Jada - Mein Vater ist Alkoholiker

  • Hallo Jada,

    danke, daß du den Beitrag verlinkt hast. Ich habe mir den jetzt mit Abstand nochmal durchgelesen und ihn oben angepinnt.

    Ich habe das ja selbst erlebt. Also den Kontakt einschlafen lassen, für viele viele Jahre. Erst als die Eltern selber alt und gebrechlich wurden, gab und gibt es wieder Kontakt. Der Abstand hat mir gut getan. Es ist allerdings ein Prozeß. Nur durch den Abstand wurde ich ja nicht zu einem anderen, komplett unbeeinflussten Menschen. Ich trage das ja alles in mir, aber ich kann heute anders handeln.

    Ich denke, das Thema Kontaktabbruch vs. Kontakt einschlafen lassen ist super wichtig für EKA. Würde mich freuen, wenn sich in dem Thread weitere EKA zu Wort melden.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Wichtig für mich dabei ist nur: was tut mir gut und was eben nicht?

    Genau darum geht es und damit beschäftige ich mich auch gerade ganz intensiv. Und ich merke, dass ich momentan überhaupt keine Lust habe meinen Vater zu sehen oder auch nur mit ihm zu telefonieren. Allein der Gedanke ihn wieder im elendem Zustand zu erleben, macht mir unheimliche Angst. Ich weiß noch nicht, ob es nur heute so ist oder auch morgen oder für immer. Das ist auch in Ordnung, macht es mir gegenüber meinem Vater aber auch so schwierig für klare Verhältnisse zu sorgen.

  • So wie ich es verstehe, ist der Kontakt zu deinem Vater also einfach eingeschlafen, weil er sich nicht um dich bemühte?

    Nicht so ganz, denn bemüht hat er sich tatsächlich nie.

    Das ist vielleicht auch der Unterschied zu deiner Situation. Ich weiß nicht ob es Scham oder schlichtweg Desinteresse war. Aber er hat sich nie um Kontakt bemüht oder gar um Hilfe gebeten.

    Und so muss man tatsächlich sagen, dass der Kontakt eingeschlafen ist, ohne dass es einen Vorfall oder Streit gegeben hätte.

  • Die letzten Monate habe ich mich hier im Forum aufs Lesen beschränkt, aber nun ist doch wieder viel passiert, das ich mir gerne von der Seele reden möchte.

    Mir ging es die letzte Zeit ganz okay, was ich nicht zuletzt euch hier im Forum und auch der Psychotherapie zu verdanken habe. Zu meinem Vater hatte ich sporadisch Kontakt, der hauptsächlich von ihm ausging. Sein Trinkverhalten war natürlich unverändert hoch, was ich aber eher am Rande mitbekommen habe. Besorgt war ich weiterhin, aber ich hatte zumindest keine schlaflosen Nächte mehr wegen ihm.

    In den letzten Wochen hat sich die Situation dann jedoch so sehr zugespitzt, dass er in der Psychiatrie gelandet ist. Ich erspare euch die Details, nur so viel: Er hatte ein Delirium und hat sich so auffällig verhalten, dass die Nachbarn die Polizei angerufen haben. Ein neuer Tiefpunkt. Aber für ihn scheinbar immer noch nicht tief genug.

    Vor der Entlassung aus der Klinik fand ein Angehörigengespräch statt. Dort erklärte man ihm ausführlich, dass er an einer Alkoholabhängigkeit leidet, er unbedingt auf Alkohol verzichten sollte und dass es viele Hilfen gibt, die er in Anspruch nehmen könnte. Ich habe diese Gelegenheit genutzt, um ihm zu sagen, dass ich den Kontakt zu ihm abbrechen werde, wenn er weiter trinkt. Er zeigte jedoch nach wie vor keine Einsicht, beharrte darauf kein Alkoholproblem zu haben und meinte, dass er sich von mir nichts verbieten lässt. Wenn das den Kontaktabbruch bedeutet, dann sei das halt so.

    Als er nach dem Gespräch unangemessen gut gelaunt war und mir noch eine Umarmung aufzwang, dachte ich erst, dass er wieder einmal nicht zugehört hat. Nachdem es dann aber wohl doch einige Zeit in seinem Kopf gearbeitet hat, kam später eine ellenlange Nachricht voller Vorwürfe und Selbstmitleid. Er wirft mir vor, dass ich respektlos bin, dass ich ihn nur schlecht mache, dass ich mir den Wunsch nach einem Kontaktabbruch von anderen Leuten habe einreden lassen. Und er schreibt, dass er sich von mir distanzieren will, weil ich ihm nicht gut tun würde. Das muss ich nun erst einmal verarbeiten...

    Ich kenne meinen Vater, aber es erstaunt mich immer wieder wie egozentrisch, unempathisch und starrsinnig ein Mensch sein. Aber ich versuche es gerade positiv zu sehen. Die letzten Monate habe ich noch Wege und Möglichkeiten gesucht, Abstand zu schaffen oder den Kontakt ganz einzustellen. Nun ist es ausgesprochen und der Anfang gemacht. Für mich kann es nur besser werden.

  • Hallo Jada,

    nimm es als Zäsur für dich. Ein Kontaktabbruch zu den Eltern fühlt sich völlig falsch und anstrengend an. Aber wenn alles so destruktiv und verfahren ist, dann muss man auf sich selber schauen. Ich habe das jahrelang durchgezogen, es war sehr schwer und mir ging es nicht wie auf Knopfdruck besser, als ich den Kontakt konsequent einschlafen lassen habe. Aber mit der Zeit konnte ich mich auf mich selber konzentrieren und bin für mich weitergekommen.

    Die Erinnerungen, die Verletzungen und Kränkungen sind ja in einem drin und die gehen auch nicht weg durch den Kontaktabbruch. Aber man kann sich ein Biotop schaffen, ohne solche destruktiven Strukturen. Das ist die Aufgabe für einem selbst.

    Erhol dich gut von dem ganzen Trubel.

    Viele liebe Grüße, Linde (EKA)

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Vielen lieben Dank Linde,

    deine Worte empfinde ich jedes Mal als aufbauend und sehr hilfreich. Dass auch nach einem Kontaktabbruch nicht sofort alles gut wird, habe ich schon irgendwo im Hinterkopf. Ironischerweise ist das sogar genau der Grund, warum mir in meinem direkten Umfeld eher von einem Kontaktabbruch abgeraten wurde. Auch wenn mein Vater meint, dass ich mir das habe alles nur einreden lassen...

  • Hallo Jada,

    was dein Umfeld und insbesondere was dein Vater meint, das kannst du als deren Meinung zur Kenntnis nehmen. Mehr nicht.

    Ich habe auf meiner Reise gemerkt, daß ich gut damit fahre mich mit Menschen zu umgeben, die mir gut tun. Ich meine damit nicht Beifallklatscher, sondern wirklich echte Weggefährten. Auch hier im Forum. Bei den Usern hier, speziell bei den EKA, da braucht es gar nicht viele Worte um verstanden zu werden.

    Was mir geholfen hat war mal auf den Begriffen 'Kontaktabbruch', 'Kontakt einschlafen lassen' und 'Kontakt ruhen lassen' herumzudenken. Der erste fühlt sich schrecklich an, der nächste irgedwie machbar und der dritte war für mich die richtige Haltung.

    Ruhe reinbringen, aber das als meine eigene aktive Entscheidung und Haltung. Und nicht aus der Opfer- bzw. Kind-Perspektive: hoffen und warten, daß er dich in Ruhe läßt.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Ironischerweise ist das sogar genau der Grund, warum mir in meinem direkten Umfeld eher von einem Kontaktabbruch abgeraten wurde. Auch wenn mein Vater meint, dass ich mir das habe alles nur einreden lassen...

    Genau darum geht es und damit beschäftige ich mich auch gerade ganz intensiv. Und ich merke, dass ich momentan überhaupt keine Lust habe meinen Vater zu sehen oder auch nur mit ihm zu telefonieren. Allein der Gedanke ihn wieder im elendem Zustand zu erleben, macht mir unheimliche Angst. Ich weiß noch nicht, ob es nur heute so ist oder auch morgen oder für immer. Das ist auch in Ordnung, macht es mir gegenüber meinem Vater aber auch so schwierig für klare Verhältnisse zu sorgen.

    Liebe Jada,

    ich möchte Dich bestärken, wie Du selbst schreibst: es ist völlig in Ordnung, nicht zu wissen, ob ein Kontaktabbruch auf Dauer sein muss oder nur vorübergehend. Das musst Du ja auch nicht ein für alle Mal entscheiden. Es zählt ja doch, was Du jetzt fühlst und dass Du danach handeln darfst, wenn Dir jetzt danach ist. Das ist Dein gutes Recht. Und wenn es irgendwann einmal anders sein sollte und Du den Kontakt wieder aufnehmen möchtest, ist auch das möglich. Es muss nicht ein für alle Mal alles geklärt sein, auch wenn ich Deinen Wunsch nach solch einer Klärung sehr gut nachvollziehen kann. Ich glaube allerdings, dass eine Klärung mit Deinem Vater (zumindest jetzt) nicht möglich ist. Das macht es so schwer.

    Genau dieses Gefühl, dass meine Bemühungen für klare Verhältnisse zu sorgen, mich zu erklären und um Rücksichtnahme zu bitten, immer wieder ins Leere laufen, kenne ich allzu gut. Das Bedürfnis nach Klärung mit meiner Mutter war jahrzehntelang fürchterlich zermürbend und hat mich zwischen Gefühlen der Wut, Trauer und Verzweiflung gehalten. Auch meine Mutter hat immer geleugnet, dass sie Alkoholikerin ist.

    Das Zermürbungsgefühl ist auch während des jahrelangen Kontaktabbruchs nicht ganz verschwunden, aber in den Hintergrund getreten. Erst hierdurch konnte ich mich langsam von den Angriffen meiner Mutter (und später auch ihres neuen Partners) erholen und merken wie es ist, nicht dauernd in Hab-acht-Stellung und im Verteidigungs- und Rechtfertigungsmodus zu sein. Auch nach all den Jahren gibt es in Sachen Selbstfürsorge für mich noch viel zu lernen. Es geht alles leider nur unendlich langsam voran und ich bin oft von Trauer erfüllt, dass es so ist, denn es sind zum Beispiel auch viele berufliche Chancen verstrichen, weil ich zu wenig Kraft hatte. Doch mich überhaupt auf diesen Weg zu machen, wäre mir ohne den Kontaktabbruch und therapeutische Hilfe nicht gelungen. Ein ganz wichtiger Schritt für mich war es zu verinnerlichen, dass ich mich für meine Bedürfnisse nicht rechtfertigen muss.

    Im Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter war es eigentlich nie möglich, irgendetwas zu klären, da sie meine Wahrnehmungen systematisch infrage gestellt hat, wenn sie ihr nicht gepasst haben (verbunden mit Erniedrigungen, Abwertungen, Beschimpfungen). Es war sehr manipulativ und für mich lange sehr schwer (als Kind ja sogar unmöglich), das zu sehen und von mir zu weisen, zumal es auch sehr subtil daherkommen konnte.

    Erst jetzt, wo ich selbst nicht mehr auf eine Klärung mit ihr hoffe, sondern für mich feststeht, dass meine Sicht der Dinge ihre Berechtigung hat, ist eine solche Klärung (für mich selber) eingetreten. Meine Mutter, mit der ich seit einem halben Jahr wieder Kontakt habe, würde meine Sicht allerdings nach wie vor zu unterminieren versuchen, wenn ich mit ihr darüber sprechen wollte. Das ficht mich aber jetzt nicht mehr an und ich beende jegliche Versuche ihrerseits, solche Themen anzusprechen. Über diese Klarheit und Konsequenz bin ich selbst erstaunt. Beim letzten wieder sehr kräftezehrenden Besuch bei ihr ist es mir das erstemal so konsequent gelungen, bei mir selbst zu bleiben. Zwar sind die Sorgen um meine Mutter nicht aus der Welt, aber (auch mithilfe des Zuspruchs und der vielen Erfahrungsberichte hier im Forum) ist mir jetzt klar, dass nur sie selbst es in der Hand hat, ihren völligen Absturz in die Verwahrlosung zu verhindern bzw. abzumildern.

    Ich möchte Dir Mut machen, wirklich genau auf die eigene Wahrnehmung und die eigenen Bedürfnisse zu achten und ohne schlechtes Gewissen, den Kontakt abzubrechen, wenn er Dir jetzt nicht guttut und Dich in Deinem Leben hindert. Du hast ein Recht auf ein eigenes Leben, Erfüllung und Glück und niemand darf verlangen, dass Du es opferst. Für den Zustand Deines Vaters trägst Du keinerlei Verantwortung.

    Liebe Grüße Siri

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