Bevor ich aufgehört habe mit Trinken, dachte ich, ich kann ohne Alkohol nicht leben. Aber der Hauptgrund, warum mein Leben inzwischen so "unlebbar" für mich war, war der Alkohol. Dass sich da der Hund in den Schwanz beißt, erkannte mein weinumnebeltes Hirn nicht. Das konnte ich erst erkennen, als ich bereits einige Zeit trocken war.
Das bedeutet, das Trockenwerden hat ganz viel mit Vertrauen zu tun, und Mut. Vielleicht wie das Aussteigen aus einem fliegenden Flugzeug. Ich weiß, dass ich einen Fallschirm auf den Rücken geschnallt habe, aber alles in mir wehrt sich gegen diesen einen Schritt ins Leere. Angst entsteht, Panik. Der normale, gesunde menschliche Instinkt sagt mir: Du kannst nicht fliegen. Und genauso normal und "gesund" fühlte es sich an, wenn mein Hirn mir sagte, Du kannst nicht ohne Alkohol leben. Angst entsteht, Panik.
Vertrauen und Mut.
Ich bin den Schritt ins Leere vor etwa 20 Monaten gegangen. Inzwischen habe ich festgestellt, dass das Flugzeug gar nicht flog. Ich war die ganze Zeit auf sicherem Boden, nur konnte das mein weinumnebeltes Hirn nicht mehr erkennen.
So gehe ich auch heute mit Gedanken ans Trinken um, wenn sie denn mal kommen. Ich weiß, ich bin auf sicherem Boden, und ich habe akzeptiert, dass mein Hirn mir immer mal wieder zwischendurch etwas anderes weiszumachen versuchen wird. Das Suchtgedächtnis wird mir bleiben. Indem ich das akzeptiere, gebe ich ihm keine Macht mehr über mich.
Ich merke, dass ich mit jedem Tag, jeder Woche, dem Monat, jedem Jahr ohne Alkohol klare werde in mir, neue Möglichkeiten habe, mich selbst kennenzulernen und mein Leben aktiv zu gestalten. Das ist wohl das größte Geschenk, das ich mir in meinem Leben bisher gemacht habe.
Vor einem Jahr bin ich auf dieses Forum gestoßen, das für mich seither eine ganz reale Selbsthilfegruppe geworden ist. Hier lerne ich - wenn ich will - jeden Tag etwas über mich und über meine Sucht. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich viel in meinem Inneren verändert, und dadurch konnte ich auch viel in meinem äußeren Leben verändern, so dass beides jetzt besser zueinander passt.
Ich bin schon gespannt, wie das Leben für mich in den nächsten zwölf Monaten weitergeht. Und freue mich sehr darüber, dass ich das aktiv mitgestalten kann.
Thalia
(hauptsächlich im erweiterten Bereich aktiv)