Das sagt mein Therapeut - was ist wichtig für Co-Abhängige

  • Hallo liebe alle im Forum,

    Ich bin mit einem Alkoholiker zusammen. Im Vorstellungsbereich habe ich mehr über mich erzählt und über die Beziehung. Letzte Woche gab es den (ersten) Tiefpunkt und ich habe mich hier registriert, habe einen Termin bei meinem Therapeuten ausgemacht und gehe heute zu einer Beratungsstelle, die mich als Angehörige Infos geben wird...

    Das Gespräch mit dem Therapeuten war sehr ermutigend und ich möchte das gerne mit Euch teilen und vielleicht kommt ein wenig Mut über diesen Thread zu euch rüber.

    Im grossen und ganzen ist die Message für mich als Angehörige / ev. co-Abhängige (falls ich das schon bin, ich weiss es nicht genau, um ehrlich zu sein):
    - Klare Regeln setzen und konsequent sein!
    - Sich eindeutig abgrenzen, um nicht mit unterzugehen!
    - Der Überzeugung sein, dass Mitleid und Helfersyndrom kontraproduktiv sind!
    - Balance zwischen geben und nehmen in der Beziehung überprüfen und nicht kippen lassen
    - Damit rechnen, dass ab der Moment wo ER Hilfe sucht und sich behandeln lässt, noch Jahre dauern wird, bis die Krankheit einigermaßen unter Kontrolle ist...
    - Immer im Auge behalten, dass es sich um eine Krankheit handelt und diese NUR mit fachlicher Unterstützung behandelt werden kann. Ich soll nicht mal den Anspruch stellen, ihn "retten" zu können!

    Jetzt habe ich einiges zu reflektieren und verarbeiten. Aber es interessiert mich sehr, wie eure Erfahrungen in ähnlichen Situationen sind?

    Alles Gute und liebe Grüße,
    Sophia

  • Hallo Sophia,

    ich freu mich, dass du nun hier ein eigenes Thema eröffnet hast :D .

    Da hat die dein Therapeut echt einen ganzen Batzen mit auf den Weg gegeben. Das ist echt super!
    Und es ist eben auch gut, so zu handeln.

    Aber...

    Es geht leider nicht oft von einen auf den anderen Tag. Je länger man in einer Suchtbeziehung steckt um so länger kann das leider dauern, da wieder heraus zu kommen. Aber diese Punkte sind eine gute Richtlinie.

    Lieber Gruß
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Liebe Sophia,

    ich kann mich Aurora nur anschließen.
    Es ist eine ganze Menge, die dir der Therapeut da mitgegeben. Aber jeder einzelne Punkt davon ist super schwer umzusetzen und dabei auch konsequent zu bleiben. Aber jeder -auch noch so kleine Schritt- zählt. Versuche diese Punkte so gut umzusetzen, wie es geht. Tu dir selbst etwas Gutes.
    Je länger du in dieser Situation bist/bleibst, desto schwieriger wird es. Ich war mit meinem Ex "nur" 5 Jahre zusammen. Trotzdem war es echt hart. Eine ganze Weile nach der Trennung ging das alles super. Ich fühlte mich wie neu geboren. Und dennoch hat er mich mit falschen Versprechungen und anfänglichen Taten und Umsetzungen wieder irgendwie "gefangen". Und das war über ein Jahr nach der Trennung. Mittlerweile ist mehr als ein weiteres Jahr ins Land gegangen und ich habe es endlich geschafft, von meiner eigenen Sucht (also der co-Abhängigkeit quasi) loszukommen.
    Was ich dir damit sagen möchte, ist, dass es nicht leicht wird und auch nicht von heute auf morgen. Weder, dass er evtl trocken wird. Noch, dass du das einfach so hinter dir lässt.

    Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die Umsetzung der Ratschläge deines Therapeuten.

    Liebe Grüße
    Eule89

  • Hallo Aurora und Eule,

    Danke Euch für die schnelle und auch ehrliche Rückmeldung. Wahrscheinlich denken die meisten in meiner Situation "bei UNS ist es nicht soooo schlimm" oder "hach, WIR schaffen das schon"...? :(
    Ich habe keine Ahnung, was auf mich zukommt. Habe Angst, empfinde gleichzeitit ein Gefühl von Trauer weil der Mann, in dem ich mich so Hals über Kopf verliebt habe, nicht der bleiben wird, den er war. Seit dem Tiefpunkt kann ich ihn nicht mit den gleichen Augen sehen... er war für mich ein Anker, ein Fels in der Brandung, ein Zuhause. Aber mit so eine Prognose und Diagnose wird er mit sich selbst genug Arbeit haben, so dass ich wieder für mich alleine sorgen muss. Damit meine ich emotional sorgen. Es war so wunderschön, zum ersten Mal im Leben, meine "schwächere seite" zeigen zu dürfen ohne immer die starke sein zu müssen... das will ich nicht verlieren. Aber wenn er so krank ist, muss ich stark sein, um seine Besserung nicht im Wege zu stehen? Was braucht ein Alkoholkranker? Was braucht er auf keinen Fall? Wie viel kann man zumuten...?

    Liebe Grüße,
    Sophia

  • Hallo Sophia,

    Zitat

    Aber wenn er so krank ist, muss ich stark sein, um seine Besserung nicht im Wege zu stehen?


    Du kannst seiner Besserung nur im Wege stehen, wenn er trocken werden wollte und du ihm die Flasche vorsetzt.

    Die Punkte die dir der Therapeut genannt hat sind wirklich gut, aber da brauchst du Zeit, also nicht aufgeben, wenn es mal nicht klappt.
    Du solltest dir im klaren sein, dass du nur für dich etwas tun kannst, denn wegen dir wird er kein Glas weniger trinken, für ihn mußt du nicht stark sein, er ist erwachsen und für sich verantwortlich.
    Klingt vielleicht hart, aber sind eigene Erfahrungen, die du hier sicher öfter lesen wirst.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Guten Morgen Sophia,

    wenn Du für ihn stark sein willst, musst Du ihn loslassen. Alles Andere unterstützt ihn in seiner Sucht und er wird da erst Recht nicht rauskommen.

    Leider ist das wirklich so, auch wenn es nicht das ist, was Du Dir wünscht.

    LG Cadda

  • Hallo noch einmal,
    Danke euch für eure Rückmeldungen. Das stimmt, ich lese es immer wieder... sein Trinkverhalten hat mit mir nichts zu tun, nur er kann es steuern bzw. absetzen.
    Heute hatten wir ein sehr gutes Gespräch. Sehr ehrlich, sehr offen, sehr wohlwollend. Das war toll. Ich konnte alle meine Fragen stellen und habe mehrmals zu hören bekommen, ICH habe mit seinem Trinkverhalten nichts zu tun. Er hat schon immer "exzessive Dinge" gemacht, darunter ordnet er das Trinkverhalten (nicht als Erkrankung oder Sucht)... es ist echt schwierig. :-/
    Also stehen wir ganz am Anfang.
    Aber er möchte zumindest zum ersten Mal in seinem Leben, professionelle Unterstützung annehmen. Morgen Anruf beim Hausarzt, nächste Woche Beratung bei einer Präventionsstelle, die auch ambulante Begleitung anbietet.

    Die Tipps vom Therapeuten konnte ich bereits erproben und ja, er hat so manches an Abgrenzung akzeptiert, zB dass ich nicht mehr bereit wäre, für ihn herum zu fahren, wenn der Führerschein wieder entzogen werden würde (ist ja schon passiert). Er hat verstanden und akzeptiert, dass es nicht um Hilfe dabei geht, sondern dass er dann im Falle der Fälle selbst die Verantwortung tragen muss.

    An Cadda habe ich eine Nachfrage bitte. Was ist genau gemeint mit ihm loslassen...? Meinst du mich ganz abwenden?

    Danke euch noch einmal und gute NAcht,
    liebe Grüße
    Sophia

  • Hallo Sophia und willkommen hier!

    Toll dass er sich einsichtig zeigt, und gleich Arzt und Beratungsstelle aufsucht. Wenn es wirklich passiert, das soll was heißen.

    1. kann sein, dass du ihm Schubs gegeben hast den er braucht
    2. kann auch sein dass er dich beruhigen will, obwohl er selber denkt dass er kein Alkoholiker ist.

    Ich bin Jahrelang für meinen Mann da gewesen. Wenn er trinkt und wenn er nicht trinkt.
    Jetzt bin ich nur da für ihn wenn er nicht trinkt, und auch dann verreise ich immer wieder alleine irgendwo. Er will sich einfach keine Hilfe Holen. Auch wenn es jetzt 4 und halb Monate sind seit er letztes Mal getrunken hat, ich bin mir sicher, dass er demnächst wieder trinken wird.

    Du bist verliebt, dass ist ein sehr schönes Gefühl. Aber, du hast auch Augen, und weißt was gut für dich ist und was nicht.

    Ich bin gespannt auf nächste Woche.

    liebe Grüße, ideja

  • Liebe Ideja,

    Vielen Dank für deine Nachricht! Ich war länger nicht im Forum, aber ich freue mich, dass du mir geschrieben hast.

    Seit dem 22.5. ist einiges passiert. Sowohl positiv als auch negativ. Wo soll ich anfangen? Nun ja, er war bei seinem Hausarzt und hat über seine Probleme gesprochen. Der Hausarzt hat ihn zum Neurologen überwiesen. Der Termin war ganz schlimm für ihn weil er sich nicht ernst genommen fühlte. Nach diesem Termin ging es ihm sehr schlecht, ein Depressionsschub und sehr negative Gedanken. Die Verzweiflung war schon so groß, dass er suizidale Gedanken hatte und diese mit mir teilte...

    Ah ja und ein Termin bei der Beratungsstelle hat er bekommen aber es kommt erst und ich habe den Eindruck, er braucht JETZT Hilfe. Es muss schneller gehen. Es muss jetzt kommen - aber trotz der vielen Stellen an denen man sich wenden kann, bekommt man nirgends SOFORT ein Termin. Ausser bei privaten Therapeuten, nur langfristig ist es leider keine Möglichkeit.

    Was sein Trinkverhalten angeht... ja, er hatte mehrere trockene Tage hintereinander aber sobald er alleine bei sich zuhause ist, trinkt er wieder zuviel. Und ist wieder Auto gefahren obwohl er nicht ganz nüchtern war... Also alles zusammen ist es wirklich schwierig.

    Ich hoffe, bei deinem Mann hält die Trockenheit noch an?

    Liebe Grüße

  • Hallo Sophia,

    Zitat

    Die Verzweiflung war schon so groß, dass er suizidale Gedanken hatte und diese mit mir teilte...


    es ist schlimm, wenn sich jemand von einem Arzt nicht ernst genommen fühlt. Das kann jemanden schon einen Tiefschlag versetzen.
    Dann mache ich mich auf die Suche nach einem anderen Arzt, oder gehe wieder zum Hausarzt. Mit suicidalen Gedanken wäre er in jeder psychiatrischen Klinik aufgenommen worden.
    Ich kenne es auch, wenn mein xy suicidale Gedanken äußerte, die hat er solange geäußert bis ich ihm gesagt habe, wenn er noch einmal solche Drohungen ausspricht, rufe ich die Polizei und lasse ihn einweisen.
    Ich habe es als Druck für mich empfunden, um mich wieder in die Spur zu bringen, dies kannst du hier auch bei anderen sehr oft lesen.

    Zitat

    Es muss schneller gehen. Es muss jetzt kommen - aber trotz der vielen Stellen an denen man sich wenden kann, bekommt man nirgends SOFORT ein Termin.


    auch da muß er am Ball bleiben, nicht einmal anrufen, sondern jeden Tag. Damit zeigt er Ernsthaftigkeit, und das er am Thema dran bleibt.
    Das ist sogar in vielen Entgiftungskliniken so, da muß der mögliche Patient jeden morgen anrufen, um sich nach einem freien Bett zu erkundigen.

    Zitat

    er hatte mehrere trockene Tage hintereinander


    da kann man nicht von trockenen Tagen reden, das sind Trinkpausen, in denen sich aber meistens noch nichts verändert.

    Zitat

    aber sobald er alleine bei sich zuhause ist, trinkt er wieder zuviel.


    das ist seine alleinige Verantwortung, da zeigt sich seine Ernsthaftigkeit. Du kannst ihn nicht 24 h "überwachen" und du verhinderst nicht ein Glas Alkohol.

    Zitat

    Und ist wieder Auto gefahren obwohl er nicht ganz nüchtern war... Also alles zusammen ist es wirklich schwierig.


    schade das ihn keine Polizei erwischt hat, dann hätte er mal Verantwortung für sein Handeln übernehmen müssen.
    Mein xy hatte mal 9 Monate den Führerschein weg, ich konnte ihn nirgendwo hin fahren, weil ich sehbehindert bin.

    Das Leben mit einem nassen Alkoholiker ist sehr schwierig, da stimme ich dir zu. Du kannst es aber ändern, in dem du beginnst, etwas für dich zu tun, damit es dir besser geht.
    Ihn kannst du nicht retten.
    Dies alles mag hart klingen, aber es ist selbst durchlebt. Eigene Erfahrungen und das Wissen, wie schwer es fallen kann, das richtige zu tun.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

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