„Turbo-Trocknung“

  • Hallo zusammen,

    möchte mal das Thema- Turbo-Trocknung zur Diskussion einstellen. Als ich trocken wurde oder besser gesagt, erstmal nüchtern, wollte ich alles was nass war im Sauseschritt hinter mir lassen.

    Mit der Zeit merkte ich jedoch das das nasse Hirn nicht mit der Geschwindigkeit stand halten konnte. Das machte natürlich Frust, da die Erwartung nüchtern zu leben und das fast gar keinen interessiert, sich nicht erfüllte. War ja normal für die nicht Trinkenden ein „nüchternes Leben“ zu führen und für die Nassen nur ein Hirngespinst von mir.

    Zudem auch sich nasse Gedanken die mir erstmal gar nicht auffielen , aber hier im Forum ungeschönt aufgezeigt wurden, auch dann noch häuften.

    Nun erkenne ich bei vielen die hier aufschlagen ein ähnliches Muster . Hat das Trocken werden ein System ?

    Wie habt Ihr das erfahren (LZT) und wie erfährt ihr es ( Neue)

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut,

    ich hatte es damals nicht so eilig wieder am "normalen" Leben teilzunehmen.

    Bei mir lagen die Prioritäten wo anders, ich wollte wieder richtig laufen und essen können.

    Im ersten Jahr habe ich mich unwissend an die Grundbausteine gehalten, zu 100%

    Heute frage ich mich, liegt es an der Zeit dass Alkoholiker so schnell trocken

    werden (glauben zu sein) oder war ich ein Spätzünder ?

    LG Martin

  • Zitat von Hartmut


    Als ich trocken wurde oder besser gesagt, erstmal nüchtern, wollte ich alles was nass war im Sauseschritt hinter mir lassen.

    Mit der Zeit merkte ich jedoch das das nasse Hirn nicht mit der Geschwindigkeit stand halten konnte. Das machte natürlich Frust

    Hallo!

    So habe ich es auch erlebt. Ich habe ein paar Tage mal den Alk weggelassen und hielt mich schon "für über den Berg". Erwies sich als Trugschluss. Warum? Alles braucht halt seine Zeit.

    Wer sich jahrelang das Hirn mit Alk vernebelt und seine Organe parallel übel malträtiert hat, muss eine längere Zeitspanne einkalkulieren, bis das Oberstübchen und die neue Software namens Abstinenz sich so eingespielt haben, dass sie miteinander harmonieren.

    Dieser Prozess vollzieht sich nicht im Zeitraffer, sondern eher in "Super-Slow-Motion". Bedauerlicherweise fällt es den Neulingen sehr schwer, dies nachzuvollziehen. Das ging mir übrigens genau so. Als Neuling wollte ich rasch Erfolge sehen und ich war nicht geduldig genug, einen Gang zurückzuschalten und einfach mal in Ruhe abzuwarten.


    Gruß Carl Friedrich

  • Hallo allerseits,

    mir ist beim Lesen von Hartmuts Frage aufgefallen, dass ich bisher keine Erwartungshaltung habe. Ich bin total damit beschäftigt, mich nüchtern kennenzulernen.

    Bei mir sind es jetzt 37 Tage. Ich habe sowohl körperlich als auch emotional als auch geistig verschiedene Phasen erlebt. Im Moment habe ich das Gefühl, dass mein Gehirn langsam wieder klarer denken kann und ich weniger erschöpft bin.

    Ich bin neugierig, wie es weiter geht und horche sehr aufmerksam in mich rein. Vor allem vermeide ich soweit möglich alles, was mich anspannt und mir nicht gut tut.

    Ich habe 27 Jahre getrunken. Die Trocknung kann nicht innerhalb kurzer Zeit erfolgen. Während ich dies schreibe, merke ich, dass ich innerlich doch auf einen längeren Prozess eingestellt bin. Vielleicht ein sehr intensives Jahr und dann wird es langsam selbstverständlicher, trocken zu sein.

    Viele Grüße,
    MieLa

  • hallo hartmut

    ich kann mich noch dran erinnern das es mir doch ziemlich ähnlich war. gerade mal frisch angetrocknet wollte ich schon so weit sein wie andere LZT erst nach jahren gewesen sind. hier im forum gab es deswegen auch die ein oder andere kritik von anderen usern.

    ich habe schon eine ganze zeit gebraucht (mehrere jahre) bis ich mich als stabil bezeichnen konnte. wenn man sein halbes leben nur gesoffen hat dauert es eben einige zeit bis sich das gehirn umstrukturiert und geht sicher nicht von heute auf morgen.
    deswegen frage ich mich schon manchmal warum das bei einigen scheinbar so schnell geht.
    grüße
    NNGNeo

  • Hallo,

    mag sich bekloppt anhören, aber ich habe ja wie geschrieben in der Wanne gelegen und hatte zwei Möglichkeiten: Entweder mit dem Messer die Pulsadern aufschneiden ODER den RTW anrufen und mit Hilfe von wem dann auch immer (hatte ja null Ahnung von nix) mit der Sauferei aufzuhören.

    Ich war ganz alleine in der Wohnung und hatte keinen Kontakt zu meiner Freundin. Demzufolge wäre ich sicher in der Wanne gestorben, wie auch immer, ob schnell oder langsam ist jetzt mal egal...

    Dann wäre ich also tot gewesen und dieser Zustand ist irreversibel, einmal tot, immer tot. War bislang (gerüchteweise ;) ) nur bei einer einzigen Person anders, ist aber bei dem auch schon 2000 Jahre her... Hätte bei mir nicht funktioniert, ich wäre für immer tot, wäre dann nicht mehr zu ändern gewesen....

    Diese 100%ige Endgültigkeit habe ich schlichtweg auch die Trockenheit übertragen. Ist wirklich so.
    Ich bin nicht tot, aber trocken, und so, wie der Tod endgültig gewesen wäre, ist es nun die Trockenheit. Ich hatte eben nur ZWEI Wege und nicht drei oder 2,5....

    Klingt bescheuert, aber so denke ich und mir war klar, dass es bei BEIDEN Optionen, Selbstmord oder Ende der Sauferei, kein zurück geben wird.

    Fragt mich nicht, warum.... Aber ich hatte in der Wanne sicher 2 Monate 24/7 Vollrausch hinter mir und bin ja auch mit 1,66 Promille in der Klinik angekommen, aber ich war vielleicht noch nie so klar im Kopf und entschlossen wie damals in der Wanne genau in dem Moment, als ich dass Messer in der Hand hatte...

  • Hallo Hartmut,

    als ich begann trocken zu werden, habe ich überhaupt nicht verstanden, warum die Langzeittrockenen so sehr drauf pochen, lange Zeit trocken zu sein.
    Seinerzeit waren unter ihnen welche, die mir erklärten, dass es keinen Sinn macht, mich nach anderen, schlimmeren Alkoholikern umzuschauen oder eine Statistik nach der anderen zu wälzen, damit ich mich eventuell mit irgendwelchen schlauen Theorien hervortun und damit meine noch recht kurze Trockenheit etwas strecken könnte.
    Ich denke noch sehr oft an sie.
    Es war kränkend für mich, immer wieder zu spüren, dass ich Anfänger war. Ich möchte fast sagen, dass es ähnlich frustrierend für mich war, wie die Erkenntnis Alkoholikerin zu sein.
    Der schöne Schein war weg, der Lack bröckelte. Mein Drama damals: Ich konnte keine Einser-Schülerin sein, denn dazu mir fehlte der Schein der Langzeittrocknung. Bitter.
    Ich hab's tatsächlich überlebt.
    Es wurde ab da besser, als es mir wirklich (!) wurscht war, was andere über mich denken. So entstand Raum, um mich um mich zu kümmern.
    Ich tat das, was seinerzeit ebenfalls oft Thema war in diesem Forum - ich versuchte mich auf mich zu besinnen.
    Es waren dieselben Langzeittrockenen, die mir klar machten, dass es nicht auf die Show ankommt, sondern einzig und allein darauf, trocken zu werden.
    Gerade das, was piekste, sammelte ich auf und veruchte es zu bearbeiten. Ohne Show, ohne Ausweichen, ohne Spielchen. In der Selbstverarschung war ich jahrelang Künstlerin. Das wollte ich nicht fortführen. Also tat ich es auch nicht.
    Ich kann nicht genau sagen, ab wann es besser wurde.
    Heute weiß ich, dass die Erkenntnis, nicht allwissend zu sein und vor allem: nicht allwissend sein zu müssen und mich nicht mehr so wichtig zu nehmen für mich mindestens so wichtig war, wie die Trocknung. Ich würde sagen, sie gehört bei mir dazu.
    Ich muss weder Recht haben noch muss ich Erste sein oder jemandem etwas beweisen (außer mir selbst).
    Und genauso muss niemand mir irgendwas beweisen.
    Vollwaise schrieb neulich erst wieder etwas von "Hochdienen" zu den Langzeittrockenen. Gott bewahre!
    Ich freue mich ehrlich für jeden, der beginnt, sich selbst tatsächlich zur Disposition zu stellen und sich auf den Weg macht, denn ich habe erlebt und erlebe heute immer noch, wie wohltuend manche Erkenntnis für mich ist.

    Ich möchte nie wieder der Oberflächlichkeit verfallen, die mich jahrelang ausmachte und mich fleißig bei der Sucht hielt.
    Ich will nicht alles und jeden Fussel bearbeiten und am Ende für irgendwas ne Eins in Mitarbeit kriegen. Is mir viel zu anstrengend.
    Mir genügt, heute trocken und dabei sogar noch zufrieden zu sein.

    Grüße, Penta

  • Hallo,

    wie definiert man den Begriff "trocken"?

    Ich bin seit kurzem nüchtern, aber empfinde mich nicht als trocken. Und das, obwohl sich meine jetzige Nüchternheit total vln früheren Nüchternheiten unterscheidet.

    1. Ich habe verstanden, dass ich Alkoholikerin bin.
    2. Ich bin fest entschlossen, nie wieder Alkohol zu mir zu nehmen.
    3. Ich arbeite jeden Tag an meiner Nüchternheit, indem ich Informationen sammele, mich beobachte, Gewohnheiten ändere etc.

    Für mich ist Entschlossenheit -jedenfalls zu Beginn der Nüchternheit - noch keine Trockenheit.

    Ich wünsche euch einen schönen Tag,
    MieLa

  • Moin Hartmut,

    als ich nicht mehr trinken konnte, aber auch nicht mehr leben wollte, bin ich hier gelandet, habe, wieso auch immer, begriffen, für mich gibt es, wenn überhaupt, nur noch ein Leben ohne Alkohol. Also habe ich erst einmal nur nicht mehr getrunken, äußerlich nichts verändert, mich aber zurück gezogen und mein Leben überdacht und es mir Schritt für Schritt zurück erobert.

    Ich habe hier viel gelesen, so viele wirklich LZTs gab es hier damals noch gar nicht. Habe über vieles nachgedacht, mir mitgenommen, verworfen und bin meinen Weg gegangen.

    Heute, nach nun bald 10 Jahren ohne Alkohol, ist es mir immer noch egal, ob trocken, nüchtern, LZT oder gerade einsichtig geworden. Ich lebe alkoholfrei, selbstbewusst, ohne Einschränkungen, mit mir (meistens) im Einklang, bin frei in meinen Entscheidungen, habe begriffen, dass ich 24 Stunden am Tag mit mir auskommen muss. Den Rest kann ich beeinflussen.

    Ob das Turbo ist? Keine Ahnung. Ein Prozess war und ist es auf jeden Fall. Meine Haltung ist alkoholfrei, nur das zählt für mich.

    PB

    Es nützt nichts Jemandem eine Brücke zu bauen, der gar nicht auf die andere Seite will.

  • Mir ging es so ziemlich wie Martin.
    Liegt vielleicht auch daran, das unser Weg in die Trockenheit sich stark ähnelte, nämlich erstmal wieder gesundheitlich einigermaßen auf die Beine zu kommen.
    Wir haben beide sehr schwere Entgiftungen durch, wo es auf Messers Schneide stand.
    Bei mir war es sogar so, das ich schonmal kurz auf der anderen Seite war und gerade noch rechtzeitig "zurückgeholt" werden konnte.
    Mir wurde sogar im KH gesagt, das ich eine neue Leber bräuchte, um weiter leben zu können.
    Das bewahrheitete sich glücklicherweise nicht.
    Aber derartige Aussagen macht einem frisch abstinent lebenden Menschen auch nicht gerade Mut. :(

    Ich musste nach der Entgiftung erstmal wieder Essen und Laufen lernen.
    Bei beidem bekam ich sehr gute, man könnte direkt sagen, "liebevolle" Unterstützung im KH.
    Aber es gab auch ganz klare Worte zu meiner Alkoholkrankheit. Das war auch gut so.
    Als ich entlassen wurde, schaffte ich es nicht mal, in der Bude staubzusaugen, so geschwächt war ich.
    Ich begann mit GANZ LEICHTEM körperlichen Training.
    Zugleich bekamen wir einen jungen Kater zu unserer Katzendame und so blöd es sich anhört, er war auch zugleich sowas wie mein Therapeut :lol:
    Er brachte mich dazu, morgens aufzustehen und mich um ihn zu kümmern und so wieder langsam in Gang zu kommen.
    Außerdem war meine Ärztin meine hauptsächliche Ansprechpartnerin, dort war ich anfangs alle 3 Tage, später jede Woche und irgenwann alle 14 Tage.

    Eine Anfangseuphorie gab es bei mir überhaupt nicht, woher hätte die auch kommen sollen?
    Und eine Turbo-Trocknung schon mal gleich gar nicht.
    Ich ging in ganz kleinen Schritten. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
    Aber ich tat es auch mit aller Konsequenz.

    Ich bin heute trotz allem froh, das alles so gekommen ist, wie es gekommen ist.
    Mein Tiefpunkt war wirklich sehr tief. Und ich habe das auch nie vergessen.
    Und das hat vielleicht auch einiges dazu beigetragen, das ich schon sehr früh sehr konsequent sein konnte.
    Ich konnte mich damals entscheiden, ob ich lieber leben oder lieber sterben wollte.
    Ich habe mich FÜR das Leben entschieden.
    Und mir wurde auch schnell klar, das die Abstinenz/Trockenheit kein Projekt ist, was ich abarbeiten und dann abheften kann.
    Nö, das ist ein ganzheitliches Projekt, was mich lebenslang begleiten wird.
    Warum also Eile?
    Ich habe ja noch mein ganzes restliches Leben Zeit, dran zu werkeln und einfach trocken und zufrieden zu leben :wink:

    LG Sunshine

  • Zitat von Penta

    ...dass es ähnlich frustrierend für mich war, wie die Erkenntnis Alkoholikerin zu sein.

    Berichte doch mal darüber, wie es dazu kommt, dass das frustrierend ist? Ich habe diesen Gedanken nie kennengelernt, da mir schon im Jugendalter klar war, diese Substanz anders zu konsumieren als andere Personen.

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