AmEnde - Vorstellung

  • Hallo!

    Ich bin 45 Jahre alt und Tochter einer Alkoholikerin. Auch Oma und Opa haben getrunken. Mein Vater war aus beruflichen Gründen nur jedes zweite Wochenende Zuhause, trank dann meist auch. Mein Bruder ist 3 Jahre jünger. Ich hatte immer das Gefühl, nicht zu zählen, nur mein Bruder war wichtig. Inzwischen hab ich eingesehen, dass dieses Gefühl eine Tatsache ist. Ich habe mich als Kind sehr geschämt, immer um Anerkennung gekämpft und alles getan, dass niemand merkt was bei uns los ist.

    Diesen Maulkorb hatte ich bis letzte Woche auf. Auch in der restlichen Familie war ich nicht anerkannt, hab nie wirklich dazu gehört. Meine Mutter hat mich häufig schlecht gemacht vor anderen, ich war immer klein und schmächtig ohne Selbstbewusstsein. Viele Erlebnisse vergesse ich nie, hab bis heute Alpträume.

    Kleines Beispiel: ich war 6, mein Bruder 3 und wir waren bei einem Freund spielen. Dort haben wir uns an einem kleinen Hügel, den ein Erwachsener mit 2 Schritten überwinden kann, an Seilen hochgezogen und Bergsteiger gespielt, völlig harmlos. Zuhause stellte sie fest, mein Bruder hatte einen Kratzer am Hals. Sie machte daraus, ich hätte versucht ihn aufzuhängen. Ich war echt überfordert, wusste nicht was sie wollte. Später wollte ich meine Großeltern besuchen, durfte nicht ins Haus, weil ich ein Mörder wäre. Mein Opa und mein Onkel haben mich, ein 6jähriges Mädchen, durchs Dorf gejagt und geschrien ich wäre ein Mörder und hab versucht meinen Bruder umzubringen. Ich erzähle das hier zum ersten Mal, aber mein Herz schlägt bis zum Hals. Es war noch so viel...

    Mit 14 lernte ich meinen ersten Freund kennen, kam in einen guten Freundeskreis, was mich wahrscheinlich gerettet hat. Bin dann zu ihm gezogen, was meine Eltern nicht wirklich interessiert hat und hab mich ab da selbst erzogen. Abi mit 1,2 gemacht, kam nix von deren Seite. Erzieherausbildung mit 1,2 als Bundeslandbeste bestanden, völlig egal. Hab alles selbst finanziert mit Bafög und immer Nachhilfe gegeben. Es war ein langer Weg, immer voller Selbstzweifel, aber heute sage ich, ich bin OK.

    Als mein Vater krank wurde hab ich jeden Tag nach ihm geschaut, als Opa immer kränker wurde hab ich die Pflege komplett übernommen bis zu seinem Tod. Nicht um Dankbarkeit von irgendwem zu bekommen, sondern für mich und man sollte in einer Familie füreinander da sein. Ich leite eine Kita und denke ich bin hoch angesehen bei Eltern, Träger und Team. Ich muss dort niemanden etwas beweisen, bin wie ich bin. Als meine Mutter krank wurde und beide Beine amputiert bekam war ich Tag und Nacht da, hab Urlaub genommen und mich komplett um alles gekümmert. Sie 2 Jahre danach war sie trocken und das war die Zeit, in der ich eine Mutter hatte. 2018 fand ich leider wieder Alkoholflaschen im Haus. Rief meinen Bruder an, bat ihn darum, dass wir mit ihr reden. Er wollte es alleine machen, bekam dann die Nachricht sie trinkt nicht und 2 Tage später wurden die Schlösser am Haus ausgetauscht und ich konnte nicht mehr rein. Ich spüre sofort wenn sie getrunken hat, mir reicht ein Blick. Ich hab schon früher versucht mit ihr zu reden, am Ende war ich immer die Dumme.

    Letzte Woche ist es eskaliert. Sie hat so einen Quatsch gefasselt, ich konnte einfach nicht mehr. Hab ihr gesagt, ich kann ihr nicht mehr Helfen, ich geh dabei kaputt und bin gegangen. Mir war bewusst was sie jetzt wieder über mich erzählt, aber was ich erleben müsste ist unglaublich. Oma hatte einen künstlichen Darmausgang, hab immer alles stehen und liegen gelassen wenn was war, hab Radtouren abgebrochen und bin mit Höchstgeschwindigkeit heim gefahren usw. Mein Onkel und die Tante, die im Haus wohnen, sind die einzigen, mit denen ich mich wirklich gut verstehe, zu allen anderen hab ich eigentlich kein Verhältnis, weder gut noch schlecht. Als es Oma vor 2 Wochen plötzlich richtig schlecht ging, rief er mich an. Leider war ich nicht da, war aber sofort bereit nach Hause zu fahren. Er meinte, er rufe erstmal den Notarzt, ich soll nicht fahren, er hält mich auf dem laufenden.

    Und wo waren die anderen Söhne? Ausflug auf eine Hütte, obwohl sie wussten wie es Oma ging. Als sie heim kamen würde Oma gerade in den Krankenwagen geladen. Störte sie wohl nicht, sind dann nach Hause gefahren, beide Rentner ohne Verpflichtung. Meine Tochter kam letzte Woche aus Amerika wieder, wollte Oma auch nochmal sehen, Dank meines tollen Teams konnte ich mir den Donnerstag freischaufeln für den Besuch. Hab bei jedem Besuch vorher gefragt, ob es allen passt und hab immer zurûckgesteckt, obwohl es für die anderen sicherlich leichter ist, sich frei zu nehmen oder sie Rentner sind. Am Mittwoch kam der Anruf meiner Tante aus Freiburg, dass sie morgen ins Krankenhaus wollen, ich soll nicht gehen. Hab erklärt, dass es mir wegen meiner Tochter echt wichtig ist und ich mir frei genommen habe. Gerne gehe ich nur 10 Minuten rein und überlasse ihnen die restliche Zeit. Nein, wollen sie nicht. Hab dann direkt gefragt was. Los ist, ob sie mit meiner Mutter gesprochen haben, sie sollen aber bitte fair bleiben und auch meine Seite hören ich kann alles erklären.

    Ihr könnt euch nicht vorstellen wie schwer es mir gefallen ist sie um Hilfe zu bitten, weil Mama wieder trinkt. Ich hab noch nie mit jemanden darüber gesprochen und in der Familie erst Recht nicht. Sie hat mir gesagt ich bin eine Lügnerin und hat aufgelegt. Ich hab mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Als sie ins Krankenhaus kamen hab ich wirklich ganz normal mit ihnen gesprochen, mir wurde aber hintenrum immer wieder das Wort im Mund rumgedreht. Oma hatte an dem Tag einen schweren Schlaganfall und lag im Sterben. Hab den Arzt gefragt, ob ich sie mit heim nehmen kann, wiürde die Pflege komplett übernehmen, möchte niemanden mehr Arbeit machen. Wenn ihre Kinder sich anders entscheiden ist das für mich auch ok. Für den Arzt sprach nichts dagegen, Paliativärzte kommen nach Hause, sie wäre genauso gut versorgt. Leider musste ich dann hinnehmen, dass mein Onkel dem Arzt mitteilte, ich wäre nur die Enkelin und hätte hier nicht mitzureden. Seitdem gehe ich durch die Hölle, werde als Lügnerin beschimpft, ich sei psychisch krank und gehöre eingewiesen. Hab immer wieder versucht mich zu rechtfertigen, kämpfe mit so vielen Selbstzweifeln.

    Oma ist gestern verstorben, bekam es leider sehr spät gesagt, auf die Art und Weise will ich nicht eingehen. Hätte eigentlich nicht mehr zu ihr gekonnt. Bin trotzdem ins Krankenhaus gefahren, hab höflich gefragt und hab auch sofort akzeptiert, als sie sagten es geht leider nicht. Plötzlich rief sie mich zurück und meinte sie findet eine Möglichkeit. Es kamen dann 2 Schwestern von der Station, entschuldigen sich dass sie leider nicht viel Zeit haben, es wäre nur ein kurzer Blick möglich, wenn sie das Fach kurz öffnen. Hab gesagt. Dass ist für mich völlig ausreichend, ich weiß was sie zu tun haben und weiß das wirklich zu schätzen. Ich musste kurz vor der Tür warten. Als ich rein kam hatten sie Oma schön aufgebahrt, Kerze an und meinten ich kann mir alle Zeit der Welt lassen und wenn ich gehe kurz an der Rezeption bescheid geben, sie kümmern sich um alles. Ich war überwältigt und konnte mich in aller Ruhe verabschieden und mit gutem Gefühl gehen.

    Seitdem hagelt es hier weiter Beschimpfungen, Anschuldigen usw. Auch wenn viele sagen, ich soll es ignorieren, ich kann das nicht so stehen lassen. Gestern hab ich einen Teil der Familie blockiert, haben die es echt geschafft, über einen anderen Onkel, den ich eigentlich möcht, an mich ranzukommen und zu beschimpfen. Seitdem liege ich hier im Bett, hab für nix Kraft, kann nichtmal.richtig trauern, weil in meinem Kopf ständig die Frage nach dem warum kreist?

    Ich hab über keinen in dieser Familie je schlecht gesprochen, hab immer vermittelt, hab nie richtig zu dieser Familie dazugehört. Und es geht von diesem einen Verwandten aus, studiert aber Empathie kann man nicht lernen. Ein anderer Onkel kam zu mir, der mit psychischen Problemen zu kämpfen hat und auslöser bei ihm war auch ein Streit mit dem Onkel. Ich bin echt ratlos, such natürlich meine Fehler, aber kann es sein, dass dieser Mensch das bewusst macht? Sorry für den langen Text, hilft aber manchmal den Kopf etwas zu ordnen...

    Einmal editiert, zuletzt von Linde66 (23. Oktober 2023 um 10:24) aus folgendem Grund: Absätze eingefügt und die ganzen Orts- und Bundeslandnamen editiert.

  • Guten Abend Ende,

    willkommen bei uns in der Selbsthilfegruppe!

    Mein Beileid zum Verlust Deiner Oma!

    Da hat sich im Laufe der Jahre so vieles bei Dir angestaut und das sucht jetzt seinen Weg.

    Nimm Dir die Zeit zum Trauern und versuche die Vergangenheit jetzt erstmal ruhen zu lassen.

    Freunde kann man sich aussuchen, Familie nicht.

    Ich habe vor Jahren den Kontakt mit meinem Vater abgebrochen, weil er mir einfach nicht

    gut getan hat. Im Nachhinein wurde mir vieles klar, warum alles so gekommen ist.

    Manchmal muss man sich distanzieren, um klarer zu sehen.

    Und der Austausch mit anderen Angehörigen kann helfen.

    Ich lasse Dir den Bewerbungslink für den offenen Bereich unseres Forums hier.

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Anklicken und kurz etwas dazu schreiben. Nach der Freischaltung werden wir

    Dein Thema in den offenen Bereich zu den "Erste Schritte für Angehörige" verschieben.

    Ich wünsche Dir, dass Du etwas zur Ruhe finden und schlafen kannst.

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Guten Morgen,

    ich habe Dich für den offenen Bereich freigeschaltet und Dein Thema direkt dorthin verschoben. Du kannst Dich jetzt austauschen, jedoch bitte nicht in den ersten 4 Wochen bei den neuen Usern im Vorstellungsbereich.

    Hier geht es jetzt für Dich weiter :)

    LG Cadda

  • Herzlich willkommen, liebe Am Ende,

    als ich deinen Beitrag eben gelesen habe, wurde ich ganz traurig. Es ist unfassbar, was Menschen anderen Menschen antun. Und innerhalb der eigenen Familie ist es nochmal um ein vielfaches schlimmer.

    Ich finde es sehr mutig und einfach schön, dass du nochmal zu deiner Oma gegangen bist, dass du auch Abschied nehmen konntest. Das steht dir ja zu und ist für die Trauer sehr wichtig. Ich spreche dir mein herzliches Beileid aus.

    Was nun diese Menschen, vor allem deine Mutter, zu solcher Hetze gegen dich antreibt, weiß niemand außer sie. Und wohl einige Familienmitglieder. Ich kann dir nur sagen, dass es mit dir als Mensch überhaupt nichts zu tun hat sondern mit deiner Familie. Das ist sicher sehr schwer für dich, es zu glauben aber es ist so.

    Tatsächlich wirst du nur Frieden finden können, wenn du den Kontakt abbrichst. Denn wenn du auftauchst, beginnt sofort bei allen die Hetzjagd. Das hast du einfach nicht verdient. Warum also fällt es dir so schwer, diese Menschen einfach aus deinem Leben zu streichen? Es wird dir wohl nie gelingen, da wirklich ein Zusammenleben mit denen herzustellen. So traurig das auch ist.

    Hast du schon mal therapeutische Hilfe in Anspruch genommen?

    Liebe Grüße Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo AmEnde,

    herzlich Willkommen hier bei uns.

    Ich habe für die bessere Lesbarkeit Absätze in deinen Text eingefügt und sämtliche Ortsangaben und das Bundesland entfernt, damit du nicht zufällig erkannt wirst. Das würden die mit Kusshand wieder gegen dich verwenden. Bitte schreibe zu deiner eigenen Sicherheit hier so anonym wie nur irgend möglich.

    Ich komme aus einer Familie, in der nur eines wirklich geholfen hat: ABSTAND. Größtmöglicher Abstand.

    Abstand zur Familie wurde zur Nähe zu mir.

    Ich wünsche dir gute Entscheidungen. Die Frage nach dem "Warum" bringt dich keinen Millimeter weiter. Versuche es mal mit "wie". "Wie" kann ich genau jetzt genau hier für mich eine Verbesserung umsetzen?

    Das kann darauf hinauslaufen, daß du manches einfach mal einschlafen und ruhen läßt. Nichts mehr rechtfertigen, nichts mehr erklären. Einfach dein Ding machen. Ich schätze mal, deine Oma hätte sich das für dich gewünscht. Daß ihre Enkelin endlich ihr Ding macht.

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Vielen Dank für eure Worte! Ich merke gerade selbst, wie viel Durcheinander ich im Kopf habe und mich holen so viele Sachen ein. Normalerweise kann ich mich durchaus gut ausdrücken und bin eigentlich ein Recht reflektierter Mensch, der durchaus auch eigene Fehler erkennt. Aber im Moment geht nichts. War heute beim Arzt und habe mich krankschreiben lassen. Hab vorhin die Termine von meiner Tante für Beerdigung und Rosenkranz beten bekommen. Hab geantwortet, dass ich an nichts teilnehmen werde und mich auch nicht mehr äußern werde.

    Ich muss jetzt wirklich Kraft sammeln und wenn ich mich dem wieder Aussetzer geht alles von vorne los. Manches Ende kann auch ein Anfang sein, dauert zwar und tut weh, aber hoffentlich gehe ich gestärkt raus.

  • Hallo Ende,

    auch ich sende Dir mein herzliches Beileid zum Tod Deiner Oma. Wie gut, dass Du im Krankenhaus in Ruhe Abschied nehmen konntest.

    Dein Bericht macht auch mich betroffen. Solche Verdrehungen, Unterstellungen und Hetze sind furchtbar. Da hilft nur konsequenter Abstand.

    Auch wenn die Situation traurig ist, ist es schön und ermutigend zu lesen, wie Du für Dich sorgst, klare Grenzen ziehst und Dich distanzierst. Ich bin sicher, mit der Zeit wird die Kraft zu Dir zurückkommen.

    Lindes Rat, sich nicht zu mehr erklären, nicht zu rechtfertigen, funktioniert. Das ist zumindest meine Erfahrung. Mir kam es zu Beginn ein wenig ungewohnt vor und dann war ich erstaunt, wie wirksam es ist. Wenn kein Wohlwollen da ist, sind Erklärungen eh' für die Katz. Im Gegenteil sie bieten solchen Leuten nur neue Angriffspunkte. Andere Menschen, die einem wohlgesonnen sind, möchten zudem gar nicht, dass man sich dauernd für alles rechtfertigt. Für mich war es sehr befreiend und stärkend, das zu erleben.

    Komm erst einmal hier an.

    Liebe Grüße

    Siri

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