Hallo,
meine derzeitige Freundin hat ein Bruder der stark trinkt und auch multitox abhängig ist. Ihre Mutter kümmert sich sehr viel um den Jungen (er ist 27). Er wird auf jedem Schritt überwacht und sobald er das Haus verlässt ohne seiner Familie Bescheid zu geben, geraten alle in Panik. Vor 8 Monaten hatte die Mutter den Plan, dass er auf eine Schule im europäischen Ausland gehen soll. Ob er damals wollte, weiß ich nicht. Long Story short, er hat es natürlich nicht geschafft alleine dort klar zu kommen. Die Mutter ist hinterher und hat ihn dann versorgt und angetrieben. Da sie irgendwann nicht mehr konnte, musste dann auch der Vater hinterher und dann auch meine Freundin. Sie hat dann 3 Wochen ihres Jahresurlaub damit verbracht, bei ihrer Familie zu verbringen. Wenn sie dann zu Hause war, musste sie die gesamte Bürokratie für ihre Eltern und den Bruder erledigen.
Generell wird meine Freundin viel eingespannt. Meiner Meinung nach viel zu sehr. Ihrer Meinung nach tut sie nur das nötigste. Mal wird per Handy und andauerndem Anrufen eine Verfolgungsjagd mit den Eltern organisiert, dort muss sie Krankenhäuser abklappern, dann muss sie mal bei dem Bruder abends und nachts bleiben, damit dieser ja nicht raus geht und sich nicht einsam fühlt. Es findet sich so gut wie jeden Tag ein Grund, warum sie was für ihre Familie in irgendeiner Art und Weise tun soll.
Wenn die Mutter sehr gestresst wird, schreit die Mutter meine Freundin, wird laut, irrational. Ich selber sollte und durfte nie der Mutter Widerworte geben, weil diese dann ja ein schlechtes Bild von mir bekommen würde.
Nun sind ca 7 Monate seit dem letzten Versuch der Schule vergangen. Der Junge hat sich nicht geändert. Er geht mindestens einmal die Woche saufen, Drogentrips etc. Er wird aber immer und immer wieder nach Hause reingelassen. Die Begründungen sind immer die selben "Er muss ja schlafen. Sein armer Kreislauf. Er muss sich ja jetzt ausruhen, damit er morgen lernen kann."
Zudem soll er schon sehr bald auf den nächsten Trip samt seiner Mutter gehen. Wieder eine Schule, diesmal aber in einem Partyort in Südeuropa. Ich habe meiner Freundin schon vor Wochen gesagt, dass das absoluter Wahnsinn ist. Was erwartet man denn von dem Jungen. Was erwartet sie davon. Sie selber sieht aber nur die Möglichkeit den Ideen der Mutter zu folgen. Sieht nur eine Ausnahmesituation nach der anderen, die sie jetzt irgendwie bewältigen muss. Besonders um ihrer Eltern willens.
Meine Freundin und ich sind beide Akademiker, arbeiten Vollzeit in geistig extrem fordernden Gebieten (soll nicht als Angeberei rüberkommen, aber ich brauche viel Kraft für meine Arbeit). Ich wohne alleine. Sie wohnt noch mit ihrer Mutter. Auch hier gibt es keinen konkreten Plan, wann und wie sie mal ausziehen soll/will.
Nun war vor 4 Tagen für mich die Reißleine erreicht. Ich habe meiner Freundin gesagt, dass ich diesen Weg nicht weiter gehen werde. Ich habe ihr gesagt, dass ich keinen weiteren nächltichen Anruf ihrer Mutter über mich ergehen lassen kann (wir haben schon in den Wochend davor die Abend immer weniger beieinander verbracht, weil der Bruder fast täglich die Familie gebunden hat). Ich habe ihr gesagt, dass ich mir nicht ihr Leid anschauen kann. Dass ich keine Zukunft in dem jetzigen Verhältnis zwischen ihr und ihrer Familie sehe. Ich habe jetzt 7 Monate gewartet und die Familie hat sich einmal im Kreis um den Bruder gedreht. Passiert ist nichts.
ich habe ihr vor 7 Monaten bereits angeboten, zusammen zu einer Beratungsstelle zu gehen für Angehörige. Damit meine Freundin mal eine andere Meinung und Perspektive als diese der Mutter bekommt. Wollte sie nicht. Als ich das vor 4 Tagen im Gespräch angesprochen hatte, war sie überrascht, dass es so lange her war. In diesen letzten Monaten wurde ich auch bereits zweimal aktiv mit eingezogen durch die Mutter, dass ich in der Nähe des Bruder bin, während der geistig und emotional in keinem Zustand war. Und auch wenn meine Freundin immer versucht hat, dass es nicht so weit kommt, ist es nun trotzdem geschehen.
Ich habe dann um 2 Wochen Beziehungspause gebeten, weil ich gemerkt habe, dass es für mich sowohl körperlich (schlechter Schlaf, dauernd müde, Kieferverspannungen) als auch emotional eine Grenze erreicht ist.
Ich habe ihr besonders meine Bedenken unserer gemeinsamer Zukunft geschildert. Dass ihre derzeitige Situation kein Raum für eine gemeinsame Wohnung, geschweige denn eine eigene Familie zulässt. Ich habe ihr den zwei Vorschläge gemacht, was sie jetzt ändern könnte.
1. Sie führt nach Kommunikation mit den Eltern und dem Bruder einmal die Woche einen "familienfreien Tag" ein. Keine Anrufe, keine Hilfestellungen. Nur das, was sie möchte. Das muss nicht mal was mit mir sein. Diese Tage werden immer mehr, bis es auf einem normalen Level ist.
2. Sie nimmt sich professionelle Hilfe.
Für beides hatte sie gesagt, fehle ihr jetzt heute die Kraft. Der Bruder müsste ja bald eine Prüfung bestehen. Und außerdem würde es sie gerade viel Kraft kosten, wenn ich so was von ihr verlange, anstelle bei ihre zu sein und sie zu stützten. Zudem hat sie zu Bedenken gegeben, dass sie duch das Zusammenwohnen mit der Mutter, da Probleme hat, sich abzugrenzen. Sie braucht einen Partner und darin hätte sich mich gesehen, wo die guten Zeiten der Beziehung, die schlechten Seiten ihrer Familie auffangen und man dann gestärkt raus geht.
Ich habe ihr gesagt, dass es Vorschläge für ihre Gesundheit und Glück sein. Nicht für mich.
Nun haben wir 2 Wochen Pause. Jetzt meine Frage an euch.
Ihre Familie ist kaputt. Das ist mir bewusst. Ob sie das Ausmaß richtig realisiert, weiß ich nicht. Ich bin mir aber vor allem unsicher, weil ich nicht weiß, ob ich zwei Wochen noch ein Szenario sehen, wo ich sage, "Ja wir bleiben zusammen und wir gehen diesen Weg." Gestern Nacht konnte ich nicht schlafen und habe viel geweint. Ich habe die Telefonseelsorge zur Beruhigung angerufen. Der nette Herr hatte noch die gute Beobachtung, dass ihr Wunsch nach einem starken Partner, an dem und mit dem sie sich aufrichten kann, ja garnicht gegeben ist, weil ich ja jetzt schon "einknicke". Auch ist mein Lebensentwurf nicht, dass ich die nächsten 5 Jahre oder so damit beschäftigt bin, mit meiner Freundin von Therapie zu Therapie zu gehen. Mit allen Rückschritten, Stress etc. Anderseits liebe ich sie. Unserer Beziehung hat viele schöne Seiten. Es besteht viel Zuneigung. Wir können offen kommunizieren.
Zu mir noch kurz. Ich habe ein starkes Support Netzwerk in der Familie und Freunde, mit denen ich die letzten Wochen viele telefoniert habe und mir Rat geholt habe oder wo ich auch mal weinen kann. Alle sehen die Beziehung extrem kritisch und ihre Familie als eine absolute Katastrophe. Ich gehe auch bald zu einem Psychotherapeuten.