Überübermorgenland - Postfach :-)

  • Moin Katha,

    ganz "entre-nous" will ich Dir gute Besserung wünschen (täuscht das oder mach ich das inzwischen fast bei jedem Post an Dich ?) und Dir einfach mal ganz unverblümt sagen, daß Du für dieses Forum eine enorme Bereicherung bist. Ich könnte mir vorstellen, daß mancher Leser nach dem Lesen Deiner Posts ein ganzes Stück besser drauf ist als vorher.
    Es gibt nur ganz wenig Zeitgenossen, die fast bei allem, was sie machen, eine positive Wirkung auf andere Menschen haben. Du darfst Dich mMn. zu diesem illusteren Kreis dazuzählen.

    Schönen Gruß aus dem Hamsterrad :) und ne schöne Zeit Dir

    Andreas

  • Zitat von Carpenter

    Es gibt nur ganz wenig Zeitgenossen, die fast bei allem, was sie machen, eine positive Wirkung auf andere Menschen haben. Du darfst Dich mMn. zu diesem illusteren Kreis dazuzählen.

    ganz dick unterstrichen!!!!!

    glück auf

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Liebe Katha,

    wieder einmal möchte ich dir danken für deine Beiträge, die mich bereichern.

    Deine Schilderung deiner "glücklichsten Beziehung deines Lebens" klingt wunderbar, (und natürlich fragt sich die geneigte Leserin, wie es kam, dass sie nicht hielt... ?)

    Auch von mir herzlich: Gute Besserung und eine schönes Wochenende für dich!

    Thalia

  • … er starb auch, liebe Thalia, neben mir im Schlaf an einem Herzinfarkt mit Anfang 40.

    Ich schreibe ja auch oft, um mich zu erinnern: An die Zeiten im Suff, in denen ich vor mich hinvegetiert habe, an die Dinge, die mich nach vorn gebracht haben, an Menschen, die mich unterstützt haben und Menschen, die mir nur geschadet haben, an meine Träume und Ziele, an hoffnungslose Beziehungen oder auch daran, dass ich manchmal eine unbändige Lebensfreude in mir habe, die wie aus dem Nichts kommt, denn dafür brauche ich nicht viel.

    So sitze ich hier manchmal „angeklettet“ wie Mrs. Regungslos in meinem Gartenstuhl, lasse die Gedanken einfach fließen und kann – je nach Thema in meinem Kopf – überschäumend fröhlich, übermütig, traurig, nachdenklich, dankbar oder auch so wunderschön zufrieden und ruhig werden. Und ich habe wiederholt feststellen dürfen, wie neue Ziele mich beflügeln.

    Mein Aktionsradius ist sehr beschränkt und so kann ich kaum sagen, wie sehr es mich freut, wenn Menschen wie Susanne, Correns, Andreas, Matthias und Du mir schreiben, dass ich Andere auch auf diese Art erreichen kann. Das macht vielleicht auch den Menschen Mut, die ebenfalls nicht aus der Tür fallen können. Mich haltet Ihr auf jeden Fall in der Welt und das tut mir irrsinnig gut.

    Vielen Dank für alle Genesungswünsche. Ich bemühe mich weiterhin nach Kräften, mich nicht zu bemühen ;-). Ich danke Euch ganz herzlich.

    Liebe Grüße
    Katha, die glatt den Start in Istanbul verschnorchelt hat, weil sie sanft und selig schlummern konnte :)

  • Hallo Katha,
    mir kommt es vor, als würdest du deine Zeit sinnvoller nutzen als manch anderer, der sich uneingeschränkt bewegen kann.
    Trotzdem ist es sicherlich nicht einfach, denn die Energie, die will ja immer irgendwo hin :wink:
    Ich denke jedenfalls oft an dich und wünsche dir, dass sich dein Aktionsradius bald wieder erweitert.
    Wenn ich mich mit meinen Vermietern amüsiere, wünsche ich mir, du würdest dabei sein; du könntest das ganze Schauspiel in eine tolle Geschichte verwandeln.
    Die beste Komödie 2014?!
    Gestern wurde mir erklärt, dass die nasse Wand ( einer Baubiologin sei dank; ich wurde erhört) keine Wasserrohre enthält.
    :shock::shock::shock:
    Ich glaube ja erstmal alles, was mir ernsthaft vorgetragen wird.
    Abends musste ich dann aber doch von meinem Sofa aufspringen und den Spülenschrank aufreißen: komisch; die Wasserrohre kommen aus der Wand.
    Im Badezimmer verhält es sich tatsächlich genauso, wie sollte denn auch sonst das Wasser in die Badewanne laufen?

    Es gibt also Dinge, die gibt es gar nicht.

    So, jetzt verschwinde ich wieder und quetsche mich zwischen 3 Hunde, die sich aufgrund des bollernden Kamins unverschämt entspannt breit machen.

    LG
    Susanne

  • Zitat von Katharsis

    ...Katha, die glatt den Start in Istanbul verschnorchelt hat,
    weil sie sanft und selig schlummern konnte :) ...


    Sehr gut Katha,

    das zeigt deutlich, dass Du gesund Prioritäten setzen kannst.
    Schließlich ist Dein Projekt "Aktionsradius vergrößern" ziemlich wichtig.
    Hierfür wünsche ich Dir weiter alles Gute und die notwendige Geduld.
    Und das, obwohl ich gerade bei Geduld ja alles andere als Experte bin.

    Viele Grüße
    Correns

  • Huhu Susanne,

    nee :D, es sei denn, Jemand würde mir vier Hecken dafür zur Verfügung stellen ;-).
    Ich bin seit einiger Zeit voll gedanklich besetzt mit allen Aspekten der Co-Abhängigkeit und rotiere da so vor mich hin.
    Ich weiß natürlich, dass ich Niemandem Sucht erklären kann, der nicht selbst davon betroffen ist, aber manchmal wünschte ich, Andere würden es nachvollziehen können, dann wäre ein anderer Umgang miteinander möglich.
    Ansonsten habe ich eine Menge Termine angezettelt und renne tagtäglich die Hügel hoch und runter. Ich bin in die Hände eines Riesen geraten, der sich als Physiotherapeut ausgibt, allerdings habe ich sowohl ihn als auch meinen neuen Hausarzt im Verdacht, dass sie beide Mitglied im „Sadismus im Alltag“ e.V. sind und sich mit Leuten wie mir während der Woche königlich amüsieren.
    Der Mann klappt mich zusammen wie eine Stulle und freut sich dann, dass ich trotz Mieder so überaus beweglich bin :D. Na subba.
    Die Pflanzen müssen in den Keller und die Weihnachtsdeko muss hinaus, die Autobatterie muss ausgebaut werden und nix davon kann ich allein schleppen. Das ist deprimierend und so muss ich warten, denn die Unterstützung ist gerade mit wehenden Haaren auf dem Weg zu mir.
    So schicke ich dies jetzt schnell ab, bevor wieder etwas dazwischen kommt und es auf meinem Desktop vor sich hinschimmelt wie meine Antwort an Dich vom 17.11. :-).
    Ich freue mich jetzt schon aufs Wochenende *uffz*.

    Ganz liebe Grüße an Dich und Dir ebenfalls ein wunderschönes & puscheliges Wochenende.
    Katha

  • Selbsthilfe, oft Eiertanz und Minenfeld. Kenne ich einen Süchtigen, kenne ich nicht alle. So verschieden die Menschen und auch ihre Situationen sind, so verschieden äußert sich Verhalten in der Sucht.
    Nach einem kürzlich erfolgten Gespräch möchte ich festhalten, dass ich seit langem Menschen kenne, die völlig auf sich selbst gestellt mit dem Trinken aufhören konnten.
    Das geht, keine Frage. Auch wenn es ein heikles Thema ist, kann ich Tatsachen nicht einfach ignorieren. Ich möchte aber hineinsehen in den Rucksack, mir den Ballast angucken, den diese Mit-Betroffenen mitschleppen.

    Ich bin also verzweifelt. Das lässt sich locker schreiben. Verzweiflung ist aber ein eiskaltes Gefühl, das mir die Luft abschnürt und mein Herz versteinert, mein Hirni und die Knochen lähmt, mich innerlich fast erfrieren lässt. Hoffnungslosigkeit macht sich breit. Dann ist mir die Eiseskälte fast schon gleichgültig. Fast, denn irgendetwas in mir sagt, dass dieser Selbstmord auf Raten nicht der Weg sein kann und ich frage mich: Zuviel Angst vorm Sterben oder ist da vielleicht doch noch ein Ziel oder Wünsche, take it or leave it, Sekt oder Selters, Hopp oder Top, the more I see, the more I know, the more I like to let it go – letztendlich alles nur die Frage nach: Leben oder sterben?!
    Als Zynikerin behalte ich persönlich im Hinterkopf, dass jedes Leben zwangsläufig mit dem Tod endet, doch als Alkoholikerin weiß ich, dass ich elendig verrecken würde vor der Zeit: Niemand kann Organe zusammen flicken, die im Begriff der Auflösung sind. Da gibt es kein Zurück.

    Nach dieser langen Tortur, behaftet mit Zweifeln jedweder Art, mache ich mich dann doch auf den Weg, denn ich will mich befreien. Die Gründe hierfür sind individuell.
    Nun fällt mir plötzlich ein: Verdammt peinlich das Ganze.
    Ich bin zwar höchstpersönlich durch die Hölle gegangen, habe mir vielleicht sogar weismachen können, dass Niemand mitbekommen hat, wie ich „geschwächelt“ habe, doch nun riskiere ich alles.
    Ich setzte alles, was ich gerade noch retten wollte, nämlich mein Leben, aufs Spiel und entziehe ganz allein vor mich hin, damit bloß Niemand von meiner „Schwäche“ erfährt.
    Vielleicht gibt es Betroffene, die genauso wenig informiert sind wie ich z.B. damals: Bei einem Alkoholentzug ohne ärztliche Betreuung kann Deine Atmung einfach aussetzen und Du stirbst.
    Sollte ich den kalten Entzug überlebt haben, geht’s weiter.
    Hilfe und Unterstützung kann ich mir nicht holen, denn nach wie vor soll ja Niemand erfahren, dass ich Alkoholsüchtig bin.
    Macht einsam und kostet eine Menge Kraft.
    Ich stelle fest, wie anstrengend das Leben sein kann.

    Alkohol ist überall, aber da ich kein Statement abliefern will oder kann, muss ich ständig Ausreden erfinden. Familie, Freunde, Firma. „Ich trinke nicht, weil ich noch fahren muss!“. „Mein Antibiotikum verträgt sich nicht mit Alkohol!“. „Ich habe Hepatitis aufgrund einer Bluttransfusion“ [Liste lässt sich beliebig fortsetzen…]
    Wenn ich ein bisschen Alkoholkonsum zugeben kann, versteige ich mich noch in einem völlig anders gelagerten Forum zu der Aussage, man hätte mich in einem Alkoholikerforum nicht ernst genommen, weil ich „zu wenig“ getrunken habe.
    Mein Kopf sagt dazu nichts, aber mein Bauch schreit, dass da Jemand die erste Hürde – Offenlegung beim Arztbesuch, bei nahestehenden Menschen – nicht nehmen konnte. Das ist natürlich nur ein subjektiver Eindruck.
    Was bleibt also?
    Nach dem, was ich oft gesehen habe, ein Leben voller Lügen und Ausreden.
    Stehe ich dann nicht genau an dem Punkt, von dem aus ich gestartet bin, als ich mit letzter Kraft versucht habe, das Ruder herum zu reißen?!

    Vielleicht unterscheide ich mich von manchen anderen Alkoholkranken, weil ich nie lügen oder Ausreden erfinden musste, ich habe immer getan, was ich gerade tun musste. Ich musste Niemanden bestehlen, weil ich immer mein eigenes Geld verdient habe. Wenn ich sagte: „Ich liebe Dich!“ war das Gefühl da und echt.
    Ich habe Niemanden benutzt oder ausgenutzt und fühle mich deshalb nicht als Täterin, wie es von anderen Co-Abhängigen zu oft gern gesehen wird.
    Ich habe vor allem niemals getrunken, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich habe getrunken, weil ich süchtig bin.
    Als meine kleine Tochter mir damals den Flachmann, den sie versteckt hatte, wiederbrachte, mit einem Zettel darauf: „Bitte nicht trinken!“ – konnte ich nicht aufhören mit dem Alkohol – obwohl es ein Gefühl war wie sterben.
    Sie und ich, wir wissen, dass sie niemals unter meinen Ausfällen zu leiden hatte – in der Praxis, im täglichen Leben. Gefühlt hatte sie das Empfinden, dass ich mich quasi verflüchtige und geistig nicht mehr erreichbar bin. Sie hatte Angst um mich und das sollte niemals passieren.
    Dieses Gefühl hat mich erreicht und auch ich hörte kurz danach von einem auf den andern Tag auf, zu trinken. Ohne jedwede Unterstützung. Ich hätte es nicht ertragen, meine Kinder in dem Glauben zu lassen, irgendetwas auf der Welt wäre wichtiger als sie.
    Ein halbes Jahr lebte ich, als hätte es Sucht in meinem Leben nie gegeben.
    Bis mein nächster Lebensgefährte ebenfalls starb.
    Drei Wochen hielt ich noch nüchtern durch, aber ständig riefen mich Freunde an, leicht besäuselt, denn sie mussten sich Mut antrinken – was soll man Jemandem auch erzählen, der einen solchen zweiten Verlust nacheinander erlitten hat – und ich fing wieder an mit der Trinkerei.
    Du hast mich gefragt und so antworte ich Dir hier, mit Deiner Erlaubnis: Es nutzt gar nichts, rein technisch und mit einem Kraftakt mit der Sauferei aufzuhören, wir müssen die Leere auch mit Inhalt füllen.
    Ich schäme mich nicht, zu sagen, dass ich Alkoholikerin bin.
    Ich bin frei, es zu äußern, wo ich will und wann ich will.
    Manchmal zweifle ich daran, dass ich krank bin, weil ich versucht bin zu glauben, ich hätte meine Energien anders einsetzen können, aber wenn selbst Krankenkassen nicht zweifeln, nehme ich es mal so hin.
    Ich vermeide die Erwähnung dieser Krankheit in meinen Jobs – ich möchte nicht zum Pausengesprächsstoff irgendwelcher Hühnchen werden – das hält mich nur auf.
    Jederzeit aber habe ich die gefühlte Freiheit in mir, Personen meines Vertrauens zu sagen: „Ich bin Alkoholikerin“!
    Das kann ich nur, weil ICH dazu stehe. Das macht mich frei. Wie frei bist Du?

    Kuss
    Katha

  • Liebe Thalia,

    ich wollte Dich nicht zum Weinen bringen und drück´Dich einfach mal, wenn ich darf.
    Wenn ich mich nicht gerade in Ironie flüchte, geht manchmal der Gaul mit mir durch, denn da ist immer noch diese Liebe zu Menschen in mir.
    Entgegen anderslautender Meinungen mag ich keine „Opfer“ mehr sehen und ich sehe öfter als mir lieb ist, dass Menschen sich selbst total unterschätzen.
    Das einzig Positive an der Tatsache, dass ich aus der Co-Abhängigkeit direkt in die Alkoholsucht gestolpert bin, ist, dass ich beide Seiten kenne und nachvollziehen kann.

    Ich würde mir wünschen, dass jeder Alkoholiker versteht, dass er krank ist, aber kein Opfer, und er die Möglichkeit hat, diese Krankheit zum Stillstand zu bringen, egal wie verzweifelt er gerade sein mag. Es gibt Hilfe und auch Verständnis!
    Ich spüre oft noch soviel Bitterkeit, Verachtung und teilweise auch Hass bei manchen Co´s, dass ich mir für sie wünschen würde, sie könnten tatsächlich verstehen, dass es sich um eine Krankheit handelt. Es liegt nie daran, dass sie nicht liebenswert sind, menschlich nicht wertvoll, zu dick, zu dünn, zu hässlich, zu fordernd, zu egoistisch oder zu sehr bemüht, nur be- und ausgenutzt werden sollten, etc.
    Es gibt Eltern, die ihre Kinder nicht lieben können, ob sie nun ein Suchtproblem haben oder nicht. Es gibt keinen „Elternführerschein“ und so sind auch Eltern nur Menschen und machen Fehler, die z.T. fatale Folgen haben können. So würde ich mir auch wünschen, dass Kinder verstehen könnten, dass es nicht an ihnen liegt, dass sie nicht „schuld“ sind daran, dass an ihnen nichts Verkehrtes ist.
    So sehr wie ich Familie schätze, kann ich einigen Menschen tatsächlich nur dazu raten, sich auch von Eltern oder auch Geschwistern zu distanzieren, wenn sie ständig unter der lieblosen Behandlung leiden müssen.

    Kein Mensch sollte unter schlechter Behandlung leiden müssen, nicht im Job und schon gar nicht in der Familie oder gar in der Partnerschaft.
    Was geschieht denn letztendlich oftmals in der Beziehung zu einem aktiven Süchtigen?
    Ich hinterfrage oder mache berechtigte Vorwürfe, wenn der Andere seine Zusagen nicht einhält. Mir fällt der Konsum auf. Ich frage wieder und werde belogen. Pure Entrüstung schlägt mir entgegen und der Partner ist total gekränkt ob meiner Verdächtigungen.
    Na, das will ich ja nun auch nicht. Ich bin ja kein Unmensch und will ihn doch nicht zu Unrecht beschuldigen und ihn damit verletzen. Ich fühle mich schuldig. Kurze Zeit später fällt er (vielleicht) ins Koma.
    Ich bin stinksauer und denke: Ich hatte doch recht! Nur geht es in diesem Fall nicht ums „recht haben“ und damit ist nichts gewonnen. Oft ist der Alkoholiker in diesem Stadium ja noch in dem Wahn verfangen, er hätte gar kein Problem und könne jederzeit wieder aufhören.
    Dies ist kein fieses „Spielchen“, für den nassen Alkoholiker ist es die reine Notwendigkeit, denn der Druck wird immer größer.
    Ich habe von der Krankheit überhaupt keinen Plan. Was bei mir ankommt, ist nur eines: Ich werde belogen, hintergangen und vielleicht auch manipuliert.
    Mein Misstrauen wird immer größer und ich fange an, ihn zu kontrollieren.
    Ich muss mir irgendwie beweisen, dass ich meiner eigenen Wahrnehmung trauen kann und will mich nicht veräppeln lassen. Je öfter ich ihn bei irgendwelchen Lügen ertappe, desto haariger werden seine Ausreden. Hat er seinen Pegel erreicht oder ausreichend Gelegenheit gehabt, sich mal so richtig volllaufen zu lassen, ist er lieb, friedlich und handzahm.
    Bedränge ich ihn zu sehr, bricht er u.U. mit absolut lächerlichen Argumenten einen Streit vom Zaun, um sich verpieseln zu können, damit er in Ruhe trinken kann, weil er muss. In diesem Stadium sollte sich Niemand wundern, wenn er es überraschenderweise dann doch ablehnt, wie geplant zusammen zu ziehen oder sich zum … äh.. „Basteln“ in den Keller verzieht.

    Ich bin dauer-enttäuscht, misstrauisch, hilflos, Kontrollsüchtig, verbittert und nörgle ständig herum, nichts macht mehr wirklich Spaß oder Freude. In seinen „klaren Momenten“ macht er mir Hoffnung, nur um sie dann prompt wieder zunichte zu machen. Ein Wechselbad der Gefühle, das kaum ein Mensch unbeschadet überstehen kann. Eventuell ist er jetzt bereits so genervt von mir – ich bin ja irgendwie „schuld“ daran, dass er nicht trinken kann wie er muss – dass er sich eine verständnisvollere und vor allem entspannte Frau sucht (oft auch nur platonisch, denn alles Andere kostet wieder Energie, die er kaum noch hat), mit der er herumblödeln kann. Nur weil ich richtiggehend zum Biest mutiere, heißt das ja noch lange nicht, dass er zwischenzeitlich überhaupt keinen Spaß mehr hat. Eifersucht verstärkt jetzt mein Misstrauen. Ich bin maßlos enttäuscht, denn während ich versuche, ihm zu helfen und ihn zu unterstützen, zu retten was zu retten ist, ist er als Eintänzer unterwegs. Ich bin wie ich bin und so zweifle ich plötzlich an mir selbst, nicht an ihm. Irgendwie idiotisch, passiert aber häufiger als man glauben mag.

    Hänge ich lange genug in dieser Endlosschleife aus Hoffnung und Enttäuschung mit immer wieder neuen Lügen, Ausreden, Versprechungen oder gar Bitten um Hilfe und Verständnis, weil ich nicht loslassen kann, zweifle ich irgendwann dann tatsächlich an meiner eigenen Wahrnehmung. Ich sehe und kann doch nicht glauben, ich erinnere mich und muss mich doch noch einmal vergewissern. So kann es passieren, dass ich drei Mal hintereinander in meiner Tasche nachsehen muss, ob ich den Schlüssel tatsächlich auch eingesteckt habe, bevor ich die Tür zuziehe.
    Von mir bleibt nichts übrig als eine verunsicherte, verbitterte, deprimierte und misstrauische Frau, die kaum noch Freude empfinden kann und sich für wenig wertvoll hält. Von ihm heißt es nach wie vor: „Was für ein netter, freundlicher und hilfsbereiter Kerl, und wie lustig der immer ist. Was will er bloß mit dieser Ziege?“ ;-).
    Das kann so passieren, muss aber nicht. Für Sucht und menschliches Verhalten gibt es keine Gesetze, oder vielleicht nur eines: Sowenig wie man den Alkoholiker dazu „bringen“ kann, mit dem Trinken aufzuhören, sowenig kann man den Co aus der Abhängigkeit schubsen. Es sind meiner Meinung nach Erkenntnisse, die im Innern eines jeden Menschen entstehen und heranreifen, bis er sich selbst aus der Situation lösen kann. Ein Prozess, der unterschiedlich lang dauern kann.

    Gut finde ich, was Rhein angemerkt hat: Wenn man sich Dinge notiert – es müssen ja keine täglichen Romane sein – verliert man sich selbst nicht aus dem Auge und kommt weniger ins Grübeln oder gar ins Zweifeln. Der Mensch verdrängt ja gern mal – ein Überlebensmechanismus - aber in bestimmten Situationen eben auch verheerend.

    Ich weiß gar nicht, warum mich plötzlich diese Schreibwut gepackt hat. Vielleicht liegt´s am Winter, Zeit, das Oberstübchen auszumisten :-). Jedenfalls gibt es Dümmeres, das ich an diesem grauen Samstag anzetteln könnte, als hier zu tippseln.

    Dir ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende.
    Katha

  • Vollsperrung im Hirni in Sachen Vermieter.

    Liebe Susanne,

    da wollte ich Dir meine eigenen Ein- und Ausfälle schildern, was den Umgang mit Vermietern angeht (z.B. mein fasziniertes Starren auf das T-Stück, das ein Vermieter im Rohr hinter meiner Wasseruhr eingebaut hatte, um meine Wasserleitung anzuzapfen und mein freundliches Abnicken zu seiner Erklärung, dass die Abrechnung wegen der Wasseruhr selbstverständlich ordnungsgemäß erfolgt...) und weitere Späße, um Dir zu vermitteln, dass Du keineswegs die Einzige bist, der solche Kapriolen passieren :-), aber meine Schaltstellen sind in dieser Hinsicht schon längst wieder besetzt :(

    Mein Prozess findet morgen statt. Ich hasse das! Und doch muss ich es zum Abschluss bringen. Ist ja nicht mein erster, und nein: Ich bin keine Krawallschachtel mit extremen Hobbies.
    Für meinen Paps bin ich damals allein ins Feld gezogen, mit nix im Gepäck als null Ahnung, Empörung und dem Willen, notfalls die Welt auszuhebeln für menschliches Verständnis.
    Fortgeschrittene Demenz bei ihm. Irgendwie auch süß, weil er immer so ordentlich seine Überweisungen für die Miete ausfüllte (in gestochen scharfer Kartographen-Schrift), um sie dann in öffentlichen Papierkörben zu versenken. Ich wusste nichts davon, bis die Räumungsklage kam.
    Pamphlet aufgesetzt, über die Barrikaden gehopst und glücklicherweise konnte ich das Dach retten. Irgendwie einfacher, wenn man sich für Andere auseinander reißt ;-).

    Der nächste Prozess war der reinste Spaziergang dagegen. Kein Gehalt vom Arbeitgeber, Fronten klar, fähiger Anwalt, peng! Ich wurde nicht einmal gebeten, mich zu äußern, und das war beruhigend.
    Und morgen? Mein Anwalt hat mehr als ein Jahr gebraucht, um eine nicht rechtsgültige Klage einzureichen. Nicht Prozess- und Parteifähig in dieser Form. So weit, so schlecht und alles noch einmal von vorn. Immerhin haben wir ein paar Unterlagen ausgetauscht und drei Mal telefoniert in den zwei Jahren. Ich kenne die Raumnummer des Verhandlungssaales, das ist ja nicht nichts. Mein Erscheinen wurde angeordnet. Seit heute schneit es und ich hoffe, ich kann morgen früh unbeschadet zum Bahnhof segeln. Mit einer kompletten, privaten Akte im Gepäck, als sollte ich den Berg allein bezwingen, dabei wäre ich so gern mal wieder entspannte Beifahrerin. Nervöse Blicke auf die Wettervorhersage (seit Tagen) und in den Garten. Ich werde meine beste... äh... Trainingshose tragen, das bringt mich richtig nach vorn in Sachen Wohlgefühl *örgs*. Tja nun, es ist wie es ist im Moment.
    Und auch sonst so.
    Die Vergangenheit kann ich nicht ändern, aber ich kann Dinge abschließen, um sie hinter mir zu lassen. Eine tief eingewurzelte Abneigung gegen jede Willkür zwingt mich dazu, dem Mann wieder gegenüber zu treten, der mir eine nette private Hölle bereitet hat mit seinen ständigen Übergriffen. Es ist völlig gleichgültig, ob er die Kaution nun auch noch einstreichen kann oder nicht, aber dann habe ich bis zum Ende alles getan und bin weder geflüchtet noch habe ich Unangenehmes vermieden.
    Ich freue mich jetzt schon auf meinen ersten tiefen Atemzug nach der Verhandlung, denn dann habe ich das letzte Stück Ballast abgeworfen.
    Mein jetziger Vermieter ruft mich an, um mir zu sagen, dass ihm meine Haarfarbe gefällt :D. Geht also auch anders ;-).

    Dir wünsche ich einen schönen Abend und ich werde jetzt die Luft anhalten bis morgen Mittag ;)

    Liebe Grüße
    Katha

  • Guten Morgen Katha,

    es ist schön, dass Dein erster tiefer Atemzug
    nach der Verhandlung nicht mehr weit entfernt ist.
    Vielleicht hast Du danach noch die Energie,
    Deinen Anwalt in die Wüste zu schicken...

    Ich drücke Dir die Daumen,
    dass alles gut über die Bühne geht.
    Im Übrigen wird Deine Haarfarbe
    von Deiner Trainingshose ablenken ;)

    Viele Grüße
    Correns

  • Liebe Katha,

    ich drücke ebenfalls die Daumen das alles in Deinem Sinne läuft.

    Zitat

    ...aber dann habe ich bis zum Ende alles getan und bin weder geflüchtet noch habe ich Unangenehmes vermieden.
    Ich freue mich jetzt schon auf meinen ersten tiefen Atemzug nach der Verhandlung, denn dann habe ich das letzte Stück Ballast abgeworfen.

    Das ist eine Bombeneinstellung!!! Prima!!!

    Alles Gute
    Eni

  • Hallo Ihr Lieben :)
    [Ich bin ja sonst nicht so offensichtlich gefühlig unterwegs, aber was raus muss, muss raus: Fühlt Euch mal gedrückt! :-)]
    Ganz lieben Dank für Euren Zuspruch, er hat mir echt geholfen und ich bin kichernd zum Bahnhof gewetzt, nachdem ich Correns´Beitrag noch lesen konnte :-).
    Meiner Haarfarbe habe ich allerdings den Job nicht ganz zugetraut und deshalb noch eine Mütze mit fiesen Troddeln montiert, besser is… ;-).

    Ich bin jetzt noch ganz überrascht, wie naiv ich manchmal sein kann, weil ich erfolgreich verdrängt hatte, dass Mühlen zwar mahlen, jedoch nie in meinem Tempo ;-).
    Mein Anwalt ist nicht erschienen, vermutlich irrt er noch durch die Wüste, weil da Andere vor mir waren ;-), aber zum guten Schluss tauchte doch noch ein Ersatzmann auf.
    Ein Vergleich wurde vom Vermieter abgeschmettert, allerdings auch seine Bitte um eine 14-tägige Frist, um sich erinnern zu können, ob er gewisse Schriftstücke unterzeichnet hatte, auf denen zweifelsfrei seine Unterschrift prangte.
    Nun geht es in die Beweisaufnahme, mein Erscheinen ist nicht mehr erforderlich und damit kann ich frei entscheiden.
    Das einzig Wichtige für heute aber ist: Ich habe mich gekümmert, bin dort erschienen, habe die Begegnung der dritten Art überstanden und der Druck und die Anspannung sind jetzt komplett weggefallen. Ich vermute stark, dass ich mich mit meiner persönlichen Akte auch zum Rückspiel aufmache und ebenso an allen möglicherweise nachfolgenden Sitzungen teilnehmen werde. Es ist jetzt nur noch Technik, kein Ballast mehr.
    Auf dem Weg zum Bahnhof hat es leicht & lauwarm genieselt und Klamottentechnisch sahen die Nicht-Kuttenträger kein Stück besser aus als ich: Soviel zum Karussell im Köpfchen :D.

    Ich wünsche Euch noch einen bezaubernden Tag. Danke!

    Liebe Grüße
    Katha, die sich heute keinen Zentimeter mehr bewegen wird ;)

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