Anthurie - Eka sagt Hallo

  • Hallo,

    Ich bin Tochter eines Alkoholikers und einer co- abhängigen Mutter.

    Auf der Suche nach Austausch hab ich dieses Forum gefunden. Das Lesen hier hat mir in vielen Punkten sehr weiter geholfen. Danke schon mal, dass es das Forum gibt.

    Ich bin Mitte 40 und mein Vater ist alkoholkrank, solange ich denken kann. Gleiches gilt für die Co- Abhängigkeit meiner Mutter. Meine Eltern leben getrennt, da mein Vater mittlerweile in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist.

    Jetzt, nachdem dadurch "Ruhe" eingekehrt ist, wird mir klar, wie sehr mich die Erkrankung jahrzehntelang geprägt hat und wie sie bis heute mein Leben beeinflusst.

    Ich fühle mich zur Zeit einfach nur erschöpft und hab das Gefühl, dass jetzt erst mein Leben beginnt- unbelasteter als bisher und das ist alles gerade so erschreckend.

    Soweit erstmal meine Vorstellung hier. Viele Grüße.

  • Hallo Anthurie,

    herzlich Willkommen hier bei uns.

    Ich bin auch in einem Alkoholikerhaushalt aufgewachsen und habe vieles verinnerlicht, was mir Jahrzehnte später noch auffällt.

    Damit wir dich für den Erfahrungsaustausch im Forum freischalten können, klicke bitte auf diesen Link und folge ihm. Ein Satz schreiben genügt.

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Viele liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Anthurie,

    du bist jetzt fürs Forum freigeschaltet und im EKA-Bereich. Aktuell haben sich einige EKA gleichzeitig angemeldet, ihr könnt euch gerne austauschen! Du kannst aber überall schreiben, nur bitte nicht in den ersten 4 Wochen im Vorstellungsbereich bei den neuen Usern mit den orangeroten Namen.

    Falls du Fragen hast, kannst du dich jederzeit an einen von uns Moderatoren wenden.

    Komm gut an!

    Liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Anthurie,

    schön, dass du den Weg ins Forum gefunden hast. Ich bin auch Tochter von alkoholkranken Eltern und mir geht es ähnlich.

    Nutze dieses Forum um deine Gedanke frei auszusprechen, du wirst merken, dass dir der Austausch gut tut und dir nochmal neue Impulse gibt.

    Ich freue mich von dir zu lesen.

    Liebe Grüße
    Landliebe

  • Vielen Dank für die Freischaltung Linde66 . Ist mir auch schon aufgefallen, dass sich in kurzer Zeit einige Eka angemeldet haben.


    Danke für den Willkommensgruß, Landliebe. Ich hab eine Zeit gebraucht, mich hier anzumelden. Gelesen habe ich schon viel hier, aber ich dachte lange (wahrscheinlich typisch eka...), dass Lesen reicht. Bis ich mir eingestanden habe, dass ein Austausch mit Betroffenen hilfreich ist.

    Zwischen Lesen und Reden liegen ja doch Welten ;) Und ich muss ja nicht alles allein schaffen.

  • Danke schön, Matrix .

    Ja, der Kopf weiß, dass ich nicht alles allein schaffen muss. Der Kopf weiß auch, dass es meine Prägung ist. Es ist nur so schwer, da raus zu kommen. Ich schaffe das in Alltagsdingen mittlerweile sehr gut. Nur wenn es ans Eingemachte geht, gerate ich in den Strudel rein. Ich registriere das recht schnell und kann dann auch anders handeln, als ich das bisher getan habe.

    Es strengt halt nur so sehr an. Ist ja auch nicht das einzige Muster, das aufploppt und angeschaut werden möchte. Ich mach ja auch. Es fühlt sich zur Zeit nur nicht so an, dass ich vorwärts komme. Objektiv betrachtet ist vieles besser geworden in meinem Leben.

    Mich treibt nicht die Frage um, ob und wann es besser wird (das tut es ja), sondern, ob es irgendwann leichter wird.

    Gleichzeitig ist dann trotzdem die Angst da, ob ich mir die Verbesserungen nicht vielleicht doch nur einbilde, also denke, dass ich weiter komme und aber im nächsten Moment gehörig auf die Nase falle und jemand sagt "Ätsch, reingefallen." Was mich wiederum dazu bringt, mein Leben sachlich zu betrachten und dann festzustellen, dass vieles besser wird. Also kurz gesagt: Ich drehe mich im Kreis.

    Kennt Ihr das auch? Falls ja, wie geht Ihr mit sowas um?

  • Hallo Anthurie,


    herzlich willkommen hier, schön, dass Du uns gefunden hast.


    Ich bin auch EKA. Mein Vater hat sich letzten Sommer ins Grab gesoffen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich angefangen, mich mit dem Offensichtlichen auseinanderzusetzen. Dabei habe ich vor allem sehr viel über mich selbst und meine Kindheit erfahren.


    Die Gefühle kann ich sehr gut nachvollziehen. Auch ich habe gerade am Anfang das Gefühl gehabt, als würde ich in meinem Leben einen Re-Start durchführen.


    Zu Deiner Frage:

    Mich treibt nicht die Frage um, ob und wann es besser wird (das tut es ja), sondern, ob es irgendwann leichter wird.

    Nach meiner Erfahrung ja. Wichtig ist nur, dass man sich selbst zwei Dinge klar macht: Erstens, die Erfahrung aus der Vergangenheit ist prägend. Man hat sich Verhalten antrainiert, die für Kinder nicht normal sind - und die auch im Erwachsenenalter nachwirken. Ich versuche mir gerade klar zu machen, dass ich nicht für alles und jeden - und insbesondere nicht für meine Mutter -verantwortlich bin. Das ist nicht immer leicht, aber man bekommt ja Hilfe - vor allem durch die lieben Menschen hier in der SHG. Und man entdeckt gerade im ersten halben Jahr echt viel. Zweitens: Man kann für die Vergangenheit nichts und konnte auch nie etwas beeinflussen. Das Trinken und der Umgang mit der Sucht war die Entscheidung des von der Krankheit betroffenen Elternteils.


    Es braucht einfach Zeit. Sei geduldig mit Dir selbst. Und lies viel hier. Das hat mir sehr geholfen.


    Viele Grüße


    Seb

  • Hallo Seb25,

    Vielen Dank für Deine Antwort.

    Es tut mir leid zu lesen, dass Dein Vater am Alkohol gestorben ist. Wie geht es Dir damit mittlerweile?

    Bei meinem Vater hatte ich, gerade in den letzten Jahren, Angst, dass er an den Folgen seiner Alkoholerkrankung sterben könnte. Da er ja nun in einer Pflegeeinrichtung ist, ist diese Angst nicht mehr da und ich kann in diesem Punkt loslassen.

    In meinem Kopf wirbelt gerade echt viel durcheinander. Es ploppen immer mehr Dinge auf und jetzt geht es damit los, dass mir die Bedeutung des Ganzen klar wird- wie mich die Erkrankung beeinflusst hat und sich jetzt auswirkt. Also, die "Theorie" war mir schon lange klar, aber es ist echt eine ganz andere Hausnummer, wenn einem die "Praxis" klar wird.

    Ich finde es so hilfreich hier zu lesen, dass es anderen Betroffenen und auch Co-Abhängigen (das bin ich ja auch noch, nicht nur EKA)genauso geht und vor allem hilft es mir zu wissen, dass ich, ohne große Erklärungen abgeben zu müssen, verstanden werde. Umgekehrt gilt das genauso- wenn ich hier im Forum lese, weiß ich oft, wie sich Dinge anfühlen.

    Mein größtes Thema ist gerade die gefühlte Verantwortlichkeit meinen Eltern gegenüber. Nach außen hin habe ich mich beiden gegenüber deutlich abgegrenzt und bleibe auch dabei, aber innerlich ist es jeden Tag ein Kampf mit mir selber, damit ich mir selber gegenüber meine Grenzen einhalte.

    Das zweite große Thema ist, dass ich lerne, mir zu erlauben, mein Leben nach meinen Vorstellungen zu gestalten, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Ich hatte gestern einen schönen Tag mit einer Freundin und als ich später wieder daheim war, hatte ich ein schlechtes Gewissen und gleichzeitig die Angst, dass ich einen Anschiss von meinen Eltern bekomme. Typisches Muster von früher: Ich kam nach Hause, war gut gelaunt, zu Hause herrschte miese Stimmung und ich wurde wegen irgendwas (nee, nicht irgendwas, es ging ganz klar um den Alkohol) angeraunzt. Nach dem Motto "Wenn es uns (Eltern) nicht gut geht, darf es Dir auch nicht gut gehen, also treiben wir Dir Deine gute Laune aus."

    Jetzt als Erwachsene zu begreifen, wie meine Eltern in großen Teilen keine Verantwortung für sich übernommen und sich in ihrer Opferrolle eingerichtet haben, ist hart. Zudem erkenne ich mich rückblickend in so vielen Verhaltensweisen wieder- ich habe so gehandelt, weil ich es nicht anders kennengelernt habe. Ich habe mich jahrelang wie ein Alkoholiker verhalten (und war dabei nüchtern), weil ich das als normales Verhalten erwachsener Menschen gehalten habe. Und ich bin co- abhängig. Ganz blöde Kombination. Kein Wunder, dass ich in der Welt da draußen permanent angeeckt bin und mich immer als die Dumme gefühlt habe, die nie irgendwo dazu gehört und immer das Gefühl hatte, dass die anderen etwas wissen, was ich nicht weiß. Und keiner sagt es mir.

    Ich wünschte, meine Mutter hätte sich damals getrennt. So sollte kein Kind aufwachsen müssen. Ich finde das so bitter.

    Was ich noch schreiben wollte: Es tut nicht nur gut, den ganzen Mist hier mal rauszulassen. Sondern auch zu wissen, dass es hier Menschen gibt, die Dinge, für die ich keine Formulierung finde, so treffend auf den Punkt bringen.

  • Liebe Anthurie,


    danke. Ja, geht so. Es ist ein etwas eigenartiger Zustand. Ich glaube, ich musste nach dem Tod erst einmal den Kontakt abbrechen, um mich selbst zu finden und mich mit seiner Sucht auseinandersetzen zu können. Mittlerweile kommt immer wieder Trauer und ich bin bereit, ihn auch wieder in mein Leben zu lassen.

    Oh Mann, Deine Geschichte könnte meine sein. Ich finde mich in ganze vielen Dingen, die Du schreibst, wieder.


    Bis zu meinem Auszug war ich sicher auch co-abhängig, hab geschaut, dass mein Vater nicht für die Arbeit verpennt und hab gleichzeitig die Tränen meiner Mutter getrocknet, wenn es mal wieder Kummer gab. Ich habe das große Mysterium um die Geschichte meiner Familie erst lösen können, als ich den Mut hatte, mich dem Offensichtlichen zu nähern. Dass sich damit nahezu alle Verhaltensweisen (oh ja, der Opferkult - ist mir auch nur zu sehr bekannt) erklären lassen, hätte ich allerdings niemals gedacht.


    Mittlerweile fühle ich mich - auch durch das Schreiben hier - sehr befreit. Aber Du liest Dich so, als wärst Du auf einem ähnlichen Weg.


    Liebe Grüße

    Seb

  • Ihr Lieben, ich muss euch hier antworten, denn vl sind eure Geschichten, dieses Puzzlestück, dass mir fehlen um endlich mutig sein und ausbrechen zu können! Ich bin Anfang 30, Mama.von zwei Kindern und mein Mann trinkt.. Ich lese hier schon einige Zeit, tausche mich aus, aber der Schritt mich endlich zu lösen, den schaffe ich nicht. Mich quält die Angst, den Kinder alles zu nehmen, Haus, Papa.etc. und.einfach falsche Entscheidungen zu treffen, weil es "mir " nicht gut geht, weil ich nict stark genug bin etc.. Ich war bislang der Meinung, dass meine Kinder noch zu klein sind, um zu merken, wie es mir geht und was da bei uns los. Aber wenn ich eure Geschichten lese, muss ich nun meine Tränen wegwischen. Der Gedanke, dass Ich mal schuld bin an soviel Leid, das meine Kinder mit sich rumtragen müssen, der hat mir gerade sehr zu denken gegeben. Und das obwohl ich ja auch nichts dafür kann im Grunde- jetzt bekomme ich noch viel mehr Wut auf meinen Mann, dass er uns in so eine Situation bringt!

    Hättet ihr euch wirklich gewünscht, dass sich eure Mütter früher getrennt hätten, auch wenn ihr dadurch vl alles verloren hättet? Schulwechsel, das Zuhause, eine vollständige Familie.. ?

    Ich muss noch dazusagen, dass ich für meine Kinder 100% funktioniere- ich unternehme alles mit ihnen, sie haben meine 100%ige Liebe und Fürsorge und ich versuche, all meine Sorgen vor Ihnen zu verstecken. Mein Mann liefert keine Eakapaden, geht zur Arbeit, ist aber jeden Abend angetrunken (er hat seinen Pegel), aber ob sie es merken nicht doch merken,weiß ich natürlich nicht.

    Ich weiß aber, dass ich so nicht leben will und dass ich es schaffe muss etwas zu ändern! Das ich ihn nicht ändern kann, wird mir jeden Tag dank dieses Forums mehr bewusst. Es tut weh und es zerreißt mich..

    Ich wünsche euch, dass ihr endlich ein glückliches Leben führen könnt!Es tut mir alles so leid, was diese Substanz mit uns allen anstellt...

  • Ich wünschte, meine Mutter hätte sich damals getrennt. So sollte kein Kind aufwachsen müssen. Ich finde das so bitter.

    Anthurie

    Auch ich erkenne mich in ein paar Dingen aus deiner Geschichte wieder. Und auch ich hätte mir im Nachhinein gewünscht, dass meine Mutti sich schon eher trennt. Obwohl ich meinen Papa sehr lieb hatte, aber er war leider nur körperlich anwesend, weil er fast täglich mehr als weniger betrunken war.

    Nur dass es bei mir Zuhause so war, dass ich als Kind schon nach der Schule dachte, wie Mama wieder drauf sein wird und dass ich, weil ich es nicht wusste, aber mir das für mich schlimmste dachte, erst garnicht nach Hause wollte. Daher könnte dein Satz von mir sein! Es war meistens eine unangenehme Atmosphäre Zuhause und selbst mein Papa wollte nicht nach Hause zu seiner Frau und das hat schon was zu heißen. Ich bin immer erst zu meinem Papa nach der Schule und habe ihn tatsächlich gefragt, ob er weiß, wie Mama drauf ist.. aber ich musste ja nach Hause, wo auch sonst hin als Schulkind.. das trieb mich schon früh von Zuhause weg zu meiner damals besten Grundschulfreundin und dann schließlich auch in den Alkohol..

    Ich kann die Zerrissenheit förmlich spüren, das ist so schrecklich, dieses Gefühl und natürlich auch Hilflosigkeit usw., das möchte man keinem zumuten.

    Vielleicht hilft ja meine Kurzfassung ein bisschen, das würde mich freuen 😊

  • Seb25 :

    Das stelle ich mir so schwer vor, einen Weg zu finden, mit der Erkrankung auch im Nachhinein umzugehen. Für mich klingt das so (bitte korrigiere mich, falls ich falsch liegen sollte), dass Du einen versöhnlichen Weg gehen möchtest. Die Trauer ist so oder so da und will bearbeitet werden. Ich stelle es mir nur so schwer vor einen Weg zu finden, wenn die Chance, etwas zu klären, nicht mehr da ist.

    Danke für Deine Einschätzung, dass ich auf dem Weg bin. Das tut gut zu lesen.

    Ich habe Deine Antwort in dem anderen Strang gelesen; hätte von mir sein können. Es kommt mir alles so bekannt vor.

    releaseme :

    Das klingt so hart, was Du schreibst und das ist es auch. Bitte versuche den Gedanken beiseite zu legen, dass Du im Fall einer Trennung den Kindern die Familie nimmst. Dein Mann macht das schon, weil er trinkt. Ich glaube, dass ist ein Dilemma, das viele (Ehe)Partner haben- dass sie den Kindern etwas wegnehmen. Nur ist mit einem abhängigen Vater kein normales Familienleben möglich. Es fühlt sich vielleicht so an, weil man es gewohnt ist, aber normal ist es nicht. Und gesund gleich gar nicht.

    Ich verstehe auch, dass Du versuchst, alles Mögliche für Deine Kinder zu tun,um Ihnen das Leben leichter zu machen.

    Nur: Kinder spüren die Anspannung beider Elternteile. Ich habe das von klein auf gespürt. Die Gereiztheit, das "Wir tun so, als ob alles in Ordnung wäre";die subtilen Verhaltensänderungen, wenn mein Vater anfing zu trinken (so subtil, dass ich heute noch kaum Worte finde, das zu beschreiben) und diese Spannung, wenn mein Vater sich immer wieder ohne Vorwarnung aus Aktivitäten rausgenommen hat, eine zeitlang verschwunden war und dann mit verändertem (weil betrunken) Verhalten wieder auftauchte. Sorry, war ein langer Satz. Meine Eltern haben sich beide nicht authentisch verhalten (können) und das hat mich so nachhaltig verstört.

    Die Stimmungsschwankungen. Usw...Ich habe mich nie sicher gefühlt. Ich wusste, dass mein alkoholisierter Vater mir keine Sicherheit geben konnte, weil ich nie wusste, woran ich war. Kinder sind drauf angewiesen, dass ihnen Erwachsene jederzeit Sicherheit geben und sie spüren das sofort, wenn dem nicht der Fall ist. Das kann der andere Elternteil nicht ausgleichen. Gleichzeitig schaffen es viele Kinder (denke ich), so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre. Erstens, weil sie es ja so lernen und zweitens als Strategie, um es sich mit den Erwachsenen nicht zu verscherzen- sie sind ja von den Erwachsenen abhängig und würden alles tun, um nicht aus der Sippe geworfen zu werden. Weil sie dann ja allein wären und das bedeutet Gefahr.

    koda :

    Ich habe als Kind das "betrunkene" Verhalten meines Vaters als erwachsenes Verhalten abgespeichert. Die Großspurigkeit, das Übertriebene beim Reden, das plötzliche Verschwinden aus zwischenmenschlichen Beziehungen (und den daraus abgeleiteten Anspruch, wieder die Beziehungen aufnehmen zu können, wenn mir es passt), die Empathielosigkeit anderen gegenüber, keine Verantwortung übernehmen und Flucht in Phantasiewelten.

    Ich dachte bis vor Kurzem, dass es Kompensationsverhalten meinerseits war, aber das passte irgendwie nicht so richtig. Bis mir auffiel, dass ich das Verhalten imitiert habe. Das passte dann.

    Später bekam ich Angst- und Esstörungen und depressive Episoden. Da fing dann auch das überangepasste Verhalten zusätzlich mit an; das war dann meine Co-Abhängigkeit.

    Matrix :

    Das hast Du treffend beschrieben. Immer diese Angst nach Hause zu gehen. Auch die Zerrissenheit kenne ich. Kinder lieben ihre Eltern, auch wenn sich Eltern nicht gut kümmern.

    Im Grunde genommen wollte ich nicht, dass sich meine Eltern trennen. Welches Kind will das schon. Ich wollte gleichzeitig doch, dass sich meine Eltern trennen, damit Ruhe ist. Damit ich in Ruhe schlafen kann, nicht nebenbei am Abend die Streitereien anhören muss, nicht Verantwortung für meine Eltern übernehmen muss, ich in Ruhe lernen kann usw. usf.

    Ich wusste, dass es durchaus entspannt sein konnte- wenn mein Vater auf Dienstreise war. Da war meine Mutter entspannt(er) und das hat sich aufs Kind übertragen.

  • Hättet ihr euch wirklich gewünscht, dass sich eure Mütter früher getrennt hätten, auch wenn ihr dadurch vl alles verloren hättet? Schulwechsel, das Zuhause, eine vollständige Familie.. ?

    Ich bin selbst erwachsenes Kind eines alkoholkranken, aggressiven Vaters, der bis zu seinem Tod eine Abhängigkeit geleugnet hat.

    Rückblickend hätte ich mir gewünscht meine Mutter hätte den Absprung von ihm geschafft. Sie hatte aber ähnliche Bedenken wie du releaseme Angst es finanziell nicht zu schaffen, Angst vor seiner Unberechenbarkeit, den Kindern den Vater nehmen, usw.

    Ich habe bis heute mit den Nachwirkungen wie ich aufgewachsen bin zu kämpfen. Das hat mich sehr geprägt und ich konnte mich nie so entwickeln wie ich es getan hätte, wenn es die Möglichkeit gegeben hätte die Haustür zu schließen und ich dem ganzen nicht mehr ausgeliefert gewesen wäre.

    Wenn er nicht bereit ist sich Hilfe zu suchen, trag die Verantwortung für deine Kinder und zieh einen Schlussstrich, ich habe als Kind sehr gelitten unter der Situation zuhause und tue es auch heute noch!

  • Ich war bislang der Meinung, dass meine Kinder noch zu klein sind, um zu merken, wie es mir geht und was da bei uns los.

    Ich kann mich sehr gut an meine Kindergartenzeit erinnern. Und da wusste ich schon genau Bescheid.

    Kinder haben ganz feine Antennen. Meine Mutter fand das damals ganz toll, dass ich ihr immer sagen konnte, wenn er getrunken hatte. Damit war dann nämlich seine besch... Art entschuldigt.

  • Anthurie

    Danke für deinen Post, er rührt mich wieder mal zu Tränen.. Wenn ich ehrlich zu mir bin und mir das endlich mal traue niederzuschreiben was ich denke, muss ich dir in vielen Dingen recht geben. Und eigentlich will ich nur stark sein für meine Kinder, aber vl hassen sie mich später mal für diese "Stärke" .. das alles macht mich irre..

    Mein Mann gibt meinen Kindern keine Sicherheit..Und besonders mein Großer ist eigentlich sehr sensibel und zeigt besonders mit seinem Verhalten (sehr hyperaktiv an den Tagen an denen wir alle gemeinsam zu Hause sind), dass etwas nicht passt. Während der Woche, wenn wir alleine sind tagsüber, läuft alles viel entspannter. Nur sich das einzugestehen ist schwer. Ich gebe wirklich alles für meine Kinder, eigentlich bin ich alleinerziehend verheiratet- mich hat letztens sogar jemand drauf angesprochen, dass ich alles alleine mit den Kindern machen. Fußballturniere, Spielplatz, spazieren, Wochenendaktivitäten, einfach alles.. Mann muss sich ja ausruhen von der anstrengenden Woche und verbringt die Zeit lieber mit Handy.. Ich arbeite aber auch selbstständig, 30h, und erledige meine Dinge oft bis in die Nacht hinein, damit ich tagsüber über meine Kinder da sein kann.

    Es tut mir einfach so verdammt leid für meine Kinder, dass ich Ihnen nicht geben kann, was ich mir so für sie gewünscht hätte, eine Familie. Vor 3 Jahren war die Welt bei uns nämlich noch eine ganz andere.. Da war der liebe Alkohol noch nicht in unserem Leben.

  • releaseme :

    Nur kurz im Moment von mir: Wenn du jetzt eh schon allein erziehend bist, kannst Du Dich auch räumlich trennen. Dir und Deinen Kindern geht es besser, wenn Ihr allein seid- das hast Du gut erkannt und beschrieben. Was sollte sich daran ändern, solltest Du ausziehen?

    Ja, es tut weh, sich einzugestehen, dass man seinen Kindern nicht das geben kann, was man sich für sie vorgestellt hat. Du kannst Dir aber jederzeit etwas Neues vorstellen (und umsetzen), was Du Deinen Kindern geben kannst.

    Was Deine Kinder in jedem Fall lernen und fürs Leben mitnehmen (falls Du Dich trennen solltest)ist das Wissen, dass man aus Situationen, die einem nicht gut tun, rausgehen darf.

  • So, jetzt sind knapp drei Monate vergangen, in denen ich keine Angst mehr habe. Das ist fast noch irreal- drei Monate im Vergleich zu viereinhalb Jahrzehnten.

    Ich hab von völliger Erschöpfung über überbordende Euphorie bis hin zu Nüchternheit (haha) eine emotional sehr schlauchende Phase hinter mir, die in den letzten Tagen mit Phasen der Trauer (vielleicht vorläufig) endete. Jetzt fühle ich mich stabil und geerdet- zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben.

    Ich weiß, dass sich die Botenstoffe in meinem Hirn noch umstellen, aber ich denke, dass es ca ein viertel Jahr dauert, bis das Gröbste durch ist. Also jetzt.

    Durch den Wegfall der Stresshormone kann ich klarer denken und ich hab angefangen wirklich zu verstehen, welche enormen Auswirkungen die Alkoholkrankheit meines Vater auf mich hat. Das ist so irre.

    Am meisten bin ich fassungslos darüber, was so lange als "normal" in meiner Welt galt und wie tief die Prägung ist.

    Was mich freut, ist, dass ich schnell ungesunde Verhaltensweisen bei mir und meinen Mitmenschen erkenne und ich mich gut abgrenzen (auch mir selber gegenüber, wenn die alten Muster anklopfen)kann. Dieses Wissen, dass ich das "darf" ist so befreiend.

    Mein Verantwortungsgefühl (im Sinne von "Ich muss andere retten")anderen gegenüber hat sich gelegt und langsam kann ich da auch loslassen.

    Ich werde sehen, wie es sich entwickelt und ich werde gut aufpassen, dass ich nicht in meine alten Muster zurück falle. Die klopfen öfter mal an, wenn ich getriggert werde, aber seit ich mich dazu entschieden habe, die Muster als freundliche Hinweisgeber zu behandeln, sind sie: freundliche Hinweisgeber, denen ich gut zuhöre.

    Das Befreiendste der letzten Monate war für mich die Erkenntnis (also nicht vom Kopf her, der wusste das schon ewig, aber der Bauch brauchte Zeit), dass ich mich nicht den Verhaltensweisen anderer Menschen ausliefern muss. Denn das Gefühl des Ausgeliefertseins hab ich seit Kindheit an, kombiniert mit dem Gefühl, das aushalten zu müssen und nichts ändern zu können bzw zu dürfen. Ich nenne diesen Zustand mein "persönliches Grauen", in den ich mich auch jahrelang aufgrund meiner Prägung selber hinein begeben habe (da grüßt die Co- Abhängigkeit).

    Es ist so wichtig, das schreibe ich als EKA, dass Kinder in einem gesunden Umfeld groß und lebenstüchtig werden- das Leben bringt immer schwere Zeiten mit sich, da wäre es gut, wenn Kinder wenigstens das Rüstzeug schon von klein auf mitbekommen würden.

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