frohe Weihnachten und hallo!
Seit 01. Januar 2016 bin ich trocken. Außerdem habe ich die Diagnose rezidivierende depressive Störung, die seit meiner Abstinenz fortwährend in Form von Verhaltenstherapie und Medikamenten behandelt wird - mit Erfolg. Die krasse Achterbahn der Gefühle von früher (unter Alkohol und THC) und die ständige Verunsicherung sind einer deutlichen Ruhe und wachsenden Stabilität gewichen. Dafür bin ich natürlich sehr dankbar und ja - es bedarf täglicher Kraft. Der letzte Akt unter Alkohol war ein Selbstmordversuch. Ich wollte lieber sterben, als einen weiteren Tag unter diesem Chef zu arbeiten. Hier war für mich dann endgültig Schluss: auf der Intensivstation rieten mir die Ärzte, in eine Psychiatrie zu gehen. Und dort legte sich in mir endlich der Schalter um: ja, tatsächlich, ich habe ein Problem mit Alkohol, ich will leben und das geht in meinem Fall nur mit dem Behandeln der Depressionen und abstinent. Eine insgesamt fünfeinhalb monatige stationäre Therapie war der Anfang in mein neues Leben. Es war verrückt, wie krass ich meine Mauern hochgezogen hatte bis dato: alle hielten mich für stark und waren davon überzeugt, ich habe kein Problem. Aber das war mir jetzt egal. Ich habe mein früheres Umfeld verlassen.
Meine Abstinenz wäre ansonsten in Gefahr gewesen. Inzwischen bin ich glücklich verheiratet. Wir haben uns kennengelernt, als ich bereits abstinent war und er hat vollkommen selbstverständlich von sich aus zu mir gesagt, dass er jetzt auch keinen Alkohol mehr trinken möchte, um mich zu unterstützen, was der Oberhammer ist ich hätte es nie von ihm verlangt, aber andererseits wäre alles andere nicht möglich für mich gewesen. Er hat kein Suchtproblem.
Ich hatte bis vor drei Wochen eine lange und gute Zeit. Nun ist es etwas durchwachsen. Ein auf und ab. So trug es sich kürzlich zu, dass mein Schwiegervater zu mir sagte: "Du, wir wollen an Heiligabend ja mit Sekt anstoßen und dann eben Wein trinken - das ist ja ok für Dich...?? Ich möchte rücksichtsvoll sein und frage Dich daher" - Diese Frage manövrierte mich in eine krasse Zwickmühle. Sie fühlte sich nicht nach Rücksicht an sondern vielleicht eher in Etwas in Richtung Abschieben von Verantwortung (?? noch nicht ganz sicher). Zu sagen "ja, das ist kein Problem" wäre eine Lüge, mit der ich den "Rücksichtsvollen" einfach ein gutes Trink-Gewissen beschere-die Absolution zum Trinken von der trockenen Alkoholikerin. Das ist für mich nicht stimmig.
Fakt ist: es kann mich immer triggern und kalt erwischen, wenn jemand was trinkt und ich kann es auf Grund meiner begrenzen hellseherischen Fähigkeiten auch nicht voraussehen, ob es so sein wird oder nicht. Gleichermaßen fühlt es sich falsch an zu sagen "nein, es ist für mich nicht ok." In diesem Fall mit dem Schwiegervater weiß ich: er WILL seinen Wein und es wäre eine sehr unangenehme und aufgesetzte Nummer, wenn er "wegen mir" darauf verzichten müsste. Tja. Ich will mündigen Menschen kein Alkoholverbot aussprechen und auch keine Erlaubnis. So sagte ich ihm ohne lang zu überlegen, dass ich auf diese Art von Rücksicht verzichten kann und ich das Gefühl habe, dass es ihm weniger um meine, als um seine Gefühle geht. Er möchte guten Gewissens trinken. Ich habe ihn gebeten, mich zukünftig einfach nicht mehr zu fragen. Das Gespräch war gut.
In der anschließenden Nacht konnte ich dann aber leider trotzdem nicht schlafen. Ich hatte Angst, ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Schwiegervater, weil er ja nur nett sein wollte. Ich hatte das Gefühl, ich soll mich doch nicht so anstellen und einfach sagen "ja, es ist ok". Aber nein. Es fühlt sich kacke an. Dann kam die Lust auf Alkohol. "Ein Glas Wein, damit ich mich endlich wieder wie ich selbst fühle". Natürlich waren es nur Gefühle und Gedanken. Aber sie haben mich sehr erschreckt.
Ich nehme es ernst. Daher habe ich mich jetzt einfach hier angemeldet.