Rückfälle...mal in eigener Sache

  • Hallo Alle zusammen

    Diesen Thread möchte ich mal zum Anlass nehmen, meinen persönlichen Standpunkt zu Rückfällen zu verdeutlichen.
    Dazu muss ich aber vorweg was schreiben:

    Als ich meinen absoluten Tiefpunkt, psychisch wie auch körperlich erreicht hatte, kam ich mit dem Notarztwagen ins KH, den mein Partner gerufen hatte, weil er nicht mehr weiter wusste. Auch da machte ich noch Faxen, wollte nicht mit, wollte nicht zum Entzug, nach einigem hin-und her fuhr ich doch mit.
    Ich kam dort sofort auf die Intensivstation, später erfuhr ich, das ich nur noch wenige Wochen zu leben gehabt hätte, wenn ich weiter getrunken hätte. Die Ärzte haben die ersten Tage zusammen mit mir um mein Leben gekämpft, es war unklar, ob ich den Entzug überhaupt überlebe. Und ich schreib das, was jetzt kommt, nicht gerne. Ich war dort in der 2.ten oder 3.ten Nacht einmal kurz klinisch tot, die haben mich aber „zurückgeholt“, nasse Waschlappen im Gesicht, gepiepe von allen angeschlossenen Geräten an denen ich hing, Spritzen mit ich weiß-nicht-was drin. Ich weiß von den ersten 3 Tagen meines Entzuges nicht mehr viel, ich war unter starken Medikamenteneinfluss, aber an diese Situation kann ich mich genau erinnern, da ich zwischendurch wache Phasen hatte.
    Als ich wieder so langsam klar wurde, entschied ich mich FÜR das Leben, denn die andere Seite hatte ich bereits kennengelernt in der Nacht und ich war auch so süchtig, das ich mich selber aufgegeben hatte in den Monaten davor, nun wollte ich aber leben. Ich habe diese Chance noch einmal bekommen, es hätte auch anders ausgehen können.

    Das schreibe ich hier zur Verdeutlichung, das unsere Krankheit wirklich am Ende tödlich verläuft, das ist kein einfach daher gesagter Spruch.

    So, dann wurde ich also trocken, ich war körperlich immer noch am Ende, ich brauchte 4 Monate, um wieder einigermaßen fit zu werden. Und ich hätte ALLES dafür getan, trocken zu bleiben und ich meine damit wirklich ALLES. Ein Rückfall hätte meinen Tod bedeutet. Ich hatte also keine Wahl, wenn ich leben wollte.
    Das alles hat es für mich aber sicher auch leichter gemacht, trocken zu bleiben. Ich hatte bis heute keinen Rückfall und ich würde auch heute noch alles dafür tun, keinen Rückfall zu erleiden, heute würde ich wahrscheinlich nicht mehr sofort sterben, aber dieses Hintertürchen „Rückfall“ bleibt für mich als solches für immer geschlossen.

    Denn ein Rückfall ist nichts, was einfach so passiert, da ist dann schon vorher was schiefgelaufen. Und das sollte man, wenn es passiert ist, genauestens ergünden und wirklich daraus lernen, um dann seinen Weg besser weitergehen zu können und das so schnell wie möglich. Sollte ich persönlich in diese Situation kommen, was für mich der Super-GAU wäre, würde ich noch am gleichen Tag ins KH fahren oder zu meiner Ärztin, das steht so fest.

    Auch ist das Trockenwerden kein Spiel mit Rückfällen, wo man sich immer wieder sagen kann „Ach, fang ich halt noch einmal von vorne an, macht doch nix“. Es macht sehr wohl was, ich persönlich glaube, das jeder Neuanfang schwerer wird, irgendwann ist vielleicht einfach nicht mehr die Kraft für einen Neuanfang da ?

    Darum werde ICH hier niemanden nach einem Rückfall das Köpfchen streicheln und sagen : Ach komm, macht doch nix, fängst Du halt einfach wieder von vorn an. Das kann ich nicht, ich werde dann IMMER nach Gründen fragen, wieso , weshalb, warum ist das passiert ? Und meist werden auch die Gründe gefunden.

    Abschließend möchte ich noch sagen, das ich fast Alles, was ich heute über meine Krankheit weiß, hier in diesem Forum gelernt habe und ich habe hier Menschen gefunden, mit denen ich mich austauschen kann. Das ist für mich von unermesslichem Wert. Ich bin meinen Weg lange allein gegangen, das war nicht gut für mich. Okay, ich konnte trocken bleiben, auch in gewissem Maße an meiner Trockenheit arbeiten, aber ohne Austausch ist das verdammt schwer.

    Hier wird ein kompetenter Austausch geboten, ich möchte alle bitten, ihn zu nutzen und Ratschläge wirklich zu beherzigen, sie sind sehr wichtig und haben alle ihren Sinn, auch wenn der erst nicht ersichtlich sein sollte. Ich wusste auch am Anfang ganz vieles nicht, fast gar nix über unsere Krankheit :oops: , aber ich habe es hier gelernt und ich lerne immer neues hier dazu. Hätte es dieses Forum schon damals gegeben bzw. ich es gefunden, hätte ich einen leichteren Weg gehabt, zumindest hätte ich ihn nicht allein gehen müssen. Falls noch Nachfragen kommen, warum ich in keine reale SHG gegangen bin, das bin ich, aber ich kam dort mit dem Procedere nicht klar, konnte einfach nicht akzeptieren, irgendwelche „Gebote“ nachzuplappern, ich kann nur das wirklich anerkennen, was ich mir selber erarbeitet habe, und darauf kann ich dann auch stolz sein. Ich wollte nie etwas geschenkt bekommen, dann hätte ich es nicht so wertschätzen können. So kann ich es aber, und ich habe mir meine Freiheit zurückgeholt, in kleinen Schritten.

    Sollte hier ungerechtfertigte Kritik am Forum geübt werden, werde ich darauf gar nicht mehr antworten, denn jeder sollte wissen, warum er hier ist. Wer das nicht so genau weiß, der ist hier meiner Meinung nach nämlich eh falsch. Menschen, die hier eine Plattform für Unterhaltung oder Selbstdarstellung suchen, gehören hier auch nicht her, auf deren Beiträge zu antworten, ist für mich verbrannte Zeit. Aber Menschen, die aufrichtig an ihrer Trockenheit arbeiten wollen bzw. sie erst einmal erlangen wollen, die sind hier genau richtig, denen helfe ich gerne.

    Nun möchte ich allen noch einen schönen, trockenen Tag wünschen

    Lieben Gruß an Alle
    Lilly

    3 Mal editiert, zuletzt von Anonymous (19. Dezember 2006 um 20:40)

  • Hallo Karsten,

    das nennst Du ausführlich ? An anderer Stelle hier steht das ja noch ausführlicher, kennst mich doch :lol: .
    Da stehen auch Dinge, die ich hier nicht im offenen Bereich schreiben würde, das ist nur denen zugänglich, von denen ich weiß, das sie es zu schätzen wissen. Der Geschlossene Bereich ist mein "Zuhause" und da stehen dann die Dinge, die ich im WWW nicht veröffentlichen würde.

    Das, was ich hier geschrieben habe, kann ruhig jeder wissen, das wissen auch alle in meinem privatem Bereich bei mir zuhause.

    Schämen muss ich mich nicht mehr, nur dafür, das ich mir nicht eher Hilfe gesucht habe.

    Ich möchte auch keine Bewunderung, das ist mir unangenehm, ich möchte nur anderen helfen, weil ich auch Hilfe bekommen habe und auch damit zeigen, das es noch Wege aus der Sucht gibt, auch wenn man sich selber schon mal aufgegeben hatte.

    LG an Dich
    Lilly

  • danke, lilly!

    ich denke, das kann garnicht deutlich genug gesagt werden!!!!

    ich fände es auch sehr schade, wenn dieses forum hier - das auch mir als anhöriger im letzten halben jahr eine riesenhilfe war und auch noch ist - zu einer märchen- und lieb-hab-plattform verkommen würde. dazu ist das thema für ALLE, die davon betroffen sind, viel zu ernst, dazu macht der alkoholismus viel zu viele leben kaputt - physisch und psychisch. und deshalb können und müssen sich die "alten hasen" auch herausnehmen, leute in die schranken zu weisen, die das forum missbrauchen oder den alkoholismus verharmlosen.

    dickes lob und riesendanke an karsten, die moderatoren und alle ernsthaften unter euch für den immer ehrlichen und regen austausch.

    lavendel,

    die sich ohne dieses forum wahrscheinlich immer noch im kreis drehen würde, statt ihren weg zu gehen, und deren partner sich noch immer jeden betrinken würde

  • Hallo Lilly,

    deinen Beitrag find ich sehr gut,
    er ist offen,ehrlich und klar geschrieben.
    Ich halte Rückfälle auch für gefährlich,sie gehören zwar oft dazu,aber ich denke auch,jeder Rückfall macht das Aufstehen wieder etwas schwerer und irgendwann ist es zu spät.
    Kann es von mir selbst sagen,brauchte oft Monate wieder,um einen neuen Start in die Abstinenz überhaupt im Kopf wieder reifen zu lassen.
    Oft wußte ich,jetzt brauch ich es gar nicht zu versuchen,wieder trocken zu werden,es war schon von vorn herein zum scheitern verurteilt.
    Darum hab ich auch einen heiden Respekt vor einem Rückfall.
    Wenn man hier ganz neu in das Forum kommt und vielleicht erst 1-2 Tage trocken ist,können viele noch nicht verstehen,was ihr "alten Hasen" meint,man sucht mehr gleichgesinnte,die auch so weit sind,wie man selbst.
    So war es bei mir zumindestens,ich las gerne welche,die so 2-3 Monate trocken waren,denn da wollte ich auch erstmal hin.Und nun bin ich da schon.
    Auch ich hab "nur" dieses Forum und es begleitet mich Tag für Tag,ich zieh mir raus,was für mich wichtig ist und schreibe in meinem eigenen Thread regelmäßig über mein Befinden.

    Ich fühl mich hier sehr wohl,wenn nicht gerade mal wieder so eine Welle von sogenannten "Selbstdarstellern" angeschwappt kommt und möchte allen danken,die mir jeden Tag helfen,ein Stück weiter auf meinem trockenem Weg zu kommen.

    Lilly,du bist schon was besonderes für dieses Forum!

    LG Kiki

    mein Rückfall zeigte mir,wie kostbar ein Leben ohne Alkohol ist!

  • "Die SHGs sind aber leider wohl auch nix für MICH. Da wird über alles mögliche geredet, aber nicht über das Thema Alk. Klar, die sind teilweise schon 10 Jahre trocken, da verstehen die wohl nicht, wie sich jemand Neues fühlt, der unsicher und schüchtern ist."

    Liebe Astrid!


    "Die verstehen das sogar sehr gut, den viele von Ihnen sind genauso beim
    "Ersten Mal" ums Haus geschlichen bis Sie ihre Schwellenangst überwunden haben.!

    Ein Meeting ist immer nur so gut, wie ich mich selber einbringe und dann muß ich halt sagen wie es mir gerade damit geht, denn Hellseher sitzen nicht an den Tischen!

    Ich habe noch kein Meeting erlebt wo jemandem der Kopf heruntergerissen wurde!

    Trockenheit kommt nicht einfach über mich, das ist ein Aktivitätsprogramm! Wenn ich nichts sage kann ich auch keine Rückmeldung erhalten, oder?

    Gruß Hermann

    Irgendwie hab ich das schonmal erlebt, achja, gestern, vorgestern und eigentlich jeden Tag. Das ist depriemierend!
    (Zitat: Bernd das Brot)

  • Hallo Fiteje,

    ich will keine Diskussion hier anfangen aber einwenig muss ich loswerden ich habe Jahre lang getrunken, schon morgens angefangen und dann jeden Tag das schreibe ich jetzt um zu sagen wie weit ich war, ich habe dies Forum gefunden und mit diesem Forum trocken geworden nur mit dem Forum für mich ist das Realität. Theoretisch kann ich auch nach dem Besuch in einer realen SHG trinken wenn ich trinken will, was hält mich davon??? Die Gruppe??? Wenn ich nüchtern leben will und ehrlich zu mir und zu den anderen bin kann ich auch hier an meiner Nüchternheit arbeiten, und von Vorteilen die das Forum hat werde ich hier jetzt nicht schreiben. Hier haben auch alle Mietglieder den gleichen Stellenwert im geschützten Raum geht es auch darum das man auch über ganz private Sachen schreiben kann ohne dass es gleich das ganze Internet erfährt, es sind vielleicht auch Themen dabei die ich nicht mal in einer realen SHG ansprechen würde.
    Was ich damit sagen möchte, theoretisch gesehen, wenn ich trinken will dann trinke ich und es wird mich wohl nichts davon abhalten können.

    Liebe Grüße
    Maria

  • Moin Fietje,

    du schreibst:
    >In der SHG gibt es nichts wie "geschlossene Bereiche", wie in diesem Forum. Alle Mitglieder haben den gleichen Stellenwert. Es wird nicht nach Trockenheitsdauer oder was auch immer unterschieden.<

    Hier auch nicht, da musst du beim: >Hier schalte ich einfach den PC aus, klicke etwas anderes an, gucke nebenbei Fernsehen< etwas nicht richtig wahrgenommen haben.

    Die reale SHG ist ein geschlossener Bereich, eine geschlossene Gruppe, in der geschlossen gesprochen und gearbeitet wird und Nichts von dem, ein ungesprochenes Gesetz, nach außen dringen darf.

    Hier haben Mitglieder alle den gleichen Stellenwert, wenn dieses Wort Stellenwert hier überhaupt hereinpasst.

    Du selbst gibt’s deiner angehenden Trockenheit einen Stellenwert, den du selbst entscheidest und für dich vertrittst. Niemand anders.

    Unser Internetzeitalter und das Schaffenswerk des Administrators nebst der Einbringung aller Aktiven geben heute die phänomenale Möglichkeit, sich neben langweiliger Fachbücher oder realer Gruppen mit Gleichgesinnten auszutauschen, zu kommunizieren, ANZUNEHMEN.

    Neben der gerade laufenden Fernsehsendung möchte ich dir auch noch folgende Betrachtungsweise nahe legen:

    Der geschlossene Bereich hier dient dazu, sich vielleicht noch mehr zu öffnen, noch aktiver zu arbeiten, in einer „familiären“ Gruppe, wie in einer realen SHG, … und nicht vor einer Welt vom Süd- bis zum Nordpol, die mein Leben sich zur Unterhaltung nebst Fernsehsendungen machen.

    Hättest du es gerne, wenn die Gesprächsprotokolle deiner SHG, deines Outings, am nächsten Tag in den Briefkästen deiner Nachbarn und Kollegen stecken würden.

    Du kannst also für dich entscheiden, auf welcher Ebene du an deiner Trockenheit arbeiten möchtest, wem du dich wie mitteilen möchtest.
    Der Garant für deine Trockenheit ist nicht offener oder geschlossener Bereich, sondern der Stellenwert, den du deiner Trockenheit mit deiner aktiven Arbeit zuteilst.

    Also, Ball bitte flach halten und die Ansprüche anderer Menschen etwas mehr schätzen.

    Gruß, Freund.

  • Neee, sorry,
    So`n Mist hab ich morgens um halb 7 lange nicht mehr gelesen.
    Aber jetzt bin ich wenigstens wach :P .

  • ... und als Fazit, um Lillys Threat wieder den richtigen Weg zu geben, komme ich auf Karstens Worte zurück:

    Manchmal frage ich mich aber ernsthaft, ob die Menschen, die sich teilweise anmelden, überhaupt zu schätzen wissen, dass man sein Leben, seine innersten Gefühle im Inernet veröffentlicht, um anderen Menschen zu helfen.

  • Wie Lillys Beitrag aussagt, geht es um Offenheit und um Ernsthaftigkeit beim Trockenwerden.

    Übrigens muss man dem alkoholischen Tod keineswegs bereits ins Auge gesehen haben, um zu der Einsicht zu gelangen, dass man alkoholkrank ist und es nur eine Frage der Zeit ist, dass man sterbenskrank wird. Das möchte ich nur mal hinzufügen für alle, die denken könnten: "Na so schlecht geht es mir ja noch nicht, dann bin ich wohl nicht alkoholkrank."

    Ich persönlich war körperlich-gesundheitlich noch lange nicht so weit "runter" und bin deswegen besonders dankbar hier im Forum auf Leute gestoßen zu sein, die mir ihre Erfahrungen weitergeben um mich davor zu bewahren. Natürlich kann ich mich nur selbst davor bewahren, aber ich hätte das nicht begriffen ohne die negativen und positiven Erfahrungen von Menschen, die wirklich die beiden Seiten der Medallie kennen, wissen wovon sie reden.

    Ich habe im letzten halben Jahr und hauptsächlich hier im Forum gelernt, was es bedeutet Alkoholiker zu sein und dass ich genau dieselbe Krankheit habe, wie zum Beispiel Lilly. Nicht so eine ähnliche, sondern genau die gleiche. Wenn überhaupt war ich körperlich in einem anderen Stadium. Aber ich weiß heute, was mich in meinem weiteren "Leben" erwartet hätte, wenn ich nicht durch die Erfahrungen von Menschen, die sich als Alkoholiker ein trockenes, zufriedenes Leben erarbeitet haben, die Chance bekommen hätte ebenfalls den richtigen Weg in die Unabhängigkeit einzuschlagen.

    Für mich persönlich würde bei einem Rückfall meine Welt zusammenbrechen. Meine Welt, die ich mir seit 6 Monaten geschaffen habe. Ich kann sagen, dass ich noch nie rückfällig wurde, seit ich das allererste Mal beschloss, nicht mehr zu Saufen. Ich hatte früher schon viele Trinkpausen in denen ich mich erholte. Aber niemals mit dem festen Willen den Alkohol wirklich restlos aus meinem Leben zu bannen. Es gab immer noch ein Hintertürchen zurück zum Alkohol.

    Es war nach den Trinkpausen schon deprimierend genug zu realisieren, dass es nun wieder weiterging mit meinem unkontrollierten Trinken. Zu merken, wie der Alkohol nach und nach wieder Besitz von mir ergriff. Aber das bemerkte ich eigentlich nicht so bewusst, weil ich nicht wirklich ein Rückfallgefühl hatte, wie ich es heute hätte, seit ich täglich und konsequent an meiner Trockenheit arbeite.

    Natürlich ist das Letzte was man machen darf nach einem Rückfall liegen zu bleiben. Aufstehen ist selbstverständlich Pflicht. Und es ist sicher angenehm deswegen nicht abgelehnt zu werden, aber dann heißt es nachdenken, um Hilfe bitten, kapitulieren vor dem Alkohol, statt Redenschwingen fragen und zuhören, Ratschläge annehmen statt Besserwissen. Wirkliche Änderungen im Leben vornehmen und nicht nur mit der Abstinenz kokettieren.


    Trockenen Gruß vom Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Hallo

    mir geht es da ähnlich wie dem Micha. Ich war wohl auch noch nicht an dem Punkt angekommen, was manche als absoluten Tiefpunkt bezeichnen. Letztendlich wäre das aber nur eine Frage der Zeit gewesen.
    Alkoholismus ist eben langsam aber stetig fortschreitend und nur durch eingenen Willen aufzuhalten.

    Trotzdem nehme ich meine neue trockene Lebenseinstellung sehr ernst.

    Ein Rückfall würde für mich zwar nicht den sofortigen Tod bedeuten, aber es wäre ein fatales Scheitern für mich.
    Das darf nicht passieren und ich würde es dann auch nicht verharmlosen!
    Ich würde die Gründe dafür erforschen und dann auch gnadenlos aus meinem Leben verbannen.
    Ich hab in meiner trockenen Zeit eins gelernt -
    Den eingeschlagenen Weg rigoros zu gehen!
    Toby

  • Hallo Toby,

    finde ich gut deine Einstellung, deinen Weg ohne "Wenn und Aber" rigoros zu gehen.

    Ich möchte nur etwas zum Tiefpunkt ergänzen. Nicht um Worklauberei zu betreiben, sondern weil das ein Punkt ist, der ja immer wieder genannt wird und sehr wichtig ist.

    Ich war durchaus an meinem persönlichen Tiefpunkt. Genau das meinte ich ja, dass man nicht im Krankenhaus an der Maschine hängen muss, dass man nicht seinen Partner grün und blau geschlagen haben muss, dass man nicht auf offenem Straßenland übernachtet haben muss, um zu der Einsicht zu gelangen Alkoholiker zu sein.

    Dieser Punkt ist eben nicht allgemeingültig, sondern persönlich und individuell. Für mich ist es eindeutig ein Wendepunkt für mein gesamtes Leben. Er läutet für mich eine komplett andere neue Lebensphase ein, in der mich zu verhalten ich gerade lerne.

    Es würde sicher bei mir auch noch eine gewisse Zeit brauchen, dass ich am Alkohol dann körperlich zugrunde gehen würde. Aber was ist das, eine gewisse Zeit? Keiner weiß, wie lange es wirklich dauert. Und vor allem will ich dabei nicht um Monate und noch nicht mal um Jahre feilschen.

    Der Punkt ist, dass ich mein Leben in dem selben Moment wo ich eine Flasche Bier zum Munde führen würde, mein Leben wegwerfen würde. Noch bevor ich runtergeschluckt hätte, hätte ich mich gegen mein eigenes Leben entschieden. Über den mickrigen Rest würde dann nicht mehr ich, sondern der Alkohol entscheiden.

    Trockener Gruß vom Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Ja genau Micha,

    Tiefpunkt ist nicht gleich Tiefpunkt.
    Lautstärke auf 30 klingt auch auf jedem Radio unterschiedlich laut :)
    Ist einfach subjektiv, der Eindruck.

    Was ich nur nicht verstehe, wie leichtfertig und selbstverständlich so ein Rückfall von manchen ausgedrückt wird. Fast wie schon erwartet.
    So nach dem Motto "werde ich heute nicht trocken, dann eben morgen"
    Das sagt auch sehr viel über den Stellenwert aus, den das trockene Leben für jemanden hat.
    Bei mir hat Trockenheit höchste Priorität und ist Grundlage für alle weiteren Möglichkeiten die ich im "von mir gesteuertem" Leben habe.

    Nur ich selbst kann mir das wieder zerstören - Kein Anderer!

    Viele Grüße
    Toby

  • Da schließe ich mich dir unumwunden an, Kiki.

    Ja Toby,
    ich kann diese Leichtfertigkeit auch nicht begreifen und freue mich über jeden, dem ich auf meinem Weg begegne, der/die diese Ansicht teilt und seine Prioritäten genauso ausrichtet wie du das tust.

    Ich wünsch' dir weiterhin alles Gute auf deinem Weg

    Herzliche Grüße vom Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Hallo Ihr Lieben alle zusammen

    Ich freue mich sehr, das hier so viele in den Thread rein geschrieben haben, das hatte ich gar nicht so erwartet :oops: .
    Und sehe hier die Ernsthaftigkeit , mit der an der eigenen Trockenheit gearbeitet wird, oder an der CO-Abhängigkeit wie bei Lavendel beispielsweise, was ich ganz super finde.

    Leider muss ich auch noch mal fietje zitieren und möchte dazu noch was sagen.

    Zitat

    Aber die Option "jeden Tag hart an mir zu arbeiten"??
    Nö, das ist für mich kein ziel bis zum Ende meines Lebens, dann bin ich ja schon fast tot.

    Wer dazu nicht bereit ist, hat meiner Meinung nach keine Chance, dauerhaft trocken zu bleiben. Niemand ist schon fast tot, wenn er an sich arbeitet, das ist für mich Blödsinn.
    Und es ist nicht jeden Tag immer hart, an sich zu arbeiten. Ich habe einige Dinge anfangs auch als hart empfunden, später wurde es aber immer einfacher, heute habe ich das meiste verinnerlicht und ich empfinde es als einfach, trocken zu leben.

    Möchte mal mit den für mich harten Dingen beginnen:

    Hart empfand ich es, das erste Mal zu jemand anderen zu sagen : Ich bin Alkoholikerin

    Hart empfand ich es, mich mit meinen Folgeerkrankungen durch den Missbrauch zu arrangieren

    Hart empfand /empfinde ich es, Vorurteilen ausgesetzt zu sein, die einfach nicht stimmen im Zusammenhang mit unserer Krankheit, naja, eigentlich ärgert es mich eher, aber da kann ich mittlerweile sehr gut Klartext reden, durch das Wissen um unsere Krankheit, das ich mir hier angeeignet habe.

    Dann wurde es einfacher.

    Als relativ einfach empfand ich es, nach und nach mein Umfeld zu ändern, mich von „Freunden“ zu verabschieden, weil ich mir mit denen nichts mehr zu sagen hatte. Einfach war es auch für mich, Dinge zu entsorgen, die mich an die nasse Zeit erinnerten, ich hab Gläser weggeschmissen, aus denen ich bevorzugt meine Mischung trank etc. Ich wollte einfach nichts mehr um mich haben, was mich an meine Saufzeit erinnerte.

    Einfach ist es für mich, im Restaurant zu fragen, ob im ausgewählten Essen Alk enthalten ist.
    Einfach ist es mir mich, Lebensmittel beim Einkauf nach Alk zu checken.
    Einfach ist es für mich, beim Kaffeetrinken mit andern zu fragen, ob im Kuchen Alk enthalten ist.
    Einfach ist es für mich, auf Partys nicht bei den Trinkern zu stehen
    Einfach ist es für mich, angebotenen Alk abzulehnen (falls es jemand nicht weiß, das ich Alkoholikerin bin, trag ja kein Schild um den Hals)
    Einfach ist es für mich, mit Freunden über meine Krankheit zu reden ( wenn sie oder ich es möchten)
    Einfach ist es für mich, meine Gedanken immer wieder zu prüfen, wo stehe ich? Ich denke, da hat wohl jeder seine eigene Methode, das zu tun.

    Jetzt hab ich ganz sicher noch viele Dinge vergessen…bestimmt auch wichtige, au weia, und mich würde sehr interessieren, was die anderen, die vielleicht schon ein paar Monate trocken sind, für sich persönlich als hart empfanden ?
    Ich möchte damit nur sagen, das tägliche Arbeit an sich selbst auch manchmal einfach ist, aber die Konfrontation mit der Krankheit ist immer da, sei es beim Einkaufen, beim Essen gehen, bei Feiern, in der Werbung etc., und das nun unser restliches Leben lang. Aber damit kann ich gut leben. So, das mal dazu.

    Micha schrieb:

    Zitat

    Übrigens muss man dem alkoholischen Tod keineswegs bereits ins Auge gesehen haben, um zu der Einsicht zu gelangen, dass man alkoholkrank ist und es nur eine Frage der Zeit ist, dass man sterbenskrank wird. Das möchte ich nur mal hinzufügen für alle, die denken könnten: "Na so schlecht geht es mir ja noch nicht, dann bin ich wohl nicht alkoholkrank."

    Ich war durchaus an meinem persönlichen Tiefpunkt. Genau das meinte ich ja, dass man nicht im Krankenhaus an der Maschine hängen muss, dass man nicht seinen Partner grün und blau geschlagen haben muss, dass man nicht auf offenem Straßenland übernachtet haben muss, um zu der Einsicht zu gelangen Alkoholiker zu sein.


    Nein, das muss man sicher nicht, dem Tod ins Auge sehen, viel besser ist es, vorher die Reißleine zu ziehen. Denn am Ende landet man da, wo ich war, viel besser ist es, vorher zu handeln. Ich denke auch, persönliche Tiefpunkte sind sehr individuell.


    Micha schrieb:

    Zitat

    Für mich persönlich würde bei einem Rückfall meine Welt zusammenbrechen.


    Toby schrieb:

    Zitat

    Ein Rückfall würde für mich zwar nicht den sofortigen Tod bedeuten, aber es wäre ein fatales Scheitern für mich.

    Ja, das wäre für mich auch so. Und trotzdem weiß ich, das auch ich nicht davor gefeit bin, aber ich will es nicht dazu kommen lassen, ich würde alles dafür tun, das zu verhindern. Dafür bin ich auch bereit, täglich an mir zu arbeiten, mal ist es mehr mal weniger und es gibt bei mir viele Tage, da ist Alk gar nicht mehr für mich existent, ich registriere ihn zwar, aber mich persönlich berührt er nicht mehr.

    Lieben Gruß an Alle
    Lilly

  • hallo lilly!
    dein beitrag erschreckt mich und gibt mir doch mut...
    ich habe das alles fast ähnlich erleben müssen...
    wünsche dir das,was du schon hast...
    stärke und kraft...
    l.g
    zhig

    .

  • hallo

    Zitat

    es gibt bei mir viele Tage, da ist Alk gar nicht mehr für mich existent, ich registriere ihn zwar, aber mich persönlich berührt er nicht mehr.


    genauso geht´s mir auch und ich gebe zu ,der Weg dahin ist schon ein ständiges Stück Arbeit, aber es wird mit der Zeit einfacher; trotzdem...und damit schliesst sich der Kreis wieder zum Thema Rückfälle, bleibt, daß ich jeden Tag wachsam sein muss, aber das tue ich gerne, da ich ja etwas (ein wunderschönes, trockenes Leben) gewinne und nicht verliere.
    lilly hart war für mich besonders die Zeit der Leere und Langeweile, die ich erstmal wieder mit "Sinn" füllen musste

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