Was bedeutet für euch Selbsthilfe?

  • Zitat von Karsten

    Hallo Rattenschwanz,

    das ich nicht normal trinke, war mir schon während der ersten Jahre des trinkens klar. Das war mit ca. 14 oder 15 Jahre.
    Da musste mir keiner mit der Nase drauf stoßen.

    Ich und niemand anderes lebt ja nur alleine und sieht, dass es andere Menschen gibt, die anders leben. Ich hatte diese normal lebenden Menschen später sogar beneidet, weil sie in meinen Augen sorgenlos lebten.

    Hab ich was anderes geschrieben?

    Klar war dir das, weil du bei anderen Menschen gesehen hast, dass es anders geht. Wenn du das bei anderen Menschen nicht gesehen hättest, hättest du nicht gewusst, dass es anders geht und hättest nichts geändert, weil es ja nichts anderes gegeben hätte auf das du hättest neidisch sein können. Also unbewusstes mit der Nase drauf stoßen durch die anderen.

  • "Selbsthilfe"...

    Mir sind beide Anteile gleich wichtig. Nur:

    "Selbst": Ich bin es der etwas bewegen muß. Das kann mir niemand abnehmen. Es ist mein Leben das ich in die Grütze gefahren habe. Ich bin der der jahrelang in die falsche Richtung gelaufen bin. Also bin ich auch der der zurücklaufen muß, Das kann mir keiner abnehmen.

    "Hilfe": ...aber allein und nur nach einem eigenen Plan funktioniert es nicht. Ich hab ja mein Hirn jahrzehntelang mit Alk überschwemmt. Wer dieses "Ich" eigentlich sein soll / könnte weiß ich ja selbst am wenigsten. ...

    Es ist also beides. Mich an andren orientieren um meinen Weg zu finden. Und diesen Weg dann aber auch gehen.

    Das fällt mir dazu ein.

    Am Anfang ist das keine individuelle Sache. Je weiter ich komme desto individueller wird es. Wenn ich von Beginn an einen individuellen Weg zu gehen versuche werde ich scheitern weil ich kein Fundament hab.

    Dies ist meine Erfahrung.

  • Hallo

    es ist ist immer einfacher von Selbsthilfe zu sprechen,wenn ich eine Zeit lang trocken bin . Leider melden sich gerade nur "die Alteingesessenen" zu Wort.

    Mich würde die Antworten von den "neu" dazu gekommen vielmehr interessieren . Wo seid ihr ?

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • glück auf rs und glück auf alle

    Zitat von Rattenschwanz

    ... Die hier viel gepriesene Methode sich einfach selbst zu helfen funktioniert ja so überhaupt nicht – meine Meinung. Der Anstoß zur Bereitschaft etwas gegen die Sucht zu tun, muss natürlich vom Kranken selbst kommen. Aber selbst der Weg zur Einsicht funktioniert ja nicht im Selbsthilfe-Programm, da ja der Anstoß daraus resultiert, dass irgendwas anders ist als bei anderen. Die Idee, dass was anders ist – Trinkverhalten, soziales Umfeld zum Beispiel – kommt ja erst, wenn andere irgendwie zu verstehen gaben, dass irgendwas anders ist. Also zeigt erst der Vergleich mit den anderen, dass ich mich doch bitte mal an jemanden wenden möchte, der mir dabei hilft, wieder so oder wenigstens ähnlich wie die anderen zu werden. Wenn uns andere – bewusst oder unbewusst – nicht mit der Nase darauf stoßen würden, dass irgendwas nicht stimmt, würden wir ja denken, dass wir so wie wir sind normal wären ...

    stimmt schon irgenwie
    – für die nasse zeit, bevor ich mich der „selbsthilfe“ anvertraut hab.
    - hat auch was mit dem berühmte „leidensdruck“ zu tun.

    wobei mein „vergleich mit anderen“ meist zu überheblichkeit geführt hat – ich hab ja viiiiiel mehr saufen können als die (wenn dann die schnapsflasche leer und die matthiasflasche voll war hab ich ja verpasst, das die anderen alle noch standen).

    beim trockenwerden, -sein und -bleiben kommts natürlich auf mich selbst an und da funktioniert auch das „sich selbst helfen“ (inzwischen lern ich ja von den anderen trockenen)


    Zitat von Hartmut

    Mich würde die Antworten von den "neu" dazu gekommen vielmehr interessieren . Wo seid ihr ?

    ja – wo seid ihr?


    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo,

    was bedeutet Selbsthilfe für mich auf dem Weg in ein trockenes Leben?

    Ich hab nochmal zurück gedacht. Raus aus der Alkoholikerfamilie rein ins Drogenmilieu, später dann auf Alkohol verlagert. Ich kannte kein Leben ohne Suchtmittel, es war immer Bestandteil meines Lebens. Als ich mich für die LZT entschieden habe, mit ca. 24 Jahren, war ich am Ende meiner Kräfte. Die einzigen die mich am Leben erhalten haben waren meine beiden Hunde.

    Ich war am Ende so fertig, das ich nicht mehr leben wollte. Keine Ahnung was mich dazu gebracht hat eine Entscheidung mit allen Konsequenzen zu treffen. Aber in München ist das Hilfsangebot groß. Ich bin zur Suchtberatung, Antrag auf LZT gestellt. Meine beiden Hunde musste ich ins Tierheim bringen, was bis dahin die schwierigste Entscheidung in meinem Leben war. Die erste Woche in der LZT war ich auf einer Entgiftungsstation, und ich habe eine Woche lang geheult, einerseits weil ich so froh und dankbar war in Sicherheit zu sein, andererseits wegen dem Verlust meiner beiden Hunde. Und ich hab mir geschworen, dass das nicht für umsonst gewesen sein durfte.

    9 Monate und auch nach der Therapie habe ich alle Hilfe angenommen die ich kriegen konnte, ohne viel zu hinterfragen. Ich wusste ja gar nicht wie ich auf den Weg in ein gesundes Leben finden konnte. Ich musste und wollte mich erstmal in die Hände von erfahrenen Menschen begeben, die mir helfen, ein suchtmittelfreies Leben zu führen. Damals bedeutete Selbsthilfe, einfach alle Hilfe anzunehmen die sich mir geboten hat um auf einen Weg zu finden, den ich ohne Suchtmittel gehen konnte.

    Inzwischen bedeutet Selbsthilfe für mich, meinen Weg, auf den ich mich damals gemacht habe, weiterzugehen. Mich selbst erkennen, mich zu finden, mit Hilfe von Literatur und anderen Menschen die mich vielleicht hin und wieder anstubsen und mich darauf aufmerksam machen, sei es direkt oder indirekt, das ich mich gerade bisschen verhasple, vom Weg abkomme.

    Ich lerne von anderen Menschen, lasse mich inspirieren - immer mit dem Ziel, ich will ein suchtmittelfreies, zufriedenes Leben. Ich helfe mir selbst auch in dem ich in der Gemeinschaft bleibe, denn ich darf immer wieder erkennen wo ich war, wo ich stehe und wo ich hin will.

    Mich von der Gemeinschaft zu lösen, nicht mehr dran zu bleiben, lies mich vergessen und unvorsichtig werden, und hat mich zum Rückfall geführt.

    Eine wichtige Erkenntnis für mich, die Gemeinschaft ist wichtig um dran zu bleiben, mir selbst dadurch immer wieder zu helfen um nicht vom Weg abzukommen.

    Und wenn ich kann, gebe ich gerne etwas davon zurück.

    LG
    Asta

    ***Alle Gefühle sind rein, die dir helfen, dich zu sammeln und zu erheben;
    unrein ist das Gefühl, das nur eine Seite deines Wesens ergreift und dich dadurch verzerrt.

    Rainer Maria Rilke ***

  • :shock: wo sind die Neuen? Na dann:

    tja, was bedeutet für mich Selbsthilfe- und was erwarte ich von der Gruppe, vom Forum? Ich brauche immer eine Weile, um solche Fragen für mich zu verdauen :D

    Ein Grundthema war für mich von Anfang an mein Selbstvertrauen/ besser: das Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit. Beim ersten Schritt und der Erkenntnis "ich bin alkoholkrank und muss sofort etwas tun" habe ich ganz bewußt und mit Überwindung von meinem Urteilsvermögen und Bauchgefühl Abstand genommen. Das hat nämlich immernoch gesagt: klar ist die Wohnung eine Müllhalde mit Massen Pfandgut, deswegen bin ich nicht gleich krank oder abhängig. Schließlich hat die Fassade ja auch noch recht gut funktioniert, grad selbstständig geworden, engagiert in der Gemeinde usw.
    Daher: die ersten Wochen waren geprägt davon, dass ich mir bewußt von außen Rat und Wege gesucht habe, viel nachgelesen und auf Andere gehört, auch wenn es mir nicht gepasst hat. Das widerspricht ein wenig einer radikalen Interpretation des Wortes Selbst-Hilfe. Aktuell ist seit Wochen mein Stand, zu überlegen, ob und wieviel organisierte Therapie/Entwöhnung/Reha meine Basis für langfristige Trockenheit sein soll. Also konkret: mache ich eine ambulante Entwöhnung? Stationär hatte ich für mich schon vorläufig ausgeschlossen. Leider ist mir mein Suchtberater in der Meinungsfindung keine Hilfe, er will keine Meinung machen. Das ist ein wenig ... unkomfortabel für mich, einfacher wäre ein Satz wie: "Um stabil zu bleiben, mußt du.......... machen". Dass es so nicht funktioniert, ist klar, auch wenn es mir nicht gefällt. Meine wichtigste Notiz aus der letzten Gruppensitzung ist Folgende: "Kotz: jeder A**** propagiert eine andere Variante"]. Statt dessen klingelt mir häufig der Satz "Sie selbst machen Ihren Plan" durch den Kopf.

    Also nun doch selber denken. Dabei hilft mir das Forum mir zu wichtigen Erkenntnissen (z.B. Thema Risikominimierung)- durch die Erfahrungen Anderer komme ich zu Ergebnissen für mich selbst.

    Übrigens ist meine Meinung zur erweiterten Behandlung: ich such mir jetzt nochmal eine vernünftige Gruppe (zusätzlich zum Forum). Und die Reha mache ich, wenn ich merke, dass ich ohne Therapie nicht klarkomme.

    Viele Grüße
    Brass

  • Seid gegrüßt! :)

    Selbsthilfe

    wie die anderen ja schon geschrieben hatten, besteht die Bedeutung des Wortes aus Hilfe und Selbst.

    Hilf dir Selbst? Hilfe für das Selbst? Wer hilft wem und warum?

    Es erscheint mir als ein Zusammenspiel aus eigenständiger Motivation und Einflüssen von außen. Ob diese Einflüsse unbedingt von Menschen kommen müssen, die das eigene Leid teilen, kann ich hier nicht beantworten. Therapeuten sind ja in der Regel nicht alkoholabhängig. Ein wichtiger Aspekt, der mich dazu getrieben hat, mich hier anzumelden und mich austauschen zu wollen ist das aufschreiben, öffentlich machen und dadurch real werden zu lassen, dass Alkohol mehr Einfluss auf mich und meine Persönlichkeit hat als mir lieb ist.

    Menschen die eine Selbsthilfemaßnahme aufnehmen, haben ja meist für sich erkannt, dass etwas verändert werden muss. Dementsprechend kommt die Motivation von innen heraus. Wenn man sich dann mit anderen austauschen kann, die mit der selben Motivation hier sind, dann hilft das mit Sicherheit den Prozess der ich sag mal "Entwirrung" voran zu treiben. Ich spreche jetzt nur von der geistigen und seelischen Ebene, da ich mit starken Entzugserscheinungen keine Erfahrungen gemacht und auch keine Ahnung davon habe.

    Interessant finde ich die Frage, warum wir abhängigen Menschen eigentlich immer flüchten wollen/müssen und dadurch abhängig werden. Ich merke gerade, das dieses Thema doch ziemlich komplex ist und ein Gedanke direkt zwei neue hervorbringt.

    Auf jeden Fall merke ich, dass es einfach gut tut. Menschen sind nunmal ständig in einem Spannungsfeld von Autonomie und Interdependenz. Sprich mal haben wir Bock alleine zu sein und unsere Probleme selbst mit uns zu klären und mal wollen wir kommunizieren und uns austauschen. Ohne die anderen hätten wir ja kein Selbsbewusstsein. Wir sind ja auch nicht ständig in konstanter Verfassung, es gibt Tage da da haben wir Kraft und können helfen und an anderen tagen brauchen wir die Hilfe. Eine Selbsthilfegruppe sollte das berücksichtigen und gewährleisten.

  • Mir ist heute gerade nochmal etwas klar geworden, das zu diesem Thema passt.

    Wenn ich bei anderen lese (oder in der realen Gruppe anderen zuhöre), dann sehe ich manchmal Dinge, die auf mich selbst genauso zutreffen, die ich aber bei mir selbst niemals hätte erkennen können. Erst beim anderen kann ich plötzlich das Muster sehen - und wenn ich dann aufmerksam bin, es auch auf mich übertragen.

    Das trifft im übrigen auf den Co-Abhängigen genauso zu wie auf den Abhängigen, oder?

    Grüße
    Thalia

  • Liebe Thalia,
    das geht mir ganz genauso. Deshalb finde ich den Austausch auch so hilfreich. Allerdings muss man auch aufpassen, dass man nicht projiziert. Ich lasse Gelesenes oft erstmal eine Weile sacken und schaue dann, ob das Thema des anderen wirklich auch meines ist.
    Liebe Grüße
    Calida

  • Hallo Thalia,

    dass betrifft in jedem Fall auch die Co-Abhängigen.
    Oft halten mir hier Dinge, die ich bei anderen lese, direkt einen Spiegel vor Augen. Vor ein paar Jahren hätte ich sie bei mir noch nicht so glasklar sehen können und wahrscheinlich auch nicht wollen, obwohl ich bei vielem, was ich damals getan hatte (Rechtfertigung vor mir selbst inklusive :oops: ), oft ein ungutes Gefühl hatte. Dies hatte ich dann ganz schnell wieder weggedrückt.

    Mittlerweile ist Co-Abhängigkeit für mich nicht mehr nur auf einen speziellen Partner mit einem Problem, an dem ich mich abarbeiten kann, beschränkt.
    Ich habe die Einsicht, Co-Abhängigkeit ist eine konditionierte Verhaltensweise, die sich aufgrund von dysfunktionalen Familienverhältnissen oder anderweitigen negativen, für die Psyche traumatischen Erlebnissen etabliert, unbewusst natürlich.

    Meine wichtigste Erkenntnis war die, dass ich als Co-Abhängige keineswegs immer nur das arme "Opfer" bin. Im Gegenteil, durch subtile Verhaltensweisen versuche ich den anderen so zu manipulieren, dass er in eine für mich "richtige" oder erhoffte Richtung geht. Der "Gütige" ist meist auch der "Mächtigere".

    LG Solea

    Ein Problem lösen, heißt manchmal, sich vom Problem lösen.

  • Hallo Solea,

    deine Sicht auf die Co-Abhängigkeit teile ich. Ich selbst hatte keinen alkoholabhängigen Partner, aber trotzdem bin ich "co-abhängig strukturiert". Auch das finde ich hier an dieser Online Selbsthilfegruppe so gut, dass sich co-Abhängige und Abhängige miteinander austauschen. Danke für deinen Input!
    ---

    Mir ist heute noch was ganz profanes ein- bzw. aufgefallen, was ich an Selbsthilfegruppen gut finde. Profan vielleicht, aber wichtig.

    Mit zunehmender Dauer der Trockenheit wird es immer selbstverständlicher, dass man trocken ist, den Alkohol hinter sich gelassen hat. Und man will das Thema ja vielleicht auch nicht dauernd im "normalen Leben" thematisieren. Da möchte man (ich!) ja möglichst normal leben. Und da klopf ich mir dann nicht ständig selbst auf die Schulter und lobe mich dafür, dass ich jetzt zwei Monate, sechs Monate, ein, zwei, drei Jahre trocken bin. Das läuft so nebenbei.

    Aber in meiner Selbsthilfegruppe (hier oder in der anderen), da ist das weiterhin Thema, da wissen die anderen Bescheid, da weiß ich selber wieder, dass ich das eine auf jeden Fall klasse mache, egal, was sonst vielleicht gerade schief läuft. Trocken sein und bleiben.

    Das ist auch ein wichtiger Baustein für ein gesundendes Selbstwertgefühl.

    Also: Gratulation allerseits! :)

    Viele Grüße
    Thalia

  • Hallöchen 😊

    "Trocken sein und trocken bleiben egal was sonst noch schief geht" den Satz könnte ich mir an die Wand nageln.

    Ich hab in der Vergangenheit bei Abstinenz erwartet, das alles einfacher wird.

    Stattdessen kam es zu neuen, oft ungerechtfertigten Problem die mich dann zurückgeworfen haben.

    Der Satz "Die Gütige" zu sein, sich vor anderen mit der Hilfsbereitschaft rühmen (als Co Abhängige) usw. reißt mir gerade sowas von die Seele auf, aus eigener Erfahrung. Ich kann es gar nicht beschreiben.
    Von allem wenn gar nicht erwünscht ist, das man trocken wird, da dann die Helferrolle flöten geht.

    Hast Du auch einen oder mehrere Co Abhängige um Dich gehabt Thalia? Wenn es nicht ein Partner war, Familie oder Freunde?


    Schönes Wochenende
    Martina

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