Aruula - Vorstellung Schwester Alkoholikerin

  • Hallo,

    Ich bin Angehörige einer Alkoholikerin. Süchtig ist meine Schwester zu der ich jahrzehntelang ein sehr enges Verhältnis hatte. Als ältere Schwester fühlte und fühle ich mich immer etwas verantwortlich habe lange versucht zu helfen. Bücher gelesen, zu Treffen gegangen, Verständnis gezeigt, Klartext geredet....

    Es gab einige Therapien aber der Rückfall folgt immer früh. Ich hatte den Kontakt vor einiger Zeit angebrochen weil es mir zu viel Kraft raubt und ich weitere andere Belastungen hatte. Nach einem Versuch den Kontakt wieder langsam aufzubauen habe ich allerdings nochmal die Notbremse gezogen. So besteht aktuell kein Kontakt. Aber ich denke täglich dran und frage mich immer wieder, ob das der richtige Weg ist.

    Ich freue mich auf Gedankenaustausch und Impulse hier im Forum.

  • Hallo Aruula,

    willkommen bei uns in der Selbsthilfegruppe!

    Hast Du Dich schon ein wenig bei uns im Forum eingelesen? Wenn, dann wirst Du feststellen, dass sich die Geschichten der Angehörigen sehr ähneln.

    Der Kontaktabbruch ist Eigenschutz und hinterlässt trotz allem ein schales Gefühl. Im Laufe der Zeit verändert sich außerdem die Persönlichkeit eines Alkoholikers sehr zum Nachteil.

    Möchtest Du Dich im offenen Bereich mit den anderen Angehörigen austauschen?

    Hier ist der Bewerbungslink für Dich:

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Anklicken und kurz etwas dazu schreiben.

    Wir werden Dich dann freischalten und Dein Thema zu "Erste Schritte für Angehörige" verschieben.

    Dort geht der richtige Austausch für Dich weiter.

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Aruula, Du bist jetzt für die offenen Bereiche freigeschaltet.

    Und Du kannst überall schreiben, jedoch bitte nicht die ersten 4 Wochen bei den
    neuen Teilnehmern im Vorstellungsbereich.

    Ich wünsche Dir einen guten und hilfreichen Austausch.

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hallo und willkommen Aruula,

    im Grunde genommen ist dieser Kontaktabbruch der beste Eigenschutz.Eigenschutz. Aber bei einer Schwester ist das schwer auszuhalten. Da besteht ja eine sehr enge, familiäre Bindung.

    Alkoholismus ist eine Familienkrankheit. Aus allen Perspektiven gesehen.

    Es gibt da ein Buch: " Familienkrankheit Alkoholismus" von Ursula Lambrou. Da wird vieles beschrieben.

    Und hier der Austausch kann dir gut helfen, deine Gefühle zu verstehen und vor allem deine Abgrenzung zu erhalten.

    Liebe Grüße Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Danke liebe Aurora,

    Das Buch werde ich mir bestellen.

    Die Krankheit hat unbestreitbar eine genetische Komponenten und meine Familie ist da vorbelastet.

    Eine Tante ist an ihrer Sucht gestorben. Mein Vater hatte zumindest zeitweise ein missbräuchlichen Umgang mit Alkohol. Und als wir groß würden was Alkohol allgegenwärtig. Wir durften als Kinder sogar die Eierlikör Gläser auskratzen...

    Bei meiner Schwester fällt mir das Aushalten leider immer wieder sehr schwer. Allerdings bin ich mittlerweile überzeugt dass man mit Hilfe oft eher schadet.

    Ich habe einmal ihre Messiebude aufgeräumt und sie ist in den Einzug. Danach sind wir zum Überbrücken bis zur Entwöhnungstherapie pilgern gegangen, aber schon unterwegs hat sie Bier getrunken (sie wäre ja nur körperlich nicht mehr abhängig und die Therapie käme ja erst noch) aber in Santiago hat sie fast sogar "ihren" Problemalkohol Wein getrunken. Das Glas stand schon vor ihr. Die Entwöhnungstherapie ist sie dann erst unter fadenscheinigen Gründen nicht angetreten. Sie hat es dann doch gemacht, aber ich habe den Eindruck sie tut es immer auf Druck und für andere. Das war dann mein Endpunkt und der Abbruch von meiner Seite.

    Leider hatte ich andere Baustellen die meine Aufmerksamkeit und Kraft brauchten aber selbst wenn ich die Kraft hätte, weiß ich, ich kann nicht helfen. Es ist in ihrem Fall nicht so, dass sie nicht will aber sie glaubt nicht mehr dass Entzug und Therapie hilft. Sie weiß das ja schon alles...

    Nach einer kurzen Phase mit Kontakt habe ich ihn wieder abgebrochen weil ich dauernd angelogen werde. Da geht es nicht Mal um Konsum sondern auch anderes Verhalten was man ihr vorwirft. Umfang mit Kindern, Ausflüchte und diese komischen Geschichten die sicher viele von Betroffenen kennen, die keinen Sinn machen. Unfälle an denen andere schuld sind...

    Ich habe ihr letztlich gesagt, ich will unter diesen Umständen keinen Kontakt. Sollte sie mich in einer echten Notsituation brauchen, wäre ich für sie da. Für Unterstützung während und nach einer Therapie zum Beispiel gerne. Aber sonst eben nicht.

    Bei der letzten Entwöhnungstherapie wollte ich mich als Angehörige einbringen, aber auch das geht ja nur wenn der Betroffene das will. Sie beteuerte das zwar aber seltsamerweise fielen dann angeblich die Seminare aus und und und...

    Wir sehen uns zur Beerdigung meiner Mutter bald wieder und ich stehen da sehr schwer vor.

    Mit meiner Mutter ist das letzte Bindeglied weg und vielleicht wird es ja leichter wenn ich dann tatsächlich nichts mehr mitbekomme.

    Aber die Sorge wird bleiben.

    Der unvernünftige Wunsch zu helfen wird bleiben.

  • Hallo Aruula,

    das ist der Knackpunkt und das am schwierigsten zu Ertragene:

    Du kannst machen, was du willst. Freundlich sein, böse sein oder sonstwas. Solange der/ die Abhängige es selbst nicht aus tiefstem Herzen will, gibt es keine Veränderung. Und das macht uns Angehörige kaputt, raubt Energie und lässt uns verzweifeln.

    Darum ist es gut, dass du FÜR DICH Hilfe suchst. Denn das ist das Einzige, was du beeinflussen kannst.

    Liebe Grüße Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Mein Beileid zu dem Verlust Deiner Mutter, Aruula!

    Für Dich ist das alles zusammen derzeit eine enorme Belastung.

    Ja, es stimmt, wenn die Mutter in der Familie verstirbt, ändert sich fast alles. Ich habe das auf jeden Fall so erfahren.

    Ich wünsche Dir, dass Du etwas zur Ruhe kommen und auch trauern kannst.

    Hier kannst Du Deine Gedanken lassen, Du wirst gelesen!

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Die Beisetzung haben wir nun gut hinter uns gebracht.

    Meine Schwester ist mir sehr aus dem Weg gegangen. Ich war, auch durch das Lesen im Forum und bei den trockenen und kämpfenden Betroffenen, etwas offener für sie, aber das konnte sie natürlich nicht wissen.

    Es waren subtile Zeichen meinerseits. Sie herzlich in den Arm nehmen zur Begrüßung und Verabschiedung, statt so pflichtschuldig wie beim letzen Mal. Aber natürlich waren wir alle mit der Beisetzung beschäftigt. Im Cafe dann an getrennten Tischen. Ich bin zu ihrem, allerdings nicht direkt zu ihr, zum Austausch gekommen, aber sie ging dann zum WC. Als die ersten gingen habe ich dafür gesorgt dass die anderen sich zusammen setzen, aber da ist sie auch abseits bei den Kids gewesen.

    Es ist schon komisch, lange habe ich drauf gewartet dass sie den Abstand akzeptiert und nun scheint sie es getan zu haben. Was ich mir mehr wünsche sind natürlich Zeichen von ihr, dass sie den Kontakt wieder aufbauen möchte und ja, Entschuldigungen für das dauernde Anlügen oder zumindest Verständnis für mich. Wie oft versetzt man sich als Angehörige in die Lage oder versucht es zumindest ansatzweise zu verstehen was beim Betroffenen abgeht. Mir fehlt da echt die Empathie auf der anderen Seite.

    Und ja, ich weiss sie ist krank. Sie kann es nicht. Aber stimmt das so ganz?

    Nach so einem Treffen und besonders jetzt wo es eventuell für Jahre das letzte war, gehen einem schon viele Gedanken durch den Kopf. Sie wird immer meine kleine Schwester sein. Ich kann Kinderfotos kaum ansehen und bin so verzweifelt was aus diesem Kind geworden ist. Die Fotos vom Jakobsweg, meinen großen Lebenstraum, auf den ich sie mitgenommen habe, kann ich auch nicht ohne Traurigkeit ansehen. Ich muss das wenn ich in Erinnerungen schwelgen möchte sehr aktiv ausgrenzen.

    Sie hat ja gerade keinen Führerschein und die Ex Schwiegermutter schrieb mir dass sie sehr vernünftig war, die Kinder am Wochenende bei ihr in der neuen Wohnung waren und sie also den Umzug bewältigt hat und die Kids sich wohl gefühlt hatten. Ich fand sie sah auch besser aus als beim letzten Mal. Und sofort ist da wieder diese Hoffnung.

    Aber das ist ja auch das einzige was einem bleibt. Vielleicht ist es gut so, dass die Hoffnung immer wieder da ist.

    Ich würde mich freuen wenn mir Betroffene, trockenen und natürlich Angehörige Tipps geben würden. Ich merke gerade dass ich nichtmal richtig formulieren kann wobei....😵‍💫

    Also never mind. Es hilft ja auch schon einfach mal alles aufzuschreiben was einen bewegt.

  • Hallo Aruula,

    ich möchte dir auch mein herzliches Beileid zum Tode deiner Mutter aussprechen.

    Vielleicht ist es gut so, dass die Hoffnung immer wieder da ist.

    dieser Satz hat mich gerade angesprochen, und ich weiß nicht, ob die Aussage richtig ist. Hoffnung ist im Prinzip etwas gutes, aber solange ich früher Hoffnung hatte bin ich nicht ins handeln gekommen. Kleinste Veränderungen haben Hoffnung genährt, nur um dann wieder tief zu fallen. Irgendwann konnte ich dann nicht mehr hoffen, und ab da gab es bei mir Bewegung. Ich konnte für mich Dinge verändern.

    Auf der anderen Seite stelle ich es mir schwer vor, keine Hoffnung mehr zu haben. Hoffnungen zu haben, ohne sie von Menschen abhängig zu machen, ohne mich abhängig zu machen von dem Menschen weswegen ich hoffe, denn sonst würde es eine dauernde Achterbahnfahrt bedeuten.

    Booah was für ein Thema, danke dafür. Ich weiß auch gerade nicht, ob mein Beitrag so ankommt wie ich ihn meinte.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Ja, Hoffnung kann ein zweischneidiges Schwert sein. Da kann man viel drüber philosophieren.

    Ich glaube nicht dass es Hoffnung war, die mich eine zeitlang co-abh. gemacht hat und ich bin nichtmal sicher ob ich das war. Ist man sofort co wenn man helfen will? Ich bin ja nicht Partner/in sondern Schwester. Ich denke wenn man in einem Haushalt lebt ist das alles viel schwieriger und man ist schneller co-abh. Allerdings will man als enge Angehörige auch helfen und zeigt dann vermutlich zumindest co abhängiges Verhalten. Die Messiebude aufräumen sah ich als einmalige Aktion ihr einen Start zu ermöglichen. Nach der Entgiftung in so etwas zurück kehren zu müssen konnte ich mit nur als schwer vorstellen. Aber im Nachhinein muss ich zugeben, dass es wohl flasch und keineswegs hilfreich war.

    Aber zur Hoffnung. Ich denke Hoffnung sollte nicht lähmen und dafür verantwortlich sein, dass man in unguten Verhaltensmustern bleibt. Aber so ganz die Hoffnung verlieren bedeutet ja auch eine komplette Aufgabe der abhängigen Person, oder?

    Mit ist wichtig weiter Hoffnung zu haben. Ich weiß aber und kalkuliere ein, dass ich bisher immer wieder enttäuscht wurde und die Wahrscheinlichkeit dass ich es wieder werde höher ist als die Trockenheit zu erreichen und wieder eine Beziehung aufbauen zu können.

    Ich denke die Einstellung mit der man hofft ist entscheidend dafür, ob sie gut tut, oder schadet.

    LG

  • Guten Morgen Aruula,

    das mit Deiner Mutter tut mir sehr leid.


    Was Du zu dem Thema Hoffnung schreibst, ist tatsächlich so: Ein zweischneidiges Schwert. Es ist wichtig, was zu im vorletzten Absatz schreibst, nämlich, dass man mit einkalkulieren sollte, enttäuscht zu werden bzw. die Hoffnung gar nicht so weit voranschreiten lassen, dass es überhaupt möglich ist, enttäuscht zu werden. In dem Fall ist es vielleicht sogar besser, sich mit der Situation abzufinden und die Hoffnung zurückzuschrauben und sich lieber - wenn es denn doch soweit sein sollte - positiv überraschen zu lassen.


    Ich kann Dir als Schwester, die Jahre lang getrunken hat und eine Schwester hatte, die eben nicht abhängig war und ist nur sagen, dass ich meine Schwester sehr lieb hatte, aber auch wir haben uns voneinander entfernt, als ich getrunken habe. Sie hat zunächst versucht, mir zu helfen, hat Gespräche mit mir geführt, ich war einsichtig, wollte etwas ändern, konnte das aber nicht, weil ich eben abhängig war. Sie selbst war dann wohl mal bei einem Beratungsgespräch in dem man ihr sagte, sie könne absolut nichts tun für mich. Und daher zog sie sich etwas zurück. Wir hatten Kontakt, aber der war oberflächlicher, als er vorher war. Ich merkte das und konnte ahnen, warum. Ich selbst konnte mich ja auch nicht mehr öffnen, weil ich ja versucht hatte, alles zu verharmlosen.

    Erst als ich aufhörte zu trinken, war sie wieder komplett da für mich und konnte mir dann auch eine HIlfe sein, das ist sie heute nach über 6 Jahren noch. Wir haben ein besseres Verhältnis als je zuvor, wie sie neulich treffend sagte: Zwischen uns passt kein Blatt Papier.


    Nun möchte ich Dir mit meinem Bericht natürlich nicht unnötige Hoffnung machen, wo wir wieder beim Thema sind, denn es gibt eben viele, die nicht den Absprung schaffen, keinen Tiefpunkt erreichen und eben nicht aufhören zu saufen. Wenn das so sein sollte bei Deiner Schwester, dann liegt das nicht in Deiner Verantwortung oder in Deiner Macht.

    Denn eines kann ich Dir sagen, ich hatte auch zu Saufzeiten meine Schwester unendlich lieb, genau wie meine Eltern bzw. mein Vater, denn meine Mutter starb, als ich noch trank und bekam die schwerste Zeit mit mir nicht mehr mit.

    Meine Schwester, mein Vater, meine beste Freundin, Vater meiner Kinder: Keiner konnte mir helfen. Weder auf die einfühlsame Art, noch auf die Art, in der man mir volle Breitseite die Meinung geigte.

    Erst als ich an dem Punkt war, wo nur noch ein kleiner Schritt in die richtige Richtung fehlte, da erst konnte mich eine letzte Ansage erreichen (aber wie gesagt auch nur, weil ich innerlich soweit war, es brauchte nur noch einen kleinen Anschubser).

    Wie gesagt erreichen diesen Punkt aber nicht alle Alkoholiker, insofern würde ich an Deiner Stelle versuchen, die Hoffnung so klein wie möglich zu halten.

    Du wirst erkennen, wenn sie soweit ist und wirklich aufhört. Dann kannst Du wieder für sie da sein. Bis dahin ist alles einzig und allein in den Händen Deiner Schwester.

    LG Cadda

  • Liebe Cadda,

    Danke für deine Antwort.
    Die Tränen sind sofort geflossen, was zeigt wie sehr mich deine Worte berührt haben.

    Ich weiß, dass es meiner Schwester genauso geht und sie ihre Familie liebt. Familie war ihr schon immer sehr wichtig und es muss für sie die Hölle sein, gerade so alleine zu sein.
    Wir haben beide Eltern innerhalb von knapp zwei Jahren bei einem aktiven, bewussten Sterbeprozeßß belgeitet und sie war einmal in Therapie und das andere Mal aufgrund ihrer Sucht nicht in der Lage dabei zu sein, Anteil zu nehmen sich zu verabschieden (persönlich).

    Wie sie sich in einer neuen Stadt alleine auf sich gestellt gerade fühlen muss, kann ich mir nur schwer vorstellen.

    Es tut gut deine Worte zu lesen. Und zu wissen, es KANN auch nach Jahren gut ausgehen und das Verhältniss KANN wieder eng und vielleicht sogar enger als vorher werden.

    Diese Hoffnung ist es, die ich nicht aufgeben kann und möchte.
    Obwohl mir dein Satz "....denn es gibt eben viele, die nicht den Absprung schaffen, keinen Tiefpunkt erreichen und eben nicht aufhören zu saufen."
    genauso wichtig ist. Denn das ist die andere Option, die genauso möglich ist.

    Ich denke diese "Sorge oder Befürchtung" im Hinterkopf zu haben (ohne sich verrückt zu machen und da hinein zu steigern) und die, ich nenne es mal, "vorsichtige" Hoffnung (d.h. mit einkalkulierter Berücksichtigung der Enttäuschung) aufrecht zu erhalten ist vermutlich (für mich) der goldene Mittelweg. Mal überwiegt etwas die eine Seite, mal die andere. Aber es sind immer beide präsent. Wichtig ist bei allem sich nicht aus dem Blick zu verlieren, sich im Gegenteil im Fokus zu haben und seine Bedürfnisse zu kennen und zu wahren. Zum Glück hilft mir hier mein berufliches Knowhow und ich kann von bestimmten Tools und Gewohnheiten profitieren.
    Selbstfürsorge ist für JEDEN, für Anghörige von Kranken, Süchtigen und Pflegebedürftigen, für direkt Betroffene, aber sicher nochmal um ein Vielfaches wichtiger"

  • Mir tut es sehr leid zu lesen, wie Du Dich fühlst. Denn auch ich denke natürlich aus meiner Sicht oft an die Zeit zurück, in der meine Schwester sich so hilflos fühlte. Ich kam nicht raus aus meiner Sucht, sie kam nicht mehr an mich ran und in Nachhinein betrachtet und durch die Gespräche mit ihr weiß ich natürlich, wie allein SIE sich auch gefühlt hat.

    Als es zwar noch nicht in der Endphase meiner Sucht war, aber dennoch bereits mitten drin, starb unsere Mutter viel zu früh absolut plötzlich und ohne Vorankündigung. Ich verdrängte und trank immer mehr und mehr. Das wäre auch so geschehen, denn wie gesagt war ich schon süchtig, doch ich nahm das natürlich auch zum Anlass aufgrund von Traurigkeit Ablenkung und Party machen herbeizuführen. Die Trauerbewältigung war nicht gut für mich.

    Vor gar nicht so langer Zeit verstarb nun auch unser Vater genau so plötzlich und ohne Vorankündigung, nicht ganz so jung wie meine Mutter, aber auch noch viel zu früh. Nun war ich ja schon einige Jahre trocken und die Trauerbewältigung war dann ganz anders. Ich habe nicht so sehr verdrängt und hatte natürlich auch wieder das gute Verhältnis zu meiner Schwester. Deshalb war es für uns beide natürlich sehr schön, dass wir uns so sehr gegenseitig hatten.

    Umso mehr tut es mir - nicht nur für Deine Schwester - sondern auch für Dich leid, dass Du sie gerade nicht so an Deiner Seite hast, wie Du es auch verdient hättest. Und das zeigt eben, dass die Alkoholkrankheit eben nicht nur den Süchtigen betrifft, sondern auch sein nahes Umfeld. Es ist eine Familienkrankheit.

    Ich wünsche Dir wirklich von Herzen - und Deiner Schwester natürlich auch - dass sie irgendwann aufhören kann.

    LG Cadda

  • Liebe Cadda,

    Das tut mir so leid. Es ist schwer die Eltern zu verlieren. Wir konnten uns immerhin über einen längeren Zeitraum damit auseinander setzten und alles sagen und fragen was offen war. Ich kann mir gar nicht vorstellen wie schlimm es sein muss von einem plötzlichen Todesfall überrascht zu werden.

    Also herzliche Anteilnahme von mir, auch wenn das irgendwie immer etwas hohl klingt.

    Das mit der Familienkrankheit ist absolut richtig. Es betrifft so viele. Meine Schwester natürlich direkt und unmittelbar. Ihre Kinder, Ex-Mann, Schwiegermutter, uns Geschwister, Nichten und Neffen, Freunde und Kollegen... Das ist schon Wahnsinn.

  • Danke Aruula,

    ich weiß nicht, ich finde beides auf seine Art schlimm. Das Verabschieden über einen längeren Zeitraum finde ich auch traurig.

    Dass Du nun irgendwie ohne Deine Schwester vor dieser Trauerzeit stehst, tut mir sehr leid.

    Familienkrankheit und auch Freunde sind betroffen, da hast Du Recht. Ich habe gerade neulich mit einer sehr guten Freundin gesprochen, die mir aus ihrer Sicht nochmal erzählt hat, wie sehr sie die Veränderungen mitgenommen haben und dass sie keinen richtigen "Zugang" mehr zu mir hatte.

    Ich denke, wenn es dazu kommt, dass Deine Schwester wirklich gern aufhören möchte, wird sie es Dich wissen lassen. Dass Du Dich jetzt zurückziehst, um Dich selbst zu schützen, bedeutet ja nicht, dass Du nicht für sie da wärst, wenn sie aufhört zu trinken. Die Tür ist ja nicht verschlossen, sondern nur angelehnt.

    Auch eine Floskel, die vielleicht etwas hohl klingt, aber so ist es ja :)


    LG Cadda

  • Gestern habe ich von meiner Schwester geträumt. Sie stand überraschend vor mir und ich sollte ihr helfen und sie zu einer zu einer neuen Therapie bringen.

    Sie ist nun umgezogen und lebt alleine in einer neuen Stadt. Die Kinder konnten schon mindestens ein Wochenende nicht zu ihr weil sie getrunken hat.

    Keine Eltern mehr, kein Kontakt zu den Geschwistern und auch kaum noch Freunde. Sie tut mir so leid und wenn ich höre dass die Kinder nicht zu ihr können weil sie doch wieder getrunken hat, bin ich gleichzeitig so sauer und sie tut mir so leid.

    Ich habe echt Angst vor Weihnachten. Sie hat da wirklich niemanden und Familie und diese Feste waren und sind ihr so wichtig. Ich weiß nicht was richtig ist. Wie ich mich verhalten soll. Dann denke ich ich schicke ihr ein kleines Geschenk und dann überlege ich ob ich ihr überhaupt zu Weihnachten eine kurze WhatsApp schreibe oder gar nicht. Es ist soooooo frustrierend.

  • Ich hätte gerne mal ein paar Meinungen zum Thema Kontaktabbruch.

    Am liebsten auch von trocken Alkoholikern.

    Hilft es, wenn Familie den Kontakt abbricht zum "wach rütteln" oder überwiegt das Gefühl von allen im Stich gelassen zu werden?

    Ich denke täglich an meine Schwester und frage mich ob der Kontaktabbruch richtig ist oder nicht. Ich weiß, ich muss mich schützen und das hat mittlerweile auch oberste Priorität.

    Wenn ich mir aber vorstelle, wie ich mich fühlen würde falls sie sich irgendwann aus Verzweiflung etwas antut, schießen mit die Tränen in die Augen auch bei Kontaktabbruch, schützt einem das nicht vor weiterem Leiden.

    Immer wieder denke ich drüber nach, ob ich ihr zum Beispiel mal schreiben. Einfach wie wichtig sie mir immer sein wird und dass ich ihr wünsche die Sucht zu überwinden, aber erst wieder Kontakt haben möchte wenn sie das hinter sich hat. Oder Hilfe bei einer Therapie braucht ( Seminar für Angehörige). Aber im Moment habe ich nicht mal ihre Adresse....


    Was ist wohl besser, abwarten und aushalten oder zumindest ein Signal in ihre Richtung senden ohne wirklich engen Kontakt aufzunehmen oder zu zulassen?

    Ich hoffe es findet jemand Zeit und Muße seine Gedanken zu teilen.

  • Hilft es, wenn Familie den Kontakt abbricht zum "wach rütteln" oder überwiegt das Gefühl von allen im Stich gelassen zu werden?

    Es kann da und da einen temporären Impuls geben, aber mehr nicht. Es ist auch nicht eins zu übertragen. Der Alkoholiker muss von sich aus zu der Erkenntnis kommen, dass sein Alkoholismus ihn selbst zugrunde richtet. Auch ein Überstülpen einer Therapie oder irgendwelche gutgemeinte "Zwangsmaßnahmen" helfen da nicht. Siehe deine Schwester. Immer wieder rückfällig

    Aber es belastet sie ja nicht, es belastet dich ja dich. Warum sollte sie aufhören? Dass es dir besser geht? Ist doch nicht ihr Problem. Da bist du doch verantwortlich dafür das es dir gut geht. Oder?

    Bin im 17. Jahr trocken und weiß, wovon ich schreibe.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo liebe Aruula,

    also ich hatte in der Zeit, als ich getrunken habe, deutlich weniger Kontakt zu meiner Schwester. Ganz abgebrochen hat sie ihn nicht, aber sie hat sich sehr zurückgezogen. Ins Geheim wusste ich auch warum. Und ich wusste auch: Wenn ich aufhören würde zu trinken und wieder ich selbst werden würde, dann würde sich unser Verhältnis ganz sicher wieder ändern.

    Ich hatte nie das Gefühl, dass sie mich im Stich lässt. Ich hatte eher das Gefühl, dass ich sie im Stich lasse, weil sie mich ja schließlich nicht mehr so hatte, wie sonst als Schwester. Ging ja auch nicht, denn ich hatte mich ja so verändert.

    Wichtig für Dich finde ich eigentlich, dass Du Dich versuchst abzugrenzen, aber das tust Du ja und dass Du nicht versuchst, sie zu überzeugen, denn das bringt eh nichts.

    Wenn es Dir aber besser geht, ihr zu schreiben, dass sie für Dich trotz allem sehr wichtig ist und Du da bist, wenn sie sich entscheiden sollte, etwas gegen ihre Sucht zu tun, finde ich persönlich das nicht schlimm. Denn es sagt ja nicht "Hey, es kann alles normal weiterlaufen, auch wenn Du trinkst", sondern es zeigt schon, dass Du Dich bewusst zurückziehst und warum.

    Ich kann aber nachvollziehen, wenn es Dir gut tun würde, ihr das mit auf den Weg zu geben und würde aus dem ersten Gefühl heraus sagen: Warum nicht?

    Ob das richtig oder falsch ist, kann ich Dir nicht sagen. Vermutlich gibt es hier auch kein richtig oder falsch.

    LG Cadda

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