Hallo zusammen, ich brauche euren Rat!
Ich habe ein paar Bücher über Alkoholismus gelesen und war auch eine Zeit lang in Therapie bei einem Therapeuten der sich mit Sucht ganz gut auskennt. Meine Erkenntnis dadurch war, dass ich "liebevolle Konsequenz" üben sollte.
Dadurch kam ich auf die Idee, eine Art Beziehungs-Vertrag aufzusetzen. Darin ist festgehalten, wie viel und oft mein Partner in meiner Nähe trinken darf. Wenn diese Werte überschritten werden, ist dies sozusagen ein Regelverstoß und nach einer gewissen Anzahl muss er sich entscheiden, ob er sich trennen will oder Hilfe in Anspruch nimmt.
Er sagt schon lange, dass er das allein schaffen will. Ich sah aber kaum eine Änderung seines Trinkverhaltens. Lediglich ein bisschen weniger ist es geworden.... nicht genug für mich. Im Winter meinte er, dass ab nächsten Jahr alles anders wird. Ist es nicht geworden... Deshalb dieser Vertrag von mir als letzte Chance.
Tja, jetzt kann er nur noch ein einziges Mal neben mir betrunken sein, dann ist es soweit.
Mein Problem ist jetzt, dass ich schreckliche Angst vor seiner Entscheidung habe. Angst, dass ich, um konsequent zu sein, meine eigene Gesundheit aufs Spiel setze.
Klar belastet mich seine Trinkerei ungemein. Ich kann seine Alkoholfahne nicht mehr riechen. Ich kann ihn nicht mehr ansehen wenn er betrunken ist und nicht mehr hören wie er dann lallt.
Allerdings geht es mir bei ihm auch zum ersten Mal in meinem Leben - abgesehen von seiner Sucht, richtig gut. Ich hatte viele schwere Depressionen in meinem Leben. Das bedeutet, dass ich beruflich immer wieder von vorne anfangen musste, da ich sehr lange Krankenstände hatte. Ich war immer komplett überfordert in der Arbeitswelt, habe auch immer schwerer überhaupt Arbeit gefunden. Das Arbeitsamt hatte zuletzt starken Druck gemacht und mein Partner hat mich aus der Situation rausgeholt.
Ich bin jetzt selbstversichert und brauche mittlerweile nicht mal mehr Medikamente, so stabil bin ich geworden.
Würde ich ihn verlassen, wäre ich wieder von starker Armut, Verzweiflung und Zukunftsängsten betroffen. Im Grunde bin ich wohl ein Fall für die Frührente, in den letzten Jahren hatte ich auch eine posttraumatische Belastungsstörung wegen meiner vorigen Beziehung mit einem richtigen Psychopathen... meine Kindheit war auch nicht viel besser...
Als wir zusammengekommen sind, hab ich auch viel getrunken, weil ich die traumatischen Erlebnisse aus der vorigen Beziehung verarbeiten musste. Ich war lange in Therapie. Trotzdem war ich - denke ich, keine Alkoholikerin...es war nur eine Phase. Er sagte damals auch, dass es bei ihm nur eine Phase ist...nur wegen dies und wegen das...es dauerte eine Weile bis ich verstanden habe, dass er ein richtiges Problem mit dem Trinken hat. (oder besser gesagt, damit aufzuhören)
Tja, ich weiß nicht was das Richtige ist... ist es richtig zu gehen? Oder habe ich die Kraft gar nicht dafür? Und wenn ich jetzt nicht gehe... wird dann alles noch schlimmer, weil er mich nicht mehr ernst nimmt?
Ich wollte mich schon öfter von ihm trennen, aber er hat es immer wieder geschafft, das ich bleibe. Ich hatte die Hoffnung, dass er sich mit diesem Vertrag endlich entscheidet, sich Hilfe zu holen. Doch jetzt habe ich richtig Angst, wie er sich entscheiden wird...
Vor kurzem hat er angefangen heimlich zu trinken. Natürlich merke ich es trotzdem...man riecht und sieht es... er wollte den Vertrag selbst schon abändern oder für ungültig erklären (aber ich bin hart geblieben), wohl weil er gemerkt hat, dass er es nicht schafft...deshalb jetzt auch das heimliche Trinken. In letzter Zeit ist er auch aggressiv (nicht körperlich oder so, aber er geht in einen anderen Raum und schreit herum oder sagt zb, dass er am liebsten etwas kaputt machen würde).
In unserem Haus wird generell viel getrunken. Wir wohnen mit einem anderen Paar zusammen. Ich frage mich, ob es da überhaupt möglich ist, je trocken zu sein. Im Haus gibt es immer Alkohol. Die meisten würden wohl nicht darauf verzichten, schon gar nicht der andere Alkoholiker.
Wenn er nüchtern ist, ist er mir der liebste Mensch auf Erden. Ich liebe ihn schon viel länger, als wir überhaupt zusammen sind. Eigentlich will ich ihn nicht verlassen... aber es ist wohl nicht gut, jetzt einen Rückzieher zu machen, oder?
lg, up and down