Erwartungen Heile Welt

  • Hallo zusammen,

    Des öfteren habe ich das Gefühl das Erwartungen an die heile Welt ein Bestandteil des Trocken werdens ist aber an der Realität scheitern.

    Deswegen würde mich mal interessieren was der Einzelne eigentlich von seiner Trockenheit erwartet oder erwartet hatte

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

    Einmal editiert, zuletzt von Hartmut (31. Mai 2013 um 09:53)

  • Huhu Hartmut,

    als ich noch trank/Drogen konsumierte, dachte ich, wenn ich dieses Dauerbeschissen meiner Gedanken durch diese immense unfreiwilllige Konsumgier nur irgendwie wegbekomme, habe ich keine wirklichen Probleme mehr. Nun ganz so ist es nicht gekommen :wink: . Aber heute habe ich die Möglichkeit, mich meinen Problemen zu stellen und klar und nüchtern Entscheidungen zu fällen.

    Ich erwarte von meiner Trockenheit, wieder einigermassen lebenstüchtig zu sein und zu bleiben. Ich bin auf jeden Fall wesentlich freier in meinen Entscheidungen. Das Leben und die Chancen stehen mir wieder offen. Das ist doch schon ganz schön viel.

    War das jetzt am Thema vorbei? :lol:

    gruss simi

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • Es gibt keine heile Welt - auch keine trockene, heile Welt.

    Meine Erwartung war recht einfach:
    Ich wollte die Kontrolle über mein Leben zurück - nicht mehr und nicht weniger.
    Und wenn ich heute "Fehlentscheidungen" treffe, so treffe ich sie bei klarem Verstand, ich kann mich hinterher dran erinnern und bin in der Lage, sie zu korrigieren.

  • hallo hartmut

    genau diese frage hab ich mir vor meiner entgiftung gestellt, und auch davor als ich noch trank.

    ich dachte, wenn ich erst mal den entzug geschafft habe, ist das gröbste gepackt. ich war der meinung, das ich dann keine probleme mehr hätte, alles leicht von der hand geht, alle mich bewundern weil ich ja den entzug geschafft habe.

    doch die realität sieht leider anders aus. keiner klatscht beifall, probleme hab ich trotzdem, die wollen gelöst werden, der alltag hat mich schnell wieder eingeholt.

    heute denke ich da ein bisschen anders. so wie ich mir das vorgestellt habe, ist das nun mal nicht. täglich setze ich mich mit meiner sucht auseinander, muss drauf achten was ich esse und trinke, auf meine gedanken aufpassen usw.

    ich hab festgestellt, das es keine schöne heile welt gibt, und es mir nicht immer gut geht. trockenarbeit ist wirklich harte arbeit. zufriedene trockenheit kommt nicht von allein, dafür muss/darf ich was tun.

    aber ich habe auch wenn ich erst seit oktober trocken bin, hab ich wieder ein leben bekommen, in der ich das sagen habe, und nicht der alkohol. ich habe die entscheidungsgewalt.

    auch wenn es nicht immer einfach ist, so ist es doch 1000 mal besser als davor. und dafür lohn es sich meiner meinung nach, zu kämpfen.

    gruß
    NNGNeo

  • Hi Hartmut,

    Nachdem ich erst einige Jahre rumgeeiert war, hatte ich zumindest die Erkenntnis schon machen dürfen, dass das Leben nicht automatisch besser wird, nur weil man nicht mehr trinkt. Ich kann mich sogar gegenteilig daran erinnern, wie durch den klaren Kopf erst so richtig der ganze Dreck in mir hoch kam. Sich mit seinen über die Jahre geschaffenen Problemen auseinanderzusetzen, dass war oftmals ein weiterer, unüberschaubarer Berg, den zu beklimmen ich lange einfach noch nicht bereit gewesen war. Da war dann auch wohl das Weitertrinken einfacher.

    Als ich dann tatsächlich endlich trocken wurde, nahm ich die Tatsache, dass seelish und technisch einiges auf mich warten würde, als schon gegeben hin, und das war dann auch okay. Überhaupt ging es in der ersten Zeit sehr viel darum, wieder zu dem Menschen zurückzufinden, der ich ausserhalb des Suffs bin und sein konnte. Ich erwartete also keine heile Welt, aber ich erwartete schon, mit der Zeit wieder wachsen zu können, und mich selbst wieder verwirklichen zu können.

    Gruß, Bruce

  • Grüß Dich, Hartmut

    zum Thema:

    Zitat

    Deswegen würde mich mal interessieren was der Einzelne eigentlich von seiner Trockenheit erwartet oder erwartet hatte

    Ich hab damals, soweit ich mich erinnere, keine konkreten Erwartungen an die Zeit danach gehabt, ich weiß nur, ich wollte all meine Kraft dafür investieren, um "das alles" nicht mehr haben "zu müssen". Eine Situation, die ich als meinen absoluten Tiefpunkt bezeichne, ging dem Ganzen damals voran.

    Das war 2005. Seitdem habe ich keinen Tropfen mehr getrunken, meine Tagesration war damals 8 - 12 halbe Liter Bier, manchmal mehr, manchmal weniger.

    Und was ich mir in der Gegenwart davon erwarte?

    Erwarten tue ich mir davon recht wenig, aber dafür bin ich im Leben dankbarer geworden, vor allem dankbar, etwas nicht mehr tun zu müssen, wenn ich nicht will.

    Wenn ich damals die erste Flasche geöffnet habe, habe ich bis zu diesen besagten 8 - 12 Flaschen, weitertrinken m ü s s e n , da führte definitiv kein Weg vorbei.

    Wie gesagt, Erwartungen hab ich keine, aber ich schätze mein jetziges Leben.


    Mit den besten Wünschen für alle

    klarerkopf

    Mein abstinentes Leben begann am 25. Okt. 2005

  • Hallo Hartmut,

    ich habe erwartet, gehofft nicht mehr saufen zu müssen.

    Heute, nach bald 10 Jahren, kann ich sagen dass ich zufrieden ohne Alkohol lebe.

    Probleme gibt es immer mal, nüchtern lassen sie sich aber besser lösen, so soll es bleiben :!:

    LG Martin

  • Hallo Hartmut,

    ich wollte keine Trinkerin mehr sein, wollte nicht mehr trinken müssen, deswegen habe ich mir Hilfe gesucht. Ich glaube, ich steckte viel zu tief in meinem Sumpf, sprich Anhängigkeit, als dass ich mir hätte Erwartungen machen können, wie mein Leben denn hätte weiter gehen können. So wie es war, konnte es jedenfalls nicht mehr weiter gehen, ich war an dem Punkt angelangt, an dem ich nicht mehr so weiter machen konnte und wollte. Es konnte nur besser werden, eine Vorstellung von "besser" hatte ich nicht.
    Was mir durch eine sehr lange Abstinenz, dem darauf folgenden Rückfall, weiteren Trinkpausen und vermehrtes Trinken bewusst geworden ist, dass nicht trinken allein nicht reicht, und wenn ich nicht nur nicht trinke, muss ich einige Dinge beachten, einiges für mich tun. Das sind neben der Grundbausteine meine ganz persönlichen Bedürfnisse, die ich nicht mehr außer Acht lassen will. Dadurch verändert sich mein Leben fast Tag für Tag. Die Probleme um mich herum lösen sich selbstverständlich nicht in Luft auf. Und das, was ich durch das Saufen in mir kaputt gemacht habe, wird auch nicht von heute auf morgen heil, nur weil ich den Alkohol weglasse.
    Und dennoch erlebe ich bereits ab und zu kleine Momente des Glücks, kleine Momente der Zufriedenheit und auch gelegentlich die einer eigenen kleinen heilen Welt. Planen kann ich diese Momente nicht und erwarten, dass sie wiederkommen, tu ich nicht.
    Was ich über Jahre von trockenen Alkoholikern mitbekomme ist, dass sich ein Leben ohne Alkohol lohnt und wieder lebenswert sein kann.

    Grüße von Wacholderfrau

  • Hallo Hartmut,

    ich erwarte von meiner Trockenheit, dass ich ohne Alkohol leben kann. Hätte ich die nicht, würde ich wieder saufen.
    Meinen Wunsch nach einer heilen Welt, in der Probleme und Hindernisse gar nicht vorkommen, habe ich ewig im Alk ersäuft, weil ich erlebte, dass mein Leben so nicht funktioniert. Eben das will ich gerade nicht mehr.
    Probleme und Hindernisse sind immer mal wieder da, also habe ich keine heile Welt. Aber ich lebe wesentlich entspannter als noch vor einigen Jahren.
    Weil ich keine Zeit mehr für irrsinige Träume und die damit verbundene Enttäuschung oder irgendwelche Machtspielchen vergeuden will, hab ich genügend Gelegenheiten, um endlich wieder Hobbies zu pflegen und zu genießen. Ich muss mich nicht mehr wegrauschen, um das Elend der großen Welt, die dann doch nicht heil werden will, zu ertragen.
    Ich glaube, Reinhard Mey meinte mal sinngemäß, je kaputter die Welt draußen wäre, umso heiler müsse sie innendrin sein. So sehe ich das inzwischen auch.

    Gruß Penta

  • Hallo Hartmut,

    ganz am Anfang habe ich habe vor allem eines gehofft, dass das dumpfe Gefühl, das abgeschnitten sein und die Aussichtslosigkeit ein Ende hat. Der Kreislauf aus Beschaffen, Betäuben und Betrug zu durchbrechen ist.

    Im Laufe der Zeit kamen die Erwartungen wieder hoch, das "alte, gewohnte" Muster. Da galt es anzusetzen. Ich kann mir meine Welt in gewissen Teile schon heile(r) machen, als zu saufenden Zeiten. Stückweise wird sie das sogar von alleine, denn mit einem nüchternen Verstand, mache ich selbst schon nicht mehr soviel kaputt. Handele besonnener & durchdachter, empatischer.

    Trotzdem findet Leben halt statt mit all seinen Dingen, die tagtäglich passieren. Und da ist nicht immer alles schön und läuft so, wie ich mir das wünsche oder erwarte.

    Trocken habe ich jedoch ein gute Grundlage, womit ich mit den "Widrigkeiten" umgehen kann.

    Maria

  • Hallo Hartmut,

    Zitat

    Des öfteren habe ich das Gefühl das Erwartungen an die heile Welt ein Bestandteil des Trocken werdens ist

    Erwartungen ? An welche heile Welt ? Die Welt schert sich einen Dreck darum ob ich trocken bin. Einzelne Personen freuen sich mit mir. Das ist mir heile Welt genug.

    Zitat

    Deswegen würde mich mal interessieren was der Einzelne eigentlich von seiner Trockenheit erwartet oder erwartet hatte

    Mein Tag bestand seit Jahren aus arbeiten, saufen und schlafen. In zurechnungsfähigen Zeiten wusste ich das das Leben mal anders verlief. Das wollte ich zurück. Heute besteht mein Tag aus arbeiten , schlafen und ganz vielen gut tuenden Freizeitaktivitäten. Ich nehme wieder am aktiven Leben in der nicht heilen Welt teil. Durch meine Trockenheit kann ich heute zumindest meine kleine Welt wieder so gestalten das es oft gemütlich wird. Wenn ich heute auf die schönen Dinge schaue, die ich wieder mit meiner Frau erleben darf fühle ich mich sehr wohl in unserer/meiner heilen Welt. Einer der wichtigsten Hilfen war dein einfacher und genialer Satz: "Tun muss man Tun". Wie war.

    Gruß Nobby

  • Hallo zusammen,

    bei mir war es, wie von einigen auch berichtet, nur die Erwartung nicht mehr Saufen zu müssen. Mein Tiefpunkt war aber erst erreicht , als ich bereit war , alles dafür zu tun es nicht mehr zu müssen.

    Nun bin ich charakterlich in den Grundzügen der Selbe geblieben, wenn ich die Ausfallerscheinungen der nassen Zeit abrechne. Auch mein Umfeld ist das Selbe geblieben.

    Nun hatte ich nach dem Trocken werden nun selbst in der Hand Entscheidungen zu treffen . Erst danach entstanden Erwartungen an mein jetziges Leben, die ich heute noch umsetze. Nass wurde ja vieles zeitweise ausgesessen und vergeblich versucht es weg zu Saufen.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Nun ja,
    wenn man plötzlich nicht mehr die Moeglichkeit hat, sich sein Leben "schönzusaufen" wirds irgendwie ganz schon nüchtern.

    Die neue viele Freizeit, die Stunden des bisherigen Entspannungstrinkens wollen gefüllt werden.
    Neue Gedanken, neue Ueberlegungen stellen sich ein.
    Die eigene Situation wird einem klarer und man fragt sich: Ist das jetzt mein Traumleben?

    Natürlich ist es das nicht.
    Was einem zur Verfuegung steht, ist das Realleben.

    Und da gilt es, das beste draus zu machen.
    Hierbei hilft ein klarer Kopf ganz ungemein!

    Frank

  • Hallo Frank,

    schöner Text. Sehr schön und treffend formuliert. Danke :)

    Hallo Hartmut,

    ..ich bin ja nun echt noch ein Frischling zwischen vielen "alten Hasen", deshalb halte ich mich mit Komentaren auch oft zurück.
    Allerdings stecke ich ja gerade in der Anfangsphase der Trockenheit und ja, die Erwartungen, nach denen Du fragtest, das kenn ich..

    Nach meiner Kapitulation hatte ich ein paar Tage erst mal meinen Fokus komplett darauf, nicht zu trinken. Je mehr nüchterne Tage ins Land zogen und je mehr sich meine Gedanken aufklarten, desto mehr kannte und kenne ich auch das Gefühl, Erwartungen zu haben, jetzt dafür belohnt zu werden...

    Was natürlich nicht so einfach ist.

    Denn es ist ja wirklich so, dass die Welt sich weiterdreht, egal, ob ich trocken bin oder nicht.

    Ich denke, auch dieser Gedankenprozess gehört wahrscheinlich einfach zum trocken werden dazu.

    ..zu akzeptieren, dass ich selbst meine Erwartungen belohne, in dem ich gewisse Sachen einfach in Angriff nehme. Unabhängig vom Ausgang der Situation.
    Nicht mehr aufzuschieben und wegzutrinken und die Schuld/Verantwortung einfach abzudrücken (an andere Menschen oder "höhere Kräfte"..).

    Dennoch denke ich, dass diese "Erwartungen" einfach ein Teil des Suchtgedächtnisses sind und ich lernen muss, damit umzugehen.
    Denn auch mein "neues", nüchternes Leben beinhaltet Stufen, die erklommen werden müssen. Das geht mit klarem Kopf aber logischerweise besser. :)

    LG Cemend

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!