Hallo ihr Lieben,
ich traue mich jetzt auch mal. Ich bin 40+ und bin Alkoholikerin. Seit 10 Tagen habe ich nichts mehr getrunken und ich erhoffe mir, hier Austausch zu finden.
Problematisches Trinken hab ich eigentlich schon fast immer an den Tag gelegt. Ich bin damit aufgewachsen, dass Alkohol normal ist. Das es dazu gehört, das Leute die nicht trinken langweilig sind und man eben bei jeder Gelegenheit einen hebt.
Als Kind war ich die meiste Zeit amüsiert darüber, die Gäste meiner Eltern bei ihren Partys stockbetrunken zu erleben. Die waren plötzlich alle so lustig und albern.
In meiner Jugend (heute würde ich eher sagen Kindheit) habe ich glaube ich so mit 13 Jahren angefangen, auf Partys zu trinken. Relativ schnell kam auch Gras dazu. Damit hatte ich aber zum Glück nie ein problematisches Verhältnis. Dann gab es eigentlich jedes Woe „Sit- Ins“, bei denen grundsätzlich getrunken wurde. Unter der Woche und am Woe.
Tja… und das erste Mal gemerkt, das ich „anders“ trinke ist mir tatsächlich schon mit 17 aufgefallen. Damals waren es noch nicht die Mengen (Wobei ich meinen ersten richtigen Rausch schon mit 15 hatte). Ich glaube, in mir hat schon etwas angepieckst und mir gesagt, dass ich den Alkohol vor allem benutze, um meine Gefühle zu „kontrollieren/nicht aushalten zu müssen“- sie zu betäuben. Wir waren damals 2 Wochen im Urlaub. Ich hab 14 Tage jeden Abend getrunken. Da schrillten schon die Alarmglocken. Das Ganze zog sich dann weiter. Mit Anfang 20 zog ich in eine Großstadt. Es war ein regelrechter Partymarathon. Jeden Freitag los- teilweise durchgemacht und am Samstag Abend wieder los. Totaler Raubbau am Körper. Unter der Woche hab ich auch schon getrunken. Meist ne halbe Flasche Wein am Abend und da folgten auch schon die ersten Konflikte mit Partnern.
Komischerweise hatte ich immer Partner, die selbst viel zu viel getrunken haben. Vermutlich sucht man sich unterbewusst seinesgleichen. Der Konsum steigerte sich dann immer weiter und am Ende, mit Ende 20 landete ich bei ca 1-2 Flaschen Wein am Tag.
Verwunderlich ist, das ich irgendwie immer noch alles hin bekommen habe. Ich hab meine Ausbildung gemacht, später noch ein Studium (meine Diplomarbeit hab ich mehr betrunken als nüchtern geschrieben) - ich hab mich immer durchgekämpft. Obwohl ich eigentlich schon gar keine Kraft mehr hatte.
Dazu kam, dass mich der Alkohol schrecklich depressiv gemacht hat. Ich war regelmäßiger Besucher von Psychiater und Kliniken.
Lange habe ich aber geglaubt,- eigentlich fast mein ganzes Leben- dass ich einfach so bin. Falsch, depressiv- nix mehr zu machen.
Noch mal richtig abgestürzt bin ich während Corona. Ich war so isoliert. Ewigkeiten alleine zu Hause. Das hat mir den Rest gegeben und ich hab begonnen, tagsüber zu trinken. Ein Glas Wein zum Frühstück…. Und dann wars eh egal. Ich bin also eine weitere Stufe auf der Alkoholikerleiter erklommen. Leider. In der letzten Phase wurde ich zunehmend unangenehm zu meinen Mitmenschen. Zumindest zu einigen. Meiner Familie, Freunden. Ich hab Dinge gesagt, die sich nicht wieder gut machen lassen. Daraus resultieren Schuldgefühle und der Strudel fängt von vorne an.
Mein Trinkverhalten am Ende ist wohl der typische „Spiegeltrinker“. Ich war nicht oft richtig betrunken, da meine Toleranz schon jenseits von Gut und Böse waren.
Vor zwei Jahren hab ich es geschafft, 3 Monate nicht zu trinken. Auf den Tag genau habe ich dann wieder angefangen. An Zufälle glaube ich nicht.
Danach folgen ein paar „halbherzige“ Versuche. Ich wollte es- aber ich habe es nicht geschafft.
So, und heute ist Tag 10 ohne Alkohol. Und ich bin in dieser „ für mich schon bekannten Hochphase“. Ich fühle mich super und könnte Bäume ausreißen. Ich weiß aber auch, wie vorsichtig man in dieser Phase sein muss.
Vor ein paar Tagen wollte ich einkaufen und Zack- kam der hässliche Weintroll und flüstert mir ohne Vorwarnung: „ So schlimm war es doch gar nicht. Du kannst doch jetzt ein Glas Wein trinken“. Ich wurde von den Gedanken regelrecht überrollt. Ich hab mir dann auf dem Weg zum einkaufen mein Mantra runter gebetet und war mächtig stolz, nichts gekauft zu haben. Bisher war das in den 10 Tagen zum Glück das einzige Mal.
Wie ich versuche es diesmal zu schaffen? Ich hab eine neue Fortbildung begonnen. Bin also schon mal von morgens bis nachmittags eingespannt. Auf der Arbeit oder so hab ich zum Glück nie getrunken. Von daher kommt mir da auch kein Gedanke. Ich versuche außerdem gerade viel für mich selbst zu tun. Ich pflege mich ausgiebig, mache wieder Sport und versuche gesund zu essen. Koche wieder selbst. Alles Dinge, die mir in den letzten Jahren abhanden gekommen sind. Ich hab eigentlich nur noch auf meinen Körper drauf gekloppt. Mit allem was geht.
Mir geht es also gerade ziemlich gut. Und ich hoffe, das bleibt auch so.
Liebe Grüße bis dahin
Yo-Yo