Leb wohl, Du schnöder Alkohol

  • Auch ich bin bei den COs (und hoffe, ich darf hier etwas bei dir schreiben, Andreas) - und ich denke, es ist durchaus möglich, klare Worte zu wählen ohne verletzend zu werden. Der Verweis auf das angeblich vorherrschende "ich drück dich" bei den COs ist aus meiner Sicht zu vereinfachend.

    Es ist jedoch so, dass ich glaube, dass viele COs (wie auch ich) hier aus dem Gefühl bzw. der Not heraus anfangen zu schreiben, dass niemand ihr "Problem" nachvollziehen kann, da im tatsächlichen Umfeld das Thema totgeschwiegen wird. Hier dann auf Menschen zu treffen, die die gleichen Dinge erlebt haben, die gleichen Absurditäten, hat z.B. bei mir Gefühle der Erleichterung und Solidarität hervorgerufen, die in meinem Ablösungsprozess sehr wichtig waren, und die ich anderen Usern gerne zurückgeben würde.
    Vielleicht kommt daher zum Teil die Außenwirkung, bei den COs wird nur "gestreichelt".

    Mir persönlich ist respektvoller Klartext am liebsten.

    Zum Thema Abgrenzung - eine meiner wichtigsten Erkenntnisse, die ich gewonnen habe, seit ich hier schreibe, ist: nicht alles ist zum Verstehen gedacht.
    Ich werde mich (hoffentlich) nie mehr bei dem Versuch verausgaben, ein mir unverständliches und mich verletzendes Verhalten eines Mitmenschen bis ins Letzte in seinen Ursachen ergründen und verstehen zu wollen.
    Für mich ist Abgrenzung zum Beispiel, Menschen zu meiden, die diese Dynamik bei mir in Gang setzen, warum auch immer (auch das muss ich nicht unbedingt mehr verstehen - es reicht, wenn ich entsprechend reagiere).

    Zweitens: Taten zählen mehr als Worte. Ich war früher ein extremer Wort-Mensch. Man kann auch sagen gutgläubig und/oder naiv. :roll::wink:
    Ebenso meide ich inzwischen Menschen, bei denen ich eine (extrem häufige) Diskrepanz zwischen Worten und Taten feststelle.

    Drittens - meide ich Menschen, die - permanent - anderen die Verantwortung für alles geben. Die ewig jammern, wie schlecht die Welt und alle anderen sind, aber nichts aktiv tun, um an ihrer Situation oder gar der Situation der "Welt" etwas zu ändern.

    Das ist im Moment mein persönlicher Abgrenzungs-Fahrplan. Mal schauen, wo der mich hinführt. :arrow:
    Änderungen vorbehalten. :wink:

    Liebe Grüße
    Lea

    If you know where you stand
    then you know where to land ...

  • Moin!

    Ich möchte mich Lea anschliessen. Klartext ohne zuverletzen, das ist das Geheimnis. Man kann uns Cos lange sagen wir sollen einfach gehen, wir glauben aber noch retten zukönnen, gehen über unsere Grenzen, genau das ist doch das Problem. Wir sehen nicht wenn der Kampf aussichtslos ist, wollen und können es nicht sehen. Ich glaube das es für "euch Alks " schwer zuverstehen ist. Klar, man hätte immer gehen können, theoretisch.
    Und was wäre denn dein Tipp für mich, ich lebe mit meinem trockenen Alki noch zusammen, und immer mal wieder kämpfe ich mit dem Comonster!
    Und doch war es das wert, wir haben beide Therapie gemacht und bleiben dran, und ja, man hätte sich auch trennen können, wäre manchmal weniger anstrengend gewesen........
    Ich lese gerne bei dir mit, und nun wollte ich mal was "sagen " denn es ist immerwieder "mein " Thema.

    Herzliche Grüße Clärchen

  • Zitat

    aber kann so eine vernünftige, in die Tiefe gehende Beziehung überhaupt entstehen und funktionieren ? Sind Abgrenzung und Innigkeit nicht per se zwei Dinge, die sich grundsätzlich widersprechen

    Na jetzt komme ich doch auch mal bei Dir vorbei und lasse einen Gruß hier. Ist ja auch ein interessantes Thema. Mit Abgrenzung kenne ich mich zudem bestens aus, darin bin ich leider ein Experte.

    Für eine innige Beziehung ist es nötig, sich öffnen zu können. Das kann ich bei meinem Mann, bei sonst niemandem. Abgrenzen bei ihm bedeutet für mich z.B., dass ich meine Stimmung nicht mehr so extrem von seiner abhängig mache. Wenn er miese Laune hat, hat das meist nichts mit mir zu tun, und ich kann auch ein Buch lesen, anstatt alles zu versuchen, ihn aufzuheitern. Ist nicht meine schlechte Laune, und er darf mal mies drauf sein.

    Die komplette emotionale Abgrenzung, die ich unfreiwillig bei anderen praktiziere, macht Beziehungen unmöglich. Wenn ich nicht vertrauen kann, mich nicht öffnen kann, kennt mich mein Gegenüber gar nicht. Das heißt, selbst wenn mich jemand mag, kann ich das nicht ernst nehmen, denn er mag nur den winzigen Teil von mir, den ich bereit bin, ihm zu zeigen. So ein Verhalten führt zu sehr vielen (denn man ist nett und immer gut drauf) oberflächlichen Bekanntschaften, aber mehr geht da meiner Meinung nach nicht.

    Liebe Grüße und schönes Wochenende,

    Sternchen

  • Hallo Forum,

    da dank ich erstmal recht herzlich für die vielen Antworten. Aus meiner Sicht sind da wirklich in jedem Post Aussagen drin, die es wert sind, genauer darüber nachzudenken. Den ganzen Input muß ich ehrlich gesagt erstmal verarbeiten. Ich würde gerne jedem, der hier gepostet hat, auch antworten...das wird aber vermutlich ne Weile dauern, also nicht sauer sein, wenn ich nicht gleich auf Alles eingehe.

    Vorausschicken will ich, daß ich von Co-Seite ehrlich gesagt einiges an Feuer erwartet habe...das ist ausgeblieben, obwohl ich meinen Post bei Sternchen ganz bewußt etwas provokativer gestaltet habe. Das bedeutet gleichzeitig, daß Ihr alle vermutlich etwas souveräner und gelassener reagieren könnt, als ich selbst es tue :)

    Alle Posts sind konstruktiv, helfen, die Sache zu beleuchten. Das find ich wirklich erstaunlich und sehr erfreulich. Es wäre schön, wenn der Ein oder Andere hier aus der Diskussion etwas mitnehmen könnte. Für mich ist das schon jetzt der Fall.

    Es scheint also doch sinnvoll, Co's und Alkoholiker unter einem Dach zu haben. Und genau betrachtet macht es ja auch wirklich Sinn, weil so jeder die Sichtweise der "Gegenpartei" mitbekommen kann. Und das hilft manchmal, Fragen zu beantworten, die man sich eigentlich so noch gar nicht gestellt hat.

    Ein schönes Restwochenende und schöne Zeit

    LG Andreas

  • Zitat von schnuffig


    Zeig mir wer Du bist statt wir sind wir.

    LG

    Hallo schnuffig,

    gibt es denn nur genau diese Möglichkeiten ? Ich denk, ich weiß, was Du meinst. Nicht jeder will für den Partner ein vollkommen offenes Buch sein und will im Gegenzug nicht unbedingt alles über den Partner wissen.
    Aber es ist eben auch die Frage, wie man eine Partnerschaft definiert und was man von einer Partnerschaft erwartet.
    Man wird immer wieder Dinge an seinem Partner entdecken, die man nicht soo toll findet. Wie geht man damit um ?
    Zu viel Nähe kann auch erdrücken. Ich für meinen Teil brauche immer wieder mal Zeit für mich alleine, stoße damit aber auch oft auf Unverständnis. Das wird dann als Abkapselung vom Partner gesehen.

    Nun hab ich in den letzten zwei, drei Jahren ziemlich viel Mist gebaut, meine Frau beschissen, angelogen und auch noch gesoffen...alles in Kombination. Und da ist natürlich immer wieder auch die Angst meiner Frau da, daß ich mich bewußt abgrenze, sie außen vor lasse, sie nicht in mein Leben lasse. Aus meiner Sicht ist das nachvollziehbar, auch, daß da noch jede Menge Mißtrauen da ist. Schließlich hab ich ihr Vertrauen Stück für Stück demontiert, quasi mit dem Abbruchhammer bearbeitet. Da jetzt wieder ne schöne Skulptur draus zu machen, wird seine Zeit brauchen.
    Gleichzeitig kann ich nicht nur jeden Tag damit verbringen, an der Skulptur zu basteln. Ich selbst bin ja schließlich auch noch da und hab auch noch andere Interessen, die sich mit der meiner Frau nicht immer decken. Ich bekomm z.B. immer wieder zu hören, daß ich mich nicht für ihre Hobbys interessiere. Nun, das stimmt zum Teil. Aber ich habe ihr, nachdem ich mit dem Saufen aufgehört habe, versprochen, sie nicht mehr anzulügen. Jetzt zieh ich das konsequent durch und das bedingt z.B. auch, daß ich ihr klipp und klar sage, daß ich das oder das langweilig finde und lieber was Anderes machen möchte. Das wird mir dann aber oft wieder als Abgrenzung ausgelegt..."Du willst ja nur nichts mit mir unternehmen", so in der Art.
    Aber solche Aussagen funktionieren bei mir nicht mehr (haben sie auch nie wirklich) und das führt natürlich zu Reibungen...Reibungen, die eine eh schon belastete Beziehung manchmal nur sehr schwer aushalten kann. Bis jetzt funktioniert es, aber es ist genau dieses Gefühl, sich nicht mehr verbiegen zu wollen...zumindest nicht gegen den eigenen Willen.

    Ich denke, ich bin eher auch der Typ, der vielleicht gar nicht für eine so enge, feste Beziehung geschaffen ist. Deshalb interessiert mich genau dieses Thema "Abgrenzung". "Meins ist Meins" wird mir eben recht oft so ausgelegt als "Deins soll ja eh nicht Meins werden". "Du willst Dein Leben ja gar nicht wirklich mit mir teilen."

    Das verwirrt mich, weil ich nie so denke...ich will nicht "Ihrs" auf Teufel komm raus, ich will nicht alles. Ich habe eher Angst vor so viel "Uns". Ich frage mich allerdings, ob das dann so funktionieren kann.

    Ich weiß z.B., daß ich mich auch regelmäßig weggebeamt habe, um alleine sein zu können - besoffen hat sich niemand an mich rangetraut und das war mir, auch in meiner Saufzeit, bewußt.

    Das ist nur ein Teilaspekt, gehört aber für mich zur Prävention. Ich weiß, daß ich in solchen Stimmungslagen (Der Wunsch, alleine zu sein aber nicht alleine sein zu können) anfällig bin. Diese Stimmungslagen bedeuten für mich ein Risiko.

    Puh, das war mal wieder dezent vom eigentlichen Thema abgewichen, oder ? :)

    LG Andreas

  • Hallo Sunshine,

    also ich hab dbzgl. noch nicht aufgegeben. Ich denke schon, daß eine Annäherung punktuell möglich ist.
    Ich kann mich noch sehr gut dran erinnern, was ich als Säufer alles so angestellt habe - klar, bin ja auch erst seit Dezember abstinent. Anfangs wollte ich gar nicht wahrhaben, daß ich Alkoholiker bin...dann hab ich das für mich angenommen, und - wie eine geschätzte Userin es bezeichnete - mir zu viel Asche aufs Haupt gestreut. Das seh ich inzwischen auch so. Ich habe viele Fehler gemacht, viel Porzelan zerschlagen, viel kaputtgemacht. Aber ich bin inzwischen ein verlässlicher Mensch geworden, ehrlich, gradaus, umgänglich, kritik- und diskursfähig. Allerdings werde ich auch abstinent nie der Mensch sein, den andere sich vielleicht wünschen...ich werde meine Ecken und Kanten behalten, werd sie nicht abschleifen, nur um das, was ich als Säufer angestellt habe, 1:1 wieder gutmachen zu können - das kann ich nicht. Trotzdem scheint man das ab und an von mir zu erwarten und auf diese Erwartungen reagiere ich fast mit kindlichem Trotz. Ich will mich nicht mehr auf das reduzieren lassen, was ich noch vor einem Jahr war. Menschen können sich ändern...ich seh das an mir täglich...aber Menschen können und wollen nicht immer die Erwartungen erfüllen, die andere an sie stellen.

    Ich fürchte, daß Co's oft auch von dem Ergebnis hinterher enttäuscht wären...es ist nicht immer nur der Alkohol, der einen Menschen verändert...manche Veränderungen, die den Partner vielleicht verängstigen, haben mit dem Alkohol überhaupt nix zu tun, sondern sind einfach der persönlichen Entwicklung des Einzelnen geschuldet.

    LG Andreas

  • Hallo Andreas,

    ich glaube, das Bedürfnis zweier Partner nach Nähe ist nie deckungsgleich - oder vielleicht nicht nie, aber vielleicht nicht allzu oft.

    Wann immer ich eine dauerhaft glückende Beziehung in meinem Umfeld gesehen habe, dann haben die Partner genau dafür ein Gespür gehabt und dem anderen Raum gelassen - das fängt beim Rückzugsraum im gemeinsamen Haus an und geht bis zum (teilweise) getrennten Freundeskreis und (ab und an) getrennten Urlauben.
    Leicht ist es sicher nicht, das richtige Maß zu finden.

    Ich würde mit deiner Frau genau darüber sprechen und über Lösungen nachdenken.
    Ist natürlich umso schwieriger in einer Situation, in der Grundvertrauen erst wieder aufgebaut werden muss. Aber bestimmt nicht unmöglich.

    Lieber Gruß
    Lea

    If you know where you stand
    then you know where to land ...

  • ;) Hallo Andreas,

    all das sehe ich genauso. Und manche Menschen hören auf zu trinken und verändern nüscht, wieder Andere haben kaum Porzellan zerschlagen.
    Was mich aber stets am meisten aufbringt, ist, wenn mir mein Alkoholismus von Leuten vorgehalten wird, die mich zu nassen Zeiten gar nicht gekannt haben und/oder kein Stück darunter „leiden“ mussten, es aber hinter mir herzerren. Braucht kein Mensch.

    Ich sehe durchaus einen Sinn darin, dass Alkoholiker und Co´s sich austauschen. Beleidigungen und verletzende Worte gab es von beiden Seiten bereits zu viele, da klinke ich mich aus oder versuche eine Schneise zu schlagen mit betont sachlichen Kommentaren. Respektvoller Umgang ist wichtig und das gilt für alle Menschen, egal wie und wo sie sich begegnen.
    Für viele Alkoholiker ist es der schwerste Schritt, die eigene Alkoholabhängigkeit zu erkennen und sich selbst einzugestehen. Ich wünschte, auch das würden Andere respektieren und damit wenigstens etwas sensibler umgehen. Oft empfinde ich etwas wie eine „Hab-ich-Dich-erwischt!“-Reaktion – ich hätte Jedem die Hölle heiß gemacht, der mich – plump oder auch nur direkt - darauf angesprochen hätte, zumal wenn ich den Eindruck gehabt hätte, dass mein Gegenüber sich nicht einmal vorstellen kann, was Alkoholismus wirklich bedeutet.
    Bei allem Verständnis (*zu Susanne schiel ) für Co´s irritiert mich aber der ständige Vorwurf der Manipulation, dieses Opfer-Täter-Dingens, während der Alki entweder gerade einsam ist und Kontakt sucht oder aber den Kanal voll/sein Level erreicht hat und seine Ruhe benötigt und nicht einmal ahnt, dass er verdächtigt wird, irgendwelche Spielchen zu spielen.
    Ich sage damit nicht, dass es toll ist, sich zu betrinken oder als trockener Alki eben Stimmungen zu haben wie jeder andere Mensch auch, nur mit Manipulation hat es oft rein gar nichts zu tun. Da gibt es andere Dinge wie z.B. unnötigerweise einen Streit anzuzetteln, damit der Andere sich – zu Recht – verletzt zurückzieht und man in Ruhe trinken kann.

    Ich bin übrigens der Auffassung, dass kein Co darauf angewiesen ist, dass ich Geduld signalisiere. Jeder in seinem Tempo. Nach meiner Erfahrung sollte man niemanden drängen oder ihm etwas überstülpen, denn wenn man unter Zugzwang gerät sind wirkliche Veränderungen nicht möglich, da die eigene innere Einsicht fehlt.

    Wir sind ja alle nur Menschen.
    Allen einen entspannten Abend.

    LG
    Katha

  • Zitat von Nys

    Und ja - wenn jemand garnicht in Zusammenhang bringt, was das eigene Fehlverhalten (Lügen zB) mit der Empörung von anderen zu tun hat....
    Oder wenn einer immer sagt: Ist doch alles gut!?
    Wenn drum rum garnix gut ist! Dann fehlt irgendwo die Einsicht von Zusammenhängen zwischen dem eigenen Verhalten und der Reaktion der Umwelt.

    Mein XY sagte oft: Oh es läuft gut mit den Kindern,,,, etc.
    Oder : Es geht voran.........
    Wenn es überhaupt nicht gestimmt hat. Aber das war seine Wahrnehmung! In Details geh ich dazu nicht. Er hat nur nicht gesehen, wo er in Wirklichkeit stand - und wie sein Verhalten für alle Beteiligten rüber kam. Eine komplett nicht nachvollziehbare Selbstwahrnehmung und Einschätzung. Ob er deshalb Korsakow hatte - weiß ich nicht. Aber die Beschäftigung mit der Krankheit - hat mir gezeigt, wie ein ansonsten normal wirkender und funktionierender Mensch in seiner Selbstwahrnehmung und dem Erkennen von Zusammenhängen komplett anders ticken kann...... lange bevor man ihm ansieht, daß er trinkt. Oder ihn als Aloholiker einstufen kann.

    LG Nys

    Moin Nys,

    das hast Du gut zusammengetragen. So ist das wirklich. Ein Alkoholiker lebt letztendlich in einem Gewebe aus Lügen, Selbstbetrug, bewußter und z.T. auch unbewußter Verdrängung und einem ewigen Zwiespalt, sobald er merkt, daß er zuviel trinkt.
    Ich hatte viele Tage dabei, an denen mir bewußt war, daß ich zuviel trinke. Da gab es dann oft diese Teufelchen-Engelchen-Spielchen...ein Teil des Gehirns sagte "Stopp, jetzt kannst Du noch aufhören", der andere Teil sagte "Wozu aufhören ? Es geht Dir gut, wenn Du trinkst". Welcher der beiden Teile bei mir meistens gewonnen hat, kannst Du Dir sicher denken.
    Man macht sich selbst was vor und ist erstaunlicherweise der Ansicht, man könne das bei anderen auch so machen. Ich krieg immer wieder zu hören, daß ich steif und fest behauptet habe, daß ich heute mal nix getrunken hätte, obwohl man meine Fahne schon aus drei Meter Entfernung riechen konnte. Heute kann ich das kaum nachvollziehen. Ist ungefähr so, als würde Roberto Blanco behaupten, er wäre ein Albino...jeder kann das Gegenteil sehen, aber man bleibt bei seiner Behauptung.

    Zum Thema Lügen:

    Ich hatte keine Probleme damit, Menschen anzulügen, wenn es in mein Konzept gepasst hat, mir geholfen hat. Kein Wunder, schließlich hab ich mich ja selbst jeden Tag angelogen, da spielte es irgendwie keine große Rolle mehr...aus meiner damaligen Sicht.

    Man muß sich als Außenstehender immer wieder vor Augen führen, daß ein abstinenter Alkoholiker die Dinge, die er als Säufer gemacht hat, selbst nicht mehr nachvollziehen kann. Es kommt einem manchmal so vor, als hätte es einen bösen Klon von einem selbst gegeben, den man sich verwundert aus der Ferne betrachtet, mit Unverständnis und mit Ungläubigkeit.

    Zum anderen Thema (das in Deinem Thread recht deutlich angesprochen wurde):

    Du mußt keine Angst haben, daß ich jetzt jedes Mal hinter der Ecke stehe, wenn Du über Alkoholiker schreibst, nur um Dich zu berichtigen. Wenn Du willst, kann ich das gerne auch ganz bleiben lassen und mich komplett raushalten. Ich hab Dir in meinem Thread geschrieben, warum ich mich bei Sternchen eingemischt habe...einzig und alleine aus dem Grund, weil ich den Eindruck hatte, hier wird jemand per se als Alkoholiker abgestempelt, der dieses Prädikat gar nicht verdient. Nicht mehr und nicht weniger...

    LG Andreas

  • Zitat von Die_Susanne


    Ich finde sehr wohl, dass ein CO sich von seinem Suchtmittel fernhalten kann.

    Grüße
    Susanne

    Das ist immer wieder ein interessantes Thema für mich. Ich bin mir da schon im Klaren, daß man Suchtmittel bei Co's und Alkoholiker nicht direkt vergleichen kann. Es gibt viele Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Die größte Gemeinsamkeit ist die, daß man sich komplett von seinem Suchtmittel trennt. Für Alkoholiker gibts keinen Alk mehr, für Co's keinen xy mehr. Klingt einfach, ist aber so.
    Bei Co's hab ich immer mal wieder das Gefühl, dieses Rumeiern, im Kreis drehen, doch wieder mal zwischendurch Kontakt zu haben und angeblich festgestellt zu haben, daß es doch Hoffnung gibt, sind nichts anderes als Trinkpausen beim Alkoholiker. Auch da gibt es Hoffnung, für beide Seiten. Der Co hat Hoffnung, daß der Alkoholiker es endgültig packt, der Alkoholiker hat sich lt. seiner Ansicht bewiesen, daß er gar kein Alkoholiker ist. Eine Sache, die alles nur in die Länge zieht und das Ganze erschwert...denn es ist eine trügerische Hoffnung, die zwangsläufig enttäuscht werden muß.

    Was ich gerne nochmal thematisieren würde, ist die Aussage, daß der Alkoholiker ja nur auf seine Flasche verzichten muß, während bei einem Co viel mehr dranhängt. Das mag auf den ersten Blick stimmen. Allerdings haben wir auch einige Fälle hier, in denen User trocken wurden und trotzdem die eigene Familie verloren haben. In solchen Fällen trocken zu bleiben, ist weit mehr, als nicht mehr an der Flasche zu nuckeln, denn man hat ja das Gefühl, seine Sucht in den Griff zu bekommen und muß trotzdem negative Konsequenzen hinnehmen.
    Ein weiterer, mMn. wichtiger Punkt:

    Co's können ihren xy aus ihrem Leben verbannen...Kontaktsperre, neue Handynummer, neue Wohnung, neues Leben. Ein Alkoholiker wird ein Leben lang immer wieder mit seinem Suchtmittel Kontakt haben, ob im Supermarkt oder in der Arbeit oder im Urlaub. Der Möglichkeit eines Rückfalls ist immer nur eine Straßenecke entfernt, wenn man nicht an sich selbst arbeitet und seine Sucht aufarbeitet. Es ist also weit mehr, als nur die Flasche abzugeben.

    Beide Gruppen haben ihre besonderen Merkmale, jeweils ihr eigenes Kreuz zu tragen. Es macht wenig Sinn, beurteilen zu wollen, welches Kreuz nun schwerer wiegt. Kreuz ist Kreuz. Und in beiden Fällen kann man das Kreuz nur ablegen, wenn man sein Suchtmittel komplett ablegt...

    LG Andreas

  • Moin Lea,

    ein toller Beitrag, wie ich finde.

    Dieser Unterschied scheint mir nachvollziehbar...Alkoholiker kommen meistens hier rein, sobald sie sich ihrer Sucht mehr oder minder bewußt sind und ziehen von daher vielleicht eher Konsequenzen.
    Co's kommen in einer Frühphase, sind sich ihrer Sucht vielleicht noch gar nicht wirklich bewußt, insofern auch noch nicht bereit, mit allerletzter Konsequenz zu handeln.

    Klingt für mich wirklich sehr logisch.

    Thema Abgrenzung:

    Auch da bin ich absolut Deiner Meinung. Punkt 3 ist bei mir so ausgeprägt, daß ich solche Menschen nach einer Minute wortlos stehenlasse...dafür ist mir meine Zeit zu schade...diese nur zu gerne angenommene Opferrolle mancher Menschen (Staat ist schuld, Gesellschaft ist schuld, Arzt ist schuld, Gott ist schuld) macht mich wütend und fassungslos.

    Naiv war ich auch, bin es z.T. jetzt noch ab und zu. Man kann mich, wenn man am richtigen Hebel zieht, relativ leicht auf seine Seite ziehen. Das ist für mich ein wichtiger Punkt, an dem es anzusetzen gilt. Es ist schon besser geworden, aber noch nicht in dem Maße, wie ich es mir wünsche. Dazu gehört für mich das Thema "NEIN-Sagen".

    Punkt 1 ist auch interessant. Da habe ich bei mir die größte Entwicklung feststellen können. Da kann ich inzwischen sehr gut trennen und nen Haken drunter machen. Früher hab ich da stundenlang nachgegrübelt, ob ich was falsch gemacht habe oder vielleicht verquerte Ansichten hatte...inzwischen ist mir das egal. Ich denke, das ist auch eine Frage der Selbstsicherheit. Man ist sich bewußt, daß man sich die eigene Meinung fundiert erschlossen hat und läßt sich nicht mehr durch andere Verhaltensweisen oder Ansichten aus der Bahn werfen. Abweichende Meinungen nehm ich hin wie ein Gewitter...an dem kann ich auch nix ändern. Das bedeutet nicht gleichzeitig, daß man die eigene Meinung nicht ab und zu hinterfragt...ich denke, daß gehört dazu. Neue Erkenntnisse, andere Aspekte können es durchaus erfordern, daß man die eigene Meinung modifiziert. Das ist für mich nix anderes als Fehleranalyse und Fehlervermeidung.

    Dank Dir für Deinen wertvollen Beitrag...hat mich sehr gefreut, daß Dich mich hier mal besucht hast.

    LG Andreas

  • Zitat von Clärchen

    Moin!

    Ich möchte mich Lea anschliessen. Klartext ohne zuverletzen, das ist das Geheimnis. Man kann uns Cos lange sagen wir sollen einfach gehen, wir glauben aber noch retten zukönnen, gehen über unsere Grenzen, genau das ist doch das Problem. Wir sehen nicht wenn der Kampf aussichtslos ist, wollen und können es nicht sehen. Ich glaube das es für "euch Alks " schwer zuverstehen ist. Klar, man hätte immer gehen können, theoretisch.
    Und was wäre denn dein Tipp für mich, ich lebe mit meinem trockenen Alki noch zusammen, und immer mal wieder kämpfe ich mit dem Comonster!
    Und doch war es das wert, wir haben beide Therapie gemacht und bleiben dran, und ja, man hätte sich auch trennen können, wäre manchmal weniger anstrengend gewesen........
    Ich lese gerne bei dir mit, und nun wollte ich mal was "sagen " denn es ist immerwieder "mein " Thema.

    Herzliche Grüße Clärchen

    Hallo Clärchen,

    ich denke nicht, daß ich schon soweit bin, Dir Tipps geben zu können. Ich würde sagen, daß meine Frau auch gewisse Verhaltensweisen an den Tag legt, die man als Co bezeichnen könnte.
    Sie hat allerdings irgendwann alles auf eine Karte gesetzt und mich vor die Wahl gestellt: Ich oder Alk. Ich hab mich für sie entschieden, gegen den Alk. Eine, wenn nicht die beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe...diese Entscheidung hat mir mein zweites Leben sozusagen erst ermöglicht.
    Nun sieht es bei Euch wohl ähnlich aus...trockener Alkoholiker zuhause, Alpträume, daß der Mann wieder saufen könnte, alles wieder von vorne anfängt, alles umsonst war. Ich denke, das ist nachvollziehbar. Aber ständige Verlustängste können unheimlich lähmen, sind kontraproduktiv. Letztendlich muß man sich ständig bewußt machen, daß man sich nie sicher sein kann, aber schon ein riesengroßes Stück weiter ist.
    Sicherheit gibt es im Leben nie...und daß es auch ohne Alkohol nicht leicht werden würde, die Beziehung nicht von heute auf morgen wieder problemlos laufen würde, war uns beiden klar. Die Abstinenz war nur die Grundlage, um überhaupt an sich arbeiten zu können. Durchs Nichtsaufen war für die Beziehung noch nichts gewonnen. Die Arbeit kommt erst danach und klar gibt es da auch immer wieder Phasen, wo man sich fragt, ob alles noch einen Sinn ergibt. Die sind aber recht selten.

    Wenn man ehrlich ist, bedeutet eine Beziehung immer irgendwie Arbeit. Gibt es tatsächlich Beziehungen, die immer reibungslos laufen ? Ich kenne irgendwie keine. Also sollte man sich durch gelegentliche Rückschläge nicht entmutigen lassen.
    Die Melodie muß stimmen, dann ist es auch halb so wild, wenn mal der ein oder andere Ton nicht getroffen wird. Perfektionismus und Beziehungen sind Antonyme :)

    Es gibt bei uns in Franken ein schönes Sprüchlein für diesen Umstand:

    Es is net alla douch kärwa...

    Bin gespannt, ob das jemand versteht :)

    Schöne Zeit Dir (Euch)

    LG Andreas

  • Guten Morgen Andreas,

    in unserer Gegend würde das so heißen:
    Es isch nedd älle däg kirbe.

    Und in meinem Thread heißt es meist Achterbahnfahrt.
    Es geht rauf und es geht runter.
    Wenn wir uns jedoch mächtig anstrengen gilt:
    Es geht rauf und es geht runter.

    Akzeptanz hilft.
    Obwohl ich dies immer wieder mal vergesse.

    Schöne Grüße nach Franken
    Correns

  • Hallo Andreas!

    Danke für deine ausführlichen Antworten. Du bringst viele wichtige Punkte suf genau eben diesen.
    Eine Bereicherung für Cos und Alks. Danke! Hier sieht man doch mal sehr deutlich wieso ich Cos und Alks unbedingt austauscen sollten.

    Nur dein Sprichwort am Ende.....hm??????
    Ich glaub ich brauche Consuela zum übersetzten.....:)

    Herzlice Grüße Clärchen

  • Hallo Andreas,

    sehr gern geschehen.
    Auf den Gedanken, dass nicht alle Tage Kirmes ist (?stimmt das?) möchte ich mit dem Lieblingsspruch eines befreundeten Schwaben antworten:

    Es Läbe isch kei Schlozer - aber e Guzle! (Keine Ahnung, ob das richtig geschrieben ist :)

    Liebe Grüße
    Lea

    If you know where you stand
    then you know where to land ...

  • Zitat von consuela

    Fraali..glor..Andreas, leicht zu übersetzen: es ist nicht jeden Tag Kirchweih...und genauso so ist es auch...ganz lieben.Gruß aus Franggn ..Consuela

    Hi Consuela,

    lange nix gehört von Dir. Ich hoffe, es geht Dir gut. Soweit ich weiß, treibst Du Dich hauptsächlich im der Geschlossenen rum, oder ?

    Hab gar nicht gewußt, daß Du auch aus Franggn kommst und am Telefon den Ausländern permanent erklären mußt: Ne, kein weiches B wie Berta...haddes B wie Baula :)

    LG Andreas

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