Leb wohl, Du schnöder Alkohol

  • Eine sehr interessante Diskussion hast Du hier in Deinem Thread, Andreas :)

    Besonders gut finde ich daran, das sich Alkoholiker und CO`s miteinander austauschen, scheint also doch zu gehen! :)
    Und zwar ohne gleich Stress miteinander zu bekommen.
    Ich für meinen Teil möchte auch mal betonen, das ich auch schon sehr wohl so einiges von CO`s gelernt habe.
    Und außerdem ist auch nicht alles gleich CO, vieles ist rein menschlich, man sollte nicht jedes Verhalten eines CO gleich pathologisieren.

    Zu einigen Aspekten/Gedanken möchte ich auch gern noch etwas schreiben...
    inbetween schrieb folgendes:

    Zitat

    Ich werde mich (hoffentlich) nie mehr bei dem Versuch verausgaben, ein mir unverständliches und mich verletzendes Verhalten eines Mitmenschen bis ins Letzte in seinen Ursachen ergründen und verstehen zu wollen.
    Für mich ist Abgrenzung zum Beispiel, Menschen zu meiden, die diese Dynamik bei mir in Gang setzen, warum auch immer (auch das muss ich nicht unbedingt mehr verstehen - es reicht, wenn ich entsprechend reagiere).

    Zweitens: Taten zählen mehr als Worte. Ich war früher ein extremer Wort-Mensch. Man kann auch sagen gutgläubig und/oder naiv. Mit den Augen :roll: :wink:
    Ebenso meide ich inzwischen Menschen, bei denen ich eine (extrem häufige) Diskrepanz zwischen Worten und Taten feststelle.

    Drittens - meide ich Menschen, die - permanent - anderen die Verantwortung für alles geben. Die ewig jammern, wie schlecht die Welt und alle anderen sind, aber nichts aktiv tun, um an ihrer Situation oder gar der Situation der "Welt" etwas zu ändern.

    Was inbetween hier geschrieben hat, könnten sich im Grunde alle Menschen mal ein bisschen zu Herzen nehmen, nicht nur CO`s :wink:
    Viele Verhaltensweisen erlebe ich nämlich täglich bei Menschen, die sich persönlich sicher als psychisch kerngesund einstufen würden und meisst sind sie es sicher auch.

    Fehlende Abgrenzung beispielsweise findet nicht nur bei CO`s statt, abgeschwächter auch oft bei anderen Menschen. Das erlebe ich beinah täglich...

    Viele versuchen, immer wieder andere zu verstehen, auch wenn es manchmal beinah unmöglich ist, es ist ein menschliches Bedürfnis, verstanden zu werden und zu verstehen.

    Solange so ein Verhalten im Rahmen bleibt und man es notfalls auch stoppen kann, ist es sicher auch nicht wirklich schädlich, glaube ich.
    Auch würde unsere Gesellschaft kaum funzen, wenn sich jeder andauernd nur abgrenzt und sich nie die Mühe gibt, jemanden zu verstehen. Und eine Beziehung würde so wohl auch kaum bis gar nicht funzen.

    inbetween, ich erkenne mich in Deinen Worten wieder, weil ich auch eher ein gutgläubiger Typ bin, und ich möchte das auch bleiben. Ich will nicht gleich jemand von vornherein mißtrauen, ich bin mit einem Urvertrauen gesegnet und ich will das keinesfalls verlieren!
    Von daher werde ich wahrscheinlich auch immer mal wieder Enttäuschungen mit anderen Menschen erleben.
    Macht nix, dann ist das eben so.
    Aber ich bin auch bereit, dann Konsequenzen zu ziehen.
    Wer beispielsweise nur irgendwas labert und dann komplett was anderes tut, ist für mich unglaubwürdig.
    Und wird auch bald wieder aus meinem Leben rausgeschmissen.

    Ebenso Menschen, die ewig nur am Jammern sind... auch von denen halte ich mich alsbald fern, wenn ich merke, das ist ein Dauerzustand beim anderen. Jeder hat mal Probleme. Jeder braucht mal Trost. Und ich habe sehr wohl auch öfters Mitleid im direkten Wortsinn, das ich dann mitleide.
    Dauerjammern aber will ich nicht in meinem Leben haben, zumal oftmals einiges am eigenen Leben zum besseren verändert werden könnte. Aber Jammern is ja bequemer.
    Außerdem zieht mich Dauerjammern auch mit runter und das lasse ich nicht zu. Man kann sich nicht zum 100% von sowas abschirmen, es bleibt doch immer was hängen. Und ich muss nicht so tun, als wäre das bei mir nicht so.

    Das fiel mir gerade mal so dazu ein... ich würde aber gern zu anderen Beiträgen auch noch Stellung nehmen, auch zu Deinen, lieber Andreas...
    Denn bei vielen Geschriebenen von Dir erkenne ich mich selbst sehr wieder. :wink:
    Bin nur grad etwas auf dem Sprung...kommt dann später :wink:

    LG Sunshine

  • Hi Andreas!

    "Wenn du dich wirklich geändert hättest nachdem du mich verletzt hast, wenn du mich wirklich lieben würdest, dann würdest du dich auch für meine Hobbys interessieren und sie mit mir teilen" - das ist emotionale Erpressung. Nicht Liebe.
    Wieso genau sollst du dich an den Hobbys deiner Frau beteiligen? Sie hat doch bestimmt auch Freunde?

    Liebe Grüße

  • Hallo Andreas,

    erstmal ein Hallo und schön Dich hier noch so aktiv zu sehen.
    Das freut mich sehr für Dich - da es ja eine Ausnahme darstellt.

    Ich beteilige mich nach wie vor an 2 SHGs im Real Life und spreche daher hier im offenen Forum weniger über mein Leben und Dinge, die meine Anonymität verletzen würden.
    Ich hab hier eher gern über grundsätzliche Dinge zum Umgang mit der eigenen Alkoholsucht und der Alkoholsucht anderer geschrieben.
    Ich habe in der Anfangszeit auch ab und an mal in den Co-Themen geschrieben, kam dann aber irgendwann zu der Ansicht, dass ich da mangels eigener Erfahrung und mangels eigener Veranlagung das "Tip-Geben" lieber denen überlasse, die eine Co-Abhängigkeit selbst durchleben oder selbst durchlebt haben.
    Meine derbe, klare, oft kompromisslose Sprache kam da nämlich eher selten gut an und es macht ja keinen Sinn, andere Menschen unnötig zu verletzen.

    LG Jürgen

  • Zitat von schnuffig

    Hi Andreas!

    "Wenn du dich wirklich geändert hättest nachdem du mich verletzt hast, wenn du mich wirklich lieben würdest, dann würdest du dich auch für meine Hobbys interessieren und sie mit mir teilen" - das ist emotionale Erpressung. Nicht Liebe.
    Wieso genau sollst du dich an den Hobbys deiner Frau beteiligen? Sie hat doch bestimmt auch Freunde?

    Liebe Grüße

    Es geht um generelle Dinge. Ich bin beruflich sehr eingespannt, wenn ich dann mal zuhause bin und nicht im Büro arbeite, will sie halt auch was von mir haben.
    Klar hat sie Freunde...sie will halt überhaupt noch mehr Zeit mit mir verbringen, da schätze ich das Thema Hobbys eher als vorgeschoben ein.
    Letztendlich hab ich sie in meiner Saufzeit halt auch monatelang vernachlässigt und klar hab ich auch das Gefühl, wieder was gutmachen zu müssen bzw. auch gutmachen zu wollen.

    LG Andreas

  • Zitat von juergenbausf

    Hallo Andreas,

    erstmal ein Hallo und schön Dich hier noch so aktiv zu sehen.
    Das freut mich sehr für Dich - da es ja eine Ausnahme darstellt.

    Ich beteilige mich nach wie vor an 2 SHGs im Real Life und spreche daher hier im offenen Forum weniger über mein Leben und Dinge, die meine Anonymität verletzen würden.
    Ich hab hier eher gern über grundsätzliche Dinge zum Umgang mit der eigenen Alkoholsucht und der Alkoholsucht anderer geschrieben.
    Ich habe in der Anfangszeit auch ab und an mal in den Co-Themen geschrieben, kam dann aber irgendwann zu der Ansicht, dass ich da mangels eigener Erfahrung und mangels eigener Veranlagung das "Tip-Geben" lieber denen überlasse, die eine Co-Abhängigkeit selbst durchleben oder selbst durchlebt haben.
    Meine derbe, klare, oft kompromisslose Sprache kam da nämlich eher selten gut an und es macht ja keinen Sinn, andere Menschen unnötig zu verletzen.

    LG Jürgen

    Hallo Jürgen,

    schön, daß Du trotz zwei realer SHG's immer noch Zeit und Muse findest, hier reinzuschauen.
    Ich fand Deine Beiträge immer recht hilfreich, weil Du irgendwie eine andere, aber nicht weniger klare Linie fährst. Interessant finde ich Deinen Ansatz, daß man nasses Denken nicht pauschalisieren sollte. Das sehe ich haargenauso. Jeder wird durch andere Situationen getriggert. Was einem die Schweißperlen auf die Stirn zaubert, läßt einen anderen Abstinenten womöglich völlig kalt.
    Derbe, klare Sprache ist mir als Handwerker natürlich auch nicht fremd :)
    Ich kann mir schon vorstellen, daß die bei Co's manchmal etwas einschüchternd wirken. Allerdings bleibt sicher auch da was hängen. Daß ein Dialog möglich und sinnvoll ist, sieht man ja im Endeffekt hier.

    Würd mir wünschen, wieder etwas mehr von Dir zu lesen.

    LG Andreas

  • Hi Andreas, klar bin ich noch da, ich bin trockene Alkoholikerin und das hier ist meine SHG! ..Stimmt schon, meist "treibe" ich mich in der Villa herum, aber ich lese viel im Offenen und Deine Beiträge seit Du hier bist sowieso sehr gerne. Zum Dolmetschen eigne ich mich eher nicht so gut, denn ich bin eigentlich aus der Oberpfalz..(so nun ist es raus....), ich hoffe Du magst mich trotzdem noch..und wo ich schon dabei bin, ich bin bekennende Fürther Fanin..auch nach diesem Spiel heute noch.. Ich mag den Nermbercher bzw. fränggischen Dialekt, auch wenn ich selber nicht so spreche...mehr die Oberpfälzer-wowowo-Laute..Du wirst wissen was ich meine... Lokalpatriotisch bin ich gar nicht und es bringt mich höchstens zum Lachen...
    Als ich vor über 2 Jahren hier als Alkoholikerin ankam, unsicher, ängstlich, grade trocken, nicht Fisch-nicht Fleisch, da waren es sehr oft CO-Abhängige hier im Forum, die sich viel um mich gekümmert haben, mir immer geantwortet haben, mich wieder aufgebaut oder Dinge gerade gerückt haben, durchaus nicht nur im Weichspülgang. Anteile zum Co-Sein habe ich außerdem auch selbst in mir, nicht zu knapp. Ich bin auch real befreundet mit CO-Abhängigen und das ist mir sehr wichtig und bereichert mich nur. Ganz lieben Gruß consuela

  • Hi Consuela,

    ich kenne sehr viele nette und liebe Oberpfälzer, hab in der Oberpfalz auch meinen Grundwehrdienst in der Nähe von Nabburg ableisten dürfen und kenne die Gegend dort sehr gut.
    Tja, und das wowowo kenn ich natürlich deshalb auch sehr gut. Über manche Ausdrücke der Oberpfälzer könnt ich mich kaputtlachen. Ich find die Oberpfälzer manchmal recht deftig, aber immer liebenswert und direkt.
    Mußt also keine Angst haben :)
    Auch mit Fürth nicht...meine Mannschaft ist zwar am Niederrhein beheimatet, aber ich hege schon seit Jahren gewisse Sympathien für die Nürnberger Vorstädter *lachundabtauch*
    Würd mich freuen, wenn die wieder aufsteigen.

    LG Andreas

  • Hallo Forum,

    das Regenwetter wirbelt meinen Zeitplan mal wieder gehörig durcheinander. Zumindest auf das Wetter kann man sich blind verlassen...und auf uns auch...sobald wir bei einem bewohnten Haus das Dach abdecken, kann man mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, daß der alte Herr uns mit reichlich Wasser von oben segnet.
    Gutmütige Bauherren, die das Ganze (noch) mit Humor nehmen, sorgen dafür, daß sich auch bei mir keine wirklich schlechte Laune einstellen will, obwohl mir eigentlich zum Heulen ist...denn so verständlich es auch ist, daß man bei dem Wetter nicht auf dem Dach arbeiten kann - die nachfolgenden Bauherren, die jetzt schon seit Wochen sehnsüchtig auf unsere Ankunft warten, beschweren sich nicht beim lieben Gott, sondern bei mir - und zwar telefonisch und mit Nachdruck.
    Nächste Woche soll es dann ja wettermäßig bergauf gehen. Insofern habe ich die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, diese Saison zumindest noch bis Heiligabend abschließen zu können.

    Gute Fortschritte macht dagegen mein Open-Air-Projekt. Drei Bands für das Festival stehen bereits fest, mit einer der besten Psychedelic- und Stoner-Rock-Bands Deutschlands stehen wir in intensiven Verhandlungen...es sieht tatsächlich so aus, als würden die Jungs, die im nächsten Jahr auch noch ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum feiern, als Headliner das Festival krönen.
    Stattfinden wird das Festival voraussichtlich im Juni 2014, der genaue Termin muß aus Gründen der Verfügbarkeit aber noch abgeklärt werden.
    Aus meinem anfänglichen Hirngespinst wurde inzwischen tatsächlich ein reales Projekt, in das meine beiden Jungs auch entscheidungstechnisch voll mit eingebunden sind. Es ist längst zu UNSEREM Projekt geworden und ich freu mich tierisch drauf, es mit ihnen durchzuziehen.
    Die passende Location haben wir ebenfalls gefunden. Wir werden das Festival auf unserem eigenen Firmengelände abhalten, welches wie eine Insel zwischen zwei Flußarmen liegt. Anlieger gibt es nur einen Einzigen (der uns allerdings ziemlich gewogen ist), Parkplätze sind reichlich vorhanden und auch optisch ist der Platz sehr gut geeignet. Es wird einige Zeit dauern, das komplette Gelände auf Vordermann zu bringen, aber alle Beteiligten sind bereits Feuer und Flamme.

    Ich erfülle mir damit einen kleinen Traum...ich habe mir zu Beginn meiner Abstinenz vorgenommen, jetzt die Dinge, die ich immer machen wollte, aber durch meinem Dauerrausch nicht verwirklichen konnte, jetzt nachzuholen.

    Nun, das funktioniert bisher ganz gut und es gibt mir weiter Stabilität, weitere Gründe, dauerhaft auch abstinent zu bleiben.

    Ich wünsch Euch allen ein schönes und entspanntes Wochenende

    LG Andreas

  • Hallo Andreas,

    das gefällt mir. Ich kann mir schon vorstellen, dass es bereichernd ist, so ein Projekt umzusetzen. Zu sehen, wie aus einer Idee, was handfestes wird und in den Bereich der Möglichkeit wächst.

    Allerdings frage ich mich hierbei:

    Zitat

    Nun, das funktioniert bisher ganz gut und es gibt mir weiter Stabilität, weitere Gründe, dauerhaft auch abstinent zu bleiben.

    Wenn alles nicht gut läuft, wäre es denn dann so, dass es wieder Gründe wären, deine Trockenheit in Frage zu stellen?

    Lg Maria

  • Zitat von Maria


    Allerdings frage ich mich hierbei:


    Wenn alles nicht gut läuft, wäre es denn dann so, dass es wieder Gründe wären, deine Trockenheit in Frage zu stellen?

    Lg Maria

    Hallo Maria,

    ich selbst fühl mich sehr stabil, habe weder ein Verlangen noch Gedanken nach Alkohol.
    Aber ich bin vorsichtig. Das geht mir alles irgendwie zu einfach...und ich habe in meiner doch noch recht kurzen Zeit hier im Forum immer wieder von Rückfällen gehört und gelesen, von Trockenen, die nach Jahren zufriedener Abstinenz doch noch gestrauchelt und gestolpert sind. Ich will es nicht soweit kommen lassen.

    Ich fand es von vorneherein wichtig, den Verzicht auf Alkohol nicht als Verlust von Lebensqualität zu sehen.
    Heute trinke ich Kaffee, wenn mein Verein Fuppes spielt, anstatt 3,4 Bier zu saufen. Und es kommt mir vor, als ob es nie anders gewesen ist. Aber ich will mich nicht einlullen lassen...ich will wachsam bleiben.

    Und das wollte ich eigentlich damit ausdrücken...noch mehr Gründe für die Trockenheit bedeuten zwangsläufig, daß man dem Alkohol irgendwann auch in kritischen Situationen keinen Spielraum mehr gibt.

    Ein paar solche Situationen habe ich schon durch seit Dezember...und es war nie wirklich knapp. Aber wie gesagt, ich bleibe Realist...alkoholkrank ist man ein Leben lang...das darf man nie vergessen.

    LG Andreas

  • Hallo Andreas,

    Zitat

    alkoholkrank ist man ein Leben lang...das darf man nie vergessen.

    Das stimmt. Eine Heilung erfahren wir nicht.

    Ich habe es ähnlich erlebt wie du. Das Nichttrinken empfand ich "eigentlich" als gar nicht so schlimm. Das Nüchtern werden und danach handeln, hingegen schon etwas mehr. Zwischendrin wird der eigene Handlungsspielraum dann wieder größer. Manchmal auch bedingt dadurch, womit das Leben eben aufwartet. Da zeigt es sich dann, habe ich verinnerlicht, worum es geht - so empfand ich es zumindest.

    Danke für deine Antwort.

    Liebe Grüße
    Maria

  • Hallo Andreas,

    Zitat

    Aber ich bin vorsichtig. Das geht mir alles irgendwie zu einfach...und ich habe in meiner doch noch recht kurzen Zeit hier im Forum immer wieder von Rückfällen gehört und gelesen, von Trockenen, die nach Jahren zufriedener Abstinenz doch noch gestrauchelt und gestolpert sind. Ich will es nicht soweit kommen lassen.

    Das kann ich gut nachempfinden.
    Denn ich empfand meinen Weg in die Trockenheit auch nicht als sooo schwierig. Und das macht dann manchmal stutzig...
    Bzw. war es bei mir so, das ich schon durch ein ganz tiefes Tal am Anfang ging durch eine sehr schwere Entgiftung und einen langen KH-Aufenthalt.
    In dieser Zeit hab ich allerdings auch komplett vorm Alk kaptituliert. Ich hatte keinen großen Entscheidungsspielraum mehr, nur noch Leben oder Sterben.
    Das es die ersten Wochen so sehr schwer war für (besonders körperlich) war vielleicht am Ende doch von Vorteil für mich. Denn ich war ganz unten und hab mich fürs Leben entschieden.
    Vielleicht fiel mir der weitere Weg darum leichter?
    Ich muss allerdings noch hinzufügen, das ich kaum Suchtdruck hatte. Was ich aber nicht als persönlichen Verdienst betrachte, das war einfach nur Glück. So sagte es jedenfalls auch meine Ärztin.

    Ich habe übrigens hier und auch in einer realen Gruppe Rückfälle erlebt. Auch von Langzeittrockenen in der Realen.
    Klar macht das Angst, wenn da jemand über einen Jahrzehnt trocken ist und plötzlich rückfällig wird.
    Ich habe dann immer genau nachgefragt, wie und was passiert ist. Es gibt eben keine 100% Sicherheit bei unserer Krankheit. Aber Risikominimierung und eine gewisse Stabilität.

    Zitat

    Aber wie gesagt, ich bleibe Realist...alkoholkrank ist man ein Leben lang...das darf man nie vergessen.


    Richtig!
    Ich vergesse das auch nie. Und darum behalte ich auch immer eine gewisse Demut in Bezug auf meine Krankheit.

    LG Sunshine

  • Hallo Sunshine,

    ich habe diesen absoluten Tiefpunkt nie erlebt. Ich war an dem Tag, an dem ich mit dem Saufen aufgehört und mich hier angemeldet habe, noch nicht mal wirklich überzeugt, Alkoholiker zu sein. Teile meines Umfeldes verneinen heute noch, daß ich Alkoholiker bin...ich schon lange nicht mehr.
    Trotzdem kann ich mit dem Begriff Kapitulation immer noch nix anfangen. Ich hab ihn nie verstanden, nie erkannt, was damit eigentlich gemeint sein soll.
    Ich unterschätze den Alkohol deshalb nicht...aber ich sehe mich nicht schutzlos...es liegt an mir selbst, ob ich wieder saufe oder nicht. Und ich sage das nicht arrogant oder ignorant, sondern klar im Kopf.
    Niemand kann dafür sorgen, daß ich wieder saufe - es liegt in meiner Hand. Ich bin für meine Abstinenz verantwortlich und niemand sonst.
    Daß man sich hier immer wieder austauscht und mit dem Thema Alkohol beschäftigt, ist für mich ein wichtiger Baustein...das war er schon immer. Das Forum hat mir auf die Beine geholfen, mich in den ersten Wochen und Monaten gestützt und nun läuft es neben mir her und passt auf, daß ich nicht wieder falle. Das ist mir wichtig...zu wissen, daß man nicht alleine ist.
    Auf den Begriff "Demut" reagiere ich grundsätzlich allergisch :) Aber ich weiß schon, was Du meinst...ich sehe es eher als einen Art Respekt einem mächtigen Gegner gegenüber, der mich jederzeit herausfordern kann, dessen Herausforderung ich aber immer ablehnen kann, wenn ich klar und stabil bin. Klar bin ich seit Dezember und für meine Stabilität gibt es verschiedene Faktoren. Der wichtigste Faktor ist das Eingeständnis an mich selbst, daß ich keinen Alkohol mehr brauche und ohne ihn besser dran bin, mein Leben sich ohne ihn positiv entwickelt hat. Es gibt einfach keinen Grund zum Saufen für mich.

    Meine Frau hat mir in dieser Woche ein Bild von mir gezeigt, welches vor knapp einem Jahr aufgenommen wurde...da wird auch der optische Unterschied so gnadenlos deutlich, daß einem schlagartig klar wird, was der Alkohol aus einem machen kann.

    Schönes WE Dir

    LG Andreas

  • Hallo Andreas,

    Zitat

    Auf den Begriff "Demut" reagiere ich grundsätzlich allergisch :) Aber ich weiß schon, was Du meinst...ich sehe es eher als einen Art Respekt einem mächtigen Gegner gegenüber, der mich jederzeit herausfordern kann, dessen Herausforderung ich aber immer ablehnen kann, wenn ich klar und stabil bin. Klar bin ich seit Dezember und für meine Stabilität gibt es verschiedene Faktoren.

    Man kann es auch Respekt nennen :wink:
    Für mich persönlich ist es eben Demut.
    Ich bin ansonsten kein besonders demütiger Mensch, ich trage keine Büßerkutte und ich tue, was ich will und lass mir da selten reinquasseln.
    Ich empfinde also nur vor dem Alk Demut, ansonsten eher nich. 8)

    Ich habe es im realen Leben erlebt, das 2 Menschen vor mir saßen, die mir von ihrem Rückfall berichteten. Einer war 7 Jahre trocken, der andere 16 Jahre. Bei dem einen Menschen gab es beinah zugleich 2 schwere Schicksalsschläge, beim anderen war es ein Blackout.
    Ich hätte vorher Stein und Bein geschworen, sowas wie Blackouts gibt es nicht. Ich wurde eines besseren belehrt...
    Diese beiden Menschen habe ich als extrem stabil eingeschätzt. Trotzdem wurden sie rückfällig.
    Ich weiss seitdem genau, was es bedeutet, wenn hier jemand schreibt, das wir alle nur eines Armeslänge vom nächsten Glas entfernt sind.
    Trotzdem glaube ich an die Risikominimierung und das die Grundbausteine sehr wichtig sind. Aber eine 100% Sicherheit bieten sie auch nicht.
    Beide genannten Menschen sind übrigens wieder langjährig trocken.

    Von daher ist von mir auch keine Überheblichkeit zu erwarten. Egal, ob ich nun schon 11 Jahre trocken bin. Es ist keine Garantie, das ich es nächste Woche auch noch bin.

    Das mal so am Rande in Sachen Demut
    :wink:

    LG Sunshine

  • Hallo Sunshine,

    das sind eh nur Begrifflichkeiten, die jeder anders interpretiert.
    Meine Allergie gegen das Wort "Demut" hat nen besonderen Hintergrund...es wird von jemanden in einer unglaublich inflationären Weise benutzt, der mir ziemlich auf den Senkel geht. Ich hoffe, Du hast das nicht auf Dich bezogen.

    Wollte ich nur kurz geklärt haben :)

    LG Andreas

  • Moin Forum,

    ein Post bei Zimttee hat mich gerade daran erinnert, wie jämmerlich mein Onkel an seinem Berufswunsch Lehrer und in erster Linie am Alkohol zugrunde gehen mußte.

    In einer Zeit, in der man grade keinen Bedarf an Gymnasiallehrern hatte und Referendare von einer Schule zur nächsten schob, hat mein Onkel sein Studium abgeschlossen. Sein eh schon eher exotischer Lehrbereich (Biologie-Chemie) sorgte jahrelang dafür, daß er quasi als Springer arbeitete...immer Ortswechsel, immer weit weg von seiner Freundin...dazu die Gene, die offenbar dafür sorgen, daß in unserer Familie eine erhöhte Suchtanfälligkeit besteht. Irgendwann hat auch die Beziehung nicht mehr gehalten, ist an der Sucht und an der beruflichen Situation zerbrochen...ich war 14, als er mit einer angeblichen Gelbsucht ins Krankenhaus eingeliefert wurde...er hat das Krankenhaus nicht mehr lebend verlassen, die Gelbsucht war in Wirklichkeit eine Leberzirrhose.

    Ich frag mich oft, was aus ihm geworden wäre, wenn er einen Job gelernt hätte, in dem er heimatnah sofort hätte arbeiten können...wenn er nicht mit dieser ständigen Unsicherheit hätte leben müssen.

    Zu seiner Beerdigung kamen etwa 50 Schüler extra aus seiner damaligen Schule angefahren und ich hab mir ihre Gesichter genau angesehen...da war nicht ein einziger Schüler dabei, der nicht zutiefst betroffen war von seinem frühen Tod. Offenbar hat er Spuren hinterlassen, genauso wie der Alkohol Spuren an ihm hinterlassen hat. Bei ihm hat der Alkohol letztendlich gesiegt.

    Ich habe noch heute seine Lehrdias im Bereich Botanik und seine Vogelstimmenschallplatten bei mir aufgehoben, kann sie einfach nicht weggeben. Es sind die letzten materiellen Dinge, die von ihm übrig sind.

    Sein Tod hat mich damals vermutlich mehr geprägt als ich je dachte. Ich konnte nie einen Sinn in seinem Tod sehen und hasste die ganze Welt und v.a. das Schulsystem an sich dafür, daß es meinen Onkel, der ein herzensguter Mensch war, soweit getrieben hat. Mein Gott hat mich damals verlassen und ist seitdem nicht wieder aufgetaucht...

    LG Andreas

  • Moin Andreas,
    neee, ich weiß nicht, wer das Wort Demut inflationär benutzt. Aber is nu auch egal, wie man es nennt, es sind nur Begrifflichkeiten, wie Du schon schreibst. Wir wissen beide, was gemeint ist :wink:

    Die Geschichte von Deinem Onkel ist sehr traurig :(
    Dazu fällt mir ganz spontan etwas ein, was ein von mir sehr geschätzter Arzt und Autor in einem seiner Bücher über die Alkoholkrankheit schreibt. Mal mit eigenen Worten sinngemäß:
    Es sind oft die besonders sensiblen, dünnhäutigen, einfühlsamen Menschen, die süchtig werden nach einem Suchtstoff. Voll abgebrühte Menschen trifft es viel weniger.
    Es wird nach immer mehr gestrebt im Leben, immer mehr soll erreicht werden, der (oft auch selbstgemachte) Leistungsdruck wird immer höher.
    Alkoholiker sind aber oftmals sehr feinfühlig und können auch durch die aggressiven Normalos in der heutigen Leistungsgesellschaft in die Sucht getrieben werden.

    Es tut mal gut, sowas auch mal von einem Arzt zu hören, der in seinem speziellen medizinischen Bereich tagtäglich mit Alkoholkranken zu tun hat.
    Denn Vorurteile vom dummen, versoffenen und rücksichtslosen Alkie halten sich immer noch hartnäckig.
    Dabei ist oftmals das Gegenteil der Fall, Alkoholismus trifft besonders auch die feinfühligen und intelligenten Menschen!
    Siehe eben auch Dein Onkel. :(

    Ja, und dann führt eben die Krankheit dazu, versoffenen und rücksichtslos zu werden. Wir sind abhängig geworden, lügen unsere liebsten Menschen an und Logik ist in unserem Verhalten kein bisschen mehr erkennbar.
    Das sind aber nur die typischen Symtome unserer Krankheit, wenn wir bereits abhängig sind. Also krankheitsbedingt "normal". Und da durchlaufen wir alle im Grunde den gleichen Weg.

    Wir waren aber nicht immer versoffen, rücksichtslos etc.
    Viele von uns waren vorher nämlich nur Menschen, die mit der heutigen Leistungsgesellschaft nicht klar kamen aufgrund ihrer Sensibilität.
    Oder im Fall Deines Onkels dieses Hin-und-Hergeschubste in seinem Beruf. Er vorlor dadurch ja auch sein soziales Umfeld und am Ende sogar die Freundin :cry:
    Das sind schwere traurige Einschnitte im Leben und er reagierte darauf mit einer Sucht.
    Und da unsere Welt immer kälter wird, soziale Kontakte immer weniger werden, ja sogar Freundschaften werden mittlerweile übers internet "abgewickelt" :roll: kann man wohl davon ausgehen, das Suchterkrankungen immer häufiger werden.
    Da hilft dann am Ende auch alle Aufklärung nicht, wenn die Gesellschaft sich in dieser Richtung weiter entwickelt :?

    Das wollte ich mal gern dazu angemerkt haben...
    Von daher lasse ich es mir auch sicher nicht gefallen, mir Dummheit andichten zu lassen, nur weil ich alkoholkrank geworden bin. Denn oftmals ist das genaue Gegenteil der Fall.

    LG Sunshine

  • Hallo Andreas

    hört sich an, als ob es immer noch schmerzt.

    Eigentlich schmerzt es sogar beim lesen - und ich habe Deinen Onkel nicht gekannt.

    Du hast die Welt dafür gehasst. - Es ist die Machtlosigkeit mit der man als Unbeteiligter danebensteht und es weder begreifen kann noch will.
    Dann kommt die Frage nach dem allmächtigen Gott, der doch am Punkt unserer Machtlosigkeit was machen müßte.

    Mein Gott ist mir trotzdem noch nahe. Ich weiß nicht warum - ich habe nur das Gefühl, daß er mich nicht hat fallenlassen - als ich ihn auch schon angeschrieen hab, ich würde ihn nicht verstehen, ihn nichtmehr fühlen und käme nicht klar mit der Situation, die er mir gerade zumutet. Ich habe mich auch nicht von ihm abgewandt sondern angenommen, daß ich bei ihm sein darf wie ich bin und sagen darf, daß ich an ihm verzweifle. Ein Stückchen Vertrauen hab ich anscheinend noch retten können. Und die Einsicht, daß Machtlosigkeit ein Zustand ist, den ich immer wieder lernen muß, um nicht zu verzweifeln.

    LG Nys

  • Lieber Andreas,

    die Geschichte von dir als 14-Jährigem und deinem alkoholkranken, "gelbsüchtigen" Onkel hat mich sehr berührt. Danke.

    Mir zeigt das wieder einmal, dass alle Schubladen wie "dünnhäutig" oder "abgebrüht" nicht weiterhelfen. Du bist selber wie dein Onkel geworden, und Schubladendenken kann davor nicht bewahren.
    Aber Respekt vor der Sucht, die hilft weiter. Daher ist das Nachvornegucken so wichtig.

    LG viola

    Da, wo es piekt, da geht es lang!

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