Abwertung von Liebe und Fürsorge

  • Hallo Forum,

    mein alkoholkranker Mann, von dem ich seit ca. 2 Jahren getrennt lebe, ist nun verstorben.
    Ich war getrennt und hatte, denke ich, kapiert, dass ich ihn nicht retten kann, dass er seinen Weg (in den Säufertod) gehen "muss". Ich hatte Abstand. Hab ihn auch jetzt noch. Beispielsweise habe ich kaum Schuldgefühle.

    Gestern sah ich mir Fotos aus unseren guten Jahren an. Und denke in LIebe an diese Zeit.
    Ich bereite die Bestattung vor und empfinde Liebe.
    Gleichzeitig auch negative Gefühle wie Wut und Hass, aber die beziehen sich auf das, wie er zuletzt war.

    Die Gefühle der Fürsorge und der Liebe waren echt und die lasse ich mir von niemandem absprechen. Unterentwickelt war (und ist vielleicht noch) sicherlich mein Selbstschutz und mein Selbstwertgefühl, also quasi Liebe und Fürsorge zu mir selbst.

    Ich finde, dass hier teilweise zu abwertend über zwischenmenschliche Gefühle gesprochen wird. Wir gehen nicht gut mit uns um, wenn wir unsere Gefühle für den alkoholkranken Partner einzig und allein unter dem Blickwinkel der Abhängigkeit vom Partner gesehen wird.
    Co-Abhängige Menschen sind nicht alle kontrollsüchtige Menschen, die darauf aus sind, ihr schlechtes SElbstwertgefühl aufzupeppen, indem sie einen anderen Menschen zwangsbeglücken wollen.
    Diese Sichtweise ist sehr negativ und abwertend.

    Es ist sicher krank, sich festzubeißen an Problemen, die man nun mal nicht ändern kann.
    Es ist notwendig, einzusehen, dass man als Partner einen Alkoholkranken nicht kurieren kann.
    Es ist ebenfalls notwendig, sich seinem eigenen Leben und seinen eigenen Gefühlen zuzuwenden.

    Aber es ist nicht notwendig, die Liebe und Fürsorge, die man nun mal empfindet, nicht mehr ernst zu nehmen und abzuwerten als bloßen Psychoschaden.

    Seien wir gut zu uns!

    Doro

  • Liebe Doro!

    Wie recht Du hast!

    Zitat

    Gestern sah ich mir Fotos aus unseren guten Jahren an. Und denke in LIebe an diese Zeit.
    Ich bereite die Bestattung vor und empfinde Liebe.

    Das darf sein.

    Mein Ex hat mir auf dem Gang zur Scheidung erzählt wie mit ihm umgegangen wurde als er in bedrohlichen Situation war.(Bein-Arterie verstpoft,weil er sehr starker Raucher war).Hätte ich das gewusst,hätte ich ihm geholfen,denn sie schoben ihn von Basel nach Bern,haben ihn aber in Basel erst noch eine Nacht behalten..... :?::twisted:
    Dabei hätte er gut und gerne sein Bein verlieren können.

    Das ist eine kleine Geschichte im Vergleich zu Dir.
    Ich glaube ich darf an die schönen Momente mit meinem Ex-Mann denken,wenn es keine Abhängikeitsgefühle erzeugt.
    Und keineSchuldgefühle

    Ich wünsche Dir einen guten,stillen ersten Advent.

    Liebe Grüsse
    Yvonne

    ichbinda123

  • liebe doro,

    Zitat

    Die Gefühle der Fürsorge und der Liebe waren echt und die lasse ich mir von niemandem absprechen

    kein mensch hier spricht dir diese gefühle ab.keiner hier will behaupten, das du ihn nicht liebtest. es geht bei dem geschriebenen nicht um dich, wenn du sagen kannst es ist so, dann ist es so. ist doch total ok.

    lieben gruß melanie

  • Hallo Doro,
    ich möchte Dir mein Mitgefühl ausdrücken. Und ich wünsche Dir, dass Du bei allem Leid auch die guten Zeiten mit Deinem Mann in Erinnerung behältst und Wert schätzen kannst. Ich entnehme Deinen Zeilen dass es so ist - und dies freut mich. Er hat den Weg für sich gewählt, den er gehen musste. Du hast für ihn getan was Du tun konntest und hast ihn dann losgelassen weil es galt, Dein Leben und das Leben Deiner Kinder zu retten.
    Alles Gute und eine friedvolle Adventszeit
    Aufbruch

    "Mut ist nicht das Gegenteil von Angst. Sondern die Erkenntnis, dass etwas anderes wichtiger ist als die eigene Angst."

  • Liebe Doro,

    auch von mir ein herzliches Beileid.
    Auch ich habe mir die Gefühle von Liebe und Fürsorge nicht absprechen lassen. Diese bezogen sich aber bei mir, auf den Mann, der Er mal war.
    Leider ist es ja das unmenschliche an dieser Krankheit, die genau dieses Gefühle umkehrt, missbraucht als Helfer.
    Und die Fürsorge, die wir für den Anderen hatten, verwandelt sich mit der Zeit in einen Dolch, den wir dann ohne Schonung in den Rücken bekommen.
    Nee, absprechen oder verleugnen will ich sie nicht, aber genau hinsehen,
    ob man sich oder auch seinen Partner nicht eher damit verletzt schon.
    Seh die Bilder an, behalt ihn so im Herzen, wie Er war, bevor diese Dreckserkrankung kam, und sei dankbar ihn so kennen gelernt zu haben.

    Alles Liebe Dir und Deiner Familie,
    nici

  • Liebe Doro
    Auch ich möchte dir gerne mein Mitgefühl schreiben,

    Zitat

    Gestern sah ich mir Fotos aus unseren guten Jahren an. Und denke in LIebe an diese Zeit.
    Ich bereite die Bestattung vor und empfinde Liebe.

    Das ist gut so,denn du hattest erkannt das du ihm nicht helfen konntest,und leider konnte er sich auch nicht helfen
    Du hast ihn geliebt,und das was du noch liebst ist die schöne Zeit mit ihm
    So ist es und so bleibt es auch

    Wünsche dir und deiner Familie viel Kraft in dieser schweren Zeit

    Joanne

  • Hallo Doro

    Ich hab ja vor eineinhalb Wochen meinen Scheidungstermin bekommen, der mich erst mal ziemlich runtergedrückt hat. An diesem Tag hab ich mir auch alte Bilder angeguckt, "unser" Lied gehört. Bittersüße Erinnerungen.
    Ich glaube, dass man bei solchen endgültigen Einschnitten, Tod ja noch mal viel mehr als Scheidung, schon zurück schaut auf die guten Zeiten, auf die Liebe, die bestimmt mal war. Diese Zeiten soll man ja auch nicht vergessen, wieso auch.
    Allerdings hab ich bei mir gemerkt, dass ich mich sehr leicht in dieses Gefühl verlieren könnte, mir wieder alles schön reden könnte. Mein zukünftiger Ex ist nicht mehr dieser Mann, den ich geliebt hab. Er ist der Mann, von dem ich mir mein Leben sehr schwer machen ließ. Und Liebe und Fürsorge fühl ich für ihn nicht mehr.

    Ich wünsch dir und deinen Kinder einen schönen 1. Advent.

    julchen

  • Hallo Doro,

    ich möchte dir auch mein Mitgefühl ausdrücken.
    Manchmal sieht man erst dann, wenn ein naher Angehöriger weg geht,
    dessen Leben und Leiden nochmal an uns vorbeiziehen.

    Darin sind dann auch viele Momente enthalten, die uns intensiv berührt haben, sonst hätte dieser Mensch ja auch nie unser Herz bewegt.
    Schön ist, dass du beides sehen und akzeptieren kannst, die
    ehrliche Liebe, die Fürsorge, den alten Schmerz und die Trennung.

    Das echte Leben ist oft anspruchsvoll. Jeder Mensch würde gerne
    ein glückliches Leben führen, doch für viele Menschen bleibt dieses Ziel
    dennoch unerreichbar.

    Lieben Gruß
    Emma

  • Liebe Doro,
    auch von mir herzliches Beileid. Es ist gut zu lesen das du euer leben revue passieren lassen kannst ohne Verbitterung.
    Ich drück dich und denk an dich.
    Nancy

  • Hallo, ihr Lieben,
    danke für die Anteilnahme.

    Vielleicht hab ich mich auch falsch ausgedrückt. Es ist völlig klar, dass die Liebe und Fürsorge nicht mehr ausgelebt werden kann, wenn der Partner einen nur noch runterzieht, belastet usw.
    Wenn er auch nur noch ein Schatten der Person ist, die man mal geliebt hat. Wenn man gerade versucht, sich von einer Person abzugrenzen, ist es vielleicht nicht so angesagt, sich die schönen Momente in Erinnerung zu rufen. Ich hab die Fotos auch die ganze Zeit der Trennung nie angeguckt. Es hat zu sehr weh getan. Ich kann das erst jetzt. Jetzt darf ich wieder positiv über ihn denken, er kann mir ja nicht mehr gefährlich werden.

    Mein Standpunkt ist eigentlich auch der, dass ich denke, dass eigentlich positive Gefühle durch die Krankheit total pervertiert werden. Dass die Fürsorge und Hilfsbereitschaft an sich eigentlich positive Dinge sind, die aber dann sozusagen ins Maßlose wuchern und dann zu etwas Negativem umschlagen und gnadenlos ausgenutzt werden. So ungefähr.

    Ich hab jetzt die Chance, meinen Frieden zu machen.
    Solange mein Mann mich noch terrorisiert hat, ging das ja nicht so richtig. Da musste ich mich immerzu abgrenzen, abgrenzen, abgrenzen.
    Na ja, hab ja was gelernt dabei, hoffe ich, damit ich nicht nochmal in solch einer Beziehung lande.

    Liebe Grüße
    Doro

  • hallo doro,

    mich hat diese mail einwenig bewegt mal darüber nachzudenken, warum es so bei dir angekommen ist. Weil ich empfand es nicht als abwertend wie darüber geschrieben wurde. es sind gedanken die ich finde eine berechtigung haben.

    als kind habe ich liebe nie gespührt. irgendwie war da zwar was verhanden aber meine eltern liessen sie mich nicht spüren, ich wurde nicht geknuddelt gedrückt und geküsst.

    zum zweiten bekam ich keine anerkennung für das was ich machte, musste schon früh schuldgefühle mit mir rumtragen, die mir nicht abgenommen wurden.eine stabile platform mich fallen lassen zu dürfen gab es nicht, ich wäre nur lästig geworden und zu viel und und für meine eltern und schnell musste ich mit mir allein zurrecht kommen.

    nun habe ich mit meinem exmann einen menschen gefunden, bei dem ich sowohl liebe spürte,die mir fehlende zuwendung berührung,und wunderbar die alten muster meiner eltern im umgang mit mir wie ich sie kannte.
    ich war verliebt, keine frage nur darauf konnte ich genauso wenig bauen wie auf die meiner eltern.es wandelte sich im laufe der ehe, zuwendung und berührung fehlten wieder, schuld und scham kamen wieder hoch und damit frust,wut und hilflosigkeit.ich war wieder allein für mich. hätte ich das als liebe weiter interprettiert wie ich es gewohnt war wäre ich hier auf einer völlig schmerzhaften ebene hängen geblieben.

    also entschied ich mich auf den weg zu machen , für mich allein das zu suchen was mir fehlt. eine gesunde liebe die nicht darauf aufbaut, durch druck zwang,vorhalten,schuldgefühlen mich an sich zu binden. eine liebe die einfach nur in ihrem da sein alle berechtigung hat sich wohl und glücklich zu fühlen.

    Liebe ist was so wunderbares und diese sollte nicht so mit füssen getreten werden.

    noch ein herzliches beileid auch vom mir.

    liebe grüße melanie

  • Liebe Doro,

    mir tut es furchtbar leid, dass es nun doch soweit gekommen ist.
    Dein Mann hat seinen Tiefpunkt leider nicht erreicht, bevor es zu spät war.
    Und mich macht es traurig und wütend, dass sowas überhaupt geschehen kann.
    Es zeigt einem doch auch wieder, wie unendlich machtlos man ist gegenüber dieser Krankheit.

    Ich finde es bemerkenswert, wie Du mit dieser Situation umgehst.
    Man merkt sehr deutlich, dass Du was Deine eigene Erkrankung angeht, sehr viel gelernt hast.
    Ich würde zum jetzigen Zeitpunkt nicht ohne Schuldgefühle auskommen, wenn ich in Deiner Situation wäre.
    Ich bin froh, dass Du Deinen Frieden findest.
    So hat im Grunde jeder den Weg gewählt, den er gehen wollte, auch, wenn es traurig endete.

    Liebe und Fürsorge... ich glaube, diese Empfindungen sind ganz normal und absolut nicht co-abhängig.
    Ich finde auch, dass hier im Forum diese Gefühle oft "schlechtgemacht" werden.
    Aber ich glaube, dass diese Art, damit umzugehen, vielen hier hilft, von der eigenen Erkrankung loszukommen.
    Die Grenze zwischen "normaler" Liebe und Fürsorge hin zur Co-Abhängigkeit sind für uns zunächst nicht greifbar. Erst, wenn der Abstand immer größer wird, sieht man nach und nach die Unterschiede.
    Und merkt eben auch, dass man auch an sich selbst denken muss.

    Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst, aber NICHT MEHR.

    Liebe Doro,
    ich wünsche Dir alles Gute

  • so nun nochmal einen aufschrieb von mir über das thema führsorge

    führsorge habe ich als erstes mal für mich. einem partner dem ich auf gleicher augenhöhe begegne brauche ich keine führsorge geben, die hat er nämlich für sich selbst.

    für meine kinder sorge ich. das seh ich ales berechtigte pflicht von mir als mutter für diese kleinen menschen. jeh grösser und älter sie werden desto weniger habe ich fürsorge für sie. wenn sie mir als erwachsene mir auf gleicher augenhöhe begegnen ist diese führsorge weg, dann habe ich weiter für mich und sie für sich selbst sorge zu tragen

    einem kranken menschen kann ich kurze zeit führsorge geben. wie zb matthias bei seiner gutesten. ist er/sie wieder gesund bleibt sie ihm/ihr und mir meine.auch einem geisig behinderten menschen gebe ich die führsorge, es ist mein auftrag(beruflich), tue es aber wieder genau so lange wie ich es selbst tragen kann und ich nicht darunter leide. dann beginnt wieder die führsorge für mich und ich muss mir hilfe holen(kollegen).also gild dies bei allen menschen die ich um mich herrum habe.

    ja und einem alkoholkranken führsorge zu geben ist genau das was dem kranken immer mehr in die krankheit bring und mich immer weiter weg von der führsorge die ich für mich selbst habe. dann beginnt das ganze sich umzuwandeln.
    hier ist führsorge vollkommen fehl am platz wie sie allgemein fehl am platz ist, wenn ich mit einem erwachsenen menschen auf gleicher augenhöhe eine partnerschaft pflege!

    genug für heute
    alles liebe melanie

  • Hallo Doro


    Zitat

    Jetzt darf ich wieder positiv über ihn denken, er kann mir ja nicht mehr gefährlich werden.

    Das macht mich so bisschen nachdenklich.

    Er kann dir dein Leben nicht mehr so schwer machen, du brauchst keine Grenzen mehr einzuhalten, das ist richtig. Es klingt herzlos zu sagen, dein Leben wird dadurch einfacher werden, ist aber wahrscheinlich so.

    Ich hätte da aber ziemlich Angst vor meinen Gefühlen, zurück in meine aktive Co-Rolle zu fallen. Ich darf wieder positiv über ihn denken, aber er wird mir das Negative nicht mehr vorleben. Dadurch lauf ich Gefahr, das Ganze hauptsächlich positiv zu sehen. Ich hätte Angst, wieder in meine Opferrolle zu fallen und nicht mehr froh darüber sein zu dürfen, mein eigenständiges Leben gewählt zu haben.

    Ich weiß nicht, ob ich das so einigermassen verständlich erklären konnte. Ich will dich auch nicht ärgern, das wären meine Bedenken.

    Schöne Grüße

    julchen

  • Hallo Doro,

    auch von mir mein herzliches Beileid.

    Deine Worte sprechen mir aus der Seele.

    Wünsche dir und deinen Kindern eine friedliches und besinnliche Vorweihnachtszeit.

    LG Monty

    Wenn man seine Ruhe nicht in sich findet, ist es zwecklos, sie anderswo zu suchen

  • Hallo Julchen,

    erstmal: Danke für den Denkanstoß.
    Also, auf alle Fälle wäre es jetzt falsch, das ganze Thema Co-Abhängigkeit jetzt abzuhaken. Ich will das alles weiter aufarbeiten.
    Ich laufe sonst Gefahr, bei nächster Gelegenheit wieder in solch eine Rolle zu verfallen.
    Und ich hab absolut nicht vergessen, was in den letzten zwei Jahren und teilweise vorher schon los war. Ich glaube, die meisten Menschen neigen dazu, nach dem Tod das Leben eines Menschen ein bisschen zu verklären. Aber so ganz vergesslich bin ich dann doch nicht.
    Außerdem hab ich ja noch genug mit den Altlasten zu tun. Dieses ganze Schulden-Erben-Thema ist ja noch akut. Und meine Kinder darf ich nun auch endgültig alleine groß ziehen und wer weiß, was für Wut oder sonstige Probleme die noch eines Tages entwickeln.

    Also, alles easy ist jetzt auch nicht, ganz bestimmt nicht.

    Doro

  • Hallo Doro!

    Auch wenn er dich lange Zeit gequält hat, dich leiden liess, ohne Ende -
    ihr hattet gute Zeiten.
    Darum schicke ich dir mein Herzlichstes Beileid.

    In den Zeiten von Trauer wird man ganz schön gebeutelt. Mit allen möglichen Gedanken, Gefühlen....
    Aber ich denke auch nicht, dass du dich zu irgendwas hinziehen lässt, dass dir den "richtigen Blick" verklären lässt.
    Du hast gelernt, dein Leben in die Hand zu nehmen, für dich und deine Kinder. Und das zeigt dir auch den richtigen Weg weiterhin.

    Alles Gute dafür wünscht dir Gotti.

    Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.

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