Co- Abhängiger Partner zeigt keine Einsicht

  • Guten Morgen,

    ich habe hier immer wieder von Angehörigen gelesen, dass der Alkoholiker keine Krankheitseinsicht zeigt. Das ist ja eigentlich auch der Regefall. Nun ist die Situation bei mir aber genau umgekehrt. Was, wenn der co-abhängige Partner nicht einsieht oder zugibt, dass er auch ein Problem hat?

    Ich versuche schon seit längerer Zeit, meinem Partner klarzumachen, dass er coabhängig ist und auch Hilfe braucht, um wieder ein eigenes zufriedenes Leben führen zu können. Er ist garnicht mehr in der Lage, sich etwas Gutes zu tun, mal abzuschalten, seine Stimmungslage ist meist von mir abhängig. So drehte sich ja etliche Jahre alles nur um mich und meine Krankheit. Da blieb garkein Platz mehr für seine Bedürfnisse.

    Er findet es toll, dass ich hier im Forum bin und mich mit meiner Krankheit auseinandersetze; allerdings ist er der Meinung, dass es ausreicht, wenn ich an mir arbeite; denn seiner Meinung nach ist er nur wegen mir und meinem Alkoholismus so geworden ( was ja auch teilweise stimmt) und würde automatisch wieder normal werden, wenn ich ihn nicht mehr " zwingen" würde, sich Co- Abhängig zu verhalten.

    Ich denke aber nicht, dass es ausreicht und mein Partner automatisch mit " geheilt" wird, wenn nur ich an mir arbeite. Wie seht ihr das? Muss der Co-abhängige so wie der Alkoholiker selbst einsehen, dass er krank ist? Ich wünsche mir, dass es ihm wieder besser geht.

    LG
    Carmen

  • Hallo Carmen,

    ja ich denke schon, dass der Co Abhängie auch einsehen muss dass er krank ist, denn dadurch, dass du nüchtern wirst änderst du dich und das nicht zu knapp.
    "Automatisch" (habe ich die Erfahrung gemacht) passiert so gut wie nix im Leben, ausser, dass man irgendwann eben stirbt, es ist Arbeit, beim einen mehr und bewusst, beim Andern gehts evtl. leichter von der Hand.

    Meiner Meinung nach eignet sich auch ein Co-Abhängiger über die Jahre hinweg Verhaltensmuster an die er nicht so einfach wieder ablegen kann.

    Ich versuche grade meine Frau dazu zu bringen eben auch mal "sich was bewusst Gutes" zu tun, nichtmal als "Co-Abhänige" sondern ich sage mal als "Lebensbewältigungs"-Strategie. Wenn da auch nur was in die Richtung: "sprich doch mal mit nem Therapeuten" kommt blockiert sie völlig.
    Andererseits gib es ja auch niedrigschwelligere Angebote wie z.B. die 116-123 (Telefonseelsorge).

    Ich habe in der Therapie gelernt, dass es ein 3eck in der Beziehung mit Alkoholikern gibt:
    -Alkohol
    -Alkoholiker
    -Partner

    und dieses 3Eck verändert sich wenn der Alkohol seine Rolle Ändert, der Alkoholiker seine Rolle ändert, um da einen stabilen Zustand zu erreichen kann es sehr sinnvoll sein dass auch der Partner seine Rolle ändert damit da ein gleichgewicht herrscht.
    (Sehr technisch das bin ich eben auch manchmal)

    Grüße

    Barthell

    Train to survive

    survive to train

  • Hallo Carmen,
    ich glaube, so wie es einen Alkoholiker schwer zu bewegen ist dass er die Einsicht zeigt, muss es mindestens genau so schwer sein einen Co dazu zu bringen.
    Sprich, wenn er selber nicht darauf kommt dass er ein Co ist und dieser Zustand in dem er sich befindet, selber nicht ändern will, kannst du sehr wenig machen.
    Besonderes jetzt, wo du dich wirklich um dein Leben, deine Trockenheit kümmerst, scheint mir dass du dir zuviele Baustellen öffnest.

    Oder, bist du an dem Punkt wo du euere Beziehung allgemein durchleuchtest? Was wäre wenn du allein wärest? Oder brauchst /brauchtest du ihn genau aus dem Co Gründen?

    Es sind nur Paar Überlegungen...

    LG ideja

  • Hallo Carmen,

    der Coabhängige braucht genauso seinen Tiefpunkt wie der Alkoholiker um etwas ändern zu können.
    Es sind teilweise Jahrzehnte eingespielte Muster, die ich ablegen mußte. Ein sehr langer Weg, der bei mir z. Bsp. mit einer Tasse Cappuccino in einem Cafè begann. Es sollten 30 min. Zeit für mich werden, die ich gar nicht ausgehalten habe, immer der Gedanke, wenn ich nicht zuhause bin trinkt er.
    Hat er auch gemacht, aber auch wenn ich zuhause war.
    Mittlerweile ist er trocken und das war nochmal ein Bruch in seinem, aber aber auch in meinem Leben.
    Ich mußte wieder umdenken, denn es gar nicht so leicht für eine(n) CO wenn der Partner trocken wird. Plötzlich will da jemand mitreden, er trifft auf einmal seine Entscheidungen selbst. Da kommen ganz viele Dinge zusammen, die beide wieder neu lernen müssen.
    Ein Riesenthema für mich ist immer noch, lernen zu vertrauen. Es ist keineswegs ein Thema für einen alleine, beide sind gefragt und sollten sich einlassen wollen.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Carmen,

    Coabhängigkeit ist genau auch eine Art Sucht wie eine stoffliche Abhängigkeit. Es spielt sich halt nur auf emotionaler Ebene ab.

    Als Coabhängige brauchte ich bestimmte Gefühle und Situationen, um mein nicht vorhandenes Selbstwertgefühl aufzuwerten. Um mich wert zu fühlen, wichtig und gebraucht. ICH hatte die Fäden in der Hand, die Kontrolle, ICH hatte die Macht. Ich konnte keine Verantwortung für mich selbst übernehmen und habe das auf meinen abhängigen Exmann übertragen. Und - ich hatte keine Grenzen. Konnte nicht "Nein" sagen. Angst, auch Angst war so ein Punkt. Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Anderen weh zu tun, ihm weh zu tun, Unrecht zuzufügen. Angst, für mein Verhalten Verantwortung zu übernehmen. Die Konsequenzen tragen zu müssen. Angst, ohne Partner zu sein. Angst, dass ich alleine nicht zurecht kommen könnte. Finanzielle Ängste, er war der Hauptverdiener zum Beispiel. Bei mir war es ja so, dass ich in einer Ehe nach alten Vorstellungen lebte, Mann=Brötchenverdiener, Frau=Kinder, Küche, Kirche (wobei die bei uns weg fiel).

    Dein Partner steckt also genau so in bestimmten Verhaltensmustern, wie ein Alkoholkranker das tut. Nur da ist das Problem, den Stoff kann ich weg lassen aber was ist mit dem nun trocken Werdenden... dem Menschen.

    Damit eine gute Verbindung entstehen kann, eine Verbindung auf Augenhöhe, ist es ratsam, dass auch dein Partner was für sich macht. Den Fokus von dir weg nimmt und auf sich selbst legt. Seine eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund rückt. Und so weiter...

    Ich habe als Co auch eine Therapie gemacht! Und weiß, wie schwer das ist, diese Prägungen und Muster abzulegen. Dante, mein Mann und selbst trockener Alkoholiker, hat da manchmal was mit mir "zu tun". Denn er möchte und muss sich und seine Trockenheit vor mir "schützen", wenn ich mal wieder in alte Muster rutsche. Dabei ist bei uns der Vorteil, dass ich ihn nur trocken kenne. Ich kann mir vorstellen, dass es in einer Verbindung, die schon zu Saufzeiten bestand, um vieles schwieriger ist. wenn der Alki plötzlich wieder selbst bestimmen kann und will, wie sein Leben so läuft. Wenn er wieder teilnimmt am Leben, Entscheidungen treffen kann und so.

    Dann ist der Co nämlich "arbeitslos". Da wird regelrecht die Lebensgrundlage entzogen, die Lebensberechtigung.

    "Immer war ich gut genug für den ganzen Mist und nun willst DU mir was sagen?", so denke ich als Co...
    "Ich hab all die Jahre alles für dich gemacht, mein eigenes Leben geopfert und nun? Bin ich denn gar nichts mehr wert?"
    "Es war so toll, immer hatte ich die Fäden in der Hand und nun willst du mit entscheiden? Vorher hast du auch nicht danach gefragt!"
    So in etwa.

    Dazu kommen dann noch Ängste, die Kontrollsucht. Das kann schon Ausmaße annehmen. Als mein Ex gesoffen hat, habe ich seine Schränke, Klamotten etc kontrolliert. Aber auch als er nüchtern wurde, war ich in Alarmbereitschaft. Einmal war er zu einem verabredeten Termin nicht pünktlich, da ist sonst was in mir ab gegangen. Und ich habe schon bewusst geschnüffelt, ob er eine Fahne hat.

    Diese Angewohnheiten, eintrainierte Muster, habe ich zum Teil noch heute. Wenn Dante mit eine Brauseflasche in der Hand in's Wohnzimmer kommt, habe ich erst mal ganz oft einen Trigger. Habe das alte Bild vor Augen. Ich kann das aber gut einordnen und er auch. Aber als Co muss man sich solche Sachen bewusst machen! Dass es eben was Altes ist. Es wird auch im Laufe der Jahre immer weniger, ich bin ja seit 13 Jahren nicht mehr mit dem Ex zusammen. Inzwischen hat er sich ja auch tot gesoffen...

    Viele Beziehungen brechen daran, dass der Alkoholiker mit dem Co nicht mehr klar kommen kann, weil der Co nichts verändert! Und es kann sogar so weit gehen, dass der Co sich wünscht, der Alkoholiker möge wieder saufen, damit endlich wieder alles so klappt wie früher... Und es ist bestimmt oft passiert, dass tatsächlich jemand wieder angefangen hat zu saufen deshalb...

    Aber wie vorher schon beschrieben wurde, auch der Coabhängige muss Einsicht haben, sonst kannst du nix machen. Außer dich zu trennen... als letzte Konsequenz. Dann wird der Co sich ein neues "Opfer" suchen. Einen Bedürftigen, den er umsorgen, hegen und pflegen kann, der ihm Selbstwert und Lebensberechtigung gibt, der ihn sich mächtig fühlen lässt.

    Puh, lang geworden...

    Lieber Gruß
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Vielen Dank für Eure Einschätzungen und Erfahrungen. Dadurch konnte ich meine wirren Gedanken wieder etwas sortieren.

    Hallo Barthell,

    durch Druck erreicht man garnichts, das stimmt. Wissen wir als Alkoholiker ja am besten.
    Das mit dem Dreieck ist interessant, muss ich mal googeln.
    Klingt jetzt etwas banal, aber vielleicht schenke ich meinem Partner demnächst einfach mal einen Gutschein, mit dem er mal nur etwas Gutes für sich tun kann.

    Hallo Ideja,

    du hast recht mit den Baustellen. Ich möchte schon wieder zuviel auf einmal lösen und überfordere mich damit. Durch meine Nüchternheit sehe ich jetzt natürlich auch wieder den ganzen Schaden, den ich angerichtet habe und es tut mir so leid, dass mein Partner in all den Jahren mit mir krank geworden ist. Die Schuldgefühle wird man einfach nicht von heute auf morgen los.

    Deine Überlegungen finde ich sehr gut.


    Oder, bist du an dem Punkt wo du euere Beziehung allgemein durchleuchtest?

    Das mache ich schon seit vielen Jahren. Tief im Inneren denke ich, dass wir beide uns eher schaden, obwohl jeder für den anderen das Beste will. Eine Trennung ist eigentlich schon längst überfällig, wurde aber durch die gegenseitige Abhängigkeit nie endgültig vollzogen.


    Was wäre wenn du allein wärest? Oder brauchst /brauchtest du ihn genau aus dem Co Gründen?

    Diese Fragen habe ich mir auch schon oft gestellt und bin zu keiner Antwort gekommen. Ich hab mich immer wieder gefragt, ob ich durch meinen coabhängigen Partner noch tiefer in die Sucht gerutscht bin oder ob er meinen totalen Untergang verhindert hat. Das werde ich wahrscheinlich nie erfahren. Bitte nicht falsch verstehen. Ich suche keinen Schuldigen.
    Ich brauche / brauchte ihn natürlich als Co. Ich bin auch stark verunsichert, weil mein Partner, sobald ich das Thema Trennung anspreche, immer sagt, dass ich ohne ihn untergehe. Da ich mir selbst nicht mehr vertraue, glaube ich das mittlerweile selbst.
    Zudem muss ich wieder lernen, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Er hat mir ja alles abgenommen.
    Aber ich werde mich jetzt erst mal weiter um meine Trockenheit kümmern, denn ich merke beim Schreiben, dass mich dieses Thema hier zu stark belastet. Ich muss nach und nach alles angehen.

    Hallo Morgenrot,

    alles, was du beschreibst, erlebe ich gerade.
    Mein Partner kann noch nicht einmal eine halbe Stunde entspannt in der Sonne liegen. Er flüchtet sich in die Arbeit und beschäftigt sich mit mit meinen und den Problemen anderer Menschen, möchte jedem helfen.
    Das Dir das mit dem Vertrauen immer noch schwerfällt, ist ja total verständlich. Man wurde ja sooft belogen, hintergangen und enttäuscht. Selbst wenn die Wunden verheilt sind, bleiben da Narben.

    Hallo Aurora,

    dein ausführlicher Text hat mich sprachlos gemacht, sodass ich da garnicht mehr viel dazu schreiben kann. Die Übereinstimmungen sind erschreckend. Alles, was du schreibst, spielt sich seit Jahren eins zu eins so bei uns ab.

    Nur ein Beispiel: Wenn ich Apfelsaftschorle trinke und mein Partner ins Zimmer kommt und das Glas sieht, wird er kreidebleich im Gesicht und denkt, dass ich Wein trinke, weil der ja eine ähnliche Farbe hat.Er verfällt dann für einen kurzen Moment in Schockstarre. Das ist einfach furchtbar für beide Seiten.


    Immer war ich gut genug für den ganzen Mist und nun willst DU mir was sagen?", so denke ich als Co...
    "Ich hab all die Jahre alles für dich gemacht, mein eigenes Leben geopfert und nun? Bin ich denn gar nichts mehr wert?"

    All diese Aussagen denkt mein Partner nicht nur, er hat sie so wie oben geschrieben wortwörtlich schon mehrmals ausgesprochen. Und das macht mir natürlich ein wahnsinnig schlechtes Gewissen. Aber ich muss lernen, damit umzugehen.
    Schuldgefühle bringen mich nicht weiter.
    Wir sind beide abhängig und müssen unser ganzes Leben umkrempeln. Viel Arbeit liegt vor uns, aber jetzt muss ich erst mal alles sacken lassen .

    PS: Ich wusste garnicht, dass Dante Dein Mann ist. Schön, dass ihr Euch gefunden habt. :)

    LG
    Carmen

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