• Hallo!

    Ich bin noch sehr kurz dabei und möchte gerne Erfahrungen und Tipps zum Thema "Angehörige von Alkoholikern" austauschen bzw. bekommen. Mein Freund und ich sind seit über einem Jahr zusammen und er ist Alkoholiker. Vor kurzem hat er gesagt, er will aufhören, meint es ernst und will in eine Therapie gehen.

    Er hält sich zurzeit mit dem Trinken zurück, trinkt nichts und hat mir stolz erzählt, dass er auf seiner Dienstreise die Möglichkeit gehabt hätte Alkohol zu trinken, es aber nicht getan hat. Dazu muss ich sagen, dass er dort alleine, also ohne seiner Kollegen war und ich vermute, dass er deshalb nichts getrunken hat. Wenn seine Kollegen dabei sind, sieht die Sache ganz anders aus, da kann er nicht nein sagen.

    Meine Ängste sind zu einem permanenten Stressfaktor geworden. Immer, wenn sich das Wochenende nähert, habe ich Panik, dass er ausgehen will und sich betrinkt oder dass etwas stressiges oder unerwartetes passiert, z.B. in seinem Job und er einen schlechten Tag hat und sich in die nächste Bar setzt. Ich möchte an ihn glauben und ihm die Chance geben, es durch zuziehen und ihm beistehen aber ich habe diese ständigen Ängste, dass er versagt. Hat jemand Erfahrungen damit und wenn ja, habt ihr vielleicht Tipps, wie man dem vorbeugen bzw. damit umgehen kann?

    Vielen Dank!
    Julia

  • hallo Julia,

    herzlich willkommen bei uns im Forum.

    Ich glaube zu diesem Beitrag kann dir hier jede Angehörige etwas schreiben, leider.
    In den Punkten die du beschreibst, sehe ich leider keinen einzigen Anhaltspunkt dafür das sich dein Freund um eine stabile Trockenheit bemüht. Reden kann er viel, da müssen aber auch Taten folgen.
    Dazu gehört mehr, als nichts zu trinken.
    Was er tut ist ganz klar ein einlullen wollen der Partnerin, damit mal wieder etwas Ruhe einkehrt vom ständigen "generve"
    Ich schreibe es so, weil ich selbst diese "Beruhigungspillen" geschluckt habe und er in Ruhe weitersaufen konnte, weil ich immer noch an ihn geglaubt habe.
    Es ist hart, aber du kannst deinem Freund nicht helfen. Du kannst etwas für dich tun, damit es dir besser geht.
    Mach dich nicht länger abhängig von seinem Befinden und seinen Launen.
    Wenn er trinken will, wird er es tun, und dir versuchen hinterher die Schuld zu geben.
    Nimm sie nicht an, denn du hast definitiv keine Schuld.
    Hast du denn jemand mit dem du am Wochenende mal etwas unternehmen kannst?

    Ich wünsche dir einen guten Austausch hier, auch wenn du nicht die Antworten bekommst, die du vielleicht hören willst.
    Hier geht es um dich, wir möchten, das es dir fut geht.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Julia,

    wenn ich das lese dann klingelt es bei mir...

    Das hat mein Exmann nämlich auch so gemacht. Immer wenn er merkte dass es mir ernst wurde und ich meckerte, Stress machte, dann reduzierte er sein Trinken. Ich habe das hier auch schon oft so bei den Alkoholikern gelesen, dass sie es dann auch so gemacht haben.

    Gerade das mit der Dienstreise und dem (angeblichen) Nichttrinken, das kenne ich zur Genüge. Jetzt nicht zusammen mit Dienstreisen, sowas hatte mein Ex nicht. Jede Gelegenheit konnte das sein, zum Beispiel eine Familienzusammenkunft, bei der er nicht trank. Bzw. niemand hat ihn da trinken sehen dann.

    Ich kann deine Zweifel sehr gut verstehen! Denn wenn er es wirklich ernst meint dann macht er auch sichtbar was. Arztbesuch, Entgiftung, Selbsthilfe oder/und Therapie.

    Zitat

    Meine Ängste sind zu einem permanenten Stressfaktor geworden.

    Das ist nicht gut! Du bist innerlich voller Druck und Angst! Das kostet Energie, so viel, wie du es gar nicht denkst. Ist es das wert?

    Zitat

    Ich möchte an ihn glauben und ihm die Chance geben, es durch zuziehen und ihm beistehen aber ich habe diese ständigen Ängste, dass er versagt.

    Das sagt doch sehr viel. Darin liegen alle deine Hoffnungen und Wünsche. Aber wie sieht es bei ihm aus? Ist er überhaupt dazu bereit was zu verändern? Möchte er dabei deinen Beistand? Und du hast Angst, dass er versagt, hui, dieses "versagen" gefällt mir nicht. Das hört sich so nach Prüfung an. Und Alkoholismus ist keine Aufgabe, die zu bestehen ist, es ist eine schlimme Erkrankung. Die zu stoppen ist nicht leicht und meistens muss viel im Leben des Betroffenen umgestellt werden, damit er lebenslang trocken bleiben kann. Das muss aber alles vom Betroffenen selbst ausgehen! Na klar ist es gut, wenn Angehörige da auch unterstützen! Aber grundsätzlich ist das Sache des Betroffenen selbst. Für mich hört sich das eben eher so an als wäre genau in diesem "ich habe Angst dass er versagt" genau das, was in dir selbst liegt. Du hast Angst, dass deine Lebensträume zerplatzen...

    Du hast Ängste über Ängste. Angst ist ein grundsätzlich wichtiges Gefühl. Aber sie kann auch so vorherrschend werden, dass du völlig gelähmt bist und den Blick für dich verlierst. Ich weiß, wovon ich dir da schreibe, habe es selbst erfahren.

    Es ist gut, dass du deine Ängste erkennst und etwas gegen sie tun möchtest. Das fängt aber nur bei dir an und hört bei dir auf! Was er tut ist dabei unwichtig!

    Du hast Angst und Panik vor dem Wochenende? Okay, dann versuche doch für dich herauszufinden, woran du Spaß hast. Unabhängig von ihm. Denn du weißt ja nicht genau, was er so treiben wird. Du musst ja nicht darauf warten, was er nun macht, du darfst selbst machen!

    Raus gehen, shoppen, Kino, Mädelstreff... Sport machen, Wellness oder mit einem Buch gemütlich auf dem Sofa räkeln. Mach dich unabhängig von seinen Belangen. Dafür ist er selbst zuständig. Ich meine, wenn er nüchtern bleibt kann er ja bei deinen Dingen mit machen (außer wenn es ein Mädelstreff ist :P ).

    Aber fixiere nicht deine ganze Freizeit darauf, was ER nun macht. Du darfst ja auch deinen Plan haben, denn es geht ja um deine Zeit! Und da darfst du auch entscheiden, mit wem du sie verbirngst. Du musst also nicht wie hypnotisiert darauf starren, was nun passieren wird und wie er drauf sein wird.

    Es ist DEINE Zeit, DEIN Leben, DEIN Wochenende!

    Viele Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Morgenrot!

    Danke für deine Nachricht. Er hat am Montag einen Termin beim Therapeuten, wo er auch nach seinen Möglichkeiten in Bezug auf Hilfe gegen den Alkoholismus fragen will. Ich weiß nicht, wie ernst es ihm ist bzw. ob er das Ausmaß der Erkrankung oder dass es überhaupt eine Erkrankung ist, versteht. Wir haben zwar viel und lange darüber geredet aber ich glaube, er denkt, er kann das relativ schnell in den Griff bekommen und danach auf ein paar Bier mit Freunden gehen und gut ist.

    Ich bin realistisch, was die Situation angeht, habe keine rosarote Brille und deshalb möchte ich auch ehrliche und offene Antworten bzw. Statements hier. Am Trinken gibt er mir nicht die Schuld. Sein Alkoholismus hat in seiner Ehe begonnen, als die Probleme eingesetzt haben. Er gibt eigentlich niemandem die Schuld, außer sich selbst und ist sein größter Feind.

    Ich weiß, dass er das selbst wollen muss aber ich will ihn nicht im Stich lassen, weil ich weiß, dass dann etwas passiert...

    Allerdings möchte ich mich auch distanzieren und nicht ständig daran denken, was er gerade macht. Ich selbst habe auch mit einer Therapie begonnen, weil ich diesen Stress nicht mehr ertrage.

    Danke für den Austausch, das hilft ungemein!

  • Zitat von Aurora

    Hallo Julia,

    wie ist es dir inzwischen ergangen?

    Viele Grüße
    Aurora

    Hallo Aurora,

    lieb, dass du nachfragst. Ich weiß nicht so recht. Mein Freund hat zwar nicht viel getrunken in der letzten Zeit aber er hat getrunken. Letzte Woche war er ein Bier trinken und ich bin innerlich sofort ausgeflippt, weil ich dachte, er wird wieder um die Häuser ziehen. Etwas aktiv tun in Richtung Therapie, macht er nicht. Ich spüre zwar, dass er sich zusammenreißt aber das ist nur temporär fürchte ich. Gleichzeitig will ich ihm auch nicht ständig mit dem Thema in den Ohren liegen und ihn zu einer Therapie animieren. Das muss von ihm selbst kommen. Mich ganz entspannen wenn ich ohne ihn bin, kann ich nie, weil ich eben sofort denke, er geht in die nächste Bar...

    Liebe Grüße
    Julia

  • Hallo Julia,

    schön, dass du dich gemeldet hast! :D .

    Das hört sich ja echt angestrengt an:

    Zitat

    Mich ganz entspannen wenn ich ohne ihn bin, kann ich nie, weil ich eben sofort denke, er geht in die nächste Bar...

    Deine Gefühle und Gedanken haben ja einen Ursprung. Wahrscheinlich sind das ja auch deine Erfahrungen, weil es oft so war oder ist, dass er alleine trinken geht.

    Diese Gedanken um ihn und was er gerade machen könnte, die sind Killergedanken. Sie halten dich von deinem Leben ab! Zudem du ja auch machtlos bist, wenn er unterwegs ist kann er hingehen, wo er möchte. Er ist ja erwachsen.

    Und du bist es auch! Wer sagt denn, dass du zuhause auf ihn warten musst, bangen musst, wie er wohl ankommt. Ob er trinken war oder nicht. Du kannst dir doch was Nettes vornehmen in deiner Freizeit, was nicht unbedingt mit ihm zusammen hängt.

    Ich wünsche dir einen guten Tag heute, mit vielen Dingen für dich.

    Viele Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Julia,
    Ist es der Alkoholkonsum ansich, der dir Sorgen und Schmerz bereitet? Oder ist es sein Verhalten Dir gegenüber?

    Mein Vater und meine Stiefmutter betrinken sich seit Jahrzehnten jeden Abend aber im großen und Ganzen verhalten sie sich sehr Anständig und Respektvoll und sind sehr glückliche Menschen. Alkohol trinken an sich muss nicht per se Problematisch sein. Es gibt Alkoholiker und es gibt Problemtrinker, die z.B. zu Gewalt neigen.

    Als mein Freund in Therapie ging, war ich schon so tief in der Co-Abhängigkeit, das ich anfing, ihn wie eine besessene zu Kontrollieren. Manchmal grenzte es an Spionage. Einfach weil ich es von der Jahrelangen schädigenden beziehung gewohnt war, das es jeden Tag eine Katastrophe gibt. So zerbrach ich mir jeden Tag ängstlich den Kopf und lauerte auf die nächste Katastrophe. Wirst du überhaupt Vertrauen und Zufriedenheit empfinden können, so wie es jetzt alles ist?
    Kannst du dich auf dich selbst fokussieren und gut für dich selbst sorgen ohne Angst? Ich habe heute noch angst, wenn es mir gut geht. Weil ich denke dann passiert jeden moment wieder eine Verletzung. Auch lange noch nach meiner Trennung. Erst als ich keinen Kontakt mehr zu Alkoholikern und oder verletzenden Coabhängigen hatte und aufgehört habe mich selbst schlecht zu behandeln verschwanden diese Ängste ganz langsam.

  • Zitat von CoA12307

    Hallo Julia,
    Ist es der Alkoholkonsum ansich, der dir Sorgen und Schmerz bereitet? Oder ist es sein Verhalten Dir gegenüber?

    Mein Vater und meine Stiefmutter betrinken sich seit Jahrzehnten jeden Abend aber im großen und Ganzen verhalten sie sich sehr Anständig und Respektvoll und sind sehr glückliche Menschen. Alkohol trinken an sich muss nicht per se Problematisch sein. Es gibt Alkoholiker und es gibt Problemtrinker, die z.B. zu Gewalt neigen.

    Als mein Freund in Therapie ging, war ich schon so tief in der Co-Abhängigkeit, das ich anfing, ihn wie eine besessene zu Kontrollieren. Manchmal grenzte es an Spionage. Einfach weil ich es von der Jahrelangen schädigenden beziehung gewohnt war, das es jeden Tag eine Katastrophe gibt. So zerbrach ich mir jeden Tag ängstlich den Kopf und lauerte auf die nächste Katastrophe. Wirst du überhaupt Vertrauen und Zufriedenheit empfinden können, so wie es jetzt alles ist?
    Kannst du dich auf dich selbst fokussieren und gut für dich selbst sorgen ohne Angst? Ich habe heute noch angst, wenn es mir gut geht. Weil ich denke dann passiert jeden moment wieder eine Verletzung. Auch lange noch nach meiner Trennung. Erst als ich keinen Kontakt mehr zu Alkoholikern und oder verletzenden Coabhängigen hatte und aufgehört habe mich selbst schlecht zu behandeln verschwanden diese Ängste ganz langsam.

    Hallo CoA12307,

    danke für deine Nachricht. Sie kam gerade in dem richtigen Moment, falls man das so sagen kann. Nein ich kann keine Zufriedenheit und Ruhe empfinden. Ich kontrolliere ihn wie ein verrückte und denke ständig darüber nach, wo er ist, ob er sich betrunken hat und ob er etwas im Suff getan hat. Ich warte ständig auf eine Hiobsbotschaft. Zum Beispiel heute. Ich weiß oder unterstelle es ihm Mal so, dass er gestern trinken war. Er hat sich bis jetzt nicht gemeldet und ich bin mit den Nerven am Ende. Ich weine, kann mich auf nichts konzentrieren, kann nicht essen und letzte Nacht habe ich kaum geschlafen. Dabei hatte ich heute ein Vorstellungsgespräch und hätte alle meine Energie für mich gebraucht.

    Er behandelt mich gut, macht absolut nichts böses im Suff, also physisch oder so. Verbal wird er oft gemein aber daran erinnert er sich am nächsten Tag nicht. Er hat sich in meiner Gegenwart schon länger nicht besoffen aber ich unterstelle ihm automatisch, er tut es, wenn ich nicht dabei bin. Also sitze ich jetzt in einem Kaffee und warte, wann er sich meldet und bin komplett fertig. Ich weiß einfach nicht mehr weiter.

    Liebe Grüße
    Julia

  • Hallo Julia,

    Zitat

    Nein ich kann keine Zufriedenheit und Ruhe empfinden. Ich kontrolliere ihn wie ein verrückte und denke ständig darüber nach, wo er ist, ob er sich betrunken hat und ob er etwas im Suff getan hat. Ich warte ständig auf eine Hiobsbotschaft. Zum Beispiel heute. Ich weiß oder unterstelle es ihm Mal so, dass er gestern trinken war. Er hat sich bis jetzt nicht gemeldet und ich bin mit den Nerven am Ende. Ich weine, kann mich auf nichts konzentrieren, kann nicht essen und letzte Nacht habe ich kaum geschlafen. Dabei hatte ich heute ein Vorstellungsgespräch und hätte alle meine Energie für mich gebraucht.

    wenn er Alkoholiker ist, ich kenn ihn ja nicht, dann ist ihm deine Sorge, Unruhe....... ganz egal.

    Ich habe selbst ca. 20 Jahre gesoffen und kenne die Denke der Alkoholiker wie ich einer war :roll:

    LG Martin

  • Hallo Julia,
    sobald ich angefangen habe über ihn nachzudenken, habe ich mir Martins Worte zu Herzen genommen und bin ihm dafür sehr dankbar.
    Kurz, prägnant auf den Punkt. Er weiß es einfach.

    Ich habe es schon einmal erfahren und diesmal ist es mir auch klar, dass es so ist. Je eher das im Kopf verstanden ist, umso eher kann man loslassen und ist erleichtert im Blick in die Zukunft. Es wird so nie aufhören, erst wenn er es will. Es dauert solang bis er nicht mehr trinken möchte. Was du möchtest ist deine Sache, er darf tun was er möchte.
    Ich möchte nie wieder in diesem Umfang fragen, rätseln, hoffen, Angst haben, warten , wenn er sich nicht meldet oder tagelang mauert.
    LG und viel Freude an deinem Leben.

  • Hallo Julia!
    Leider kann ich Martin auch nur zustimmen, weil ich es aus eigener Erfahrung kenne: einem Alkoholiker ist alles "wurscht" "sch...egal" was der Partner macht, hauptsache, er hat seine Suchtmittel.

    Alles Nachfragen, Nörgeln, Jammern, Heulen, ins Gewissen reden ... das nervt ja sowas!!!!
    Da MUSS sich so ein Alkoholiker doch wehren! Und sei es NUR PSYCHISCH !!! Das!!! ist für mich sehr, sehr schlimm gewesen.
    Das psychische Unterdrucksetzen, Abhängig sein, Schuldzuweisung, Niedermachen usw. usw. macht krank. Sehr sehr krank!
    Aus deinen Worten lese ich von deinem Leiden. Es ähnelt meinem, und ich kann dir nur raten, dir schnellmöglichst Hilfe vor Ort zu suchen, damit du dich aus der Abhängigkeit lösen kannst.
    "Er behandelt mich gut" - Die Frage nach der "Guten Beziehung" haben wir in einem anderen Thread erst behandelt.
    So wie du behandelt wirst, wie ich behandelt wurde, das sind keine guten Beziehungen.
    Wenn einer dabei so leidet, kann es nur die falsche sein.
    Liebe Grüße, Gotti, die jeder und jedem nur raten kann, nicht so lange auszuhalten wie sie selbst!!!

    Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.

  • Liebe Julia,

    du schreibst

    Zitat

    Verbal wird er oft gemein

    Auch das ist Gewalt!

    Ich habe das früher auch nicht gedacht, aber es ist so. Worte können dich mindestens genau so schwer verletzen wie Schläge. Wenn nicht sogar noch schwerer.

    Mein Exmann hat mich nie geschlagen oder geschupst oder so. Aber er hat mich mit Worten völlig kaputt gemacht. Denn damit hat er meine ganze Persönlichkeit zerhackt.

    Ich kenne dieses Gefühl der Hilflosigkeit auch sehr gut, dieses angstvolle Warten darauf, was nun wieder passieren könnte. Führ dir das mal vor Augen...

    Du malst dir vorher aus was passieren könnte. Du leidest also gewissermaßen schon vorher, denn du weißt ja nicht, was wirklich passieren wird. Du holst dir diese Bilder aus deinem Gedächtnis. Dinge, die du mal so erlebt hast.

    Versuche doch mal, diese Erinnerungen ein wenig weg zu packen. Nicht weg schließen, lege sie einfach in eine Kiste und stell sie irgendwo hin, wo du sie erst mal nicht siehst. Und dann guck dir an, was du dir von deinem Tag wünschst. Was nichts mit IHM zu tun hat. Nur mit dir. Und dann versuche das umzusetzen.

    Du kommst mir vor wie der Mogli aus "Dschungelbuch", der hypnotisiert vor der bösen Schlange Kaa sitzt, völlig fixiert nur auf sie, bewegungslos und ausgeliefert. Mogli hat seine Beschützer, die ihn da raus reißen aus der Hypnose. Das hast du vor Ort nicht so. Aber du bist hier in unserer SHG und wir können deine Rausreißer sein! Dabei musst du aber auch mithelfen und bereit sein, dich rausreißen zu lassen.

    Ich geb dir meine Hand und du darfst sie nehmen, wenn du möchtest. Und ich hoffe ich konnte mit meinen Worten bewirken, dass du ein wenig aus dieser "Hypnose" erwachen kannst.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Liebe Aurora,

    dein Vergleich mit dem Dschungelbuch trifft es ganz gut. Ich bin in einer schwierigen Situation, weil ich aus Wien bin aber nach Helsinki gezogen bin vor zwei Jahren. Nicht wegen Mann oder Job, sondern weil mich das Land Finnland immer fasziniert hat und ich war glücklich hier bis ich ihn traf. Ich will damit nicht sagen, dass er ein schlechter Mensch ist aber ich kann es nicht anders sagen. Ich habe hier nicht viele Freunde, habe mir aber eine deutschsprachige Therapeutin gefunden und bin da sehr stolz auf mich, diesen Schritt gegangen zu sein.

    Ich weiß, dass ich total abhängig von und fixiert auf ihn bin. Es ist alles genauso wie du und andere hier im Forum es beschreiben, haarklein. Ich bin bereit etwas zu ändern aber ich brauche Zeit. Ich habe viele Dinge aus meiner Kindheit aufzuarbeiten, die zusätzlich belastend dazukommen.

    Zusätzlich kenne ich mich mit Alkoholikern nicht aus und weiß nicht, wann ist jemand ein Alkoholiker, wann trinkt jemand zu viel, weil er eine schwierige Phase hat und ist sehr wohl in der Lage auch damit aufzuhören. Ich habe zu wenig Hintergrundwissen dafür. Die Finnen trinken auch anders als die Deutschen oder Österreicher, viel mehr und extrem unkontrolliert. Heißt aber nicht, dass sie alle durch die Bank Säufer sind. Und ja meine Ängste dominieren meinen Alltag mit ihm, weil ich mir schon von vorneherien ausmale,was sein könnte und in diesem selbst erschaffenen Albtraum lebe.

    Ich möchte mich nicht für ihn rechtfertigen oder ihn entschuldigen. Ich weiß, ich habe zu viel Verständnis für ihn und bin zu weich und zu nett. Allerdings denke ich auch, dass jeder auf die schiefe Bahn geraten kann. Und dann hilft es, wenn man jemanden hat, der für einen da ist. Ich denke, dass jeder Mensch eine Chance verdient hat und ich wäre auch dankbar, wenn ich eine Chance bekommen würde, wenn ich in seiner Situation wäre. Keine Ahnung, ob das Sinn macht. Ich bin sehr froh über den Austausch hier im Forum, das hilft sehr.

    Danke und liebe Grüße
    Julia

  • Hallo Julia,

    Zitat

    Zusätzlich kenne ich mich mit Alkoholikern nicht aus und weiß nicht, wann ist jemand ein Alkoholiker, wann trinkt jemand zu viel, weil er eine schwierige Phase hat und ist sehr wohl in der Lage auch damit aufzuhören.

    So ging es mir vor 6 Jahren ebenfalls. Ich brauchte unbedingt eine Bestätigung von außen, dass er Alkoholiker ist. Das war mir so ungemein wichtig. Die bekam ich natürlich nicht, weil nur der Trinkende selbst sagen kann: "Ja, ich bin Alkoholiker". Heute brauch ich so eine Bestätigung nicht mehr. Heute weiß ich, wenn ich mich in einer Beziehung nicht wohl fühle, habe ich das Recht zu gehen. Ich will nie mehr Bauchschmerzen und Angst vorm nach Hause gehen haben, weil ich nicht weiß, was mich dort erwartet.

    Zitat

    Allerdings denke ich auch, dass jeder auf die schiefe Bahn geraten kann. Und dann hilft es, wenn man jemanden hat, der für einen da ist. Ich denke, dass jeder Mensch eine Chance verdient hat und ich wäre auch dankbar, wenn ich eine Chance bekommen würde, wenn ich in seiner Situation wäre. Keine Ahnung, ob das Sinn macht.

    Das ist sicher alles richtig, aber er ist erwachsen und in der Lage, sein Leben zu ändern. Du kannst ja an seiner Seite sein, wenn er diese Chance nutzen will, aber das ist seine eigene Entscheidung. Aber ich denke, so lange er diese Entscheidung nicht getroffen hat, ist die Chance auf eine glückliche Beziehung mit ihm nicht sehr groß.

    Es freut mich für Dich, dass Du eine Therapeutin gefunden hast, die Dir bei der Aufarbeitung hilft.

    viel Kraft und Geduld für Dich
    sonnige Grüße
    Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Zitat von lütte69

    Hallo Julia,

    So ging es mir vor 6 Jahren ebenfalls. Ich brauchte unbedingt eine Bestätigung von außen, dass er Alkoholiker ist. Das war mir so ungemein wichtig. Die bekam ich natürlich nicht, weil nur der Trinkende selbst sagen kann: "Ja, ich bin Alkoholiker". Heute brauch ich so eine Bestätigung nicht mehr. Heute weiß ich, wenn ich mich in einer Beziehung nicht wohl fühle, habe ich das Recht zu gehen. Ich will nie mehr Bauchschmerzen und Angst vorm nach Hause gehen haben, weil ich nicht weiß, was mich dort erwartet.

    Das ist sicher alles richtig, aber er ist erwachsen und in der Lage, sein Leben zu ändern. Du kannst ja an seiner Seite sein, wenn er diese Chance nutzen will, aber das ist seine eigene Entscheidung. Aber ich denke, so lange er diese Entscheidung nicht getroffen hat, ist die Chance auf eine glückliche Beziehung mit ihm nicht sehr groß.

    Es freut mich für Dich, dass Du eine Therapeutin gefunden hast, die Dir bei der Aufarbeitung hilft.

    viel Kraft und Geduld für Dich
    sonnige Grüße
    Lütte

    Hallo Lütte,

    danke für deine lieben Worte. Ich freue mich auch, dass ich jemanden habe, die mir hilft und wo ich mich meinen Ängsten stellen kann.

    Ja es ist so, wie du sagst: Ich warte auf eine Bestätigung von außen, dass er Alkoholiker ist. Aber eigentlich weiß ich es ohnehin. Ich will die (vielleicht blinde und dumme) Hoffnung nicht aufgeben, dass wir doch noch miteinander glücklich werden können. Und dass er einfach Zeit braucht, bis er sich zu einer Therapie entschließt, weil das ja auch ein großer Schritt ist. Vielleicht belüge ich mich selbst. Glücklich bin ich nicht. Sorglos und zufrieden schon gar nicht. Also ist eine glückliche Beziehung nicht einmal in Sicht.

    Die Entscheidung zu treffen zu gehen, ist das, was mir schwer fällt und mich zerreißt innerlich.

    Grüße
    Julia

  • Hallo Julia,

    Zitat

    Die Entscheidung zu treffen zu gehen, ist das, was mir schwer fällt und mich zerreißt innerlich

    Dieses Gefühl kenne ich zur Genüge. Es wurde auch nicht besser als ich gegangen bin, im Gegenteil. Aber ich hab mich da durch gekämpft, weil alles besser war, als im System zu verharren - so hab ich es empfunden. Mein bisschen Rest an Instinkt sagte mir, dass ich kurz davor bin, mich auf zu geben.

    Ich habe für mich festgestellt, dass die Zeit vieles zurecht rückt. Weiß gerade nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich kann Dir nur empfehlen, für Dich aktiv zu werden, Dein Leben zu gestalten. Wenn er es für sich schafft vom Alkohol weg zu kommen, habt ihr doch immer noch die Chance auf eine schöne gemeinsame Zukunft. Wenn er es nur auf Grund Deines Druckes macht, wird es eine schwere Zeit. So hab ich es jedenfalls erlebt. Mein Mann wollte mich zurück und hat deswegen aufgehört zu trinken. Damit hatte ich wieder den schwarzen Peter. Das war eine sehr anstrengende Zeit, bis er die Fäuste aus den Taschen genommen hat und für sich aktiv wurde. Heute geht es uns gut, aber der Weg dahin war sehr steinig und er forderte viel Geduld.

    Auch wenn es schwer fällt, versuch dich auf dich zu konzentrieren und nicht auf ihn.

    sonnige Grüße
    Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Mein Mann wollte mich zurück und hat deswegen aufgehört zu trinken. Damit hatte ich wieder den schwarzen Peter. Das war eine sehr anstrengende Zeit, bis er die Fäuste aus den Taschen genommen hat und für sich aktiv wurde. Heute geht es uns gut, aber der Weg dahin war sehr steinig und er forderte viel Geduld.


    Liebe Lütte,

    es freut mich sehr zu lesen, dass dein Mann und du es geschafft habt und es euch heute gut geht. Das stimmt mich positiv und gibt mir Hoffnung. Natürlich weiß ich, dass jeder Alkoholiker und jede Beziehung anders ist aber ich möchte mir meine Hoffnung bewahren. Denn wenn ich das auch nicht mehr habe, kann ich mich und ihn und unsere Beziehung gleich aufgeben. Und dazu bin ich noch nicht bereit.

    Ich versuche mein Leben so zu gestalten, dass ich mich in den Vordergrund rücke, dabei soll mich auch die Therapie unterstützen. Mittlerweile bin ich soweit, dass ich begriffen habe, dass ich mit Druck, Tränen, Drohungen usw. nichts ausrichten kann. Das kostet nur unheimlich viel Energie und bewirkt nur das Gegenteil von dem, was eigentlich wünschenswert wäre. Ich denke auch, dass die Zeit zeigen wird, ob es funktioniert oder nicht. Auch bin ich davon überzeugt, dass jeder seine ganz persönliche Grenze hat, wie viel er oder sie noch einstecken kann. In dieser Beziehung habe ich auf jeden Fall sehr viel über mich und meine Grenzen gelernt. Noch kann ich kämpfen.

    Liebe Grüße
    Julia

  • Hallo Julia,

    Du hast Angst, dass er im Suff etwas tut und sagst, er wird verbal manchmal gemein. Typisch für das Problemverhalten von Alkoholikern ist: Sie führen sich auf wie ein Gott. Sie beklagen sich, dass das Essen nicht schmeckt. Sie werden neidisch, eifersüchtig oder wütend, sobald der Partner etwas für sich selbst unternimmt und es sich gut gehen lässt. Sie respektieren keine Grenzen. Manchmal kann man mit ihnen nicht Kommunizieren. Manchmal sind sie gewalttätig und Aggressiv. Sie gehen sehr häufig fremd.

    Typische Krankheitszeichen für eine Coabhängigkeit sind: Schlaflosigkeit. Appetitlosigkeit oder hektisches essen. Ständiges nachgrübeln. Wutausbrüche. Kontrollverhalten. Isolation. Unfähigkeit, alleine mit sich selbst zu sein. Der Alkoholiker ist der Mittelpunkt des Lebens für den Coabhängigen.

    Wenn du mehr über die Krankheiten wissen möchtest, Gehe am besten zu einer Selbsthilfegruppe von Al-Anon oder einem offenen meeting für Anonyme Alkoholiker. Dort findest du auch etwas gutes zu lesen.

    Für mich klingt es, als wäre eure Beziehung schon längst kaputt. Manchmal kann man nicht mehr einfach alles wieder heile machen weil man vergisst ja die verletzungen nicht. Ich hatte eine ganz tolle Affaire mit einem Alkoholiker. Aber irgentwann hat er angefangen mir wehzutun und in mir drin ist alles völlig kaputt. Wir telefonieren noch. Und er möchte mich sehen. Aber er hat alles kaputt gemacht und ich kann und will daran nicht mehr ändern. Wo kein VERTRAUEN ist, ist doch auch keine Basis zum glücklichen miteinander, oder? Ich Vertraue diesem Mann jedenfalls nie mehr, nachdem er mir wehgetan hat. Wenn auch NUR verbal!! Es ist schmerzlich und traurig dass das Vertrauen kaputt ist, aber es ist jetzt so. Ich muss jetzt Gras über die Sache wachsen lassen und mich erstmal um mich selber kümmern. Solange bis ich wieder ganz gesund bin. Das ist ganzschön schwer.

  • Hallo CoA,

    ich möchte hier in Julias Fädchen mal was zu deinem Satz sagen:

    Zitat

    Wenn du mehr über die Krankheiten wissen möchtest, Gehe am besten zu einer Selbsthilfegruppe von Al-Anon oder einem offenen meeting für Anonyme Alkoholiker. Dort findest du auch etwas gutes zu lesen.

    Wir sind hier auch eine Selbsthilfegruppe, so wie die AA oder Guttempler oder sonst wer. Der Unterschied ist nur die Plattform, wir sitzen nicht alle im Stuhlkreis oder so, wir treffen uns hier. Und zwar 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche! Wo bekommst du das?

    Und es gibt hier einen Erfahrungsschatz der ist fast unermesslich groß und jederzeit verfügbar, also jeder kann nachlesen. Bis zum Gründungstag des Forums. Es gibt auch viele Buchtipps oder Hinweise zu Berichten in den Medien.

    Das ist doch klasse, oder!? :D .

    Natürlich kann jeder Mensch auch in eine reale Gruppe gehen, viele hier machen das ja auch zusätzlich. Aber ich finde es unfair, wenn jemand von hier explizit weg geschickt wird. Viele Menschen leisten hier ehrenamtlich und auch für die eigene Selbsthilfe unbezahlbare Hilfestellung. Hast du dir das schon mal überlegt?

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

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