Beiträge von Iphigenie

    Nur so ein Gedanke: vielleicht kannst Du es auch als Kompliment sehen, dass Dein Sohn Deine Stärke und Deine Grenzen austestet. Vielleicht warst Du ja in den Jahren des Alkoholkonsums gar nicht für ihn greifbar und er musste Dich ständig beschützen vor seinen Ansprüchen, hat Dich vielleicht eher mißtrauisch von der Seite beobachtet.

    Für mich weiß ich , dass ich bestimmte Schmerzerfahrungen in der Jugend hatte, die mit dem Alkohol verknüpft sind. Mir bleibt heute nur die Möglichkeit meinem teilweise daraus gespeisten Denken etwas Anderes entgegen zu setzen. Die Freiheit nehme ich mir jetzt. Da ist Protest gut, aber eben kein Boykott. Weiß nicht, ob das jetzt Sinn macht, bezogen auf Deine Situation.

    Ich bin jetzt seit den letzten 3 Wochen mehr "gesellschaftlich" unterwegs. Bei mir auch eine Mischung aus beruflich und privat. Habe schon gemerkt, dass mich das im Nachhinein sehr angestrengt hat, sobald ich in Situationen kam, die dann Trinkfahrt aufnehmen können. Also das versuche ich wirklich zu dosieren und vorher zu überlegen, was für mich an dem Treffen das Wichtige ist und darauf achte, dass ich jederzeit unabhängig und mobil bin. Mit den wirklich engen Freunden treffe ich mich Abends momentan gar nicht, sondern eher zum Spazierengehen etc.. Was Du da von Deinem Bekannten erzählst, der offensichtlich ein Alkoholproblem hat, das stelle ich mir emotional aufreibend vor. Sprecht Ihr miteinander über den Alkohol und wie es Dir und ihm damit geht?

    Hallo Unvergoren,

    freut mich sehr, von Dir zu hören.

    Hilft es Dir vielleicht eine Reise zu planen? Wünsche Dir viel Kraft und denke, es ist eine Riesen-Herausforderung innerhalb einer Beziehung Umwälzungen wie die Abstinenz durchzuziehen.

    Herzliche Grüße

    Iphigenie

    P. S.: Bist Du eigentlich im geschützten Bereich angemeldet?

    Guten Morgen Hartmut,

    den Empfang habe ich aus beruflichen Gründen besucht. Es ging um den Inhalt der Veranstaltung und bestimmte Menschen, die ich dort treffen konnte. Da habe ich mich innerlich ziemlich intensiv darauf vorbereitet, eben wegen dieses Getränkesponsorings.

    Wenn es kein Problem war, warum betonst du es dann? Provokativ nachgefragt

    Ich betone es, weil ich keinerlei Rechtfertigungsdruck oder Suchtdruck dabei verspürt habe. Absurderweise wurde das teure Getränk, welches dort gereicht wurde vom Veranstalter werbetechnisch mit dem Inhalt der Veranstaltung verknüpft, ohne das diese Verbindung faktisch gegeben war (kann ich jetzt hier nicht erklären)...Der weitere Verlauf des Nachmittags, gefühlt erster Frühlingssamstag in einer Großstadt, führte eben von einem Cafe zum nächsten. Da wurde innerhalb meines Kreises nicht oder nur vereinzelt etwas getrunken, aber die ganze Stadt war gefühlt alkoholisiert. Ich war auch aus Gründen der Unabhängigkeit mit Rad und Bahn unterwegs und es war die für diese Stadt typische Oktoberstimmung. Das hat hier extreme Auswüchse.

    . Ich kann nur raten, Dich in den nächsten Wochen und Monaten von alkoholischen Treffen fern zu halten, bis Du festen Boden unter Deinen Füßen hast und gefestigter bist. Nach knapp 2 Monaten ist das defintiv nicht der Fall.

    Auf den Empfängen, die ein wichtiger Teil meines Berufs sind, ist Alkohol eine habituelle Begleiterscheinung. Ab und zu bin ich selbst inhaltlich beteiligt. Defintiv kann ich diese Gelegenheiten auf ein Minimum reduzieren, indem ich, wenn nicht inhaltlich beteiligt, auf eine Art Vorveranstaltung gehe, wenn es sie gibt.

    Kommenden Sonntag ist wieder ein solcher Empfang, da bin ich inhaltlich indirekt beteiligt, da sich hier für mich Aufträge ergeben können.

    Für mich ist es so gelagert, dass ich einfach eine extrem genaue Auswahl treffe, was diese Veranstaltungen betrifft, den beruflichen Nutzen und die vermutete Präsenz von Alkohol genau abschätze. Eine andere Veranstaltung jetzt am Samstag besuche ich nicht, obwohl sie für mich beruflich sehr interessant sein könnte, da hier der Alkohol sehr im Vordergrund steht.

    Mir ist erst der Ausstieg aus der Flasche gelungen, als ich bereit war, meiner Abstinenz und somit meiner Gesundheit und damit meinem Leben absolute Priorität einzuräumen und ihr alles andere als eindeutig minder bedeutsam unterzuordnen.

    Es stimmt, die Erfarungen der letzten Woche, in der ich mich mehrfach dem Dunstkreis des Alkohols ausgesetzt habe, hatten vermutlich einerseits die Erschöpfung am nächsten Tag und andererseits ganz klar das Suchtdruck-Erlebnis zur Folge.

    Ich habe jetzt keine Antwort dafür, da ich beruflich weiterkommen möchte, sonst müsste ich mich hier komplett umorientieren.

    Gruß, Iphigenie

    Hallo in die Runde,

    Tag 62

    ich lese hier viel und die Erfahrungsberichte und Aussagen der Teilnehmer helfen mir ungemein.

    Der Satz von Whitewolf hat mich gerade gut aufgefangen:

    "Es gibt keinen Fahrstuhl der zur Trockenheit fährt, wir müssen die Stufen nehmen... und nicht springen sonst gehts wieder abwärts. Runter gehts nunmal schneller als rauf. Naturgesetz."

    Denn ich merke gerade, wie viele Gesichter meine Beziehung zum Alkohol hat.

    Puhh! In den vergangenen Tagen war ich jetzt mehrfach mit Situationen konfrontiert, in denen ich früher immer Alkohol getrunken habe. Ein Empfang am Nachmittag mit anschließendem Besuch einer Lokalität. Am Abend davor, ein Kurs, hier wurde alkoholfreies Craft-Bier gereicht. Habe einfach "Nein Danke" gesagt. Dann gab es Nachfragen und ich habe gesagt: ich trinke gar nicht mehr. Das wurde sehr sensibel und positiv aufgenommen. Ohne großen deep talk. Einfach nett.

    Dann gestern Abend zum ersten Mal vermutlich das, was ich hier öfter als "Suchtdruck" bezeichnet fand. Nicht einfach der Gedanke, der öfter mal in der Abstinenzzeit kommt: "normalerweise" hätten mein Mann und ich jetzt etwas getrunken. Sondern, es schlich sich so von hinten an und schoß mir dann in den Kopf. Ein eklig anmutender Gruß aus dem Unterbewusstsein. Während ich das Essen für meine Katzen vorbereitete, kam diese Unruhe-Erinnerung auf: "schnell noch die Katzen", dann...Ich hatte dann meinen Katzen gegenüber ein schlechtes Gewissen, dass ich ihnen offensichtlich nie wirklich Zeit für ihr wichtiges Ritual geschenkt habe, sondern einfach: "Abfertigung". Ich muss feststellen, dass je mehr ich mich in der freien Wildbahn bewege (den Empfang hatte ich innerlich zwei Wochen vorbereitet, da wollte ich aus inhaltlichen Gründen hin, absurderweise war der von einem Getränkehersteller gesponsert), offenbart sich der Alkohol bzw. meine Beziehung zum Alkohol in vielen Gesichtern.

    In den Zeiten, wo ich auf Empfängen noch getrunken habe, mir dann meißtens zu Hause zum Abschluss dann die Kante gegeben habe, war ich immer sehr kommunkativ, so wie ein Fisch...Das war jetzt ohne Alkohol ganz ähnlich. Fühlte mich aber sehr in mir ruhend auch nicht überdreht. Nur am Tag danach war ich total erledigt. Konnte mir überhaupt nicht erklären,was an diesem Empfangsnachmittag so anstrengend gewesen sein sollte. Ganz im Gegenteil, war alles ganz locker. Ein Schein-Kater?

    Defintiv haben mir die letzten Tag deutlich vor Augen geführt, dass ich eine weite, sehr weite Strecke vor mir habe. Obwohl es für mich kein Problem war den gereichten Alkohol abzulehnen (mehrfach auf dem Empfang) und ich ihn überhaupt nicht vermisst habe, im Gegenteil, bleibt er in mir präsent.

    Schönen Tag Euch

    Iphigenie

    P. S.: eine ziemlich große Sammlung an Weinkorken, die ich am WE gefunden habe, geht heute ab zum Wertstoffhof. Früher fand ich das auch noch löblich von mir, die Korken an einer Stelle abzugeben, wo sie dann zu Dämmmaterial verwertet werden. Jetzt bin ich einfach erleichtert, wenn sie weiter sind.

    Hallo Schmidtty,

    ich persönlich würde mich nicht gerne meinen Kollegen gegenüber outen, um zu rechtfertigen, dass ich in der Vergangenheit ausgefallen bin. So hört sich das für mich an, wenn Du sagst:


    Allerdings habe ich mich vor allem bei meinen Arbeitskollegen gefragt, ob sie es nicht unausgesprochen wussten, was mit mir nicht stimmt, wenn ich jeden Morgen wie eine wandelnde Leiche ins Büro komme und dann 4 Monate krank bin. Naja, es ist wie es ist.


    Eher so: jetzt in meiner Abstinenz weiß ich, daß ich Wege finden kann, um in Zukunft verlässlich mir selbst und den Anderen gegenüber zu sein. Das heißt, dass ich, wenn ich instabil bin, mir klar mache, dass ich es nur gut schaffen kann, wenn ich einen Schritt zurück trete, um mich nicht von Druck und Stress überborden zu lassen.

    Und Du sagst ja selbst, dass Du diese Wege gehst.

    achte darauf, dass die Arbeitstage nicht ausufern und versuche, mich mehr abzugrenzen und mir mehr Freiräume zu schaffen


    Herzliche Grüße

    Iphigenie

    Das führt teilweise auch zu skurrilen Situationen, in denen ich mich plötzlich mit jemandem über den neuen Weinkühlschrank unterhalte, den er sich geleistet hat….

    Hallo Schmidtty,

    was war für Dich an der Unterhaltung skurril? Hast Du dein Gegenüber für seine tolle Anschaffung bestätigt? Wenn Du ein Fachmann für Kühlgeräte wärest, dann okay. Aber ein Fachmann für Wein?

    Ich würde das Gespräch dann einfach auf ein Thema lenken, dass mich interessiert. Man kann ja sagen, Wein interessiert mich nicht, ich interessiere mich für Grillgeräte etc. und muss demjenigen nicht sagen, warum mich Wein nicht interessiert.

    Oder fandest Du skurill, dass er/sie Dich überhaupt damit belämmert hat, ohne zu wissen, dass ein Weinkühlschrank für Dich vollkommen uninteressant/tabu ist? Vielleicht erwartest Du unbewusst, dass Andere oder diese spezielle Person auf Dich Rücksicht nehmen/nimmt? Oder warst Du betrübt über die Oberflächlichkeit des Gesprächs mit dieser Person?

    Herzliche Grüße

    Iphigenie

    Hallo Nayouk,

    hier ein paar meiner Gedanken zu Deinen Gedanken.

    um die Zusammenhänge zu verstehen , die zur Katastrophe geführt haben

    Hierbei geht es nicht um Entschuldigungen oder Rechtfertigungen.

    Wenn ich den Vergleich des Flugzeugabsturzes mit dem Absturz in die Alkoholsucht richtig verstehe, ist dann der Alkoholiker Fluggesellschaft/Täter, Verantwortlicher und Passagier/Opfer, Geschädigter zugleich? Muss es nicht in erster Linie darum gehen, Verantwortung für die Schäden, die durch den Alkoholmißbrauch bei mir selbst und bei Anderen entstanden sind zu übernehmen? Bei mir persönlich kann sich durch das "Prozessieren" der Umstände und Einflussfaktoren, die zu dem Absturz geführt haben ein differenzierteres Bild ergeben, es ändert nichts daran, dass es eben so ist und ich damit leben muss.

    Und gerade was das Alkoholproblem betrifft, muss ich ja mit dieser Unsicherheit, mit dem Risiko rückfällig zu werden leben lernen. Wie Du ja selbst sagst:

    Dieses Risiko muss mir bewusst sein und es muss klar sein, dass , egal welche Umstände dazu geführt haben, ich für mein eigenes Tun verantwortlich war und bin.

    Bei einem Flugzeugabsturz ist es in der Aufarbeitung genauso wesentlich möglichst ein unabhängiges Bild der technischen und menschlichen Faktoren zu schaffen, wie die eigentliche oder eben stellvertretende Verantwortung für den Unfall gegenüber den Geschädigten zu übernehmen. Die Fluggesellschaft, als diejenige Instanz, die dem Kunden den sicheren Transport von A nach B versprochen hat, sollte die Verantwortung gegenüber ihren Kunden übernehmen, auch wenn sie eventuell keine ursächliche Schuld trägt, zumal z. B. in Unkenntnis eines mangelhaft verbauten, technischen Bauteils oder des Versagens des Piloten aus Gründen.

    Die Bereitschaft zu einer möglichst weitreichenden Aufklärung ist erfahrungsgemäß nur möglich, wenn eine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmenn gegeben ist.

    Vielleicht komme ich ja auch mit der Zeit zu der Erkenntnis, dass da nix war und ich mir den ganzen Aufwand sparen kann.

    Mir geht es da ganz ähnlich und ich fahre mehrgleisig. Seit Beginn meiner Abstinenz (Woche 7) habe ich täglich wiederkehrend "Nebel im Kopf" gehabt mit starker Unsicherheit, Angst etc. Ich bin dabei, das als körperliches Symptom abzuklären (Neurologe), dagegen mit Aufmerksamkeitsübungen und mit Bewegung anzugehen und es gleichzeitig, einfach anzunehmen, hier zu lesen und mich auszutauschen. Ist das jetzt eine Angsstörung, wo mir doch eigentlich seit Jahren Depressionen diagnostiziert werden, ist es ein erweitertes Kater-Phänomen? Letztlich ist für mich in der Bearbeitung wichtig: hilft mir die Diagnose und Therapie, eventuell auch Medikamte weiter, kann ich sie annehmen, was kann ich für mich da heraus nehmen.

    Die Erfahrung der Abstinenz hat mir auf der anderen Seite trotz und wegen der Sensibilisierung und erhöhten Aufmerksamkeit ("Autopilot" fällt weg, wie Alex_aufdemweg das so treffend formuliert) ein großes Geschenk gemacht: nämlich, dass ich eine Idee von Selbstwirksamkeit empfinde.

    Beste Grüße Iphigenie

    >> Woher wissen wir eigentlich das diese Menschen Alkoholiker sind?

    das schnelle Aburteilen um nicht bei sich Selbst schauen zu müssen wie es eigentlich mit der Trinkerei aussieht.

    Diese Einschätzungen, Bewertungen, Verurteilungen, die ich im Kopf habe, wenn ich Menschen beobachte, sagen eben viel mehr über mich aus, wie über den Beobachteten. Meisst ist es die Angst vor eignenem Versagen, wenn ich ein Urteil über eine vermeintliche Schwäche an jemandem fälle. Ich würde es sogar als eine Selbstabwertung bezeichnen.Das kann auch übertriebenes Mitleid sein. Darüberhinaus eben der "Volkssport", den Du erwähnst, des ständigen gegenseitig und sich selbst Beurteilens, schnell finden sich Menschen, die bereit die eigenen Vorurteile über jemanden zu teilen. Finde es gut, dass Happy52 seine Beobachtung, dass es ihm schlecht ging, als er einem vermeintlichen Alkoholiker im Supermarkt entdeckte, mitgeteilt hat. Es sind ja genau diese Momente, die einem den Spiegel vorhalten. Und irgendwie hat Deine Botschaft dann auch wieder sehr viel mit meinem Erleben der Alkoholsucht zu tun. Der starke Alkoholkonsum hat bei mir meist zur Abwertung von Anderen geführt, beim Kater ist es dann natürlich in die Selbstabwertung umgekippt.

    Deine Gedanken haben mir heute früh einen schönen Start in den Tag beschert. Denn für mich persönlich ist die Auseinandersetzung mit meiner Abstinenz und meiner Alkoholsucht definitv eine Chance, das Beurteilen sein zu lassen, in dem Bestreben, es nicht mehr "nötig" zu haben. Es ist so erleichternd.

    Gruß Iphigenie

    Ich könnte mir aber vorstellen, dass es am Ende heißt, du lockst Leute von der Party Weg. Ist so eine Sache. Vieles wird gern persönlich genommen.

    Du hast recht. Ist ja nicht mein Fest. Das findet in meinem Geburtshaus statt, da habe ich schon immer so Anwandlungen gehabt, meine Präsenz zu markieren. Ich hänge da leider noch sehr in der Vergangenheit fest. Eine Fahrradtour bleibt eine gute Möglichkeit, einen Vorsatz zu haben, das Fest zeitig wieder zu verlassen.