Hallo,
ich möchte mich hier auch mal vorstellen.
Ich bin 24 und die Tochter einer Alkoholikerin.
Wenn ich hier andere Geschichten lese, finde ich meine nicht annähernd so schlimm, aber dennoch weiß ich aktuell nicht wie ich mit meiner Lage umgehen soll. Meinte Mutter hat etwa 7-10 Jahre getrunken. Als ich 14 war, hat sie aufgehört. Ich habe kaum noch erinnerungen an die Zeit damals - ob das gut oder schlecht ist sei dahingestellt. Die größte Erinnerung daran ist einfach diese Angst um sie und die immer wiederkehrende Enttäuschung. Sie hat mir damals immer wieder versprochen, dass sie aufhört. Aber es jahrelang einfach nicht getan. Klar, das ist die Krankheit. Das weiß ich heute. Damals hat mein Vater versucht es zu erklären. Ob ich das so ganz verstanden habe, bezweifle ich.
Naja, dann war sie fast 11 Jahre lang trocken. Und hat jetzt seit einiger Zeit wieder angefangen.
Ich hatte mit dem Thema eigentlich abgeschlossen, und jetzt holt mich ganz plötzlich alles wieder ein. Ich fühle mich so klein, so hilflos. Vor allem, weil ich eine ihrer Hauptbezugspersonen bin. Wir haben eigentlich eine sehr enge Beziehung. "Eigentlich" deshalb, weil ich gerade irgendwie Abstand suche. Ich weiß, dass es mir leichter fällt mein Leben zu leben, wenn ich keinen Kontakt zu ihr habe. Das funktioniert insofern, dass ich nicht mehr zuhause wohne. Ich habe bis Februar studienbedingt wieder zuhause gewohnt, bin aber seitdem wieder in meinem Studienort.
Naja, dass sie wieder angefangen hat, habe ich im Dezember herausgefunden. Ich hatte es vorher einige Male gerochen aber erst ignoriert. Irgendwann habe ich sie darauf angesprochen aber sie hatte natürlich irgendeine kluge Ausrede parat, die ich natürlich geglaubt habe. Zum einen hatte ich mit der Sache abgeschlossen und zum anderen wollte ich es auch nicht glauben. An einem Tag war sie aber so betrunken, dass man es einfach nicht übersehen konnte. Nach dem üblichen hin und her hat sie es dann zugegeben und war froh, dass es endlich raus war. Angeblich hatte sie zu dem Zeitpunkt wieder 4 Wochen lang getrunken. Sie hat sich bereit erklärt, einen Entzug zu machen. Das ging im örtlichen Krankenhaus - aber erstmal nur eine Woche, weil Weihnachten war. Sie kam zurück und war meiner Meinung nach auch etwa 3 Wochen lang trocken. Naja und seither immer mal ein paar Tage nüchtern (oder eben noch so klar, dass ich sie nicht eindeutig als betrunken einstufen konnte) und dann wieder betrunken.
Wie geht es mir damit?
Ich bin hin- und hergerissen. Es würde mir eindeutig besser gehen, wenn ich sie einfach aus meinem Leben verbannen könnte. So mach ich das mit Exfreunden. Einfach ganz raus, dann tut die Zeit ihr Übriges. Hier ist das aber nicht so einfach. In ganz ganz vielen Momenten merke ich nämlich, dass sie immer noch sie ist. Ist ja nicht so, dass sie schon morgens bumsvoll ist. An vielen Tagen ist sie immer noch die alte. Die Mutter, die ich so furchtbar lieb habe. Und die mich eben auch lieb hat.
Ich würde gerne die gesamte Geschichte aufschreiben, aber da das aufgrund der (sehr sinnvollen) Forenregeln nicht geht, lasse ich das. Jedenfalls rief sie mich gerade wieder an und war meines Erachtes nach total betrunken. Ich möchte nicht sagen, dass ich es verstehe, aber gerade gibt es diverse Jahrestage, die ihr höchstwahrscheinlich einen Grund zum Trinken geben. Ja, ich weiß, sowas gibt es nicht, aber für sie reicht das in diesem Fall aber. Es ist einfach so verdammt schwer mit ihr umzugehen! Ich kann sie nicht 'in Liebe fallen lassen', da sie noch zuhause wohnt und ich ja auch meinen Vater noch besuchen möchte. Ich kann sie nicht fallen lassen, wenn es ihr gerade so schlecht geht. Wenn ich aber merke, dass sie betrunken ist, gehe ich anders mit ihr um. Ich bin dann sehr kalt zu ihr. Manchmal ist sie dann sauer, manchmal versteht sie es angeblich. In klaren Momenten versuche ich dann, es ihr zu erklären. Sie ist dann auch sehr kooperativ aber in eine Klinik will sie trotzdem nicht. Sie hat das in ihrer damaligen Karriere schon gefühlte 100 mal gemacht und das hat ihr auch nicht geholfen. Sie ist wohl einfach therapiemüde.
Naja, ich wollte ja beschreiben wie es MIR damit geht.
Schlecht.
Ich kenne den Begriff Co-Abhängigkeit und ich zeige sicher Symptome davon. Aber je mehr ich mich damit beschäftige, desto weniger gefällt mir das. Ich möchte mich eigentlich auch bei der örtlichen Al-Anon Gruppe anmelden, aber die stelles es immer dar, als sei man selbst so furchtbar krank. Warum? Kann ich nicht einfach eine Tochter sein, die sich um Himmels Willen nochmal Sorgen um ihre Mutter macht? Ich fühle mich zerissen. Diese Wut. Ich möchte sie schütteln und schubsen, damit sie endlich aufwacht. Und diese Trauer. Sie tut mir so furchtbar Leid! Ich weiß ja, dass sie sich selbst so schlecht mit der Sache fühlt. Und dass sie es jeden Tag aufs Neue versucht aber einfach nicht davon los kommt.
Ich war sehr kalt beim Telefonat, weil ich keine Diskussion anfangen wollte. Sie hat viel geweint und ich war sehr still. Hat auch nicht lang gedauert. Sie meinte noch, dass sie sich so doof fühlt, dass sie ihre Tochter vollheult. Ich sagte, dass das nicht schlimm sei. Ich versteh ja ihre Trauer (Jahrestag Todesfall). Aber ich weiß eben auch, dass sie betrunken war und das tut mir einfach so verdammt weh. Seit dem Gespräch kann ich nicht aufhören zu Weinen und das ist das, was sich jetzt seit 2 Wochen gehäuft hat. Sonst konnte ich damit relativ gut umgehen aber seit diesen 2 Wochen trinkt sie vermehrt und ich weine fast nur noch. Obwohl ich in einer anderen Stadt wohne. Obwohl ich sehr sehr viel mit der Uni zu tun habe.
Deshalb möchte ich jetzt was für mich tun, damit das nicht so weiter geht und ich tatsächlich in eine schwere Co-Abhängigkeit rutsche. Im Moment sieht mein 'was tun' so aus, dass ich nur darüber nachdenke, wie ich ihr helfen kann. Klar, sie muss selbst aufhören. Aber kann man solchen Menschen denn gar nicht helfen?
Sicher ein sehr langer Beitrage, aber vielleicht mag der ein oder andere unter euch ja etwas dazu schreiben...