Schwerbehindertenausweis bei Alkoholabhängigkeit?

  • Hallo alle!

    In der Reha habe ich viele Patienten kennengelernt, die wegen ihrer Alkoholsucht einen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB (Grad der Behinderung) von mindestens 50 hatten. Welche Erfahrungen habt Ihr mit der Beantragung eines solchen Ausweises?

    - Berechtigt die Diagnose "Alkoholabhängigkeit" zum Antrag eines Schwerbehindertenausweises? Welcher GdB ist hier üblich?
    - Muss nach dem Antrag die zweijährige Heilungsbewährung abgewartet werden?
    - Genügt als Nachweis der Entlassungsbericht der Reha, in dem die Diagnose ja eindeutig aufgeführt ist?

    Was ist sonst noch zu beachten? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?

    Vielen Dank für die Infos!

    LG
    Quadrat

  • Hallo Quadrat,

    mein xy hat schon in der Langzeit empfohlen bekommen einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen.
    Er hat dann wie immer bei der Beantragung seinen Hausarzt und eventuell andere Fachärzte angeben müssen.
    Den Abschlußbericht der LZ - Einrichtung war auch dabei.
    Er hat 50% bekommen und dies gleich unbefristet. Hat allerdings keine Merkzeichen im Ausweis.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo,
    ich denke, da gibt es keinen Automatismus.
    Allein die Tatsache einer Alkoholabhängigkeit ist noch keine Schwerbehinderung und auch keine minder-Behinderung. Ob jemand behindert ist, hängt davon ab, ob er verglichen mit einer Gruppe von Menschen, die zum Beispiel ähnlich alt sind wie er, genau so am Leben teilhaben kann wie diese anderen.
    Es wird also entscheidend sein, ob die Alkoholabhängigkeit bereits zu bestimmten körperlichen oder psychischen Ausfällen geführt hat, die einen im Leben behindern. Es gibt ja auch jede Menge so genannte funktionale Alkoholiker, die zwar süchtig sind, die aber in ihrem Alltag nicht eingeschränkt sind, die keine Folgeerkrankungen haben, weiter arbeiten, den Führerschein nicht verloren haben etc. Diese werden sicherlich keinen Ausweis bekommen.

    LG Viola

    Da, wo es piekt, da geht es lang!

  • Hallo,

    danke für Eure Antworten.

    Zitat

    Allein die Tatsache einer Alkoholabhängigkeit ist noch keine Schwerbehinderung


    Ja, genau das ist die Frage. Wenn ich es richtig verstanden habe, gilt Alkoholabhängigkeit als chronische Erkrankung, die, wie wir alle wissen, nicht heilbar ist. Auch im Internet habe ich einige entsprechende Angaben gefunden. Hier zum Beispiel:

    Zitat

    Bei einer Alkoholkrankheit richtet sich der Grad der Behinderung nach bestimmten Kriterien. Das sind einerseits bestehende Organschäden wie Leberzirrhose, Polyneuropathie, hirnorganische Ausfälle, andererseits aber auch das Ausmaß der Abhängigkeit. Auch psychische Beeinträchtigungen gehören offenbar dazu. Typischerweise besteht bei einer Alkoholkrankheit ein Kontrollverlust, so dass die aufgenommene Menge Alkohol nicht mehr kontrolliert werden kann. Dies bedeutet eine erhebliche Einschränkung der Willensfreiheit. Wenn diese Umstände gegeben sind, also ein Kontrollverlust vorliegt, beträgt der Grad der Behinderung je nach Ausmaß des Leidens zwischen 50 und 100. Führt der Patient eine Entwöhnungsbehandlung durch, wird zunächst zwei Jahre abgewartet, eine so genannte „Heilungsbewährung“. In dieser Zeit wird der GdB dann auf 30 festgelegt, falls nicht Organschäden bestehen, die für sich genommen einen höheren Grad der Behinderung bedingen.


    Es ist also anscheinend nicht so ganz klar, wie die Versorgungsämter das Thema Alkoholabhängigkeit behandeln. Deshalb meine Frage, ob Ihr damit Erfahrungen gemacht habt.

    Zitat

    Er hat 50% bekommen und dies gleich unbefristet.


    Und er musste nicht die 2 Jahre Heilungsbewährung abwarten?

    LG
    Quadrat

  • Hallo,
    ich habe aucb einen Schwerbehindertenausweis.
    Ich benötigte dazu gewisse ärztliche Atteste, in einem stand das meine Polyneuropathie in den Fussgelenken
    wahrscheinlich durch toxischen Alkoholgenuss zustande kam.
    Im Schwerbehindertenausweis steht aber nichts davon.
    Von einer Heilungsbewährung habe ich noch nie etwas gehört.
    Und ich gehe davon aus das nasse Alkoholiker ebenso einen Schwerbehindertenausweis bekommen
    wie trockene. Wenn eine Schwerbehinderung eingetreten ist dann ist das nun mal Fakt.
    Alle trockenen Alkoholiker sind übrigens krank, nur sind die einen nass und die anderen trocken.

    Ich habe allerdings mit meinen 50% Schwerbehinderung allerdings noch keine Vorteile irgendwo gehabt.
    Dazu braucht es weitaus mehr Prozente.
    Ich kann es bei der Einkommenssteuererklärung angeben, das ist auch schon alles.
    Sollte man sich um einen neuen Arbeitsplatz bemühen müssen muss man übrigens eine
    Schwerbehinderung angeben.
    Von daher sollte man gut drüber nachdenken ob man einen Antrag stellt.
    Das könnte dann nämlich zu Nachteilen führen bei der Jobsuche.
    Ich für meinen Teil würde es mit meinem heutigen Wissen nicht nochmal beantragen.
    Weil es für mich keine bedeutenden Vorteile hatte, eher Nachteile.
    Aber man weiß halt vorher nicht genau was bei rauskommt
    Man muss also schon wirklich richtig dolle eingeschränkt sein um da auf 80% oder mehr zu kommen.
    Und drunter lohnt sich der ganze Zirkus nicht, so meine persönliche Meinung.

    lg sunshine

  • Hallo,

    Zitat

    Allein die Tatsache einer Alkoholabhängigkeit ist noch keine Schwerbehinderung

    ,

    alle schwereren körperlichen Erkrankungen, die zu Operationen geführt hatten, sind nicht mehr berücksichtigt, da sie "verjährt" waren.

    Zitat

    Und er musste nicht die 2 Jahre Heilungsbewährung abwarten?


    nein, er ist noch keine 2 Jahre trocken. Er hat den Ausweis sofort bekommen.

    Die "Vorteile" oder besser den Nachteilsausgleich bekommst du ja erst über die Merkzeichen, die hinten auf dem Ausweis stehen.
    Im übrigen gibt es für jedes Bundesland bei den jeweiligen Versorgungsämtern eine Infobroschüre zur Schwerbehinderung.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Zitat

    Ich kann es bei der Einkommenssteuererklärung angeben, das ist auch schon alles.


    Für mich ein riesengroßer Vorteil. Alleine deshalb lohnt sich das, denke ich.

    Zitat

    Sollte man sich um einen neuen Arbeitsplatz bemühen müssen muss man übrigens eine
    Schwerbehinderung angeben.


    Ja, ich weiß. Das ist allerdings ein sehr großer Nachteil. Viele Arbeitgeber stellen einen dann nicht ein, weil man ja einen verbesserten Kündigungsschutz und mehr Urlaub hat.

    Zitat

    nein, er ist noch keine 2 Jahre trocken. Er hat den Ausweis sofort bekommen.


    Ja, klingt doch super.

    Ich fülle den Antrag einfach mal aus. Mal sehen, ob ich das genehmigt bekomme.

    LG
    Quadrat

  • Ich meinte natürlich: Alle Alkoholiker sind übrigens krank, nur sind die einen nass und die anderen trocken.

    Wenn es für Dich große Vorteile bei der Einkommensteuererklärung hat, dann lohnt es sich bestimmt.

    Ich schrieb auch absichtlich,das es ein Nachteil bei der Jobsuche sein KANN.
    Größere Betriebe müssen meines Wissens nach auch immer einen bestimmten Prozentsatz Schwerbehinderte beschäftigen.
    Dort ist das dann kein Nachteil, sondern die sind dann auch dran interessiert, ihre Quote zu erfüllen
    In eher kleineren Betrieben sieht es natürlich etwas anders aus.
    Und es kommt natürlich auch auf den Job selbst an, inwieweit die Behinderung da überhaupt eine Rolle spielt.

    Lg Sunshine

  • Hallo Quadrat,

    Zitat

    Größere Betriebe müssen meines Wissens nach auch immer einen bestimmten Prozentsatz Schwerbehinderte beschäftigen.


    das stimmt, sonst müssen sie bezahlen, wenn sie die Quote unterschreiten.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo!

    50% bringen einen Pauschbetrag von 570€. edit Karsten - bitte keine externen Links einstellen

    Das heißt, dass man für diesen Betrag keine Steuern abführen muss. Und das hängt von der Höhe des zu versteuernden Einkommens und vom Steuertarif ab. Also so groß sind die finanziellen Vorteile nicht, jedoch ein nettes Zubrot.

    Darüber hinaus gehende Krankheitskosten laufen als außergewöhnliche Belastungen und sind teilweise steuerlich relevant.

    Unternehmen, Betriebe und Behörden haben ein Interesse daran, dass eigene langjährige Leute "schwerbehindert werden". Sie kennen ihre Beschäftigten genau und müssen keine Fehlabgabe abführen. Also eine win-win Situation.

    Was die Einstellung anbelangt, wird's kniffeliger. Einen Schwerbehinderten wird ein Arbeitgeber nicht so leicht los. Daher das Interesse an den eigenen "bewährten" Leuten.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Zitat

    und vorallem kann mann früher in Altersrente.


    aber nicht abschlagsfrei, ich habe 70 % und kann erst mit 63, 8 Jahren abschlagsfrei gehen.
    Bei mir macht es keinen Unterschied, ob ich als langjährig Versicherte oder als Schwerbehinderte gehe.
    Bin Ende der 50 er Jahre geboren.

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Vielen Dank für Eure Antworten!

    Ja, das mit der steuerlichen Geschichte, mehr Urlaub und Kündigungsschutz wusste ich schon. Mir ging es vor allem darum, ob Alkoholabhängigkeit per se einen GdB von mindestens 50 rechtfertigt. Denn das liest man zwar hier und da im Internet, die Angaben unterscheiden sich aber. Auch die Sache mit der Heilungsbewährung steht dort als Pflicht und an anderer Stelle wird das verneint. So richtig eindeutig ist das alles nicht.


  • So richtig eindeutig ist das alles nicht.

    Hallo!

    Es hängt halt vom jeweiligen Einzelfall mit all seinen Facetten ab.

    Auch entscheiden die jeweiligen Sachbearbeiter der Versorgungsämter unterschiedlich. Ich behaupte mal: 3 vergleichbare Fälle bei 3 verschiedenen Sachbearbeitern führen zu 2 verschiedenen Ergebnissen. Verstanden? Eher nicht. :)

    Stell einfach den Antrag.

    Bleiben die unter 50%, dann gibt es noch das Widerspruchsverfahren und anschließend den Gang zum Sozialgericht. Dort wird ein Gutachter beauftragt, der den Patienten taxiert.

    Gruß
    Carl Friedrich

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