Fragen zur stationären Therapie

  • Hallo zusammen,

    ich bin Angehörige eines alkoholabhängigen Partners, der heute in einer Klinik das erste Mal für eine stationäre Therapie aufgenommen wurde.

    Dazu hätte ich einige Fragen......

    Wie läuft eine medikamentöse Entgiftung ab und ist diese immer zwingend notwendig, bevor die eigentliche Therapie beginnt?

    Wird bei der Entgiftung nach der Menge und Art des Alkoholkonsums unterschieden?

    Welche körperlichen und seelischen Auswirkungen hat die Entgiftung auf den Erkrankten?

    Welche Ziele sollten am Ende der Therapie erreicht werden? Vollkommene Abstinenz?

    Wie lange dauert im Durchschnitt der Klinikaufenthalt?

    Werden die Partner in der Therapie miteinbezogen? Gespräche usw.

    Was passiert, wenn Ziele aufgrund mangelnder Mitarbeit und Einsichtsfähigkeit nicht erreicht werden?

    Werden die Patienten frühzeitiger wieder entlassen?

    Mein Mann hat zusätzlich eine schwere Depression entwickelt, wobei ich weiß, dass die Alkoholabhängigkeit häufig durch weitere psychische Erkrankungen begleitet wird. Werden Antidepressiva verabreicht?

    Ich denke, jeder Fall ist natürlich individuell und danach wird sich bestimmt der Therapieplan, die Zielvorgabe und die Dauer der Maßnahme richten.

    Welche Erfahrungen habt ihr in den Kliniken gemacht?

    Über Antworten würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank!

    Liebe Grüße,

    Christrose

  • Ich fand gerade schon viele wichtige Infos unter der Rubrik " Vom 1. Arztbesuch bis zur Entgiftung "......ein interessanter Beitrag.

    Mein Mann wird seinen wahren Alkoholkonsum bestimmt nicht angeben, leugnet sogar zurzeit wieder in den letzten Wochen getrunken zu haben, trotz Führerscheinentzug.

    Es sei ja alles gar nicht so gewesen......dabei sind die polizeilichen Fakten und Tatbestände glasklar.

    Erkennen Fachleute in der Klinik diese Täuschungsversuch ?

    Oder belassen sie den Patienten dann in seiner "krankhaften" Wahrnehmung?

    Ich weiß, sein Verhalten gehört zur Suchtproblematik.

    Sorry, viele unwissende Fragen......

  • Hallo Christrose,

    du findest hier viele Informationen zur Suchtproblematik. Wir haben auch 24h geöffnet und ich bin mir ziemlich sicher das wer sich noch meldet. Die Erfahrung habe ich leider noch nicht um dir deine Fragen zu beantworten.

    Gruß

    Alex

    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. – Mahatma Gandhi

  • Hallo Christrose,

    auch von mir ein herzliches Willkommen in unserem Forum.

    Erkennen Fachleute in der Klinik diese Täuschungsversuch ?

    ein nasser Alkoholiker belügt sich selbst am meisten, wenn er keine ehrlichen Angaben macht. Natürlich wissen die in der Klinik mit solchen Angaben umzugehen, sie werden oft genauso belogen, wie die Angehörigen daheim. Es ist sein Ding wenn er nicht ehrlich und es zeigt seine Ernsthaftigkeit, die dann nicht sehr ausgeprägt zu sein scheint

    Was nützt es dir, wenn sie es in der Klinik bemerken?

    Sie werden es sicher bemerken, wenn er nicht selbst hinter seinem Entzug steht.

    Über diese und alle anderen Fragen solltest du dir keine Gedanken machen, seine Trockenheit ist sein Ding.

    Was kannst du in dieser Zeit für dich tun, damit es dir besser geht?

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Christrose,

    alle Fragen kann ich dir nicht beantworten und auch nur aus meiner eigenen Therapie und meiner Erfahrung sprechen.

    Ich antworte gern, frage mich aber auch, ob die Antworten dir persönlich etwas bringen. Es ist ja seine Erkrankung und er muss sehen, wie er das Angebot annimmt. Davon hängt auch der Erfolg der Therapie ab. Ob er abstinent leben möchte.

    Meine Entgiftung habe ich ambulant durchgeführt. Ich brauchte dafür keine Medikamente, habe aber vom Arzt ein Antidepressivum erhalten, das ich auch in der Reha-Klinik weiter eingenommen habe.

    Eine Entgiftung ist (soweit ich das weiß) immer notwendig, bevor die Therapie beginnt. Man wird bei der Aufnahme auch getestet (Atemalkohol und Urinprobe) und auch während der Therapie stichprobenartig.

    Die Dauer des Aufenthalts in der Klinik variiert sehr stark. Ich hatte eine Kombibehandlung, bei der 8 Wochen stationär und danach eine ambulante Therapie vorgesehen war. Ich glaube, die reguläre Zeit stationär ist sonst sehr viel länger. 12-16 Wochen bestimmt. Die Maßnahmen werden oft problemlos verlängert, wenn der Patient noch nicht stabil ist oder einfach noch Zeit braucht. Das „große“ Ziel ist natürlich die lebenslange Abstinenz. In meiner Klinik wurde auch ganz schnell darauf hingewiesen, dass ein Kontrolliertes Trinken nicht in Frage kommt. Nun sind wir Menschen ja zum Glück verschieden und auch in der Klinik haben alle unterschiedliche Lebensumstände. Einige müssen sich erstmal an einen geregelten, strukturierten Tagesablauf gewöhnen und lernen, Verantwortung für sich zu übernehmen. Vielleicht eine Wohnung finden und Arbeit suchen. Einige haben ihren Körper (inkl. der Hirnleistung) so weit geschädigt, dass Sport, Motorik, Konzentrationsübungen wichtig sind. Andere haben im „Alltag“ noch funktioniert und müssen lernen, wie deren Tagesablauf umstrukturiert werden kann.

    Oft ist es auch wichtig, Abstand zum Partner, den Kindern, Familie und Freunden zu bekommen, um sich damit nicht zu „belasten“ und sich auf sich zu konzentrieren. Bei mir gab es keine Gespräche mit Angehörigen. Kann aber auch an den Corona-Maßnahmen gelegen haben. Es gibt manchmal in Selbsthilfegruppen die Möglichkeit, als Angehörige/r an Treffen teilzunehmen.

    Ob ein Patient früher entlassen wird? Es ist ja kein Gefängnis. Wenn keine Einsicht da ist, die Zeit „abgesessen“ wird, wenn jemand gehen möchte, dann ist das so. Wenn der Patient nach dem Bewilligungszeitraum keine Verlängerung wünscht, erfolgt die Entlassung. „Rausgeschmissen“ wird man bei groben Vergehen: Alkohol konsumieren (bei Rückfällen, die sofort dem Therapeuten berichtet werden, kann es Ausnahmen geben), Alkohol oder andere Drogen auf das Gelände bringen, Gewaltausbrüche o.ä.

    Eine Depression muss (soweit ich weiß) nach der Therapie gesondert behandelt werden. Aber in der Reha erfolgen ja auch viele Gruppen- und Einzelgespräche, um dafür eine Grundlage zu schaffen. Antidepressiva werden ggf. verschrieben. Ich denke, dass die Therapeuten schon sehr gut erkennen, wen sie da vor sich haben. Sie sind ja dafür ausgebildet, die Wahrnehmungen der Patienten zu hinterfragen und Denkanstöße zu geben. Inwieweit das auf fruchtbaren Boden fällt, ist abzuwarten.

    Abschließend kann ich sagen, dass mit persönlich die Therapie sehr geholfen hat.

    So, jetzt habe ich doch einen Roman verfasst….

    Viele Grüße

    Seeblick

  • Hallo Christrose,

    ich kann auch nicht alle Fragen beantworten, ich selbst habe "nur" eine Stationäre Therapie gemacht, allerdings habe ich in den 2 Jahren und auch bei der Entgiftung und durch diverse Kurse zur Suchtprävention einige Einblicke erhalten.

    - eine ENtgiftung ist zwingend notwendig vor der Therapie, an einen zugedröhten Kopf kommt man einfach nicht ran. Stationäre entgiftung kenne ich so dass man 7-10 Tage auf der Station sitzt, Medikamentös gegen Krampfanfälle, Delier und Mangelerscheinungen behandelt wird, dabei macht die Vorgeschichte und vorhergehender Konsum sicher einen Unterschied in der Dosierung der Medikamente.

    Körperlich zumindest bei mir: die Üblichen sachen: Schwitzen, appetitlosigkeit, zittern Kopfweh ohne Ende, Seelisch fällt man erst einmal in ein tiefes Loch weil plötzlich der Dopaminschub den Alkohol auslöst fehlt... man wird traurig, die Freude fehlt, man fällt in ein Loch.

    Das ist die Entgiftung, der Stoff ist ausm Körper und keine Entzugserscheinungen im Körper mehr zu befürchten (aber nicht ausgeschlossen), im Kopf ist noch wenig passiert aber er ist zumindest nichtmehr alkoholdurchdrungen.

    Daran schließt dann die Therapie

    (Ambulant oder Stationär) an, je nach Lebenssituation und Erfolgsaussichten.

    Stationär kenne ich so zwischen 5 und 10 Monaten je nach Therapiekonzept der Klinik, und das Ziel ist einen Weg auf zu zeigen wie man abstinent leben kann, Risikosituationen erkennen und entschärfen kann und im Alltag leben kann.

    Partner werden je nach Therapiekonzept manchmal dazu genommen, meist aber eher selten und eher "spät" im Prozess, da der Betroffene vorranig an "SICH" arbeiten soll und nicht am "UNS" ...

    Abgebrochen wird wenn keine Therapieaussicht besteht (aber selbst dann kann man oft weiter machen) bzw. die Rentenkasse nicht weiter zahlt oder der Betroffene von sich aus nicht mehr will.

    Je nach Einrichtung führt ein Rückfall zum Ausschluss.

    Dafür am Besten in der Jeweiligen Einrichtung nachfragen die haben in der Regel auch Kontakte oder Angebote für Angehörige.

    Bei Multiplen Störungen wie Depression +Sucht ist in der Regel die Klinik gefragt wie und was Medikamentös gemacht wird es gibt Kliniken mit speziellen Abteilungen für sowas (Salus in Friedrichsberg z.B.) das hängt immer von der Klinik ab. Wenn das bekannt ist wird aber entsprechend gehandelt.


    Ich habe mein erstes Mal kalt enzogen, das war absoluter Horror und potenziell tötlich, da hatte ich einfach nur Glück. Meine Entgiftung nach dem Rückfall habe ich in einer Suchtklinik gemacht die hatten neben dem reinen Entgiften noch Gesprächsstunden und Spiele usw. da habe ich mich als "leichter" Fall zwischen den ganzen illegalen eher mal zurück gehalten ...

    das ist halt "mein" Erfahrungsbericht, speziell die Therapie danach hat einen guten Grundstein gelegt zufriedener Leben zu können und ich möchte sie nicht mehr missen.

    nur: hilft dir das bei deinem "Problem" :)?

    Train to survive

    survive to train

  • Hallo liebe Forumsmitglieder,

    herzlichen Dank für Eure ausführlichen und interessanten Antworten, sie haben mir sehr geholfen einen Einblick zu bekommen.

    Ich weiß, dass natürlich der eigene Wille suchtfrei zu werden und die Motivation zur Zusammenarbeit mit den Fachleuten zählt, den Erfolg einer Behandlung bringt.

    Das möchte ich auch ganz bei meinem Mann lassen. Es ist jetzt seine Aufgabe einen Weg für sich zu finden.

    Da habt Ihr absolut Recht und Eure Antworten halfen mir wieder einmal, meine Position als Angehörige nochmals zu reflektieren........so ein Feedback von anderen Betroffenen ist deshalb unglaublich wichtig .....

    Zitat " Was kannst Du in dieser Zeit für Dich tun, damit es Dir besser geht!"

    oder " .....ich frage mich, ob Dir die Antworten persönlich etwas bringen. "...."hilft Dir das bei Deinem Problem?"

    Ja, sie bringen mir etwas, u.a. auch den Fokus wieder auf mich zu lenken.......

    Meist bin ich auch sehr klar, was ich mir zukünftig von meinem Leben vorstelle, schau auch schon längere Zeit nur noch auch MICH, sorge dafür, dass es mir gut geht!

    Aber auch Angehörige werden zeitweise gedanklich wieder rückfällig. ;)

    Es ist wahnsinnig interessant, die Geschichten und Sichtweisen von Betroffenen zu lesen.

    ich ziehe vor jedem Einzelnen den Hut, der es geschafft hat, seine Sucht zu besiegen.

    Alles Gute und liebe Grüße,

    Christrose

  • Hallo Christrose,

    Aber auch Angehörige werden zeitweise gedanklich wieder rückfällig.

    wem sagst du das, bin selbst Angehörige und ich habe dir ganz bewußt keine deiner Fragen beantwortet, obwohl ich es aus beruflicher Sicht gekonnt hätte.

    Als mein xy damals aus der Entgiftung kam, bin ich 1 Woche später in Urlaub gefahren.

    Damals wollte ich spontan alles absagen, aber ich bekam Unterstützung aus der Entzugsklinik. Dabei wurde ich nochmals eindringlich darauf hingewiesen, das es seine Aufgabe ist für seine Trockenheit zu sorgen. Das alles geschah in seiner Anwesenheit.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Guten Abend Morgenrot,

    herzlichen Dank für Deine Antwort.

    Sie hilft mir mit dabei, Gefühle und Gedanken wieder zu sortieren und diese in meine Richtung zu lenken.

    Plane für die nächsten Wochen auch schon viel Schönes für MICH!

    Liebe Grüße,

    Christrose

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