...in ein dunkles, abgrundtiefes Loch. Doch dazu später.
Die Sauferei fing bei mir, wie bei vielen Anderen auch, am Tag der Jugendweihe an. Natürlich mit elterlicher Erlaubnis, der Junge ist ja jetzt in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen worden... . Bei diversen Festen, Feten, Disco usw. war Alkohol völlig normal und selbstverständlich, damals allerdings noch kein täglicher Begleiter. Es gingen ungefähr 15-20 Jahre ins Land, die Entwicklung vollzog sich sehr langsam und hinterhältig unspektakulär, und auf einmal standen Bier, Wein und am WE auch mal Schnaps auf dem täglichen Speisezettel. Steigende Toleranzgrenze, steigender Konsum, es war meistens halt erst genug, wenn es genug war. Ich meine damit keine täglichen Totalabschüsse, die gab es zum Glück sehr selten (berufstätig in 3 Schichten, und nie besoffen auf Arbeit), sondern das Erreichen der nötigen Bettschwere, war zum Schluss so nach 4-6 Bier und einer Flasche Wein (oder wahlweise einer drittel Flasche Schnaps, oder was gerade greifbar war) geschafft.
So ging das viele Jahre weiter. Ein stabiles soziales Umfeld, Familie, zwei Kinder, sicherer Job, und ein vielleicht doch noch ganz gut funktionierender Selbsterhaltungstrieb verhinderten vielleicht Schlimmeres. Dennoch wuchsen in der hinteren Abteilung des Oberstübchens die Zweifel. Ich war im an-, betrunkenen Zustand immer der friedliche defensive Typ, dachte ich zumindest. Bis mir meine Frau eines Tages zu verstehen gab, dass sie regelrecht Angst hat, wenn ich zu viel getrunken hatte, ich wäre dann immer so aggressiv. Ostermontag 2015 war es dann soweit. Am Vorabend, zu einer Geburtstagsfeier eingeladen, genug gesoffen, um am nächsten Morgen nicht mehr zu wissen, wann und wie ich im Bett gelandet war.
Plötzlich war die Erkenntnis da: ich habe ein richtig fettes Alkoholproblem! Nach eingehender Lektüre im Netz, unter anderem auch schon in diesem Forum, Absolvieren diverser Onlinetests, stand fest, ich bin Alkoholiker.
Besuch beim Hausarzt gleich am nächsten Morgen, anschließend zur Suchtberatungsstelle, die zuständige Mitarbeiterin verabschiedete sich gerade für drei Wochen in den Urlaub, also erst mal aufschieben. Drei Tage später die Laborergebnisse, riesiges Glück gehabt, alle Werte in bester Ordnung. Die körperlichen Entzugserscheinungen waren nach drei bis vier Tagen weitgehend verschwunden (ja, ich weiß...). Die folgenden Tage waren einfach nur herrlich, die Konditionskurve zeigte steil nach oben, ich sprang morgens fit wie ein Turnschuh aus dem Bett, am Wochenende sogar schon frühs ne straffe Walking-Runde, und ich hatte wieder Lust auf Frühstück, war vorher meist ausgefallen, wegen noch leicht komatös, nicht aus dem Bett kommen, keine Lust zum Aufstehen... .
Nach gut drei Monaten dann der Klassiker, ich kam auf die Idee, ich hätte die Sache im Griff.
Jetzt befinden wir uns im November 2016.
Über ein Jahr weiter gemacht wie so lange eingeübt. Die Kondition wieder ziemlich hinüber. Diesmal allerdings kam noch eine psychische Komponente hinzu, und die machte mir jetzt doch richtig Angst. An freien Tagen kein Bock aufzustehen, allgemeine Antriebslosigkeit, das kannte ich ja schon, das legte sich ja spätestens nachmittags, und der Bier (Wein, Schnaps) -durst erwachte. Aber an diesem Morgen des 20. November war es doch anders, es schlichen sich Gedanken an, die mir bis dato völlig fremd waren. Was wäre, wenn einem jetzt einfach so das Lichtlein ausgeblasen würde, wäre das wirklich so schlimm...?
Da war es also, das verdammt tiefe, dunkle Loch, und ich stand genau am Rand. Ich weiß jetzt, es gibt kein vielleicht doch, kein ein bisschen, kein mal sehen. Es gibt nur zwei Optionen, entweder weitersaufen und in dieses Loch rutschen, oder Abstinenz und leben. Ich habe mich für letzteres entschieden.
Meine Frau unterstützt mich auf diesem Weg, unser Haus ist alkoholfrei, ein halber Kasten Bier und eine halbe Flasche 54%er Rum (Mein Gott, ich hab dieses ekelhafte Zeug wirklich pur gesoffen) sind in die Kanalisation gewandert. Heute ist der elfte trockene Tag, körperlich und psychisch geht`s mir richtig gut, ich freue mich jeden Tag über die Erkenntnis, dass man auch nüchtern ins Bett gehen und sogar einschlafen kann. Dass man früh glücklich aufstehen kann, einfach, dass die Lebensgeister zurückkehren.
Risikominimierung steht auf dem Plan, Weihnachtsmarkt etc. fällt zumindest in diesem Jahr aus. Glühwein fand ich schon immer eklig, nicht, dass ich keinen getrunken hätte, wenn verfügbar, aber heißer Sanddornsaft mit `nem Klecks Sahne schmeckt tausendmal besser!
Ich habe mich hier in diesem Forum angemeldet, weil ich es als eine ziemlich geniale Form einer Selbsthilfegruppe sehe, alleine schon wegen des Umfangs! Wo hat man sonst die Möglichkeit, sich mit so vielen Leidensgenossen auszutauschen.