Hey, Ihr könnt Euch ja auch ganz gut ohne mich unterhalten hier.
Ich finde es bemerkenswert, wie tiefgründig und sachlich man sich trotz dieser wahnsinnig emotionalen und unter die Haut gehenden Themen hier im Forum austauschen kann. Ein dickes Lob an alle Schreiber, aber auch an den Forenbetreiber!
Sunshine, vielen Dank, dass Du mich so tief in Deine Erfahrungen blicken lässt. Es ist beeindruckend, wie schonungslos Du Dich selbst beschreiben kannst. Meinen größten Respekt!
Zitat von Sunshine_33
einige meinen ja, das die CO-Abhängigkeit keine Sucht/keine Krankheit ist.
Weil es tatsächlich so schwer zu verstehen ist. Ich habe mal das Froschleben noch etwas weiter gedacht – für mich ist der Frosch im immer wärmer werdenden Tümpel ein Beispiel, mit dem ich die Alkoholiker-Co-Spirale ganz gut nachvollziehen kann. Ich stelle mir das so vor: Schüttet der Partner immer wieder mal viel kaltes Wasser nach, wird man das mit der Zeit jedes Mal als so große Erleichterung empfinden, dass man gar nicht merkt, wie die Grundtemperatur immer weiter steigt. Und irgendwann sehnt man sich bei jedem Temperaturanstieg nur noch danach, dass der Partner kaltes Wasser (= Manipulation!) nachschüttet, man wird süchtig danach, dass der Partner einem immer wieder kleine Hoffnungsschimmer gibt und wird abhängig von diesen Erleichterungszuständen. So ähnlich, wie sich der Alkoholiker Erleichterung durchs Trinken verschafft. So kann ich mir auch gut vorstellen, dass Beziehungen in die Brüche gehen, wenn der Alkoholiker aus dem System aussteigt und trocken wird. Da das Leben dann in ruhigeren Bahnen ohne so immense Temperaturschwankungen verläuft, kann der trockene Alkoholiker seinem Co auch nicht mehr diese großen Erleichterungszustände verschaffen, von denen der Co aber abhängig geworden ist. Hm, in der Therorie ist das alles so einfach zu erklären...
Ahoi hat mir weiter oben noch Fragen gestellt, an denen ich ganz schön zu knabbern habe:
Zitat von Ahoi
Wenn du nach statistischen Werten gehst und dein Freund vermutlich nicht in Eigenregie seine Krankheit stoppen wird - ändert das etwas an deinem Bild von eurer Zukunft? Bist du bereit einen Weg mit ihm zu gehen, der zu einem guten Prozentsatz nichts bringen wird? Bist du bereit dich darüber nicht zu belügen?
Würde mir jetzt jemand eine Glaskugel geben, mit der ich in die Zukunft schauen könnte, und ich würde sehen, dass mich meine momentane Situation direkt auf den Abgrund zuführt, ich würde vielleicht doch ganz schnell die Reißleine ziehen. Aber so, ohne die Glaskugel, ertappe ich mich selbst dabei, dass auch bei mir, wie bei so vielen anderen, diese Hoffnung des Cos ins Spiel kommt, die Girasole gerade in ihrem neuen Faden hinterfragt. Ich merke schon, das ist etwas, an dem ich noch arbeiten muss. Diese Hoffnung ist eigentlich was ganz schön Überhebliches: Sie unterschätzt die Sucht. Ja, vielleicht unterschätze auch ich tatsächlich die Sucht in meiner momentanen Situation. Ich weiß es nicht.
Zitat von Sunshine_33
Ich sehe übrigens bei der ganzen Sache kein Täter-Opfer-Geschichte, sondern nur eine Opfer-Opfer-Geschichte, wenn man mal bei diesem Wort bleiben will.
[...]
Ich möchte das nur noch mal so betonen, denn ich habe hier oftmals da Gefühl, der nasse Alkoholiker wird als böser Täter gesehen
und der CO ist das reinweißeste Opfer-Schäfchen, was ja "nur das Beste" wollte.
Nönö... auch der CO handelt immer im ureigensten Interesse, so meine Meinung dazu.
Ich kann nicht sagen, dass ich uns als Opfer sehe, weder meinen Partner noch mich. Opfer zwar in dem Sinne, dass Schuldzuweisungen nichts bringen. Es bringt nichts, meinem Partner die Schuld dafür zu geben, krank geworden zu sein, auch wenn es natürlich er selbst war, der jahrelang erst leichtsinnig, dann missbräuchlich getrunken hat. Bis irgendwann eben die Abhängigkeit da war. Ich kann schon nachvollziehen, wie und dass er da reingerutscht ist. Als Opfer sehe ich ihn aber deshalb nicht, weil er jetzt, im Hier und Heute, durch das Einleiten der richtigen Schritte die Krankheit zum Stillstand bringen könnte.
Und auch ich sehe mich nicht als Opfer:
Zitat von Ahoi
In diesem Vergleichszusammenhang würde ich zum Beispiel Kalliopis Beziehungsverhalten mit "riskantem Trinkverhalten" gleichsetzen. Noch ist es keine Sucht oder Missbrauch, aber die Grenzen sind fließend ...
Danke Ahoi, dass Du mir hier den Spiegel vorhältst! Ins Auge gesprungen ist mir sofort das „riskante Trinkverhalten“. Ja, ich bin ein Risiko eingegangen mit dieser Beziehung, und nach allem, was ich jetzt schon begriffen habe, lebe ich im Moment mit dem Risiko ganz bewusst weiter. Ich sehe Euch schon die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, nach dem Motto: „Jetzt rennt sie auch noch sehenden Auges ins Verderben.“
Aber lasst mir bitte Zeit. Ich renne gar nicht, ich bin jetzt erstmal stehengeblieben. Im Moment befinde ich mich immer noch in der Phase des Erkennens und Verstehens, des Bewertens und Sortierens. Dann kommt hoffentlich das Verinnerlichen.
Was ich damit sagen will: Ich trete aber jetzt aus der Opferrolle heraus. Ich kann kein armes, in Selbstmittleid zerfließendes Co-Lämmchen mehr sein, wenn ich weiß, dass ich mich bewusst riskant verhalte. Ich kann ja selbst entscheiden: Ich kann bleiben, ich darf aber auch jederzeit gehen. Jede dieser Entscheidungen hat Konsequenzen. Weil es aber meine ureigenen Entscheidungen sind, sind auch die Konsequenzen von mir selbst verursacht. Dann meinem Partner oder der ganzen Welt die Schuld zu geben, funktioniert so nicht. Wichtig ist auch: Nicht jede Entscheidung ist eine Entscheidung für die Ewigkeit. Ich darf zu einem anderen Zeitpunkt die Situation wieder ganz neu und anders bewerten und dann auch wieder ganz neu und anders entscheiden.
So, nochmal für mich selbst zum Mitschreiben: Ich trete aus der Opferrolle heraus. Bitte nagelt mich darauf fest, falls ich doch irgenwann mal im Lämmchen-Modus hier aufkreuzen sollte.
Zitat von Katharsis
Deine Reaktion auf meinen Kommentar hat mich übrigens sehr gefreut. Du hast es nicht als persönlichen Angriff gesehen und so war es auch keinesfalls gemeint.
Manchmal finde ich es einfach nur wichtig, auch auf eine andere Sichtweise aufmerksam zu machen, von der ich vermute, dass sie Nicht-Betroffenen gar nicht in den Sinn kommen kann, weil sie in einem anderen Paar Stiefel stecken.
Katha, genauso habe ich das auch verstanden. Alles gut!
Zitat von Sunshine_33
... sowas ist für mich immer wie ein "weggeworfenes Leben". Wir alle haben eins geschenkt bekommen,
und ich finde, da sollte man auch das Schönste draus für sich selbt machen.
Sunshine, das ist so ein schöner Gedanke! Der kommt in meinen „Co-Notfallkoffer“ ganz vorne hin. Ich habe mir ein kleines Büchlein angeschafft, in dem ich die für mich wichtigsten Leitsätze hier aus meinem Faden zusammenfassen will. Einen kleinen Frosch zeichne ich auch hinein, und einen Löwen an der Wasserstelle. Dieses Büchlein kann ich immer dann ganz schnell zur Hand nehmen, wenn ich das Gefühl habe, ich müsste meine Gedanken wieder sortieren und zurechtrücken.
So, danke Euch fürs Lesen! Habt heute einen schönen Tag!
LG Kalliopi