"Ich bin Alkoholiker/in" - korrekte, aber für viele schwierige Aussage?

  • Nachdem gerade mal wieder die Diskussion in einem Vorstellungsfaden aufkam, setze ich jetzt in die Tat um, was mir schon länger vorschwebte: ein eigener Faden zu diesem Thema, gerade auch für die Neulinge zum Nachlesen. (Ich hoffe, das ist ok.)

    Dabei geht es um zwei Fragen, die nicht vermischt werden sollten:

    a) INNERHALB des Forums: das klare Bekenntnis, Alkoholiker zu sein, als nicht verhandelbare Voraussetzung für die Teilnahme.

    Warum reiben sich manche so sehr daran, dass sie lieber auf diese Chance zur Selbthilfe verzichten, als sich selbst - unter ihresgleichen wohlgemerkt - Alkoholiker zu nennen?

    b) AUSSERHALB des Forums, oft unter dem Schlagwort 'Outen" betrachtet: der individuelle Umgang mit der eigenen Sucht in der Welt "da draußen", privat und beruflich, auch vor dem Hintergrund der Risikominimierung.

    Hier sind im Forum wohl so ziemlich alle Varianten vertreten, die es zwischen "ich sage es allen" und "ich sage es keinem" gibt, und für alles gibt es Argumente pro und contra.

    PS: Gern können hier auch Zitate aus der aktuellen Diskussion eingefügt werden, die bemerkenswert erscheinen.

  • Hallo Rennschnecke

    Ich habe das Thema mal hier in diesen Bereich verschoben, da es um einen Begriff und nicht um dein Weg geht.

    INNERHALB des Forums: das klare Bekenntnis, Alkoholiker zu sein, als nicht verhandelbare Voraussetzung für die Teilnahme.

    @all. Ist in Stein gemeißelt, und es wird auch so bleiben.

    Hier sind im Forum wohl so ziemlich alle Varianten vertreten,

    Nicht die Erkrankung steht im Mittelpunkt, sondern der Wunsch, mit der Umschreibung sein Selbstbild zu bewahren. Jeder hat Bilder von Alkoholikern im Kopf, die er mit diesem Begriff assoziiert und die seine Wahrnehmung prägen

    Wer sich jedoch über die Begrifflichkeiten aufregt, zeigt oft eine tiefere Abwehrhaltung gegenüber seiner eigenen Realität.

    AUSSERHALB des Forums, oft unter dem Schlagwort 'Outen" betrachtet:

    „Wenn jemand sagt: "Ich muss mich outen", bin ich sofort wach. Dieses Wort verheißt Drama, Bruch, Wahrheit. Ein Aufruf zur Aufmerksamkeit. Doch im Zusammenhang mit Krankheit irritiert es mich. Krankheit ist kein Geheimnis, keine Enthüllung, kein Tabubruch. Sie braucht keine Bühne.

    Aber das ist wieder ein anderes Thema. Hier geht es um das eigene Unbehagen beim Wort Alkoholiker.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

    Trocken seit 2007

  • Ich verstehe die ganze "Diskussion" überhaupt nicht. Ich melde mich hier im Selbsthilfe-Forum für Alkoholiker an. Dann muss ich mich doch vorab damit auseinandersetzen und zwangsläufig für mich feststellen, dass ich genau das bin. Ein ALKOHOLIKER. Anfangs dachte ich, hier wird mir geholfen. Schnell habe ich erkannt, dass ich mir selbst helfen muss und dafür sehr viele Alkoholiker an meiner Seite habe, die mich dabei unterstützen können.

    Außerhalb des Forums ist es anfangs nicht ganz so einfach zu sagen: "Ich bin Alkoholiker ". Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele dies überhaupt nicht hören wollen und mir erwidert haben: "Du bist doch kein Alkoholiker". Ich antworte mittlerweile: "Doch, genau das bin ich". Häufig bemerke ich dann, dass ein Nachdenken bei meinem Gesprächspartner einsetzt. Warum wohl?

    Aber egal! Eins habe ich ganz schnell begriffen. Eintrittskarten gibt's hier ausschließlich für bekennende Alkoholiker, wie es am EC Automaten nur Geld mit einer gültigen PIN gibt. Und das ist gut so.

    „Nüchtern zu leben heißt, der Wahrheit standzuhalten – nicht dem Wunschtraum.“

  • Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele dies überhaupt nicht hören wollen

    Ich kenne das nur zu gut.

    Manche reagieren ganz entspannt, ohne groß darüber nachzudenken, während andere wie vom Blitz getroffen wirken, weil sie plötzlich mit ihrem eigenen problematischen Trinkverhalten konfrontiert werden.

    Und dann gibt es die alten Saufkumpanen. Für sie war ich weniger jemand, der sich weiterentwickelt hat, sondern eher ein verlorenes Mitglied ihrer Stammtischrunde. Sie wollten mich zurückholen, nicht aus Sorge, sondern weil mein Weg ihr Gefüge aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, ein Teil der Gruppe fehlte. Einer weniger, hinter dem sie sich verstecken konnten.

    Alkoholiker sind doch nur diejenigen, die verwahrlost, vollgepisst und besoffen, ungepflegt am Bahnhof herumlungern, pöbelnd Geld fürs Saufen erbetteln, andere belästigen und einfach nur peinlich wirken.

    Das sind die „echten“ Alkoholiker – willensschwache Menschen, die auf Kosten der Gemeinschaft leben. Die gehören doch zwangsweise eingewiesen, denn sie stören zudem das heile Weltbild, das die Alkoholindustrie in ihren Hochglanzmagazinen darstellt.

    Oder sehe ich das falsch? Sonst dürfte es ja kein Problem sein, sich als Alkoholiker zu bezeichnen, oder?

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

    Trocken seit 2007

  • Hartmut Du hast den berühmten Nagel so was von auf den Kopf getroffen. Deine Ausführung könnte sogar das Schlusswort unter diesem Thread sein. Was soll da noch dazugefügt werden?

    „Nüchtern zu leben heißt, der Wahrheit standzuhalten – nicht dem Wunschtraum.“

  • Was soll da noch dazugefügt werden?

    Weil es nicht mein Thread ist :mrgreen:und ich es begrüße, wenn User von sich aus Themen aufmachen, die sie interessieren.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

    Trocken seit 2007

  • Die Bilder im Kopf, die im laufe der Zeit entstanden sind gelten als gegeben.

    Jeder ,der nur einfache Definition, die einfach übernommen werden, kennt das.

    Das ist so.und schon sind Alkoholiker abgestempelt,definiert,ganz kurz und bündig.

    So dachte ich jahrelang selbst und da will ich ja nicht dazugehören. Bin ich nicht.

    Die medizinische Seite und Erklärung und Definition wird nicht berücksichtigt.

    Seit 1968 gilt Alkoholismus als Krankheit.

    Ist bei den meisten noch nicht angekommen. Täglich sterben etwa 200 Menschen an den unmittelbaren Folgen ihrer Krankheit.

    Wird nicht wahrgenommen. Ignoriert.

    Bei mir hat es sehr lange gedauert, bis ich das eingesehen habe.

    Die tausendfachen Bemühungen aber jetzt weniger zu saufen, mich nicht mehr gehen zu lassen, auf die bremse zu treten, nicht mehr so viel oder so oft über die Stränge zu schlagen, waren nicht möglich, nicht durchzuhalten, einfach nicht machbar.

    Einzige mögliche Schlussfolgerung:ich bin alkoholkrank geworden, ich bin Alkoholiker.

    Wie komme ich da raus?

    Einzig die absolute Abstinenz hilft.

    Wege gehen, die ich nicht wollte, trotz Scham unabhängig davon was andere dachten oder lachten.

    Mache ich heute noch so und es ist gut für mich. Das trockene Leben ist vielmehr als nur nicht trinken.

    Ich bin Alkoholiker, na und.

    Die Befreiung ist täglich spürbar, erlebbar.

    LG Bolle

    Der Weg ist das Ziel(Konfuzius)

    Seit 1.1.2014 trocken

  • Und genau deshalb bin ich der Überzeugung, dass es kein Problem sein sollte, sich hier als Alkoholiker zu "bezeichnen". Dieser Erkenntnisprozess beginnt meiner Meinung nach auch nicht mit der Anmeldung. Ich denke, dazu habe ich mehrere Jahre gebraucht und mich als Ergebnis dessen hier angemeldet.

    „Nüchtern zu leben heißt, der Wahrheit standzuhalten – nicht dem Wunschtraum.“

  • "Ich bin Alkoholiker, na und?"

    Eine forsche Aussage.

    Eine Freundin von mir aus der Transplantationsgruppe, ebenfalls lebertransplaniert wegen Alkohol hatte einen laufenden Kredit bei der edit ..

    Aufgrund ihrer schweren Erkrankung und EU-Rente hatte sie den Antrag auf Erlassung ihres Restkredites bei der edit gestellt,

    Da die Lebertransplantation wegen einer Alkoholerkrankung erfolgte, wurde der Antrag abgelehnt. Trotz Gutachten von der Klinik usw.

    Bei Alkohol zahlen wir nicht!

    Du bist mitunter nur Verlierer in diesem Spiel. Hier unter der Käseglocke nicht. Da ist alles fein.

    Aber wenn es um Konsequenzen des Alkohol im sozialen Leben geht, sieht es anders aus. Aber Gott sei Dank ist davon in dieser Gruppe niemand betroffen, sonst wäre das Verständnis etwas besser, wenn man die Gesamtschau des Folgen des Alkohols betrachten würde.

  • Disziplin

    Die Restschuldversicherung ist ein ganz einfaches Vertragsrecht, in den Bedingungen aufgelistet. Du kannst den Grund für die Transplantation bei der xy Bank sicher verschweigen. Ein Gutachten benötigen die trotzdem. Damit kommt der Grund dann doch zur Sprache. Wem willst Du dafür die Schuld geben? Geld geliehen, unterschrieben (eventuell damals die Alkohol Abhängigkei bei der Kreditaufahme nicht mit angegeben), damit hängt Deine Freundin drinnen. Klingt sicherlich sehr kalt, ist aber leider die Realität.

    Ich sehe den Zusammenhang zwischen Restschuldversicherung, Bank, Alkoholiker, Transplantation, Verständnis im Forum und Käseglocke nicht.

    „Nüchtern zu leben heißt, der Wahrheit standzuhalten – nicht dem Wunschtraum.“

  • Hier, in der Anonymität des Forums, fällt es natürlich wesentlich leichter, sich als Alkoholiker zu bezeichnen.

    "Draußen" ist dies nicht ganz so einfach. Vor allem im beruflichen Bereich kann ein Outing existenzbedrohend sein, weil - auch wenn die Realität eine ganz andere ist - in der Gesellschaft in manchen Sparten Alkohol bzw. die Alkoholabhängigkeit im Grunde ausgeblendet (ignoriert) wird. "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf", so geht doch der Spruch. Dass dies eine zum Himmel schreiende Scheinheiligkeit ist, versteht sich von selbst. Aber es ist tatsächlich so: Jemand, der zu viel trinkt, hat in meiner Branche im beruflichen bzw. geschäftlichen Umfeld nach außen hin einen schweren Stand. Dass intern ungeachtet dessen viele ein ganz massives Alkoholproblem haben, ist ein offenes Geheimnis, aber sagen (zugeben) darf man das bloß nicht. Dann ist man ja nicht mehr Teil der heilen oder überkorrekten Welt (oder wie immer man das bezeichnen mag)...

    Und auch trockene Alkoholiker haben es hier nicht unbedingt leichter, weil die Vergangenheit einem ja anhaftet. Da ist ja immer mit einem Rückfall zu rechnen, nö, so jemand passt nicht "zu uns" (und wieder: wobei hier selber so manch Scheinheiliger weit mehr als gesund ist trinkt).

  • Die Rechtsschuldversicherung kann bei schwerer Erkrankung die Restschuld übernehmen. Macht sie meistens auch, aber nicht bei Alkohol. Musst dich mal genau informieren, obwohl Alkohol eine anerkannte Diagnose ist.

  • Bei Alkohol zahlen wir nicht!

    Nun habe ich die Namen des Kreditinstituts editiert. Bitte keine Namen nennen, danke.

    Zweifelhaft, da ich mich in der Finanzbracnhe auskenne und viel damit zu tun hatte und die Regularien kenne, weshalb solche Behauptungen für mich fragwürdig erscheinen. Wenn schriftlich als Begründung mitgeteilt würde, dann wäre alles gut. Denn es ging ja um einen Erlass und nicht um eine Neuaufnahme des Kredites.

    Ich würde auch keinem, der noch säuft einen Kredit geben, da, sagen wir mal, die Zahlungsmoral von seinem Konsum abhängig ist. Aber ich kenne auch keinen bekennenden Alkoholiker, der zur Bank geht und sich als solcher outet. Alles ein bisschen dubios.

    Aber das ist doch nicht der Punkt. Hast du selbst negative Erfahrungen gemacht oder nur davon gehört?

    Hier geht es jedoch erstmal um die Begrifflichkeiten, wie ich mich sehe, bekenne und um meinen Selbstschutz. Oute ich mich im Lokal, bekomme ich keinen Alkohol im Essen. Oute ich mich bei nahestehenden Freunden, passen sie auf mich auf, dass ich nichts trinke.

    Natürlich gibt es Menschen, die es als Rechtfertigung sehen und negativ bewerten. Ja, diese Idioten, die das Stigma im Kopf haben, existieren aber darüber spricht niemand. Doch es wird sich nie ändern, wenn niemand darüber redet.

    Es handelt sich jedoch nicht um die Mehrheit, sondern um Einzelfälle. Zumindest ist das meine Erfahrung. Natürlich wird es schwierig, wenn ich mich ständig ducke, mich selbst als Stigma sehe und nicht den Mut aufbringe, dagegen aufzustehen.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

    Trocken seit 2007

  • Im Endeffekt obliegt es ja mir selbst zu sagen, dass ich keinen Alkohol trinke. Das muss ich absolut niemandem auf der Welt begründen. Meine Freunde werden fragen warum auf einmal. Dann werde ich die entsprechende Antwort geben. Fremden geht's einen alten Sch... an, wenn ich der Meinung bin. Ich muss für mich wissen: "Alter, du bist Alkoholiker. Pass auf was Du tust!"

    „Nüchtern zu leben heißt, der Wahrheit standzuhalten – nicht dem Wunschtraum.“

  • erst einmal, schön das es hier weiter geht.:thumbup:

    " wenn es aussieht wie eine ente, schwimmt und quakt wie eine ente, ist es wahrscheinlich eine ente." oder doch nicht?

    ich hoffe das die analogie ersichtlich ist;) mir persönlich ist, das was andere denken, völlig egal. ich bin nicht auf der welt um anderen zu gefallen oder ihnen die welt zu erklären. ich bin "alki" und punkt! was gibts da zu beschönigen? neue wortschöpfungen helfen einem nur in seiner eigenen "komfortzone" und bringen dich keinen meter weiter. aber ganz ehrlich, man hat sich selbst in diese situation gebracht, also muss man da auch allein wieder raus. wieviele peinlichkeiten gab es zu den "nassen" zeiten, die man öffentlich zu schau gestellt hat (und davon kann jeder alki ein lied singen), um jetzt mit neuen wortkreationen hausieren zu gehen? nö, nicht mein ding8)

    aber das ganze thema betrifft nicht nur den "alkoholiker", auch andere krankheiten, behinderungen, gerade die psychosomatischer natur, trifft es genauso! es liegt in der natur der sache, das der mensch ist wie er ist. der weg des geringsten wiederstandes. warum sich informieren, mit vorurteilen lässt sich doch viel besser arbeiten. zumindest solang es einen nur nicht selbst trifft:/

    aber ungeachtet dessen, geht euren weg, trocken zu bleiben:idea: man merkt schnell, im laufe der zeit, wer interesse hat und wer nur peinlich berührt in die andere richtung schaut. das sollte aber nicht euer maßstab sein und schon garnicht den erklärbär zu machen für leute die es nicht interessiert. bleibt stark!


    grüsse eternal (bekennender alkeholiker/alki/...)

    Perfer et obdura, dolor hic tibi proderit olim.

    ("Ertrage und halte durch, dieser Schmerz wird dir einst nützen")

    (Trocken seit 26.03.2009)

  • Ich finde, dass im Vorstellungsbereich sehr oft rumgedruckst wird. Da kommen laufend Aussagen wie "problematischer Gebrauch", " Alkoholproblem", "nur psychisch" und so weiter.

    Also einmal konstatieren zu müssen, ein Alkoholiker zu sein, das macht das Problemchen dann zu dem Problem, das es tatsächlich auch ist und daran scheitern dann einige. Also ich finde es goldrichtig, das so zugeben zu müssen, denn das hat auch etwas Befreiendes und trägt zur Lösung bei.

    Nun denn, ich bin eine Alkoholikerin, weiter geht's.....

  • Es sind nun mal wirklich zwei unterschiedliche Themen.

    Ich habe mich jahrelang um die Selbstbezeichnung Alkoholiker gedrückt. Aber die Sucht ist ja ein Teil von mir und der Versuch diesen unliebsamen und schambehafteten Teil abzustoßen führt zu einem unfassbaren Spannungsfeld, unweigerlich zum Scheitern verurteilt und in seinem Ziel unmöglich zu erreichen.

    Erst mit der Kapitulation (wie es bei den AA glaube ich heißt) oder der Akzeptanz löse ich dieses Spannungsfeld auf und gebe mir die Handlungsfähigkeit zurück. Und Worte besitzen eine Macht, der Satz "ich bin Alkoholiker" fiel mir so schwer weil er eine Wahrheit enthielt, welche ich nicht wahrhaben wollte.

    Ein Garant für Abstinenz ist es natürlich keineswegs aber es ist der erste Schritt. Selbstverständlich habe ich Verständnis und Mitgefühl für die User, welche sich im Vorstellungsbereich damit noch schwer tun. Aber gleichzeitig ist mir als Alkoholiker die Bedeutung dieses Satzes und die Abfrage dieser Selbstwahrnehmung vollkommen klar.


    Außerhalb des Forums kann natürlich jeder im Rahmen seiner Risikominimierung selbst entscheiden wie er mit seiner Erkrankung umgeht. Ich werde einen Teufel tun und das meinem Arbeitgeber auf die Nase binden. Aber sehr gute Freunde, Familie und natürlich alle Ärzte wissen davon. Da wo ich meine Abstinenz nicht gefährde, ist das meine persönliche Sache. Ich bin allerdings auch noch nicht in eine Situation geraten in welcher schonungslose Offenheit eine notwendige Maßnahme zur Risikominimierung gewesen wäre. Insofern kann ich da nicht mitreden...

  • Ich bin da total zwiegespalten, was die Offenheit außerhalb des privaten Bereiches angeht. Einerseits fände ich toll, wenn mehr Menschen offenen über ihre Sucht in der Öffentlichkeit sprechen würden- einige Promis machen das vor.
    Andererseits fehlt mir oft der Mut und ich fürchte doch anders beurteilt zu werden.

    Das ist feige - weiß ich. Denn eigentlich kann sich das Bild vom völlig entgleisten Alkoholiker nur verändern, wenn es alternative Beispiele gibt.

    Ich hatte eine Sportlehrerin die uns Schülern völlig offen gesagt hat ‚ich bin trockene Alkoholikerin- bei Kurstreffen bitte keinen Alkohol auch nicht im Kuchen o.ä. Danke‘. Das hat mich damals beeindruckt. Denn diese sportliche, fröhliche Frau assoziierte ich nicht mit meiner jugendlichen Sicht auf das Thema- obwohl ich damals selbst schon sehr viel trank.

    In meinem ehemaligen Säuferkreis sind sehr viele oberflächlich erfolgreiche Menschen mit guten Berufen und netten Familien die schwere Alkoholiker sind.

    Bei keinem von denen habe ich jemals mitbekommen, dass das Thema ist. Die Frauen lächeln es weg ‚ ach der xy - weißt ja wie er ist, liegt wieder mit Kater im Bett‘.

    Man ersetze Alkohol in diesem Satz mit einer anderen Droge ‚ach der Xy hat gestern wieder so viel Ketamin eingefahren- der ist noch ganz fertig‘

    Da würde niemand verschwörerisch lachen.

    Der Konsum der Substanz Alkohol ist nicht nur gesellschaftlich gebilligt, sondern sogar gilt als besonders gesellig und sozial.

    Ein Mensch der gerade offensichtlich die Kontrolle verliert ist ein ,wilder Hund‘ - aber wehe er sagt ‚ich bin alkoholiker‘- dann wird er innerhalb von Sekunden zur tragischen Figur, obwohl er vielleicht an seinem Verhalten nichts ändert- oder sogar zum positiven indem er abstinent wird.

    Ich ärgere mich einerseits darüber, andererseits befeuere ich mit meiner Feigheit dieses System. Denn ich rede nur mit meinem engsten Umfeld offen.

    Allen anderen sage ich ‚ich trinke keinen Alkohol‘ und fertig.

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