Für die Eltern schämen

  • Nein, bisher nicht in vorherigen Gesprächen war es so, dass sie ihr Problem sieht und kennt und ihr auch leid tut, dass es mich so mitnimmt. Sie aber nichts daran ändern kann bzw. will.

  • Liebe sporty,

    Ich lese schon seit längerer Zeit immer wieder in deine Geschichte rein und wollte nur mal die Worte da lassen: Hut ab, dass ihr ausgezogen seid! Ich denke, dass war eine schwere, aber auch eine sehr selbstfürsorgliche Entscheidung für eure Familie. Zu der jetzigen Situation kann ich leider nicht viel Rat geben. Ich denke, leider kannst du absolut nichts ändern, außer die Art, wie du mit der Situation umgehen willst. Mein spontaner Gedanke war tatsächlich, dass es ja eigentlich schon Bände spricht, dass sie sich gegen ärztliche Empfehlung nicht im Krankenhaus behandeln lassen will. Vielleicht hat ein Teil von ihr ja Angst, dass der Alkoholmissbrauch auch offiziell erkannt wird? Außerdem kann es ja auch ein Krankheitsgewinn sein, an "unerklärlichen" Symptomen zu leiden und dafür potenziell viel Zuwendung & Mitgefühl zu bekommen (und es ist viel einfacher als sich dem wahren Problem zu stellen).

    Ich drück dich,

    Kttnlos

  • Hallo liebe Sporty,

    auch ich lese immer wieder bei dir mit und will dir meine Erfahrung zu deinem aktuellen Thema da lassen, denn ich kenne deine Verunsicherung und den Wunsch, Klarheit zu haben. Vielleicht hilft es dir ja:

    Vor ca. einem Jahr ist mein Vater aus „unerklärlichen“ Gründen durch Schwindel umgefallen und hat sich 7 Rippen gebrochen. Die Schwindelanfälle und auch Gewichtsverlust und Gedächtnisverlust fingen aber schon deutlich vorher an (das wussten wir zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht). Na klar, hat er sich dann selbst sorgen gemacht was für eine „schlimme“ Krankheit er haben mag, weil er es dann nicht mehr unter den Teppich kehren konnte…..aber natürlich stand nie zur Debatte, dass es der Alkohol ist. Danach ging es dann los mit den weiteren Gebrechen. Bedauern und sich Sorgen machen kam dann auch auf unserer Seite dazu, obwohl wir immer wieder den Alkohol im Verdacht hatten. Mein Vater hat tunlichst alle Arzttermine vermieden oder wenn er dann mal hinging, konnte man da…..oh Wunder, oh Wunder…..nichts herausfinden. Auch seine Krankenhausaufenthalte haben nie Licht ins Dunkel gebracht. Sagte ER.

    Später haben wir dann herausgefunden, dass die Alkoholsucht sehr wohl diagnostiziert wurde oder zumindest von den Ärzten und Ärztinnen als Ursache in Erwägung gezogen wurde. Diese Info hat er aber natürlich vor uns verheimlicht.

    Deshalb meine Frage: habt ihr die Info, dass nichts herausgefunden werden konnte von deiner Mama oder habt ihr mal direkt mit den Ärzten gesprochen? Den Aussagen einer Alkoholikerin würde ich nicht vertrauen. In meinem Fall hat mich mein Vater auf jeden Fall angelogen.

    Ich musste aber auch die Erfahrung machen, dass diese Diagnose nicht gerne an Angehörige weitergegeben wird. Wir haben tatsächlich erst weitergehende Infos bekommen als wir das Thema Alkohol bei den behandelnden Ärzten angesprochen haben. Die Reaktion war „ach, das wissen sie also schon? Ja wenn sie so fragen, kommt das unserer Meinung nach vom Alkohol“. Aber von selbst hat uns das niemand gesagt. Wieso sollten sie auch? Wir sind ja nicht die Patienten.

    Jetzt wo mein Vater tot ist, sind mir seine neusten Entlassungsbriefe in die Hände gefallen. Diagnose U.a. Wernicke-Korsakow. Das hatte ich mir schon viel früher gedacht und war auch mit mir im Reinen, aber es tut mir trotzdem gut die Diagnose schwarz auf weiß zu lesen.

    Eventuell gibt es dir auch ein wenig Sicherheit und Gewissheit, mal offen den Alkohol bei den Ärzten auf den Tisch zu legen?

    Ganz liebe Grüße,

    Helena

  • Mein spontaner Gedanke war tatsächlich, dass es ja eigentlich schon Bände spricht, dass sie sich gegen ärztliche Empfehlung nicht im Krankenhaus behandeln lassen will. Vielleicht hat ein Teil von ihr ja Angst, dass der Alkoholmissbrauch auch offiziell erkannt wird? Außerdem kann es ja auch ein Krankheitsgewinn sein, an "unerklärlichen" Symptomen zu leiden und dafür potenziell viel Zuwendung & Mitgefühl zu bekommen (und es ist viel einfacher als sich dem wahren Problem zu stellen).

    Genau das hab ich mir auch gedacht. So war es auf jeden Fall bei meinem Vater.

  • Danke ihr Lieben für eure Erfahrungen und Meinungen. Ich hatte unter das Zitat etwas geschrieben, das ich jetzt gar nicht mehr sehen kann. Sorry dafür; ich versuche das hier wieder zugeben. Ich weiß dass meine Mama schon immer gerne im Mittelpunkt stehen wollte und es auch immer wieder geschafft hat. Ich glaube auch, dass ihr die Rolle mit mysteriösen Krankheiten gefällt. Ich höre immer mehr von nahestehenden Personen, wie schwierig meine Mama doch ist und auch, das alle Wissen dass sie ein Alkoholproblem hat. Schade, dass man das immer erst so lange unter den Teppich kehren muss. Ich bereue es keine Tag den Schritt gegangen zu sein. Zu meinen Eltern fühle ich mich emotional gar nicht mehr gebunden. Sie sind die Großeltern meiner Kinder, mehr nicht mehr. Die Menschen die meine Eltern eins mal waren sind mir fremd geworden und ich fühle mich ohne ihre Nähe wesentlich besser. Manchmal erschüttert mich das. Ich bin grundsätzlich eher ein warmherziger Mensch.

    Meine Eltern haben es geschafft unsere Seite zu vermieten. Es fühlt sich gut und befreiend an. 😊

  • An Helena:

    Kann man die Ärzte kontaktieren???

    Das Syndrom, welches dein Vater hatte hab ich gerade gegoogelt, kannte ich nicht. Würde passen vor allem das mit den Lügen. Meine Mama erzählt seit ca einem Jahr ständig Dinge, die so nie passiert sind, gibt vieles falsch wieder und fragt sehr häufig nach Dingen, die man vor kurzem erst besprochen hatte.

  • Hallo Sporty,

    in unserem Fall ging das, weil er noch im Krankenhaus lag und ich mir dann einfach die Ärzte direkt geschnappt hab. Telefonisch meine ich natürlich, zu sehen bekommt man die eher selten :D. Hab mich bei denen nach dem Zustand erkundigt und gefragt, ob er ihnen mitgeteilt hat, dass er alkoholkrank ist wegen der Gefahr kaltem Entzug. Danach waren die selber froh, dass sie nicht mehr um das Thema herum tänzeln mussten. Ob das wegen der Schweigepflicht sonst so unproblematisch geht, kann ich nicht sagen, aber wenn es dir hilft, probier es einfach mal aus. Mehr als nein sagen, können sie nicht.

    Dass deine Mama erfundene Dinge erzählt und scheinbar Gedächtnislücken hat, klingt ähnlich den Anfängen bei meinem Vater, aber wie gesagt ich bin kein medizinisches Fachpersonal und kann dir das nicht bestätigen. Mein Vater hat sich teilweise Dinge erfunden, um über seine Lücken hinwegzutäuschen. Am Ende ging nicht mal das und er war mental zu nicht mehr viel in der Lage.

    Ganz liebe Grüße,

    Helena

  • …..was ich dir dazu aber noch sagen möchte……

    Verbeiß dich nicht darin. Ich weiß am liebsten wollte ich ganz zu Beginn auch die Bestätigung von außen, von professioneller Seite, dass er Alkoholiker ist. Man schwankt immer wieder zwischen „Ja, es ist auf jeden Fall so“ und „na vielleicht ist es ja doch nicht so schlimm, wie ich mir das ausmale“. Irgendwann wurde mir dann klar, dass ich mich mürbe gemacht habe damit. Unbedingt wissen zu wollen ob mein Empfinden in der Sache medizinisch bestätigt wird, wurde zur Belastung und hat meine Gedanken eingenommen. Dann habe ich langsam versucht, davon Abstand zu nehmen und durch Beiträge hier im Forum angefangen meinem Urteil in der Hinsicht zu vertrauen. Die Rückmeldung der Ärzte und Ärztinnen war dann zwar immer noch erleichternd aber ich war nicht mehr darauf angewiesen :).

    Vertrau deiner Einschätzung.

  • Über welchen Zeitraum hat sich das denn erstreckt?

    Wenn du die Zeitspanne der Verschlechterung meinst, hat es bei meinem Vater ca. 1-2 Jahre gedauert. So genau kann ich das nicht sagen, weil er die Symptome längere Zeit vor uns und sich selbst verheimlicht hat. Aber es gibt auch Fälle in denen es lange lange Jahre weitergeht ohne, dass sich die Symptome so extrem verschlechtern. Korsakow gibt es ja auch als Einzeldiagnose. Bei meinem Vater kam noch die körperliche Komponente dazu.

  • Ich gebe dir recht, das man sich da schnell verbeißt. Seid ich den Abstand habe, bekomme ich das aber ganz gut hin. Es gibt immer mal wieder Momente, in denen ich mir Gedanken mache, aber es nimmt mich nicht mehr so ein. Seid dem muss ich es auch nicht mehr zwingend schwarz auf weiß haben…

  • Hallo Sporty,

    Wie geht es dir und deiner Familie denn inzwischen?

    Korsakow dürfte bei meiner Mutter auch schon die letzten 8 Jahre ein Thema gewesen sein, auch wenn es niemand diagnostiziert hat, zumindest weiss ich nichts davon.

    Sie hatte aber laut ihr selbst auch keine Leberzirrhose und keine COPD, obwohl das diagnostiziert war und ja nicht so einfach wieder verschwindet.

    Mein Mann arbeitet als Arzt im Krankenhaus und ist eigentlich fast immer sehr froh, wenn die Angehörigen bei solchen Themen auf ihn zukommen. Sie dürfen nicht ohne den Patienten über den Patienten Informationen preis geben, aber man kann als Angehöriger seine Beobachtungen schildern und so das Bild für eine Diagnostik erweitern. Und wenn man einen Arzt persönlich treffen kann, ist auch eine Informationsaustausch möglich, v.a., wenn man schon über Korsakow oder Demenz diskutiert.

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