Hallo zusammen,
auch mein Vater ist Alkoholiker - und das seit mehr als 40 Jahren. Früher mit immer wieder wochenweise Pausen dazwischen, seit 1-2 Jahren gibt es höchstens mal 1, 2 Tage Pause.
Deshalb bin ich selber auch vor 20 Jahren sofort nach dem Abi ausgezogen und habe lieber gearbeitet und mein Studium selbst finanziert als mir das Elend länger weiter anzuschauen. Ich wollte nie nie nie wie Mama von irgendjemandem abhängig sein.
Vor vielen Jahren bin ich ausgewandert und lebe seither mehrere hundert Kilometer entfernt. Mit Mama hab ich viel Kontakt (hauptsächlich per Telefon), mit ihm kaum. Wenn ich da war, hielt er sich mit Saufen ziemlich zurück, so dass seine Sauferei für mich keine direkte Belastung war. Ich habe vieles auch schlicht nicht mitgekriegt und bin überzeugt, dass er nicht vom Alk weg kommt, wenn er das nicht will. Und er will auch nicht. Das hatte er noch Anfang Jahr im Spital zu Protokoll gegeben, nachdem er besoffen auf der Strasse aufgesammelt und auf die Intensivstation eingeliefert wurde.
Mir tat immer meine Mama leid, weil sie es nicht schaffte, sich von ihm zu lösen und sich immer wieder von ihm klein machen liess. Aber: es ist ihr Leben, es ist sein Leben - ich kann es nicht ändern. So weit, so gut.
Vor 1 Monat dann die Schreckensnachricht, dass meine Mama Krebs hat. Sie wurde inzwischen operiert und aus dem Spital entlassen, muss aber noch 4-6 Wochen liegen und es wird auch mindestens ein halbes bis ganzes Jahr dauern, bis sie auch nur annähernd wieder fit ist. Deshalb war ich in den letzten Wochen sehr viel daheim, oft mehrere Tage am Stück.
In der Zeit bin ich 2x mit meinem Vater aneinander geraten und es gab heftigste Auseinandersetzungen. Dann wollte er immer reden mit mir, was ich kategorisch ablehnte mit "Red mit mir, wenn Du nüchtern bist". Am nächsten Tag tut er so, als ob nichts gewesen wäre, reisst sich dann aber immerhin ein paar Tage zusammen und trinkt weniger / nichts. Die Angriffe sind hauptsächlich verbaler Natur denn körperlicher Gewalt und fallen für mich unter Psychoterror. Wer möchte schon vor einer sehr grossen und riskanten OP hören, dass die Urne dann auf die Eckbank kommt, weil verbrennen billiger als begraben ist und man so noch den Pfarrer sparen kann?
Für Mama ist das alles natürlich keine Umgebung, in der sie gesund werden kann. Mit zu mir nehmen kann ich sie nicht, weil die weite Fahrt zu viel wäre für sie und sie ja auch noch mehrere Bestrahlungstermine vor sich hat. Reha wäre noch eine Möglichkeit - sie braucht aber spezielles (selbstgekochtes) Essen, weil ihr schon einige Organe fehlen und hatte damit schon im Krankenhaus massive Probleme. Sie sagt, dass sie sich scheiden lässt, wenn sie gesund ist - ich glaube das aber erst, wenn es soweit ist. Ich würde sie darin absolut unterstützen - das weiss sie auch.
Mir geht es jetzt aber nicht um die ferne Zukunft, sondern um die unmittelbare. Wie verhalte ich mich denn in der jetzigen Situation "richtig", um Mama am meisten zu helfen?
Stillhalten? Weitermachen, um wenigstens immer wieder ein paar Tage Ruhe zu ermöglichen? Ganz was anderes?
Mir geht es nur um die momentan aktuelle Situation. Meinen Vater erkenne ich nicht wieder - der hat seinen Verstand inzwischen versoffen und ist in meinen Augen nur noch böse. Er ist Mitte 60, Mama 2 Jahre jünger. Das Umfeld ist ein hoch konservatives.
Danke & liebe Grüsse,
Heidi