Hallo,
ich heiße Jonas und bin 29 Jahre alt. Es ist für mich das erste Mal, dass ich offen über mein Alkoholproblem sprechen möchte. Es fällt mir zwar auch hier nicht leicht, aber ich denke es ist an der Zeit, dringend mein Leben zu ändern.
Ich trinke nun seit gut 10 Jahren beinahe täglich. Es wird wohl immer nach dem Grund gefragt, wie es dazu kam. Der ist bei mir leicht zu erklären. In meiner Jugend habe ich nur sehr selten mal was getrunken. Mit 15 fing ich an zu kiffen. Mit 17 versuchte ich das erste Mal Speed. Insgesamt 4 bis 5 mal, danach machte sich mein Körper bemerkbar, indem ich mich rund um die Uhr unwohl fühlte und Panikattacken bekam. Das war mir damals alles nicht bewusst, ich merkte nur, irgendwas stimmt nicht. Man geht dann mal zum Arzt, lässt sich durchchecken und bekommt die Aussage, man sei kerngesund. Ich brach die Schule ab, weil ich innerlich durchdrehte, konnte nachts nicht mehr schlafen und wusste nicht, was ich dagegen tun sollte. Meine Mutter konnte mit meinem Problemen nicht viel anfangen, sie wusste keinen Rat und ich bekam oft zu hören, ich seie nur faul und solle mich nicht anstellen. Nachdem ich gute 3 Monate fast nur noch daheim verbracht habe, ging ich eines abends widerwillig mit auf eine Party von nem Freund. Dort trank ich dann etwas Alkohol und aufeinmal fühlte ich mich wieder wie ein normaler Mensch. Meine merkwürdige Sichtweise auf die Welt, die ich zuvor permanent hatte, war wie weggeblasen, ich war aufeinmal wieder fröhlich, redseelig und habe nach langer Zeit endlich mal wunderschön durchschlafen können... Das ist für mich aus heutiger Sicht das Schlüsselerlebnis.
Ich habe mich dann zwei Jahre gequält, die abendliche Einschlaf-Tortur 3 bis 4 Mal pro Woche mitgemacht, bis ich mit 19 Jahren entschieden habe, jetzt hole ich mir einfach jeden abend was zum Trinken und alles ist in Ordnung. Ich habe mir nie versucht was einzureden, wusste damals schon, dass es mich auf Dauer nicht glücklich machen kann, aber mich bewusst dazu entschieden. So ging es dann los, dass ich jeden abend meine 4, 5 Flaschen Bier trank, dabei meist laut Musik hörte, Freunde anrief zum Quatschen, um danach zufrieden ins Bett zu fallen.
Mein Körper baute dann mit der Zeit die berühmte Toleranz auf und so stieg ich mit 21 Jahren von Bier auf Weißwein um. Dazu gab es noch eine Schachtel Boonekamp jeden abend. Ich war voll im Rhythmus, fühlte mich pudelwohl und habe dann auch meine erste richtige Freundin kennengelernt. Da wir uns nicht regelmäßig sehen konnten, haben wir jeden abend telefoniert und immer schöne Gespräche geführt. Und wenn wir uns sahen, konnte ich das Trinken gekonnt in den Hintergrund rücken. Reden wurde erst zum Problem, wenn ich mehr trank, als ich gewohnt war, was bis dato selten vorkam.
Erst mit ca. 25 änderte ich meine Trinkgewohnheiten. Es blieb zwar immer dabei nur abends zu trinken, aber ich bekam regelmäßig Sodbrennen vom Wein und Bedenken, mir ständig diese billige Boonekamp Plörre reinzuschütten. Also stieg ich um auf Sekt. Zuerst eine Flasche Sekt + 2 Bier. Wenig später zwei Flaschen Sekt, immer mit dem Gedanken maximal die Hälfte der zweiten Flasche zu trinken. Als ich merkte, dass mir das nicht reichte, fing ich wieder an zu kiffen. Ich tat dies ganz bewusst um die Wirkung zu steigern, aber nicht mehr trinken zu müssen als ich wollte. Je länger ich dies tat, desto erschöpfter fühlte ich mich am nächsten Tag. Aber im Großen und Ganzen war ich gefühlt immer stets auf Augenhöhe. Dachte ich...
Mit 27 wurde alles plötzlich anders. Meine Freundin verließ mich, ich fing an immer mehr zu trinken, versuchte meine Gefühle auszuschalten. Die Kater wurden heftiger, meine Gefühlslage immer sentimentaler. Nebenbei machte ich noch meine erste Aubildung zum Bürokaufmann. Lustlos nahm ich den Wisch zur bestandenen Prüfung entgegen. Wie kann man sich über etwas berufliches freuen, wenn das private Leben den Bach runter geht... Dachte ich zuerst. Dann rappelte ich mich wieder auf, weil ich merkte, ich lasse zu stark nach. Fing an Sport zu machen, ging ins Fitnessstudio, spielte abends Fußball mit den Jungs. Dabei natürlich immer die Flasche Sekt am Rand stehen. Das wurde dort eher mit Humor genommen, als dass sich einer wirklich darüber Gedanken gemacht hätte. Ich war schließlich ein angenehmer, freundlicher Zeitgenosse. Da fällt mir gerade ein, Alkohol hat mich nie aggressiv gemacht, ganz im Gegenteil...
Vor kurzem allerdings der erste heftige Dämpfer, der mich nun zu dem Gedanken führte, ich muss was ändern. Ich war - wie die letzten Jahre fast üblich - mal wieder an einem Wochenende irgendwo eingeladen. Ich trinke, ich quatsche und plötzlich werde ich ohnmächtig und bin weg. Wache dann im Krankenhaus auf und bekomme gesagt, dass mein Blutdruck knapp über 200 gewesen ist und ich diesbezüglich eine Therapie beginnen sollte bzw. muss. Ich habe mich mit sowas nie beschäftigt, aber nun muss ich es tun. Und ich habe Angst. Ich habe Angst mein Leben von heute auf morgen umstellen zu müssen. Auf meinen Körper an sich konnte ich mich immer verlassen, der hat alles weggesteckt, was ich die Jahre falsch gemacht habe.
Aber nun habe ich große Bedenken. Ich habe gefährliche Blutwerte, soll Medikamente nehmen und auf den Alkohol verzichten. Wie soll ich das schaffen? Ich will nicht wieder das durchmachen, was ich früher hatte. Und ich weiß, es wird so kommen. Wenn ich mal einen abend nichts trinke, was ganz selten vorkommt, weil mein Körper mir sagt 'heute definitiv nicht', liege ich fast immer bis morgens schweißgebadet und zitternd im Bett. Das ist für mich weniger Leben, als alles andere.
Falls es jemanden gibt, der sich die Mühe gemacht hat, sich dies alles durchzulesen, sage ich schonmal vielen Dank und freue mich über Anmerkungen, Ratschläge, Kritik und allem was dazu gehört.
Liebe Grüße
Jonas