir haben uns alle in den Alkohol geflüchtet um etwas ertragen zu können, die Ursachen sind bei jedem andere aber sie sind da.
    Eine Suchttherapeutin hat mal zu mir folgendes gesagt:
    " Sie müssen das mal so sehen: Als ihr eigener Arzt haben sie sich selbst Alkohol verordnet um mit gewissen Dingen leben zu können. Wer weiss was passiert wäre wenn sie das nicht getan hätten. Aber jetzt müssen sie lernen an diese Dinge ran zu gehn."

    Viele Grüsse
    pirc :)

  • hallo leuts

    mal nicht so zornig ihr lieben, jeder hat nun mal seine sicht der dinge. so auch ich.

    ich habe auch gesoffen um demütigungen und zurückweisungen nicht wahrnehmen zu müssen. aber in meiner umgebung haben auch andere "freunde" mit mir aus teilweise den selben gründen gesoffen bis der arzt kam. einige von denen konnten, als sich ihre probleme lösten normal trinken, ich konnte das nicht. daher vermute ich das es ein gen gibt, auf dem ein fehler ist, der uns für süchte anfällig macht, der verhindert das man aus einem exzess wieder zu einem normalmaß zurückfinden kann. ich denke keiner von uns hier ist wirklich in vollem bewußtsein und willentlich zum alkoholiker geworden, es gibt nun mal keine warnlampe die angeht wenn die grenze erreicht ist. ich denke auch das die wenigsten wirklich sagen können wann sie diese grenze überschritten haben, ich kann es jedenfalls nicht.

    fackt ist, es ist ein harter weg aus der sucht raus, er verlangt disziplin, umdenken, man muß sein leben umkrempeln, lernen mit sehr vielen dingen anders umzugehen. das braucht zeit, geduld und immer wieder motivation. die meisten scheitern, die rückfallzahlen sind erschreckend. das ist aber kein grund um nicht an sich zu arbeiten und abstinent zu leben. es gibt immer wieder tiefschläge, ich habe grade wieder so ein tief hinter mich gebracht, das hat mir sehr viel abverlangt, ich kann gar nicht sagen wann ich mich das letzte mal so besch.... gefühlt habe. aber mir war klar das ich nur ohne pulle da raus komm. richtig raus bin ich immer noch nicht, aber mein kopfkino ist zumindest abgestellt. das kann man lernen.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Servus gavris,


    ich nehme Dir gar nichts übel. Ich weigere mich jedoch nach wie vor, dass jemand für seine Alkoholkrankheit "andere Umstände" oder ähnliches "verantwortlich" macht.

    Gesoffen haben wir schon selber, oder hat Dich jemand gezwungen?

    Jeder von uns hatte es in der Hand, sich für die Defizite/Probleme/Krankheiten vorher andere professionelle Hilfe zu suchen, statt dessen haben wir es mit Alkohol betäubt. Ich sehe nicht recht, warum da die Eigenverantwortlichkeit aussetzen sollte?

    Wenn dem so wäre, dann könnte ja nicht ein Alkoholiker den dauerhaften Weg der Trockenheit beschreiten - das tun aber doch recht viele, und mit zum Teil beachtlichem Erfolg.

    gavris, ich brauche auch keine Bücher umzuschreiben, diese Kompetenz habe ich nicht. Wenn Du jedoch mal genau liest, wirst Du feststellen, dass sehr viele von diesen Büchern genau das sagen: der Alkoholiker hat seine Genesung zu sehr weiten Teilen selbst in der Hand - genau so, wie er sich durch den Zustand des permanenten Alkoholmissbrauchs erst in den Zustand der Krankheit gebracht hat.

    Noch was: ich brauche keine konsensorientierte Diskussion. Mir ist es lieber, wenn wir aufhören, uns im trockenen Zustand auch noch die Hucke vollzulügen, das haben wir alle schon im nassen Zustand zur Genüge getan. Dazu gehört für mich auch, dass wir uns unserer Verantwortung für unsere Krankheit stellen, anstatt nach Ausflüchten und Beschönigungen zu suchen, warum wir "saufen mussten".

    LG
    Spedi

  • Hallo Spedi,

    es geht doch nicht darum die eigene Verantwortung weg zu schieben oder zu leugnen sondern die Ursachen zu erkennen, zu aktzeptieren und jetzt endlich zu lernen damit auch ohne Alk umgehen zu können.
    Wenn ich das nicht tue dann "trink ich einfach nur nicht" und dass das nicht reicht ist doch hinlänglich bekannt.

    lg pirc

  • Moin!
    Ich finde ja die Frage bzw. Feststellung ganz interessant, dass ein relativ großer Teil der Alkis, ob trocken oder nass, ebenfalls alkoholkranke Verwandte 1. Grades haben. Die Forscher suchen ja schon lange nach dem Sucht-Gen, finden es aber nicht. Wahrscheinlich kommt dann auch die Theorie "Lernen am Modell" ins Spiel. Zum anderen bin ich auch der Meinung, dass die Suchterkrankung eine gewisse Persönlichkeitsstörung beinhaltet und zwar in Richtung mangelndes Selbstbewußtsein/Selbstwertgefühl.
    Klar, zur Alkoholikerin habe ich mich selber gemacht, da gab es keine Sündenböcke für. getrunken habe ich ganz alleine, niemand hat es mir aufgezwungen.
    Nur finde ich die Verwandtschaftstheorie sehr interessant, da bei mir in der Familie viele Alkoholiker sind, alle trocken und alle männlichen Geschlechts. Ich bin die einzige weibliche Alkoholikerin.
    Sucht ist ein extrem komplexes Krankheitsbild mit vielen Komorbitäten, also Begleiterkrankungen, hier nur die aus dem psychiatrischen Formenkreis anzusprechen.
    Aber interessant ist es doch schon, wenn z.b. 2 Personen ähnlich aufwachsen, ähnliche Erlebnisse, ähnliche "critical life events" erfahren und der eine nicht abhängig wird und der andere sich tod säuft.
    Auch heute in meinem trockenen Leben bin ich immer sehr interessiert an solchen Forschungsergebnissen, die sich mit dem Thema Sucht/Alkoholsucht auseinander setzen und beschäftigen.
    Nur letztendlich, zur Flsche/Glas haben wir selber gegriffen - ohne Frage.
    Gruß,
    Michi

    never give up

  • Hallo Zusammen,

    Zitat

    Es gibt keinen "Grund" warum jemand säuft, außer, dass der Betreffende saufen will.

    Das fasst es sicherlich zusammen, ohne Frage. Hilft für mein Empfinden aber im Hinblick auf die ursprüngliche Fragestellung nicht unbedingt weiter.

    Zitat

    Trotzdem würde mich interessieren, in welchen Situationen ihr getrunken habt und was ihr in dem Moment gefühlt hat. Ich möchte einfach euer Gefühl dabei verstehen und somit vielleicht meinen Vater (leider nicht trocken) besser verstehen können und auch für mich besser mit diesem Thema umgehen zu können.

    Ich kenne diesen Wunsch. Mir haben Gespräche mit Alkoholikern geholfen meine Mutter leichter loslassen zu können. Dadurch, dass mir erzählt wurde, was mit dem Alkohol erreicht werden sollte, konnte ich verstehen. Nachempfinden kann ich Saufdruck nicht, dass ist sicherlich richtig. Was ich aber nachempfinden konnte war, wie es ist vor einem scheinbar unlösbaren Problem, um es mal zusammenfassend auszudrücken, zu stehen.

    Entgegen meiner Mutter habe ich sie jedoch nicht mit Alkohol versucht zu lösen. Ich habe stattdessen, Verdrängung, blinden Aktionismus und ähnliches versucht, mit ebenso wenig Erfolg, wie ihr Versuch mit Alkohol. Für mich war es der kleinste gemeinsame Nenner, den ich gefunden habe. An diesem Punkt ist es mir leichter gefallen, sie loszulassen. Ganz einfach, weil vor einem „unlösbaren“ Problem zu stehen und keine adäquate Lösung zu wissen, zu haben, zu finden etwas war das ich kannte.

    Es geht hier für mich nicht um Wege aus der Trockenheit, ob richtig oder falsch, ob dies oder jenes nun ein „Grund“ ist oder nicht, sondern darum einem EKA zu helfen zu verstehen.

    Gruß
    Skye

  • Zitat

    Es geht hier für mich nicht um Wege aus der Trockenheit,

    Ups... :roll:

    Ich meinte natürlich: Es geht hier für mich nicht um Wege in die Trockenheit,.......

  • @Spedi: Keine Frage, dass wir selbst getrunken haben. Wer denn sonst ;)

    Aber das ist ja gerade eines der Symptome der Alkoholkrankheit - diese Verdrängungstaktik. Wenn man mal bereit ist daran zu arbeiten weisen sich natürlich neue Wege. Man erlernt ein trockenes Leben.
    Aber dazu muss ich einmal krank werden. Wie ein Vorposter schon schrieb, wir sind nicht aufgestanden und haben beschlossen, dass wir gerne Alkoholiker wären. Mal da eine alkoholische Erleichterung, mal dort ein Erleichterungsdrink. Es gibt zu dieser Zeit ja noch keine offensichtliche Abhängigkeit. Die will ja auch keiner, logisch.

    ABER: Der Körper verlernt die endogene Bewältigung negativer Zustände. Es ist geradezu so, als ob ein gewisser Muskel verkümmert. Gleichzeitig steigt aber die Toleranz dem Alkohol gegenüber. Folglich muss immer mehr und auch häufiger getrunken werden.

    ABER: Ich kann dich eh nicht davon überzeugen, dass Alkoholismus eine Krankheit ist. Für dich ist es halt nach wie vor eine Willensschwäche. Das glaubte die Menschheit ja auch bis zu dem Zeitpunkt, als man sich wissenschaftlich damit auseinadersetzte.

    Wenn es denn eine charakterliche Schwäche, wie von dir dargestellt, sei, dann beantworte mir die Frage warum dann trotz größter Bemühungen Alkoholiker nie trocken bleiben können, außer man unternimmt etwas dagegen.
    Einfach nur nicht trinken reicht nicht. Warum nicht? Sicher nicht, weil es eine Charakterschwäche ist.

    Nix für ungut ;)

    Lg

  • Servus gavris,

    Du scheinst nicht lesen zu wollen. Wo habe ich bitte geschrieben, dass Alkoholismus eine Charakterschwäche sei?

    Eben. Nirgends.

    Ich sprach durchgehend von den Vorstadien, die noch nicht krank sind, aber zur Krankheit führen. Und diese Vorstadien hat jeder von uns in der Hand.

    Ich wäre Dir dankbar, wenn Du statt gleich zu protestieren erst mal genau das lesen würdest, was ich hier schreibe - und zwar, ohne etwas hineinzuinterpretieren.

    Das sind übrigens genau diese ermüdenden Diskussionen um des Kaisers Bart, die so herrlich fruchtlos sind, aber immer wieder zu jeder Menge Zündstoff führen:
    Themen, die niemand als Alkoholiker weiter bringen, weil sie nichts damit zu tun haben, wie ich mein trockenes Leben gestalte.

    Schade drum.

    LG
    Spedi

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