Hallo Tuiri,
frohe Weihnachten dir!
Eine von drei Weihnachtsfeiern hast du ja nun schon abstinent überstanden - sehr gut und weiter so!
ZitatTrockenheit - das würde endlich "Ruhe" vor dem ewigen hin und her bedeuten. Auf der anderen Seite habe ich Angst davor gesellschaftlich etwas zu verpassen.
Alles, was du gesellschaftlich erleben oder erreichen willst, kannst du auch ohne Alkohol tun. Es kann sogar passieren, dass du feststellst, dass das viel leichter geht als gedacht, und vor allem viel leichter ohne Alkohol als mit.
Als ich aufhörte zu trinken, das war vor sechs Jahren, habe ich ganz ähnlich gedacht, und ich hatte auch Bedenken, ob das überhaupt geht - in einer alkoholisierten Gesellschaft ohne Alkohol zu leben. Aber es geht - die Schere ist bloß in deinem Kopf.
ZitatEs ist zwar keine körperliche Abhängigkeit, aber doch ein definitives Problem mit Alkohol, welches ich habe.
ZitatIch meine, es ist doch sicher ein Unterschied ob die körperliche Abhängigkeit noch dazu kommt oder nicht.
Wie wir es nennen, ist doch egal. Es gibt keine bessere oder richtigere Abhängigkeit. Und die Unterscheidung zwischen "bisher nur psychisch" und "ab jetzt definitiv körperlich" ist auch so eine zweifelhafte Sache... mittlerweile halte ich davon nict mehr so viel.
Was es gibt, sind Abstufungen auf der Spirale nach unten, die mit dem Suchtstoff unweigerlich in Gang kommt. Für mich war damals die Erkenntnis wichtig, dass es eine unmerkliche Grenze gibt, ab der es halt Abhängigkeit ist. Die merkst du nicht, und sie macht sich auch nicht an deinen Leberwerten fest. Trotzdem ist sie auch eine körperliche Grenze, denn mit jedem Konsum eines Suchstoffs wie Alkohol veränderst du deine Rezeptoren in Gehirn. Dopaminausschüttung ohne Alk geht dann zwar noch, aber mit der Zeit immer mühsamer und immer schwerfälliger. Die Rezeptoren wollen ihren Alkohol, und die Bahnen in Hirn werden langsam aber sicher zu Autobahnen - aus bloßer Gewöhnung wird Sucht, und die Übergänge sind fließend.
Mir war es egal, wo genau auf dieser Zeitachse ich mich damals befand. Ich wollte nicht noch tiefer sinken, und wie tief dieses tief nun ist, das ist immer auch relativ und hängt von vielen weiteren Faktoren ab.
Es bringt doch nichts, sich zu vergleichen. Du bist du, und deine eigene Geschichte kannst nur du selber schreiben.
Noch nicht körperlich abhängig zu sein bzw. sich so zu fühlen, das kann auch ein fieses Hintertürchen der Sucht sein.
Immer, wenn ich von einer ärztlichen Untersuchung kam und gezittert hatte, ob hoffentlich meine Leberwerte okay sind, damit niemand sieht, dass ich trinke, war ich wieder unendlich erleichtert und nahm das als Anlass, nur um so hemmungsloser zu trinken, denn ich konnte mir ja einreden, dass ich keinesfalls abhängig war, jedenfalls nicht körperlich. Nur genutzt hat es mir nix.
Man kann sich auch durch konstanten schöngeredeten Konsum seine eigene Sucht herbeisaufen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Zitatbemühe ich mich ohne Alkohol durch den Tag (und natürlich auch durch die Nacht) zu kommen
Das Bemühen merkt man dir auch an.
Es ist einerseits ja gut, sich Mühe zu geben - es quasi richtig machen zu wollen.
Andererseits ist da aber noch die zeitliche Nähe zum Alkohol rauszulesen - du kämpfst gegen die Gewohnheit und/oder die Sucht an (such´s dir aus), du musst dich dafür anstrengen, eben "bemühen".
Trockenheit ist aber etwas anderes. Trockenheit geht leicht, sie hat mit Zufriedenheit zu tun, und du brauchst dafür nicht zu kämpfen, weil du nämlich auf nichts verzichtest.
Dafür gilt es aber, deine Haltung zum Alkohol zu verändern.
Wieso stellt Alkohol für dich offenbar noch eine Option da?
Was macht das Leben mit Alkohol attraktiver als das Leben ganz (!) ohne?
Hast du eine positive Vision von dir, wie du mittel- und langfristig trocken klarkommen willst? Wie sieht die aus, und was müsste sich dafür alles verändern, damit sie Realität wird?
ZitatNimmt diese Versuchung Alkohol zu trinken eigentlich ab, je länger man abstinent lebt?
Bei den meisten ist das so. Bei mir war es auch so. Jetzt nach 6 Jahren ist Alkohol kaum noch ein Thema, außer hier im Forum beim Gedankenaustausch, der mir wichtig ist, oder wenn ich neue Leute kennenlerne - auch da fällt das sogenannte Outing immer leichter.
Das setzt aber eine intensive Beschäftigung mit dem eigenen trockenen Leben voraus, es passiert nämlich nicht automatisch und nicht von selber.
Die gute Nachricht: du kannst ganz viel selber dafür tun. Das bringt dir die Kontrolle über dein Leben wieder zurück - überlass sie nicht einem abhängig machenden Suchtmittel.
ZitatGibt es einen Weg zurück zur Normalität aus einer, sagen wir mal, "leichten Abhängigkeit"?
Die Vergangenheit kannst du nicht ändern, die gehört zu dir. Aber wie du deine Zukunft gestaltest, dafür kannst du ganz viel tun. Und du brauchst damit noch nicht mal bis zum neuen Jahr zu warten, sondern kannst heute bereits loslegen.
Und falls du über die Feiertage Suchtdruck haben solltest: hier ist ab 14 Uhr der Chat geöffnet, da findest du jederzeit einen Ansprechpartner. Natürlich auch ohne Suchtdruck.
LG viola