kamarasow - Man stolpert nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel

  • Hallo,

    wenn ich jetzt schreiben würde, dass es mir gut geht, dann wäre das eine Lüge. Bin viel zu müde und sitze auf Arbeit ohne mich ernsthaft konzentrieren zu können. Der Alltag frustet einen ordentlich. Man funktioniert (Job, Kinder, Haushalt) und die schönen Dinge sind einfach zu wenig. Eigentlich müsste man etwas Wesentliches ändern, aber eine Großfamilie braucht nun mal auch was zu beißen. Abgesehen davon kann man sich auch nicht einfach ausklinken. Was ich ohnehin schon oft tue. Die Vorstellung dieses Jahr aus finanziellen Gründen wieder nicht in den Urlaub fahren zu können macht alles nicht unbedingt leichter. Die vergangenen Jahre zog ich aus dem Urlaub viel Energie für das restliche Jahr.
    Die Gedanken an Alkohol sind in solchen trüben Tagen dann doch präsent. Der Griff zur Flasche bringt nichts. Macht nichts besser. Man will sich nur ausmachen und die negativen Emotionen verdrängen. Das werde ich nicht.
    Ein Nahestehender glaubt übrigens nicht an eine dauerhafte Abstinenz. Er sagte: Spätestens Mai trinkt der wieder. Paff, das saß. Schön wenn man solche Nahestehenden hat. Dann braucht man sich keine Mühe geben, sich selbst runterzuziehen.
    Schön war heute, als mich meine Frau auf Arbeit anrief. Sie stellte ihr Telefon auf laut, da die kleinste Tochter mit ihrer süßen Stimme noch Tschüß sagen wollte. Als ich heute morgen schon aus dem Haus war, schlief die Kleine noch und hatte somit gar keine Möglichkeit.

    Nuja, weitermachen. Probleme erkennen und lösen.

    Viele Grüße

  • Hallo!

    Zitat

    Schön war heute, als mich meine Frau auf Arbeit anrief. Sie stellte ihr Telefon auf laut, da die kleinste Tochter mit ihrer süßen Stimme noch Tschüß sagen wollte. Als ich heute morgen schon aus dem Haus war, schlief die Kleine noch und hatte somit gar keine Möglichkeit.

    Aus diesen kleinen Momenten versuch ich mir Energie rauszuziehen.
    ich muss mich immer wieder anstupsen, sie wahrzunehmen. Als kleine schöne Momente. Manchmal lauf ich auch nur mit Scheuklappen durch die Gegend, das macht Frust. Aber wenn ich darauf achte, fällt mir einiges auf. Ein nettes kurzes Gespräch im Supermarkt, das Lob eines Kollegen......

    Muss Euer Urlaub wirklich ganz ausfallen?
    Wir finden das Preis-Leistungs-Angebot bei den meisten Urlaubsmöglichkeiten unglaublich schlecht. Mehrere 1000 Euro für zwei Wochen - das ist es uns nicht (mehr) wert. Wir sind da aber kreativ geworden. Wir haben mal andere Länder besucht. Man muss ja nicht nach Spanien oder Italien, nur weil da "alle" hinfahren. Und manches haben wir echt schon fürn Appel und n Ei bekommen. Wir haben da sozusagen den Reiz der Einfachkeit entdeckt:-)

    Den Kommentar Deines Bekannten würd ich nicht so ernst nehmen. Ich hab so was in der Art auch gehört. Ich hab mich gefragt, ob derjenige vielleicht selbst zu viel trinkt und sich selbst nicht zutraut, es lassen zu können. Und mancher hat von der Krankheit auch keine Ahnung und hält es für übertrieben, dass jemand gar nix mehr trinken will.

    Viele Grüße
    Calida

  • Zitat von kamarasow


    Ein Nahestehender glaubt übrigens nicht an eine dauerhafte Abstinenz. Er sagte: Spätestens Mai trinkt der wieder. Paff, das saß. Schön wenn man solche Nahestehenden hat.

    Hallo!

    Wenn der Satz mir gegolten hätte, würde ich ihn als Motivationshilfe ansehen, es dem Herrn einfach mal zu zeigen und ihm das Gegenteil zu beweisen. Nicht für ihn, sondern für dich selbst.

    Gruß Carl Friedrich

  • Zitat von kamarasow


    Ein Nahestehender glaubt übrigens nicht an eine dauerhafte Abstinenz. Er sagte: Spätestens Mai trinkt der wieder. Paff, das saß. Schön wenn man solche Nahestehenden hat. Dann braucht man sich keine Mühe geben, sich selbst runterzuziehen.

    Hey kamarasow :)

    Haben wir ungefähr zur selben Zeit aufgehört zu trinken?
    Ich Mitte Oktober...

    Solche Sätze wie oben zitiert hörst Du aber nicht zum erstenmal von Deinem Nahestehendem oder?
    In dem Stil mein ich.
    Über so etwas hab ich früher Jahre lang gegrübelt und war seelisch verletzt.

    Mittlerweile gibt es von mir auf Sprüche dieser Art meist eine Antwort auf gleichem Niveau. Noch zwei drei Gedanken und einen kleinen verbalen Austausch mit Nichtinvolvierten und dann wars das.

    Künftig möcht ich das gar nicht mehr so wahrnehmen.

    Ich würde es auf keinen Fall als Motivation sehen. Denn ich hör ja für mich auf zu Trinken.Und wie Du es schreibst, ist die Aussage von Deinem Nahestehenden sehr destruktiv.

    Was meinst Du warum er diesen Satz gesagt hat.

    -um seinen eigenen Konsum zu rechtfertigen?
    -um Dich zu motivieren?
    -um Dich scheitern zu sehen?
    -um Dich zu necken?
    -aus Unbedachtheit?
    -um Dich zu ärgern?

    ....

    Hast Du mal nachgefragt?

    Liebe Grüße
    Martina

  • Guten Morgääähn,

    heute geht es mir wieder besser. Gestern wurde nach Arbeit bewusst nur das gemacht, was einem gut tut.

    @Cailda: Ja, diese kleinen schönen Momente tragen mich auch. Heute früh war die Kleine schon wach und wir konnten uns drücken. Das war schön und gibt Kraft für den Tag.
    Zum Urlaub: Wahrscheinlich müssen wir wirklich etwas mehr Kreativität an den Tag legen. Wir werden wohl Zelten fahren.

    @Carl: Das war auch mein spontaner Gedanke. Man war kurz verletzt. Weil er einschätzt, dass man es nicht schaffen würde. Aber daraus kam dann ein Motivationsgedanke. "Ha! Du wirst schon sehen."

    Martina: Ja, bei mir isses auch Mitte Oktober. Zum Nahestehenden: Naja, das passt schon. Wir geben uns gegenseitig stichelnd Sprüche. Er findet meine Entscheidung gut. Ihn kann ich auch Nachts um 3 anrufen und er würde in 10 Minuten auf der Matte stehen, wenn was passiert wäre. Was seine Beweggründe für den Spruch waren? Hm, schwer. Es wird eine Mischung aus mehreren Punkten deiner Auflistung sein. Unwahrscheinlich ist Anstrich 3.

    Viele Grüße
    Kamarasow

  • Guten Morgen Forum,
    schon wieder 5 Tage rum. Wenn man das mit dem Anfang der Abstinenz vergleicht, als man noch die Stunden zählte und sich suchtgeplagt durch die Minuten quälte. Es hat sich schon ganz schön verändert. Die Gedanken an Alkohol sind noch da, aber viel geringer und in viel größeren Abständen.

    Gestern fragte ich meine Frau, ob ich mich im Vergleich zur Alk-Zeit verändert hätte. Ihre augenzwinkernde Anwort: Ja. Betrunken würde ich weniger meckern und wäre handzahmer. Nun müsse sie mich wieder mit all meinen Facetten erleben. :lol: . Sie findets aber gut. Weil die positiven Momente auch positiver sind. Mit ner gleichgültigen Mumie zu reden schien augenscheinlich inhaltlich nicht sehr konstruktiv zu sein.

    Euch einen schönen Wochenstart.

    Viele Grüße.

  • Und wenn Du klar bist, zeigst Du Ecken und Kanten. Nasse Menschen sind unter Umständen bequemer, aber vielleicht auch langweiliger. Ein Halm, der sich in alle Richtungen biegen lässt ist doch nicht wirklich interessant.
    LG Calida

  • Guten Morgen,
    mit etwas Abstand denke ich, dass der Alkohol mich etwas depressiv gemacht hat. Das wird mir erst jetzt deutlich. Abstinent befreit man sich so langsam von den tauben, in Schüben kommenden, negativen Gefühlen. Das fühlt sich gut an, da nun die Schübe nicht mehr so präsent sind. Früher dachte man, die Gedanken und Umstände waren die Ursache für den schlechten Gemütszustand. Aber jetzt stellt sich heraus, dass das war falsch. Denn die Probleme haben sich nicht geändert, nur die Sichtweise darauf. Man bekommt nun auch Endorphin-Schübe mitten am Tag, z.B. einfach weil die Sonne scheint. Oder man erfreut sich an einer kleinen Meise im Garten. Früher war das tagsüber eher negativ behaftet.

    Etwas weiteres ist mir gestern bewusst geworden: Früher trank man bis zur Bettschwere und schlief sofort ein. Jetzt aber spricht man mit der Frau vorm Einschlafen im Bett noch öfters über den erlebten Tag. Das gleicht mich aus und sortiert die Gedanken. Macht Probleme weniger zum Problem. Man sieht Lösungen und empfindet Hoffnung, wo man früher nur eine negative Endlosschleife sah. Man schläft auch wieder zufrieden ein und man hat einen erholsamen Schlaf.
    Nunja. Manchmal fragt man sich schon, wie dumm man war.

    Viele Grüße

  • Hallo Kamarasow!

    Schön, dass Du das so erlebst. Ich kann nüchtern auch viel achtsamer sein und das wahrnehmen, was gerade ist.

    Mir fällt auf, dass Du oft "man" schreibst. Und nicht "ich".
    Das wirkt so, als wärest Du von Dir selbst distanziert.
    Hat das einen Grund?
    Vielleicht könntest du mit "ich" Dir selbst noch ein bisschen näher kommen.

    Viele Grüße
    Calida

  • Hallo Calida,
    mir das beim Querlesen auch aufgefallen. Hm, mir gefallen diese "ich, ich, ich" Sätze nicht. Daher klingt es für mich komisch, wenn ich (narf, schonwieder) ständig "ich" schreiben würde. Klar, es geht um die eigene Krankheit und das eigene Erlebte, aber irgendwie stellen sich da bei mir die Nackenhaare auf. Das ist der Grund des "man". Aber nuja, Ausdruck war noch nie so mein Ding. Vermutlich könnte man es besser ausformulieren.

    Viele Grüße

  • Das ist keine Kritik an der Art, wie Du schreibst.
    Aber ob ich "man" oder "ich" verwende, sagt häufig was über mich aus.
    Ich will "ich" auch nicht schreiben, um besonders egozentrisch zu sein. Oft gehts mir auch gerade darum, ich zu schreiben, weil etwas "mich" ausmacht. Oder weil ich mich bewusst von "man" abgrenze. wobei ich mich frage, ob es "man" eigentlich gibt. Weiß nicht, ob es so viel allgemeingültiges gibt.
    Du sollst gar nix, Du kannst gerne weiter "man" schreiben, denn Du hast ja nicht meine, sondern deine Gründe dafür. Manchmal kann sichs aber lohen, mal hinzuschauen und zu fragen, warum mach ich/ macht man das so und nicht anders?

    Viele Grüße
    Calida

  • Hallo Forum,
    ok, schreiben was man denkt. Heute bin ich böse drauf. Schau ich in die Threads von anderen Leuten, dann denke ich ab und an: Was für ein zusammenhangloses Geschwafel. Oder: Wieder ein älterer Mensch, der andere versucht mit seinen Lebensweisheiten zuzumüllen. Weiter denke ich: Die aufrichtigen Menschen muss man schon suchen, aber man findet sie. Einige andere verklären ihre Lebensgeschichte derart, dass es schon einem Märchenbuch gleich kommt. Massig Neuanmeldungen, aber nur die wenigsten schreiben dauerhaft. Hat mal einer den Abbruch-Prozentsatz ermittelt? Mich würde außerdem auch interessieren, ob man sich in einer realen SHG auch mal die Meinung geigt oder aus Nettiquette nur von rosa Pferdchen berichtet wird. Hier online habe ich das Gefühl, dass das größtenteils eher oberflächlich bis verschwurbelt ist.

    Nach dem negativen, auch ein ein wenig positives: An anderen Tagen bin ich völlig ergriffen von den Lebensgeschichten und denke, puh, ist das hart. Oft erkennt man sich auch in dem Gelesenen wieder und man fühlt sich nicht mehr allein mit seiner Krankheit. Das hilft.

    17 Wochen sind es nun. 1/3 Jahr. Hm. Für diejenigen, die gerade erst anfangen abstinent zu sein: Ja, der Suchtdruck wird weniger. Auch der Gedanke, dass man sein ganzes Leben keinen Alkohol mehr trinken will, relativiert sich in ein Schulterzucken. Die Gedanken an das Nervengift rücken einfach in den Hintergrund und werden mit anderen Sachen aufgefüllt. Man verändert sich. Man holt viele innere stillgelegte Gedankengänge nach und findet auf einmal Lösungen, die im nassen Zustand nicht für möglich gehalten wurden. Logik, die im nassen Zustand bestand, ist abstinent unlogisch. Die ganze Krankheit ist unlogisch und hinterfotzig. Man entschied früher Dinge anhand von "gibts da Alkohol?". Nach außen hin wollte man mal einen guten Freund besuchen, aber eigentlich nur trinken. Man verliert Freunde und Bekanntschaften, weil das verbindende Element die gemeinsame Sauferei war. Darauf sollte man vorbereitet sein, da man die Menschen im Inneren dennoch mochte und lieb gewonnen hatte. Scheiden tut weh. Man machte Sport, weils danach was zu trinken gab. Man ging einkaufen, nur um Alkohol zu kaufen. Damit es nicht so blöd aussah, legte man noch 2-3 "nützliche" Sachen dazu. Jetzt geht man frei einkaufen, ohne Zwänge. Jetzt sieht man die armen, von der Droge gezwungenen Menschen, die mit schlechtem Gewissen vor dir in der Schlange stehen und die Flaschen aufs Förderband legen. Arme, leidgeplagte Menschen, die vielleicht noch den letzten Cent für die Droge aufgeben. Die vielleicht sogar ihre engsten Freunde belügen, nur um an die Droge zu kommen. In solchen Momenten bin ich auch säuerlich auf die Industrie. Die natürlich schön ihre Suchtprodukte im Kassenbereich aufbaut. Herrlich verkaufsfördernd, mich verstörend, denn ich glaube, dass die Süchtigen geschützt werden müssten. Wobei? Wollen die Süchtigen das wirklich? Macht ein Verbot nicht alles nur viel schlimmer (in der Beschaffung)? Viele haben ein Drecksleben oder harte Schicksalsschläge, welches nur mit Drogen zu ertragen ist. Sollte man die Menschen schützen? Ich weiß nicht.

    Rückblickend betrachtet ist für mich die wichtigste Antriebsfeder der innere gedankliche Prozess. Es war ein Prozess den Alkohol ernsthaft nicht mehr zu wollen und es nicht bloß zu sagen. Ich weiß nicht mehr wie lange der andauerte, aber ein Jahr Sauferei wird es schon gewesen sein. Ich hasste es irgendwann, ständig verkatert zu sein. Ferngesteuert einkaufen zu gehen. Nie Zeit zu haben. Kein Buch mehr Abends lesen zu können. Ich mochte meinen Bauch nicht mehr, wobei meine Kolleginnen immer meinten: Welcher Bauch? Kurzum: Es waren viele kleine Dinge, die den Prozess förderten. Am Ende des Prozesses stand eine Entscheidung. Die daraus bestand, "einfach" nichts mehr zu trinken. Der Rest wird sich entwickeln.

    Eine gestrige Geschichte möchte ich noch erzählen:
    Folgende Situation:
    - Er kommt gestresst, weil auf Arbeit Druck herrscht, ca. 18 Uhr zu Hause an. Vorher musste er noch im Kaufland die Einkaufsliste abarbeiten. Es herrschte Zeitdruck, weil Sie zum Helikopterkinder-Elternabend jetten musste. Heißt: Speed-Abendbrot.
    - Er tritt also im zu engen Flurbereich, vollbepackt mit 3 Einkaufstaschen, auf einen Zipfelbob der Kinder. Skier fallen um. Das Pulsometer stieg. Das Knie machte Bekanntschaft mit einer offenstehenden Flurschranktür. Grummelnd und fluchend wurden die Beutel abgestellt.
    - Er öffnet die Flurtür. Freudestrahlend kommt die Kleinste entgegengerannt und rennt mit Schwung ans noch schmerzende Knie. Sie steht am Herd, der Große und die Große schnippseln Obst, der Kleine hat nen Fieberthermometer im Mund. 38,4°C.
    - Die Kleine schreit: "Papaaa ist daaa. Oh, Einkaufen" (sie liebt es, Einkaufsbeutel auszupacken)
    - Begrüßungen hier und dort. Romantisch ist in solchen Situationen anders.
    - Er hatte noch gar nicht abgelegt, da fragte die Kleine: "Wollen wir Fillipferdchen spielen Papa?". Er: "Nein, Süße, wir müssen noch auspacken und dann gibt es Abendbrot." Die Kleine: "Auja!"
    - Die Kleine packt aus. Legt den Einkauf aber nicht dorthin, wo er hinkommt, sondern einfach nur auf den Boden. Er: "Nein, nicht einfach runterlegen, gib mir den Quark." ... So lief es fast für jedes Einkaufsstück.
    - Sie fauchte derweil den Großen an, weil er irgendetwas beim Obst schneiden nicht richtig machte. Der Kleine bekam auch eine Moralpredigt ab, weil er gestern wohl eine Stunde lang mit nassen Füßen durch die Gegend rannte.
    - Und jetzt kommt der Moment der Momente. Diesen Moment kennt vielleicht jeder Mann, wenn er einen stabsmäßigen Einkaufsauftrag nicht ordnungsgemäß ausgeführt hatte. Kein Danke, kein Schön, dass du... Nein. Es kam das völlig romatische, in Feldwebelmanier gesprochener Sprache:
    - Sie: "Wo sind die Streichhölzer?" (durchdringender Blick) "Du weißt doch, dass ich die Plastedinger Scheiße finde. Es liegt schon genug Plastikmüll im Meer. Ich hasse die."
    (jetzt wird Er doof, aber das Pulsometer platzte gleich. Dafür entschuldigte er sich später)
    - Er (lehrerhaft): "Na überlege mal. Ü-ber-le-ge. Das sagst du doch auch den Kindern immer."
    - Sie: "Was soll ich da überlegen. Ich hatte dir doch gesagt, dass du Streichhölzer mitbringen sollst."
    - Er: "Ü-ber-le-ge."
    - Sie: "Ja, keine Ahnung, aber ich hatte die Streich..."
    Und jetzt machte es baaaaam im spießigen Reihenhaus.
    - Er (laut schreiend, sorry für die Sprache, aber so wars): Ich bin eine Viertelstunde durch dieses riesige Dreckskaufland, um deine Drecksstreichhölzer zu suchen. Ich war in der Kerzenabteilung. Da gabs keine Drecksstreichhölzer. Danach war ich in der Drecks-Gartengrillabteilung. Auch dort gabs keine. Nur Grillanzünder und Holzkohle. Erst nachdem ich an der Kasse die Dame gefragt hatte, wusste ich, wo deine Scheiß Streichhölzer sind. Bei den beschissenen Alupappen, in irgend ner beschissenen anderen Abteilung, dich ich erst hätte suchen müssen.
    - Währenddessen ich so schrie, wurde die Kleine ganz wirsch und fing an zu weinen. Die Gößeren grinsten angesichts der völligen verbalen Entgleisung und auch weil ich es wohl etwas humorvoll (soweit möglich) rüberbrachte. Sie stand irgendwie betröppelt an der Wand und begriff die Situation. Sie hielt die Hände vors Gesichte, entschuldigte sich und war fertig. Aber eigentlich nur vom Stress, nicht von mir. Grinsend schaute Sie dann auf und sagte: "Jetzt haben es wenigstens alle Nachbarn gehört."
    - Der Kleine wusch unbekümmert nach, mit: "Ich finde das Plasteding besser."
    - Für die Belehrungen vor den Kindern entschuldigte Er sich später. Fürs Schreien nicht.

    Der ganz normale Wahnsinn. Danach spielte ich mit den Fillipferdchen (juhu) und wir aßen gemütlich Abendbrot, da sie vernünftigerweise nicht mehr auf den Elternabend ging. Wir waren beide mehr als im roten Bereich.

    Beste Grüße

  • Hallo,

    Herzlichen Glückwunsch zu siebzehn Wochen Abstinenz. Weiter so.

    Nun ja, die rSHG. ich kann nur von meiner berichten. Der ersten und einzigen, die ich regelmäßig besuche. Da geht es sehr gesittet zu. Es gibt diese Gruppe schon viele Jahre und einige sind schon seit vielen Jahren dabei. In dieser, meiner Gruppe geht es meistens entspannt zu. Aber wenn es notwendig wird, dann fallen von einigen harte Worte, von anderen eher zurückhaltende Hilfe.
    So erlebe ich es auch hier. Vertreter der klaren Worte und Vertreter der harten Ansage. Beides gibt es. Beides ist wichtig und richtig.

    Denke bitte daran, dass du hier im offenen Bereich schreibst. Hier geht es eher zurückhaltend zu, wenn die User von sich und ihren Problemen und Nöten schreiben. Man will/soll ja nicht erkennbar sein.
    Im geschlossenen Bereich ist der Austausch klarer, intensiver. Sicherer.
    Dort lasse ich zum Beispiel auch eher meine Nöte und Probleme. Die mit der Sucht, aber auch mal vom gemeinen Alltag.

    Ob hier im offenen jemand seine Geschichte, seinen Weg beschönigt oder gar schwafelt kann und will ich nicht beurteilen. Da hebe ich mich auch nicht drüber. Mir ist es persönlich auch egal, ob sich hier jemand im offenen anmeldet und dann nicht schreibt. Vielleicht hilft denjenigen auch das nur lesen bei seinem Weg. Nicht jeder findet die Worte, um sich schriftlich auszudrücken.

    Ich habe mich gleich zum Anfang in der geschlossenen angemeldet, weil ich ahnte, dass dort der Austausch intensiver sein wird. Und es ist so.
    Und ich schreibe dort drinnen auch mein TB, bin da offen und bekomme Antwort. Auch Ansagen, wenn erkennbar ist, dass ich nasse Gedanken habe.
    Das erfordert meine Offenheit, meine Ehrlichkeit. Von beiden Seiten.

    Dir weiter einen trockenen Weg und Geduld mit dir und deiner Familie.
    Schön, dass du eine hast, die dich unterstützt.

    lalu

  • Hallo lalu14,
    danke dir für deine besonnenen Zeilen. Ich denke du hast Recht. Mit etwas Abstand empfinde ich meine Zeilen viel zu unnötig hart, zu detailliert und verletzend. Du hast auch Recht damit, dass ich hier im öffentlichen Bereich nicht zu viel Offenheit erwarten sollte. Jeder schreibt ja bewusst so, um nicht erkannt zu werden.

    Ich muss darüber nachdenken, ob ich eine reale Gruppe suchen oder in den geschlossenen Bereich des Forums eintreten werde. Im Moment habe ich das Gefühl, dass mir das hier als Austausch nicht ausreicht.

    Viele Grüße

  • Hallo Kamarasow,

    ich kann mich lalu in allen (!) Punkten anschließen.

    Ich finde außerdem gut, dass du dein eigenes Bedürfnis nach intensiveren Austausch wahrnimmst und ernst nimmst.

    Ich bin auch im geschlossenen Bereich und noch zusätzlich in einer RL SHG.

    In meiner SHG ist es auch so, dass jeder, der möchte, auch mal über privaten Ärger "vom Leder ziehen" kann, Dampf ablassen. Das ist einfach auch mal nötig. In meiner realen Gruppe ebenso wie von Mitgliedern des geschlossenen Bereiches fühle ich mich auch gut aufgefangen und angenommen und unterstützt. Beides ist ein wichtiger Teil meines trockenen Alltags.

    Ich wünsch dir ein schönes Wochenende! Habt ihr was gemeinsames vor?

    Viele Grüße
    Thalia

  • Zitat von kamarasow

    17 Wochen sind es nun. 1/3 Jahr. Hm. Für diejenigen, die gerade erst anfangen abstinent zu sein: Ja, der Suchtdruck wird weniger. Auch der Gedanke, dass man sein ganzes Leben keinen Alkohol mehr trinken will, relativiert sich in ein Schulterzucken. Die Gedanken an das Nervengift rücken einfach in den Hintergrund und werden mit anderen Sachen aufgefüllt. Man verändert sich. Man holt viele innere stillgelegte Gedankengänge nach und findet auf einmal Lösungen, die im nassen Zustand nicht für möglich gehalten wurden. Logik, die im nassen Zustand bestand, ist abstinent unlogisch. Die ganze Krankheit ist unlogisch und hinterfotzig. Man entschied früher Dinge anhand von "gibts da Alkohol?". Nach außen hin wollte man mal einen guten Freund besuchen, aber eigentlich nur trinken. Man verliert Freunde und Bekanntschaften, weil das verbindende Element die gemeinsame Sauferei war. Darauf sollte man vorbereitet sein, da man die Menschen im Inneren dennoch mochte und lieb gewonnen hatte. Scheiden tut weh. Man machte Sport, weils danach was zu trinken gab. Man ging einkaufen, nur um Alkohol zu kaufen. Damit es nicht so blöd aussah, legte man noch 2-3 "nützliche" Sachen dazu. Jetzt geht man frei einkaufen, ohne Zwänge. Jetzt sieht man die armen, von der Droge gezwungenen Menschen, die mit schlechtem Gewissen vor dir in der Schlange stehen und die Flaschen aufs Förderband legen. Arme, leidgeplagte Menschen, die vielleicht noch den letzten Cent für die Droge aufgeben. Die vielleicht sogar ihre engsten Freunde belügen, nur um an die Droge zu kommen. In solchen Momenten bin ich auch säuerlich auf die Industrie. Die natürlich schön ihre Suchtprodukte im Kassenbereich aufbaut. Herrlich verkaufsfördernd, mich verstörend, denn ich glaube, dass die Süchtigen geschützt werden müssten. Wobei? Wollen die Süchtigen das wirklich? Macht ein Verbot nicht alles nur viel schlimmer (in der Beschaffung)? Viele haben ein Drecksleben oder harte Schicksalsschläge, welches nur mit Drogen zu ertragen ist. Sollte man die Menschen schützen? Ich weiß nicht.

    Rückblickend betrachtet ist für mich die wichtigste Antriebsfeder der innere gedankliche Prozess. Es war ein Prozess den Alkohol ernsthaft nicht mehr zu wollen und es nicht bloß zu sagen. Ich weiß nicht mehr wie lange der andauerte, aber ein Jahr Sauferei wird es schon gewesen sein. Ich hasste es irgendwann, ständig verkatert zu sein. Ferngesteuert einkaufen zu gehen. Nie Zeit zu haben. Kein Buch mehr Abends lesen zu können. Ich mochte meinen Bauch nicht mehr, wobei meine Kolleginnen immer meinten: Welcher Bauch? Kurzum: Es waren viele kleine Dinge, die den Prozess förderten. Am Ende des Prozesses stand eine Entscheidung. Die daraus bestand, "einfach" nichts mehr zu trinken. Der Rest wird sich entwickeln.

    Moin Kamarasow,

    Dieser oben zitierte Absatz ist so ziemlich das Beste, was ich hier in den letzten Wochen und Monaten gelesen habe...es bringt vieles auf den Punkt, deckt sich zum größten Teil mit meiner Erfahrung und kommt ohne diese von Dir als übereuphorisch beschriebenen Ausssagen aus.

    Ich habe keine Ahnung, in welcher der von Dir oben aufgemachten Schubladen ich stecke, aber bzgl. Märchenbuch vielleicht eine kleine Geschichte:

    Als ich mich hier im Forum angemeldet habe, hatte ich vermutlich noch Restalkohol im Blut und sah mich zunächst selbst als jemanden mit Alkoholproblemen, aber definitiv nicht als Alkoholiker.

    Beim Lesen stieß ich irgendwo auf einen Thread, in dem eine Userin beschrieb, wie sehr sie sich auf ihren Tee und nen Keks = Glücksmoment freue und ich dachte mir: Alter Verwalter, das soll ab jetzt Dein Leben sein ? Nie mehr Alkohol und Spaß, nur noch Tee und Kekse ?

    Einige Wochen später bin ich ausgeschlafen an einem Samstag morgen um halb sechs aufgewacht, hatte Lust auf frische Brötchen und bin ins Auto gestiegen, um zum Bäcker zu fahren. Draußen ging die Sonne grad auf, ich hatte feine Musik laufen und als ich so drüber nachdachte, die Musik mitsummend, kam mir in den Sinn, daß ich in meinem alten Leben jetzt noch ziemlich angeschimmelt im Bett liegen und meinen Rausch ausschlafen würde - plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, wußte ich, was besagte Userin bei Tee und Keks empfunden hatte. Es ging nicht um den Tee, es ging nicht um den Keks, es ging darum, wieder mehr zu empfinden als Zufriedenheit...es ging um das Gefühl, glücklich zu sein.

    Nun hast Du völlig recht, das Leben ohne Alkohol ist nicht zwangsläufig eine spaßige Veranstaltung, aber es ist ehrlich und real. Und wir haben durch die Trockenheit wieder mehr Einfluß darauf, wie wir diesen Leben gestalten - wir müssen es nur wollen.

    Plakativ gesprochen haben wir den Kasten Bier gegen nen Werkzeugkasten eingetauscht. Das bedeutet nicht, daß wir jetzt nur noch wunderschöne Möbel bauen...manche werden schnuckelig aussehen, manche werden immer noch krumm und buckelig daherkommen. Aber was solls ? Es liegt wieder an uns, was am Ende dabei rauskommt...

    Schönen Gruß und schöne Zeit

    Andreas

  • Guten Morgen,
    Carpenter, Danke Dir für die Blumen. Mit den Schubladen habe ich ja ein blödes Ding aufgemacht. Im Nachhinein ärgere darüber. Aber zu dir sei gesagt, dass du in der guten Schublade bist. :).

    Zu mir gibts nicht viel neues. Da ich denke, dass die Arbeit Teil des des Trinkes war, hatte ich mich mal pro-forma auf eine ruhigere Stelle im öffentlichen Dienst beworben. Es war zwar etwas nervig die ganzen Unterlagen zusammenzutragen, aber irgendwie hatte es auch etwas sortierendes und motivierendes. Es nahm etwas Dampf aus dem Kessel der aktuellen Arbeit. Will sagen: Die aktuelle Firma ist nicht der Mittelpunkt der Erde. Das entspannt, wenn der Chef mal wieder un-be-dingt was gaaanz schnell haben will. Und wie es dann so manchmal im Leben ist: der Chef rief mich eine Woche später mit der Bitte um ein Personalgespräch für Gehaltserhöhungen an. "Verdienstvoller Mitarbeiter, mehr Verantwortung, ... ". Ich vermute fast, dass er einen Anruf von der öffentlichen Stelle erhalten hatte, auf die ich mich beworben hatte. Nunja, etwas mehr Netto löst dann voraussichtlich auch die angespannte Lage im Haushalt.
    Der Familie gehts gut und wir alle freuen uns auf Frühling. Es ist schön zu sehen, wie die Kinder mit leuchtenden Augen in dem Verkleidungskram aufgehen. Bei uns zu Hause gibts jetzt Jedi-Ritter. Also Obacht, die Macht ist mit uns :)

    Viele Grüße
    Kamarasow

  • Zitat

    Bei uns zu Hause gibts jetzt Jedi-Ritter. Also Obacht, die Macht ist mit uns :)


    Das bezweifel ich !
    Heute morgen habe ich mehrere Stormtrooper im Ansturm auf den Kindergarten gesehen. :D
    Das imperialistische Militär scheint die Macht nun endgültig an sich gerissen zu haben :shock:
    Jedi-Ritter habe ich keine gesehen... die sind jetzt evtl. auch auf der dunklen Seite der Macht.

    Prinzessin Leya dagegen ist völlig out, die Eisprinzessin hat sie endgültig aus ihrem Reich vertrieben :shock:
    Somit mußte ich heute meiner Enkeltochter nen blonden Zopf in ihr Haar flechten, damit sie darüber standesgemäß ihr Eisprizessinnen-Diadem tragen konnte. :D
    Ich hätte ihr lieber 2 Hefeschnecken über die Ohren gezogen, wäre einfacher gewesen... aber wie gesagt, Prinzessin Leya will keiner mehr sein. :?

    Meinem Enkelsohn, dem Stormtrooper, fiel mehrmals die Maske von Gesicht, die mußte ich erstmal enger schnallen...
    ansonsten wäre es am Ende noch zum berühmten "Nein, ich bin Dein Vater! " gekommen :shock: , was dann vollends für Verwirrung gesorgt hätte.
    Habe das also fix wieder in Ordnung gebracht.
    Mögen die Spiele beginnen....

    LG Sunshine
    (Trekkie aus Überzeugung und heimlicher Star-Wars-Gucker :lol: )

  • Zitat von kamarasow

    Guten Morgen,
    Carpenter, Danke Dir für die Blumen. Mit den Schubladen habe ich ja ein blödes Ding aufgemacht. Im Nachhinein ärgere darüber. Aber zu dir sei gesagt, dass du in der guten Schublade bist. :).

    Zu mir gibts nicht viel neues. Da ich denke, dass die Arbeit Teil des des Trinkes war, hatte ich mich mal pro-forma auf eine ruhigere Stelle im öffentlichen Dienst beworben. Es war zwar etwas nervig die ganzen Unterlagen zusammenzutragen, aber irgendwie hatte es auch etwas sortierendes und motivierendes. Es nahm etwas Dampf aus dem Kessel der aktuellen Arbeit. Will sagen: Die aktuelle Firma ist nicht der Mittelpunkt der Erde. Das entspannt, wenn der Chef mal wieder un-be-dingt was gaaanz schnell haben will. Und wie es dann so manchmal im Leben ist: der Chef rief mich eine Woche später mit der Bitte um ein Personalgespräch für Gehaltserhöhungen an. "Verdienstvoller Mitarbeiter, mehr Verantwortung, ... ". Ich vermute fast, dass er einen Anruf von der öffentlichen Stelle erhalten hatte, auf die ich mich beworben hatte. Nunja, etwas mehr Netto löst dann voraussichtlich auch die angespannte Lage im Haushalt.
    Der Familie gehts gut und wir alle freuen uns auf Frühling. Es ist schön zu sehen, wie die Kinder mit leuchtenden Augen in dem Verkleidungskram aufgehen. Bei uns zu Hause gibts jetzt Jedi-Ritter. Also Obacht, die Macht ist mit uns :)

    Viele Grüße
    Kamarasow

    Moin Kamarasow,

    bzgl. der Schubladen - das hier ist ja kein Knigge-Forum...ich bin mir sicher, hier im Offenen hat schon JEDER mal was geschrieben, was er gerne wieder gelöscht hätte...geht halt nicht und ich finde das grundehrlich. Insofern fand ich Deinen Beitrag zwar deftig, aber durchaus anregend...und in sehr vielen Punkten zutreffend.

    Ich freu mich grad so ein bißchen für Dich, daß Du Deine Entscheidung früh genug getroffen hast, um diese leuchtenden Kinderaugen auch wirklich zu sehen und zu erkennen. Es ist eine der traurigsten Momente im Leben eines Trockenen, wenn man realisiert, daß die Kinder inzwischen groß und z.T. schon außer Haus sind und man so viel Zeit verschenkt hat, weil man entweder gesoffen hat oder seinen Rausch ausschlafen mußte.

    Ich bereue einiges aus meiner nassen Zeit, aber am Meisten bereue ich, daß ich zu wenig Zeit mit meinen Kids verbracht habe.

    Du hast die Chance, es besser zu machen - auch das ist ein Geschenk der Trockenheit, die man vielleicht nicht so direkt wahrnimmt, weil es irgendwann zur Normalität wird.

    Aber Deine Jedi-Ritter werden sich ganz besonders über ihren trockenen Vater freuen, der das Leuchten in ihren Augen (wieder?) erkennt.

    Schönen Gruß und schöne Zeit

    Andreas

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