koda - Gefühlsmatsch.

  • Hallo zusammen,

    ich möchte mich kurz vorstellen, ich bin Ü40, und lebe zur Zeit mit jemandem zusammen, der sowohl schwer depressiv ist als auch einen heftigen täglichen Alkoholkonsum an den Tag legt. Dazu kommt ein mehr oder weniger umgedrehter Tag-/Nachtrhythmus, mit heftigen Schlafproblemen. Die habe ich mittlerweile aber teilweise auch, weil mich die Sorge um seinen Zustand oft weckt. Ich habe keine Kinder, und wir sind auch kein Paar, es gibt aber eine gemeinsame jedoch lang zurückliegende Historie.

    Er ist stark suizidgefährdet, zumindest spricht er öfter davon nicht mehr leben zu wollen. Mich macht das zunehmend ratlos, manchmal auch wütend, zuweilen auch ohnmächtig. Es gibt bessere und schlechtere Tage, aber auf Dauer jemanden in meinem Zuhause zu wissen und zu erleben, der sich in den Abgrund trinkt, ist keine Option für mich. Ich habe ihm das auch schon kommuniziert, auch wenn mich allein bei dem Gedanken, nicht mehr für ihn dazu sein grosse Schuldgefühle plagen. -Als sei ich die einzige die ihn dauerhaft vom Trinken abhalten könnte.

    Die momentane Lage spült auch wieder Erinnerungen an meine eigene Kindheit an die Oberfläche, einiges auch von dem ich gar nicht dachte, das es noch eine Rolle spielt. (Vater Alkohol/ Mutter sehr unglücklich, phasenweise depressiv und psychotisch). Ich hab mich zeit meines Lebens gegen eine Therapie gesperrt, auf die Gründe würde ich an anderen Stelle mal eingehen wollen. Ich bin ziemlich offen mit meinem engen Umfeld über das was gerade bei mir los ist, was die innere Anspannung zumindest zeitweise abmildert.

    Meine eigenen Gefühle kann ich auch grade kaum greifen, ausser vielleicht eine permanente Halb-Acht-Stellung. Wenn ich merke, dass er zu betrunken ist, ziehe ich mich zurück. Auf dem Weg nach Hause wird alles eng in mir, Gefühle die ich lange nicht hatte, die ich aber noch aus meiner Kindheit kenne. Soweit erst mal, wenn das hier ein Stuhlkreis wäre, würde ich fragen, ob ich mich zu euch setzen darf. Und jetzt durchatmen, und mir selbst sagen, es ist OK, das hier zu schreiben.

  • Hallo koda,

    herzlich willkommen. Das, was du beschreibst, liest sich nach Coabhängigkeit. Deine Vorgeschichte aus dem Elternhaus und seine Suchterkrankung passen zusammen wie Puzzleteile.

    Er weiß, ob nun bewusst oder unbewusst, wie er sich verhalten muss, damit du für ihn weiter funktionierst. Und du lebst dadurch in alterlernten Mustern.

    Es ist völlig okay, dass du das hier schreibst. Es gibt zu deiner Lebenssituation hier hunderte von ähnlichen wie deiner. Gut, dass du hier bist und dir Hilfe suchst.

    Liebe Grüße Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Guten Morgen koda,

    ich habe Dich für den offenen Forenbereich freigeschaltet. Du kannst jetzt überall schreiben, außer bitte in den ersten vier Wochen bei den neuen im Vorstellungsbereich.

    Hier im Angehörigenbereich gehts jetzt für Dich weiter. Ich wünsche Dir einen guten Austausch :)


    Schlimmes kopfkino manchmal, dann wieder flüchte ich von zuhause und lenk mich ab.

    Du schreibst, dass ihr kein Paar seid und auch keine Kinder habt. Was genau hält Dich davon ab, für immer zu "flüchten"?

    LG Cadda

  • Du lebst zur Zeit mit jemandem zusammen, Ihr seid kein Paar, keine gemeinsamen Kinder.

    Eine gemeinsame Historie und sei sie noch so eng gelebt, ist aber kein Grund, sich derart selbst schädigend zu verhalten - es geht Dir ja anscheinend sehr schlecht.

    Danach klingt es stark, denn Du hast ja schon belastende Symptome, die Du vorher nicht hattest. Er zieht Dich stark mit.

    Wie möchtest Du ihm helfen, wenn es Dir in der Konstellation gar nicht gut geht? : )

    Wenn jemand suizidal ist und das äußert, kann und sollte man -egal in welcher Beziehung- sofort Fachkräfte konsultieren, sprich Rettungswagen/Polizei, psychiatrische Ambulanz- bei jeder einzelnen Äußerung dazu. Es ist ein hohes Maß an Eigengefährdung gegeben. Da entscheidet auch nicht derjenige mit, der gerade in seinem Tunnel dazu krankheitsbedingt ist. Das ist auch kein "der Hausarzt/Psychiater weiß Bescheid und es läuft halt so halbseiden zuhause" - es gibt viele Optionen: Tageskliniken, stationär akut, ambulante psychiatrische Hilfen, das wäre eine akute Entlastung für Dich, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen? Er klingt hochgradig instabil, das musst Du nicht auf diese Art und alleine tragen, das ist schon eine Herausforderung für Fachpersonal. Suizidalität ist eine klare Grenze, denn tot hilfst Du ihm auch nicht mehr, hart ausgedrückt.

    Hast Du denn selbst Unterstützung? Therapeutische Begleitung?

    Woher kommen die Schuldgefühle- hast Du Dir das mal kurz angeschaut? Es gibt viele Gründe - und am Ende hält eigentlich keiner stand vor der Realität, wenn man sich mit dem Thema Co-Abhängigkeit, trauma-bonding Beziehungen und eigene Prägung/Erziehung mal beschäftigt. Wenn es Muster sind aus der Familie, eine Rolle, die man als Kind schon bekam, ist es vertraut - mit Liebe verknüpft- und das ist das extrem tückische daran. Es gibt auch immer Gründe, eine bestimmte Form der Hilfe nicht zu wählen, wer geht schon zum Arzt, wenn er dort vielleicht einst sein Trauma bekommen hat, Du sagst ja, Du willst/wolltest keine n Therapeuten. Manchmal kommt man aber am Ende der Kette im Leben nicht drum herum, muss dazu nur eine andere Gestaltung finden. Traumatische Erfahrungen lassen sich nicht wegdrängen- desto drängender werden sie gemeinerweise. Eigene Erfahrung, nach Versuchen des "Deckel drauf". Irgendeiner dreht die Herdplatte im Leben regelmäßig wieder an.

    Dieses "schlecht gehen" ist ja eigentlich eine klare Aufforderung/ein Alarmbutton Deiner Seele und Deines Körpers, das irgendwas gerade für Dich nicht gut läuft - ganz unabhängig von anderen und ihren Anforderungen an Dich / Bedürfnissen. Wenn Aktuelles Vergangenes hochspült, hat das ja oft Trauma-Gründe.

    Zu Kopfkino und Gedankenschleifen können Skills helfen, kann man sich suchen und üben, vielleicht wäre das etwas akut?

    Ich finde es toll, dass Du es hier her geschafft hast, man liest heraus, wie hoch belastet Du gerade bist, das tut mir sehr leid.

    Wenn man etwas Schlimmes im Leben wiederholt oder eine Wiederholung miterlebt, friert man als Reaktion oft ein und kann manchmal lange nur hilflos mittreiben. Man kann sich aber daraus befreien. Einfach ist es nie. Und lohnt doch jede Sekunde.

    Von Herzen alles Liebe

  • Liebe ava, da hast du den finger gleich auf mehrere wunde punkte gelegt. Ja, es stimmt, die schuldgefühle kommen aus alten mustern, das um jemanden kämpfen hab ich glaube ich ziemlich internalisiert. Jetzt kommen mir auch die tränen während ich hier schreibe. Ich habe ihn mit mühe zu einem besuch bei einer ambulanz überreden können, er bekam dort eine diagnose, die normalerweise eine sofortige einweisung nach sich gezogen hätte, aber er fällt statusbedingt durch alle raster. Ähnlich wie ein obdachloser, nur das er bei mir (noch) ein zimmer hat. Ich kann hier nicht zu viel schreiben, nur das das klassische geflecht aus arbeit, freunde, geld, partner, versicherungsschutz, familie nicht existiert. Seine äusserungen sind teilweise alarmierend, gestern meinte er er ist kurz davor den verstand zu verlieren. Ich habe aber bei aller dramatik eine entscheidung getroffen, in 2 monaten zieht eine freundin bei mir ein, was auch schon seit monaten im raum steht. Es war von anfang an nur als vorübergehendes obdach gedacht, allerdings sah es anfangs noch so aus, als könnte er sich selbst organisieren, und sein leben in die hand nehmen. Stattdessen gings steil bergab. Das alkoholprobrem habe ich auch unterschätzt. Bzw. mich überschätzt.

    Unterstützung erfahre ich hauptsächlich durch freunde. Das thema therapie ist wie gesagt eine baustelle. Aber ich merke wie mein alter widerstand dagegen bröckelt. Ich werde aber jetzt mal den sozial psychiatrischen dienst kontaktieren.

    Danke fürs mitlesen und deine lieben worte, bin etwas ruhiger jetzt. Und seit ich das auszugsdatum kommuniziert habe, schlafe ich etwas besser.

  • Ganz ehrlich - absolut super, Koda.

    Das Auszugsdatum ist Gold wert. Wirklich klasse und sicher nicht einfach. Halte das unbedingt. Er fällt nicht ohne Dich. Ziehe Dir diesen Schuh immer wieder aus.

    Es gibt Männerwohnheime, Akutpsychiatrien, Hilfeeinrichtungen teils speziell für "kein Raster, keine KV". (Wenn Du abschließend was für ihn tun willst, wären Infos von Vereinen, Hilfseinrichtungen niederschwellig gut, das nimmt vielleicht auch das Schuldgefühl, ihn quasi hilflos auszusetzen. Eigentlich gibt es auch für hilflose Personen ohne Versicherungsschutz niedrigschwellige Anlaufstellen/Hilfen/Behandlung.)

    Du hast aber getan, was Du konntest - bis zur Selbstaufgabe- und brauchst 0,0 Schuldgefühle zu haben, auch wenn das angetriggert wird. Einfach mal von außen und mir reflektiert, nur aus Deinem Text. Man muss sich manchmal erinnern, dass das -ich nenne das: "Trigger und Drüber"- ist.

    Dass das Gefühl einfach nicht daher kommt, dass alle objektiv auch massive Schuldgefühle hätten, sondern wir eben super sensibel, hochempathisch, kontrollliebend und negativ erfahren, traumatisiert sein können.

    Klare kleine Schritte und ein kleines Netz helfen, man darf auch scheitern, Rückschritte machen. Eine Freundin klingt gut, wenn ihr da quasi eine bessere Hausgemeinschaft bildet.

    Zum Thema Therapie ist das ein weites Feld, es gibt z.B. im Thema Trauma sehr sehr verschiedenes, vielleicht musst Du nur das richtige ausmachen und einen guten Moment erwischen. Eine Freundin in Nöten sagte auf gemeinsame Recherche immer, ja, aber wenn er nicht gut ist- ich will nur einen guten. Aktuell darf man froh sein, wenn man nicht 2 Jahre warten muss oder selbst zahlen kann. Das war auch eine Ausrede; erst probieren, dann urteilen und sich nicht von vorne herein blockieren. Sie hat bis heute keinen. Wer nicht geht, bewegt auch nicht.

    Ich finde, Du hast mit dem Auszugsdatum wirklich ein Zeichen gesetzt, vor allem an Dich! Für Dich! Dein Leben. Es wird besser. Nicht gegen ihn - für Dich. Verdient. Eigentlich -selbstverständlich-.

    Mach Dir einen schönen Sonntag!

    Alles liebe

    Einmal editiert, zuletzt von Ava (28. Januar 2024 um 10:32)

  • Ich zucke zusammen, wenn ich aneinanderschlagende Flaschen höre, kennt das jemand? Dann das obligatorische Bier in der Hand mittags, ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Ist schließlich sein Leben. Neulich hat er das Bier dann in meinem Beisein in den Abfluss gekippt, als hätte ich laut und deutlich gesagt, weg damit.

    Aber ich weiss genau, er hätte die Flasche nicht mal abgesetzt, wenn ich nicht im Zimmer gewesen wäre. Ich glaube fast, der Dunst zieht schon in die anderen Räume. GottseiDank ist er grad in seinem Zimmer und ich in meinem, das ist tatsächlich schwer zu ertragen, bzw. ich bin da die letzten Wochen sensibler geworden. Ich ertrage auch schwerer - mir gehts so schlecht tiraden, wenn ich vermute, daß es sich um Kater handelt. Bzw. muss ich auch nicht, ich gehe dann auf Abstand, werde kurz angebunden und gehe in mein Zimmer. Lässt sich aber finde ich schwer unterscheiden, die Not meines Gegenübers ist ja zwangsläufig an sein Trinkverhalten gekoppelt, jedenfalls seh ich ihn kaum je ohne Bier in der Hand.

    Wo sind meine Grenzen? Das muss ich mal noch genauer herausfinden. Trinken in meinem ZImmer? Ein No-Go. Trinken in der gemeinsamen Küche? Ist halt auch sein Space, also lass ich es zu. Die Rage beim Reden, das sich Hochpushen gabs jetzt auch ein paar Mal, birgt eine Unberechenbarkeit, die mich beunruhigt. Will nicht sagen ängstigt, weil dann müsste ich tatsächlich sofort die Reißleine ziehen, aber es gefällt mir nicht. Und ich dringe schwerer zu ihm durch. Als wäre alles viel zu laut, ohrenbetäubend, wie durch ein Vergrösserungsglas. Mit anderen Worten, ich möchte für ihn da sein, aber nicht jederzeit und auch nicht um jeden Preis.

    Der Co-Anteil in mir möchte Erfolge sehen, - durch meine Fürsorge gehts ihm besser. Totaler Quatsch, weiss ich auch. Emotional bin ich da aber noch nicht. Da trifft dann - Aurora hats auch schon geschrieben, ein Puzzleteil der Vergangenheit auf ein Puzzleteil der Gegenwart. Es ist verdammt vertrautes Terrain. Ein Mann der nicht klarkommt. Sich betäubt. Der sich dann öffnet, widerwillig, betrunken, ängstlich. Ich die mit den Lösungen, den Hilfsangeboten, dem offenen Ohr. Wenn ich das jetzt so schreibe, und in mich reinhorche, ist das ganz schön perfide. Wie sehr gehts da wirklich um ihn? Ich möchte gebraucht werden, so siehts aus, als Kind hab ich mir das nicht ausgesucht, und jetzt will ich sagen, ja gut jetzt auch nicht, aber das stimmt natürlich nicht, ich bin erwachsen, natürlich liegt es in meiner Hand.

    Mein Vater hat zumindest bis abends gewartet mit dem Trinken, ich glaube deswegen kam mir sein Verhalten auch nicht gleich auffällig vor, Stichwort Kind eines trinkenden Vaters, meiner hatte sich immer gut im Griff, die meiste Zeit habe ich ihn als Opfer wahrgenommen, es hat Jahre gebraucht, bis ich die Wirkung seines Verhaltens aus einer anderen Perspektive sehen konnte. Aber emotional passieren da andere Dinge offensichtlich. Das Opfer seiner Umstände, dieses Narrativ nervt mich zwar, gleichzeitig bin ich sehr empfänglich dafür, und werde von Beschützerinstinkten angeflogen.

    So ein paar Gedanken zu dem was mir grade so durch den Kopf geht. ist mehr so eine Art Diary geworden, ich hoffe das ist OK.

    Einmal editiert, zuletzt von koda (29. Januar 2024 um 16:13)

  • Hallo Koda,

    Trinken in der gemeinsamen Küche? Ist halt auch sein Space, also lass ich es zu.

    Mal ne kurze Frage zum Verständnis - es ist Deine Wohnung in der er (mietfrei?) untergekommen ist? Falls ja, Deine Wohnung - Deine Regeln. Sein Konsum stört dich massiv. Ich kenne diese sofortige körperliche Reaktion auf bestimmte Geräuschen. Das fühlt sich beschi**en an. Du musst es nicht aushalten. Sich nicht mehr für alles und jeden verantwortlich fühlen ist auch gerade mein Thema. Richte die Kraft, die du für ihn aufwendest auf Dich.

    sonnige Grüße Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • lütte69
    Ja, ist meine Wohnung. Eigentlich zahlt er Miete, wenn auch unregelmässig. Momentan traue ich mich allerdings nicht nachzufragen, weil in den letzten Tagen er wiederholt panisch wurde, wenn ich unangenehme Themen angesprochen habe. Und zur Zeit sind eigentlich alle Themen unangenehm, es sei denn man verlegt sich auf smalltalk. Eigentlich waren wir auch mal befreundet, fühlt sich aber grad gar nicht nach irgendwas auf Augenhöhe an.

    Cadda
    Ja, es ist mein Leben, und ich will diesen Zustand so schnell wie möglich anders haben. Weiß aber auch, das ich weder von heute auf morgen etwas verändern kann, noch das ich sofort aus der Situation herauskomme. Oder sagen wir mal, ich habe entschieden, das es noch die 2 Monate Frist gibt, damit er für sich eine Entscheidung treffen kann wie es weitergeht. (Wohlwissend, das ich mir mit dieser Frist auch die negativen Gefühle ins Haus hole). Ich habe abgewogen, mich gefragt, ob ich es für eine Zeitlang mittragen kann. Es ist schlimm, ihn so abdriften zu sehen, aber wenn ich ehrlich bin, dann war das wohl schon so, bevor er zu mir kam, und es wird vielleicht auch noch sehr lange weiter abwärts gehen. Das ist grad das woran ich mich halte, an mein Begreifen, daß meine Kapazitäten eine Grenze haben. Ich will mir selbst Kompass sein.

    Aber ach, ich bin traurig.

  • Du darfst doch traurig sein.

    Ehrlichkeit, Begreifen schmerzt manchmal so unendlich, weil man vielleicht endlich in dem Verstehen oder Gefühl angekommen ist: Es ist vorbei. Ich bin dazu, zu ihm, zu dem Thema nicht mehr die gleiche. Vielleicht resigniert und unwiderruflich doch ein Stück mehr in der Realität der Veränderung angekommen.

    Nicht perfekt, aber eben ein anderes Gefühl, was durchbricht. Irgendwann gehen Emotionen mehr und mehr, zumindest war es hier so. Kein Drama mehr abendelang inszenieren. Aussprechen, machen.

    Wenn der andere das wahrnimmt, schlägt es wohl bei vielen oft um - hier von Geringschätzung und völligem Unterschätzen zu purer emotionaler Gewalt.

    Vielleicht brauchst Du diese 2 Monate einfach noch. Das darf doch sein, finde ich. Wir bekommen sowieso keinen roten Teppich ins "neue" Leben, da darf es wenigstens ein Regenschirm sein.

    Alles liebe

  • Guten Abend Koda,

    willkommen in unserer SHG und mach es Dir bequem in unserem Stuhlkreis - gut dass Du hierher gefunden hast :)

    Ich stelle es mir sehr sehr anstrengend vor, mit einem depressiv-Süchtigen unter einem Dach zu leben .... Grundsätzlich finde es super, Freunden die in Not sind, zu helfen und sie zu unterstützen, aber dabei selber die Grätsche zu machen kann ja nicht der Sinn der Nächstenliebe sein.

    In der Sucht ist es genau andersrum mit der Hilfe, wie im "normalen" Leben: Hilfe durch Nichthilfe. Hast Du mal darüber nachgedacht, dass Du durch Dein Verhalten sein Leid verlängerst? (damit meine ich nicht, dass Du schuld an seinem Zustand bist!) Aber warum sollte er etwas in seinem Leben ändern? Er hat ein Dach überm Kopf, wahrscheinlich eine warme Dusche, etwas zu essen im Kühlschrank , er kann trinken soviel er will, er jammert Dich voll und selbst die Miete darf er Dir sporadisch zahlen - warum soll er aus diesem Paradies aussteigen?

    Ich wünsche Dir , dass Dein Freund sich daran hält, in 2 Monaten auszuziehen. Hast Du schon einen Plan B, was Du tust, wenn er nicht auszieht?

    Viele Grüße Martha

    Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten ...

  • Guten Abend.

    Er muss. Es gibt ja einen Stichtag, und eine Nachfolge für sein Zimmer.

    Aber ich will mir gar nicht ausmalen, was bis dahin alles sein kann, oder danach. Seine Antriebslosigkeit hat ihn in ziemliche Bedrängnis gebracht. Wieviel hat ein Mensch denn selbst in der Hand? Vielleicht ist er auch tatsächlich in einer verrückten Schraubzwinge gefangen, aus Umständen, Sucht, und psychischer Erkrankung, die das Wollen in so unerreichbare Ferne rückt.

    Aber ich lass das jetzt bleiben, all mein Rufen und Warnen, Ziehen und Drücken hatte nicht die erwünschte Wirkung. Im Gegenteil.
    Wie ein Kind habe ich mir vorgestellt, wenn ich nur ganz fest dran glaube und immer wieder ausspreche, dann ist doch klar, was zu tun ist, je eher je besser. Aber das hier sind schwere Gegner. Sucht. Depression. Nix davon geht einfach weg, wenn man nur Tacheles redet und es dann gemeinsam angeht.
    Ungefähr so, als wollte man einen Baum mit blosser Hand aus der Erde reißen. Seit er mir signalisiert hat, daß Hilfsangebote, und seien sie auch noch so niedrigschwellig, nackte Panik auslösen, bin ich still geworden, und sehr nachdenklich. Und grade versuche ich den Gedanken auszuhalten, daß es vielleicht nicht gut ausgehen könnte.

    @Marta Plan B - nein, den hab ich nicht. Ich gehe aber auch nicht davon aus, das er sich weigern wird. Wenn ich den worstcase denken kann, ohne sofort in Aktionismus zu fallen, dann kann ich ihn glaube ich auch gehen lassen. Bestcase zu denken fällt mir leichter, das kann ich euch sagen.

    Ava , die sog. Profis denke ich jetzt zumindest für den Ernstfall mit, alles andere liegt in seiner Hand.

    Das Schreiben hier hilft. Lesen auch. Eure Worte hier, danke dafür.

    Einmal editiert, zuletzt von koda (31. Januar 2024 um 00:59)

  • Liebe Koda,

    natürlich macht vieles Panik. Es gehört nur halt auch dazu, damit umzugehen (zu lernen). Dann muss er durch das Gefühl, eine Attacke durch. Wir können beruhigen, Tüte organisieren, RTW rufen.
    An Panik sterben die wenigsten direkt.

    Er ist auch Vermeidung, sie wird aber nun ja nicht mehr lange greifen, wenn Du es ernst meinst.

    Es klingt, als wäre es auch sehr für Dich ausgesprochen. Gibt es Plan B oder schaffst Du es, wenn nichts passiert ist (was wahrscheinlicher ist), ihn quasi mit den Kartons des nächsten Einzugs rauszusetzen? Beim ersten Tag auf Matratze oder Couch zu dritt, hast Du ja eigentlich verloren.

    Wenn Du Dir wirklich schlimne Sachen ausmalst oder Schlimmes befürchtest, ist Deine Belastungsgrenze doch eigentlich schon akut erreicht, oder? Bist Du denn irgendwo angebunden, bekommst Hilfe?

    Wenn es ihm mental zu schlecht geht, er suizidal ist, hat das nichts mehr mit Fairness, Absprachen, schlechtem Gewissen, Panikreaktion von ihm zu tun. Dann gehört er wirklich direkt versorgt, RTW, Ambulanz. Und Du musst Dir auch nicht den Schuh anziehen, Du wärst für Versicherungsstatus und Co zuständig oder musst ihn wieder mitnehmen und umsorgen. Einen Sozialdienst gibt es in Häusern auch. Es ist sicher schwieriger, sich abzugrenzen, weil überall Not und Mangel herrscht.

    Alles liebe

  • Hallo Koda,

    Aber das hier sind schwere Gegner. Sucht. Depression.

    Alkohol und Depression gehen oft Hand in Hand. Eine Depressionstherapie kann aber auch nur dann etwas bewirken, wenn vorher die Sucht behandelt wird. Er muß für die Depressionsbehandlung einen klaren Kopf haben. Das gilt sowohl für die medikamentöse als auch für die psychotherapeutische Begleitung. Du kannst also nichts tun, außer im Notfall einen Rettungswagen holen. Weiß denn der behandelnde Psychiater von seiner Alkoholsucht?


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Guten Morgen, ein Update. (Für mich auch, ich les mir meine eigenen Sachen hier auch noch mal durch.)

    Eingebettet in eure Antworten ist das irgendwie beruhigend. Es gibt einen Rahmen, oder nee, den Online-Stuhlkreis, das ist toll. - Tagebuch schreibe ich aber auch noch, da kann ich dann noch mal anders reflektieren, mich auskotzen, und das lese ich mir auch meistens nicht noch mal durch, ist eher zum loswerden.

    Die Frage nach der eigenen Grenze hat mich auch meine Kräfte befragen lassen.
    Ich kann ja niemandem eine Stütze sein, wenn es mir selbst nicht gut geht.
    Nachdem er mir signalisiert hat, daß meine Hilfsangebote einen immensen Druck ausgelöst haben, hat mich das erst mal ziemlich vor den Kopf gestoßen. Zurückweisung, die sich gegen mich richtet, so empfand ich das in dem Moment.
    Und daran merke ich dann auch, daß es in der Co-Abhängigkeit neben dem Suchtmittel des Helfens immer auch um einen selbst geht.

    Jetzt überlege ich, wie ich mir das restliche Zusammenleben vorstelle.
    Das habe ich mir vorgenommen:
    Hineinhorchen in mich, und zwar jeden Tag, wie es mir geht. Fühle ich mich nicht wohl,
    dann aus der Situation rausziehen. In mein Zimmer, oder, wenn es meine Zeit zulässt, Freunde draußen treffen.
    Ich bringe nicht mehr so gerne Freunde mit nach Hause, um der unangenehmen Situation aus dem Weg zu gehen,
    daß er betrunken sein könnte, (ist er meistens, aber dann noch so daß man es merkt, das stresst mich zusätzlich).
    Langfristig: ich möche so entspannt wohnen, daß ich gerne Menschen zu mir einlade.
    Auch ein Grund, wieso ich die Situation mit ihm zeitlich begrenzen muss, für mich.
    Eine Falle, für mich definiere ich sie zumindest als solche, ist daß ich, wenn ich mich als Zentrum aus den Augen verliere, auch die Gestaltungshoheit über Stimmungen abgebe. Und damit meine ich eine Stimmung im Raum. Setze ich selbst eine, fühlt es sich anders an, als wenn ich wie ein Seismograph eine vorhandene aufgreife und mich entsprechend schlecht fühle, wenn sie so negativ ist. (Das wäre sozusagen meine Co-Flasche, die ich dann ansetze, bildlich gesprochen. Das perfide ist ja, das es sich durch meine Prägung erst mal irgendwie ok (und vorallem auch empathisch anfühlt), und Mitgefühl und Nächstenliebe ist vertrautes Terrain. Gleichzeitig fühlt es sich aber auch nicht ok an, weil ich spüre, dass sich die Auswirkungen gegen mich richten können. Also: Seismograph ja, aber das Einmessen von Stimmungen, und Gefühlen vorrangig bei mir selbst. Dann schauen, was um mich herum passiert.
    Durchatmen, mich sehen und spüren, und schauen, was ich brauche. Und heute heißt das, ein Tag für mich.
    Kino. Meine Arbeit. Musik, und ein bisschen Schreiben. Rausgehen, auch wenns grau ist. Ich schlaf grad besser.

    Einmal editiert, zuletzt von koda (2. Februar 2024 um 13:25)

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