• Hallo zusammen,

    ich habe dieses Forum vor ein paar Wochen entdeckt und konnte mich endlich dazu durchringen auch mal etwas zu schreiben.

    Es ist heute auf den Tag genau zwei Monate her seitdem ich das letzte mal Alkohol getrunken habe, ich war ingsesamt 8 Wochen im Krankenhaus (4 Wochen stationär und 4 Wochen ambulant) und aktuell läuft ein Antrag auf ambulante Reha (Gruppen und Einzeltherapie 2x die Woche).

    Davor habe ich die letzten 8-9 Jahre (so ganz genau kann ich es wirklich nicht sagen) wirklich JEDEN Abend getrunken (aber nie Tagsüber) egal wie schlecht es mir ging, selbst wenn ich mit Grippe oder so komplett ausgeschaltet war habe ich mich abends aus dem Bett gequält um zu trinken. Angefangen hat es bei mir als Einschlafhilfe mit 1-2 Bier, dann wurden es irgendwann immer mehr, aber ich habe mir die ganze sache Extrem schöngeredet. "Du hast kein Problem, ist doch nur Bier", "Du hast kein Problem, du gehst doch jeden Tag normal arbeiten" etc)

    Vor ungefähr 2 Jahren ist dann zusätzlich zum Bier (waren da dann jeden Abend ca 6 0,5er Bier) noch Gin/Wodka mit Tonic dazugekommen, anfangs in einer "normalen" Mischung,im Laufe der Zeit immer mehr Hart-Alk und immer weniger Tonic,so dass ich mich richtig zwingen musste diese Mischung zu trinken,es hat einfach nur widerlich geschmeckt und mich richtig geekelt.

    Spätestens seit diesem Zeitpunkt war mir auch klar dass ich komplett die Konrolle verloren hatte, aber ich "musste" einfach Abends bis zu einer bestimmten Uhrzeit anfangen zu trinken um am nächsten Morgen wieder EINIGERMAßEn fit genug zum arbeiten zu sein. Allerdings bin ich mir sicher dass ohne Homeoffice bzw Masken auf der Arbeit durch Corona spätestens letztes Jahr jemand auf der Arbeit etwas "gerochen" hätte. In den letzten Monaten vor dem Entzug musste ich mir allerdings immer irgendwelche Fake-Termine in den Mail-Kalender eintragen damit ich zwischen 8 und 10 Uhr "gebucht" bin und dementsprechend niemand in Besprechungen oder so einladen konnte, einfach weil ich noch zu viel Restalkohol hatte.

    Auch außerhalb der Arbeit awr ich quasi nur noch mit Alkohol beschäftigt, Nachschub kaufen (in Verschiedenen Supermärkten damit es nicht auffällt wieviel ich eigentlich kaufe), Leergut entsorgen,, es hat sich angefühlt wie eine art Nebenjob nach der eigentlichen Arbeit und dementsprechend hatte ich immer weniger Zeit für andere Dinge und habe mich immer mehr von allem/allen zurückgezogen.
    Selbst so Dinge wie treffen mit Freunden mussten komplett durchgeplant werden, entweder so dass ich erst Anfange zu trinken wenn absehbar ist wenn mein Besuch bald geht (damit ich "mich noch unter kontrolle habe") oder ich mir Ausreden ausdenken musste warum ich bei anderen immer Alkohol dabei habe ("War auf dem Weg zu dir noch kurz einkaufen" etc) denn es KÖNNTE ja sein das die Person keinen Alkohol da hat, ich meinen Zug verpasse oder wegen sonstwas nicht rechtzeitig zu Hause bin.

    Es war einfach nurnoch anstrengend und ich war es so leid, ganz abgesehen von dem ganzen Geld dass ich versoffen habe, habe es aber trotzdem nicht geschafft mir Hilfe zu suchen.
    Als mich Anfang des Jahres eine Freundin auf meinen Alkoholkonsum angesprochen hat habe ich natürlich alles geleugnet, einfach weil ich mich so dermaßen geschämt habe, dabei wollte ich eigentlich nichts lieber als es zugeben damit es raus ist. Hat dann nochmal ca 2 Wochen gedauert bis ich es geschafft habe ihr gegenüber zuzugeben dass sie mit der Vermutung Recht hatte.

    Von da an habe ich dann einen Termin für ein Erstgespräch in einer Entzugsklinik gemacht,wurde relativ schnell klar dass nur ein stationärer Entzug in Frage kommt und als dann der Anrufe kam dass in 2 Tagen ein Bett frei wird habe ich direkt zugesagt, den Alkohol den ich noch hier hatte (und das war nicht wenig) habe ich, bis auf die "Ration für die 2 Tage+1 Flasche Bier als Reserve) in die Toilette geschüttet (meine Hand hat dabei gezittert wie sonstwas und es hat mich eine riesen Überwindung gekostet), die Reserve-Flasche habe ich dann am morgen vor dem gang ins Krankenhaus ausgeschüttet.

    Der körperliche Entzug in der Klinik war um einiges weniger schlimm als befürchtet, habe erstmal sehr viel geschlafen, habe seitdem Entzug knapp 15kg verloren, mir passen Klamotten wieder die ich vor Jahren zum letzten mal anziehen konnte und die ersten 2-3 Wochen war auch der psychische Entzug einigermaßen erträglich und ich dachte das ginge so weiter (vielleicht war ich auch sehr naiv), allerdings fühlt es sich seit 2-3 Wochen mit jedem Tag so an als würde es schwerer werden.

    Mir fehlt nicht einmal alkohol per-se, es ist eher so dass ich mich die meiste Zeit einfach komplett langweile und nicht so wirklich etwas mit mir anfangen kann bzw auch total müde bin. Auch wenn ich Berichte von anderen Leuten lese fühle ich mich irgendwie komisch. Also ich freue mich wirklich für jeden der positive Seiten an sich entdeckt, sowas wie "Ich sehe alles wieder so viel klarer", "Ich habe wieder so richtig Lust am leben", "Ich fühle mich wieder wie früher", ich frage mich nur warum es bei mir nicht so ist bzw was/ob da mit mir etwas nicht stimmt.

    Irgendwie bin ich da auch von mir wahnsinning enttäuscht,eben weil ich es nicht schaffe mehr aus der Zeit zu machen oder mir neue Hobbies etc zu suchen,irgendwie fühlt sich alles so leer an.

    Reicht das so als Vorstellung ? Oder soll ich noch mehr ins Detail gehen ? Wenn ihr noch Fragen habt dann immer her damit, bin über jede Rückmeldung dankbar :)

  • Hallo Seregon,

    ja, das reicht für eine Vorstellung. So ausführlich haben wir es eher selten. Alles gut.

    Was du schreibst von der vielen Zeit, die du aber noch nicht anders ausfüllen kannst, damit bist du nicht alleine! Das beschreiben tatsächlich viele frisch trockene Alkoholiker. Die Zeit war sooo lange geblockt durch das Trinkritual. Es dauert, neue Strukturen zu etablieren und die Zeiträume mit sinnvollen, passenden Tätigkeiten zu füllen. Hab Geduld mit dir.

    Das wichtigste ist, daß dir das aufgefallen ist! So kannst du ein Auge drauf haben und in die Richtung arbeiten, da nach und nach Veränderungen vorzunehmen. Wie gesagt: hab Geduld mit dir.

    Ich meine mich zu erinnern, daß mal jemand geschrieben hat, dem es genauso ging wie dir. Der oder die hat sich dann in genau der Zeitspanne, was die übliche Trinkzeit war, vor den PC gesetzt und hier im Forum gelesen, bis der Kopf gequalmt hat.

    Wie gehts dir aktuell körperlich? Hast du ein aktuelles Labor? Vielleicht fehlt dir Eisen oder Vitamin B Komplex. Ich bin kein Arzt. Aber von mir selber kenne ich es so, daß wenn ich mich schlapp und lasch fühle, es nicht immer bzw. nicht immer nur die Psyche ist, sondern eben einfach auch mal der Körper, dem was fehlt. Das könntest du beim Hausarzt bzw. Internist klären lassen.

    Wie lebst du daheim? Du hast ja den ganzen Alk entsorgt. Hast du mal überlegt, dir irgendeine Schublade vorzunehmen oder ein Regal? Entrümpeln, ausmisten, einfach irgendwo anfangen. Das tut ziemlich schnell ziemlich gut, weil es ja eigentlich nur überschaubare Häppchen Arbeit und Kleinigkeiten sind. Aber hinterher ist man stolz.

    Viele Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Seregon,

    erstmal willkommen im Forum. Klasse, dass du dein Alkoholproblem erkannt und entsprechend gehandelt hast.

    An die anstrengende Zeit der Beschaffung kann ich mich auch gut erinnern und bin oft dankbar, dass ich das hinter mir gelassen habe.

    Deine aktuelle Stimmung kann ich auch gut nachvollziehen, es ist nicht automatisch alles toll. Man muss sich in der neuen Situation erstmal zurechtfinden. Der Alltag ist wieder da und man muss sich überlegen was man in seinem Leben ändern möchte, wie man die Abstinenz festigen kann. Welche Möglichkeiten sich einem bieten und was einem gefällt, Spaß macht oder was vielleicht nicht so gut läuft. Dafür wirst du ein wenig Geduld haben müssen und Dinge ausprobieren. Ich war durch den Alkohol auch depressiv und unzufrieden mit mir selbst. Da herauszukommen dauert eine Weile und man muss lernen, damit umzugehen. Die Reha wird dir sicher dabei helfen und auch diese Online-Selbsthilfegruppe.

    Du musst auch nicht enttäuscht sein. Du hast viel erreicht und wenn du Zeit brauchst, dann nimm sie dir. Versuche, dich an den kleinen Dingen zu erfreuen. Ansonsten kannst du, wie Linde schon geschrieben hat, deine Werte überprüfen lassen. Bei mir wurde ein Eisenmangel festgestellt, der behandelt werden musste und meine Müdigkeit erklärt hat.

    Viele Grüße

    Seeblick

  • hallo Seregon

    es ist schwer, die "neu gewonnene" Zeit auszufüllen.... ich dachte immer, dass viele Aktivitäten nur mit Alkohol Spass machen...Strandbad zB, war für mich mit Alkohol verbunden..

    heute freue ich mich schon richtig auf meine Eisschokolade...obwohl ich jetzt die Eisschokolade ohne Strohhalm bekommen habe....beim trinken hat man immer die Schlagsahne in und auf der Nase...

    mir hat auch das viele lesen im Forum geholfen (Zeit hast du ja nun genug) jede gelesene Zeile hilft....du solltest dich weiter um dich bzw um deine Sucht kümmern....das muss man ja auch im Kopf verstehen und alle Folgen erkennen...ich habe auch viel geschrieben... beim formulieren der Gedanken, erkannte ich erst, was mit mir los war und wie ich eigentlich ticke....in der Zeit versuchte ich mit meinen Gedanken ehrlich zu sein, bzw mir selbt nichts vor zumachen

    sind die Schlafstörungen noch vorhanden?

    als ich aufgehört habe zu trinke, kamen die Schlafstörungen wieder und es viel mir sehr schwer nichts zu trinken....

    Lieben Gruß

    mexico

  • Hallo zusammen,

    erstmal vielen, vielen Dank für die freundliche Aufnahme hier in dem Forum und für eure Rückmeldungen! :)

    @ Linde:

    Körperlich geht es mir soweit ganz gut, ich merke nur dass ich aktuell noch sehr, sehr müde bin, obwohl ich mehr/besser schlafe im vergleich zu der Zeit als ich getrunken habe.

    Meine letzten Laborwerte sind von Donnerstagmorgen, sieht soweit alles okay aus, aber ich habe morgen sowieso einen Termin bei meinem Hausarzt, dann soll der sich das mal anschauen und je nach dem nochmal Blut abnehmen.

    Jap, Alkohol ist alles weg, ich lebe alleine. Habe schon einige Sachen ausgemistet (sehr viel aus dem Kleiderschrank in die Kleidersammlung und generell einfach sehr „großzügig“ Dinge entsorgt die ich nicht mehr brauche) , finde es immer wieder faszinierend wie schnell sich da so viel Zeugs ansammeln kann.

    EIGENTLICH hatte ich noch 1-2 Projekte geplant (Schreibtisch umbauen und Lan-Kabel neu verlegen), aber aktuell fehlt mir dazu irgendwie die Geduld bzw. ich merke dass ich sofort mega frustriert bin wenn auch nur eine Kleinigkeit schief läuft. Habe am Samstag angefangen etwas zu sägen, bin nur MINIMAL abgerutscht beim Schneiden, man hätte den Fehler im Endeffekt nicht mal gesehen da sowieso eine Blende darüber kommen sollte, aber hab es dann direkt wieder gelassen.

    @ Seeblick

    Ich befürchte auch dass es noch ein langer Weg werden wird und ich bin mir gar nicht so sicher was genau ich erwartet habe, habe wohl einfach gedacht, dass der körperliche Entzug der schlimmste Teil wird.

    Ich hoffe dass mir die Reha dabei helfen wird, ich bin aber auch weiterhin noch 2x die Woche in Therapie wegen Depressionen (die Termine dort mussten allerdings pausiert werden während ich in der Klinik war, morgen sehe ich meine Thera das erste Mal seit Ende Mai wieder)

    Mir fällt es einfach wahnsinnig schwer mich für Erfolge zu loben bzw. noch viel mehr mich für Kleinigkeiten zu loben, ich habe einfach sehr hohe Ansprüche an mich selber, deswegen kommt mir der bisherige Entzug z.b. eher so vor wie eine Art Fehlerausbügeln vor und nicht wie etwas dass ich geschafft habe, macht das Sinn ?

    An andere würde ich aber solche Maßstäbe NIEMALS ansetzen und ich erwische mich oft bei dem Gedanken „Wenn du das kannst/geschafft hast kann es ja so schwer nicht gewesen sein, sonst hätte es niemals funktioniert“ wenn es darum geht ob ich etwas gut kann oder erreicht habe.

    Es ist einfach so frustrierend für mich zu wissen, dass ich mir immer und immer wieder selbst im Weg stehe bzw. was ich schaffen könnte, wenn es nicht so wäre.

    @ Mexico

    Die Schlafstörungen sind bisher nicht zurückgekehrt, dass war mit eine meiner größten Sorgen für die Zeit „nach dem Alkohol“, dass ich wieder bis 3,4 Uhr Nachts wach liege weil ich meinen Kopf nicht „abgestellt“ bekomme.

    Allerdings sind die Abende doch noch sehr schwierig, einfach weil eben zu dieser Zeit sonst immer Alkohol im Spiel war, die ersten Abende wieder daheim nach der Klinik habe ich es kaum in meinem Wohnzimmer ausgehalten, weil ich dort immer getrunken habe, bin dann ins Schlafzimmer ausgewichen .

    Es ist nicht einmal so dass mir manche Dinge ohne Alkohol keinen Spaß machen, gut um Bars werde ich die absehbare Zukunft erstmal einen Bogen machen und das erste Grillen ohne ein Bier in der Hand wird sicher auch sehr ungewohnt, es ist eher so dass mir aktuell alles irgendwie etwas „leer“ vorkommt.

  • Hallo Seregon,

    nun sind zwei Monate schon eine lange Zeit ohne Alkohol, jedoch ein zu kurze um sein Leben, was man zuvor geführt hat, umzukrempeln. Ich kann dir jedoch aus Erfahrung sagen. Es wird schon. ;)

    Wenn du dich hier weiter austauschen möchtest kannst du dich kurz hier für den Zugang offener Bereich bewerben. Reicht nach deiner Vorstellung kurz „lass mich hier rein“ in der zu schreiben

    Bewerbung - Alkoholiker Forum (alkoholiker-forum.de)

    Ich schalte dich dann frei.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Dein ich nenne es jetzt mal :Gefühl der Gefühllosigkeit der Leere“ kann ich sehr gut nachvollziehen und empfinde ich auch, leider sogar in den schönsten realen Momenten, zb wenn ich mit meiner Tochter spiele. Aber auch das gehört dazu, wir müssen lernen das die Funktion die der Alkohol für uns hatte ein Trugbild ist und das es mehr als normal ist nicht auf Wolke 7 oder ganz tief unten zu sein um sich selbst zu spüren. Leg dich hin höre in dich rein und fühle dich

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