Wie ich mich kennen lernte...

  • Und die Frage die freitags angesichts zweier freier Tage alle bewegte:

    WAS MACHE ICH AM WOCHENENDE?


    Für mich war schnell klar, was ich NICHT machen wollte: Im Aufenthaltsraum sitzen, Kreuzworträtsel lösen, Kaffee trinken, Fernsehen, lesen, die Zeit totschlagen mit belanglosen Gesprächen, in die Stadt gehen…

    Ich nutzte das, was da war: Den Wald. Stundenlang streifte ich umher, entdeckte neue Wege, lernte wieder, mich zu orientieren und bekam einen Blick für die schönen Dinge am Wegesrand.

    Sicher war ich hier wieder alleine, aber ich hatte ja nachher etwas zu erzählen und zudem das Gefühl, dass mir dieses “zurück zur Natur” einfach gut tat. Auch in der Woche nutzte ich jede freie Stunde, die Umgebung zu erkunden. Ich sah wieder Rehe, Ameisenhaufen, hörte die Vögel singen und das Rauschen der Bäume im Wind (oder umgekehrt?). Und ich fühlte die Sonne, die in diesem Sommer unablässig vom Himmel schien. Ich SAH und ich HÖRTE wieder. Und ich begann wieder zu FÜHLEN: Fast unbemerkt tat ich dabei einiges für meine körperliche Fitness (das sollte sich später auszahlen).

    Ich hatte dabei jede Menge Muße zum Nachdenken. Wie geht es weiter, wenn ich wieder zu Hause bin? Der Termin bei meinem Suchtberater stand bereits fest, dass ich eine Therapie achten wollte, war klar. Aber was macht “man” bei einer Therapie? Wie ist das? Sicher, reden. Aber worüber? Über das warum? Na, ich war hat allein, bin ausgenutzt worden… Gedanken halt. Aber mehr in die Zukunft schauend, als zurück. Meine Vergangenheit konnte ich nicht ändern, aber jetzt wollte ich etwas tun.

    Ich hielt also die Augen und Ohren offen, nicht nur im Wald. So kam es, dass ich bei einem Arztbesuch auf unserer Station den Tipp bekam: “Mit dem da musst Du einen Termin machen, das ist Dr. König, der Psychologe.” Ich sprach ihn an und bekam prompt einen Termin zwei Tage später (und im Anschluss an unser Gespräch einen neuen. Das ging so bis zum Antritt meiner LZT).

    Ansonsten hielt ich mich an die Regeln, die in der Klinik galten.

    Durch die ständigen Entlassungen und Neuaufnahmen fühlte ich mich bald als “alter Hase”. Rückfallpatienten blieben ja nur drei Tage und zwei habe ich gehen und wiederkommen sehen.

    Die ganzen Eindrücke, die ich dort bekam waren so intensiv, dass ich mich an viele Ereignisse heute noch im Detail erinnern kann. Weil ich hier aber keine Gebrauchsanweisung für die Entgiftung schreiben kann und will, belasse ich es dabei. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen sammeln, ob in der Entgiftung, der Therapie oder im Leben und seine Lehren daraus ziehen. Im Rückblick bin ich allerdings froh, mich bedingungslos an die Anweisungen des Personals und die Regeln der Klinik gehalten zu haben. Das gab mir Sicherheit und das war richtig!
    Aus den Gesprächen über rekordverdächtige Promillewerte und anderes “Entgiftungslatein” hielt ich mich raus. Aber mir wurde klar, dass ich nicht “nur” Bier getrunken hatte: Ich gehörte dazu, war Alkoholiker wie alle hier.

    Abends saßen wir im Aufenthaltsraum zusammen, erzählten über Vergangenes und das was kommen wird und werden soll, rauchten und guckten im Fernsehen die Fußballspiele der WM.

    Hin und wieder stellten sich auch Selbsthilfegruppen vor. Auch dabei bot sich ein breites Spektrum an Ansätzen. Eine Gruppe, an die ich mich erinnere vermittelte den Eindruck, Glück in Dosen unters Volk zu bringen. Doch die Mehrzahl konnte mir doch vermitteln, wie wichtig eine SHG für mich ist und sein wird (wenngleich mir die Tragweite dieser Erkenntnis noch nicht bewusst war), Und auch bei den Gruppengesprächen auf der Station wurde mir nach Jahren in der selbst gewählten Isolation klar:

    ICH MUSS REDEN!

    unterwegs...

  • ICH MUSS REDEN!

    Und das machte ich: Mit dem Psychologen, den Sozialarbeitern, dem Arzt- wann immer ich die Gelegenheit hatte nutzte ich sie spontan bzw. machte Termine. Die meisten Gespräche führte ich natürlich mit meinen Mitpatienten, an der Basis sozusagen.

    Durch meine ausgiebigen Waldspaziergänge und auch durch den angebotenen Sport merkte ich, dass ich kräfte- und konditionsmäßig zulegte.

    Mein Essverhalten hatte sich nicht sehr verändert. Ich hatte während der Sauferei immer darauf geachtet, mich vernünftig zu ernähren. Die gemeinsamen Mahlzeiten und mein mehr an Bewegung förderten natürlich meinen Appetit, aber da ich ja täglich unterwegs war, wurde das kompensiert.

    Die Fußball - WM lief weiter, das Kommen und Gehen auf der Station hielt ebenfalls an und aus der Zeit meiner Aufnahme waren nur noch wenige da. Medikamentenabhängige, wo der Entzug wesentlich länger dauert als bei uns Alkis, “Rückkehrer” und…

    …ja, und kurz nach mir war eine Patientin gekommen, in die ich mich verliebte. Sie war hier nur “geparkt”, weil sie auf einen Therapieplatz in der Klinik wartete. Wir hatten eine schöne Zeit miteinander, die nach zwei Monaten abrupt endete. Mit der bitteren Erkenntnis für mich, dass sie mich ziemlich ausgenutzt hatte. Sie entpuppte sich als mehrfachabhängig und hatte mich unbemerkt einmal sogar für ihre Zwecke benutzt. Ich war, was Suchterkrankungen betraf ja noch unerfahren und im Umgang mit Suchtkranken (mich eingeschlossen) ziemlich naiv. Hätte ich auf meinen Berater gehört, wäre es gar nicht soweit gekommen. Soviel zu dieser Geschichte, die ich nur erwähne, um meine Gefühlslage während der nächsten Zeit anzudeuten. Heute weiß ich dass ich keinesfalls verliebt war, sondern ihr Auftreten so eine Art Beschützerinstinkt in mir geweckt hat. Dazu kam natürlich, dass die gemeinsam durchlebte Situation in der Entgiftung diese “Affäre” begünstigt hatte.

    Es gab auf der Station Patienten, die nur zu bestimmten Tagen in der Woche erschienen. Ich erkundigte mich bei der Schwester, was es damit auf sich hatte. Die sagte mir, dass es die Möglichkeit gebe, den Tagesbesuch zu beantragen. Das machten viele, die z.B. alleine lebten und sonst nicht wüssten, wohin. Sie konnten die Angebote der Station nutzen, außer den Sport (wg. Versicherungsproblemen) und wären hier sozusagen auf bestimmte Zeit im geschützten Raum. Unter diesen Leuten hatte ich einige ausgemacht, die schon lange “dabei” waren. Das waren natürlich interessante Gesprächspartner für mich. Hier hoffte ich mehr zu erfahren über das Thema Therapie. Diese Leute wirkten auf mich besonnen und in ihrer Trockenheit erfahren. Umso mehr erschreckte es mich, als ausgerechnet aus dieser Gruppe ein Patient rückfällig wurde, ein anderer seinen Status aufgab, weil er keinen Aufpasser für seinen Hund gefunden hatte. Die ersten Erfahrungen mit der Tücke meiner Krankheit. Weil ich ja nicht wusste, wie es in den nächsten Wochen weitergehen sollte (werde ich weiter krank geschrieben?) ließ ich mir also einen Antrag für diesen Tagesstatus geben und füllte ihn aus. Die Tage wählte ich mit Bedacht: Montag und Freitag, weil ich hoffte, das ich dadurch irgendwie im Rhythmus bleibe und außerdem, weil an diesen Tagen die große Gruppe stattfand. So konnte ich Gruppenerfahrung sammeln und meine Gruppenfähigkeit beweisen. Mein Suchtberater hatte mich darauf hingewiesen, dass dieser Nachweis für meinen Therapieantrag von Vorteil wäre.

    Der Tag meiner Entlassung rückte näher und ich führte die Abschlussgespräche mit Arzt, Sozialarbeiter und Psychologen mit dem ich gleich als Tagespatient den nächsten Termin vereinbarte. Die Schwester wies mich darauf hin, dass ich jederzeit kommen könnte, wenn “etwas wäre”- “Am besten, BEVOR sie trinken!” …Krisenintervention nannte sie das.

    Mein Koffer war gepackt, ich verabschiedete mich von meinen Mitpatienten und dem Personal. Nicht ohne zu vergessen, mich für deren freundliche Aufnahme und Hilfe zu bedanken- es war eine gute Zeit dort.

    Ich war zufrieden, fühlte mich sicher und stark.

    An jenem Freitagmorgen, als ich in mein Auto stieg und nach Hause fuhr, hatte ich ein Ziel: Ich wollte in die Firma, wo ein Abteilungsleiter seinen Ausstand gab. Ich wusste, dort gab es Bier, Wein, Sekt und natürlich auch Antialkoholisches.

    Ich wollte zeigen, dass ich wieder da war und dass es mir nichts ausmachte, bei Wasser und Saft zu feiern. (Über die Gefahren denen ich mich dabei aussetzte war ich mir überhaupt nicht bewusst). Gleichzeitig konnte ich natürlich ein wenig die Stimmung testen, die Reaktion der Kollegen auf meine (vorläufige) Rückkehr. Heute weiß ich, dass es ein RIESENFEHLER war, dort aufzutauchen. Hätte mir das damals jemand gesagt, ich wäre wahrscheinlich trotzdem hingegangen. Ich wurde ausnahmslos freudig und freundlich empfangen, trank mein “Wässerchen” und unterhielt mich angeregt mit den anderen- ich hatte ja was zu erzählen (und brauchte mich nicht mehr zu verstecken).

    Am Nachmittag kehrte ich in meine Wohnung zurück. Ich war stolz, dass ich diese “Bewährungsprobe” so gut überstanden hatte (und könnte mich heute noch dafür wohin treten).

    Für die Zeit “danach” hatte ich Wasser und Saft bereits besorgt- verdursten würde ich nicht und zu Essen hatte ich auch. Ich hatte eingekauft und dazu noch einen Vorrat an Tiefkühlkost und Konserven. Jeglichen Alkohol hatte ich vor meiner Abreise ja aus der Wohnung geschafft und so machte ich mich also beschwingt ans Werk, packte meinen Koffer aus, lüftete die “Bude” und bekam langsam Hunger- ich war ja noch “vom Frühstück”.

    Ich öffnete den Vorratsschrank und bekam einen Riesenschreck:

    ZWISCHEN DEN KONSERVENDOSEN LAG EINE FLASCHE ROTWEIN!!!

    unterwegs...

  • hi kommal

    ich weiß scho warum ich so daily-soaps u.ä. net anschau - is mir viel zu aufregend immer auf den nexten teil zu warten :wink:

    aber bei dir weiß ich auf jeden fall das sich das warten lohnt :lol:

    liebe grüße

  • Moin moin kommal,

    ich wollte Dir und kommaline bloß mal einen Gruß da lassen :D !!!

    Und ein schönes Wochenende wünsch ich Euch natürlich auch!!


    Liebe Grüße
    Claudia

  • Hallo Kommal,

    ich wollte einfach mal DANKE sagen, dass Du uns an Deiner "Geschichte" teilhaben lässt!

    Dir und Deiner Kommaline ein wunderschönes Wochenende!

    Lieben Gruß
    Speedy

  • Jau Speedy

    Vor allem für die Forum Mitglieder die nie DORT waren ist das mehr als nur interessant. Ich frage mich immer wie ich dort klar gekommen wäre.

    Ich wäre glaube ich auch der Typ der sich ersteinmal 2 Tage in der Bude eingeschlossen hätte ....

    Am Anfang. :(

  • Guten Morgen Kommal,

    ich verfolge deine Geschichte und sie deckt sich mit meinen noch frischen Erinnerungen an meine Entgiftung im August 2007.
    Heute empfinde ich meine Entgiftung als Grundstein für die heutige und künftige Trockenheit.
    Danke das du uns an deinen Erfahrungen teil haben lässt!!!

    Bis bald, Andreas

    "Und mein Weg ist immer noch nicht zu Ende, und wird es auch nie sein, denn die Alkohol-Krankheit tragen wir in uns, zwar schlafend solange wir abstinent leben, und abgespeichert in unserem Suchtgedächtnis." (Rose)

  • ...nach endlosen Tagen ohne Internet(aus technischen Problemen)spurtet Birgit ins Forum und stürzt kopfüber in die "Lebensgeschichten" auf der Suche nach der Fortsetzung.....doch die ist wohl noch in Arbeit....seufz

    Think positiv!!!

  • Ich öffnete den Vorratsschrank und bekam einen Riesenschreck:

    ZWISCHEN DEN KONSERVENDOSEN LAG EINE FLASCHE ROTWEIN!!!


    Ich weiß nicht mehr, welche Gefühle ich hatte, aber ich war total überrascht: Ich hatte doch ALLES entsorgt bevor ich gefahren bin! Wut- über mich. “Wie konnte ich das übersehen, da wollte ich bestimmt mit Kochen, das ist doch jetzt egal…”

    Ich handelte jedenfalls wie ferngesteuert. Wasserhahn auf, die Flasche geöffnet, ins Becken gekippt und ausgespült- nur nichts riechen (dabei kam ich ja gerade von dieser Feier!).

    Danach war ich zufrieden, sehr zufrieden- mit mir. Irgendwie so, als hätte ich eine wichtige Prüfung bestanden (wahrscheinlich war auch eine Menge Angst dabei).

    Ich machte mich daran, einen Wochenplan zu erstellen. Was hatte ich? Termine: Bei der Krankenkasse, bei der Beratungsstelle, beim Hausarzt, in der Klinik.

    Im Einzelnen sah mein Wochenablauf wie folgt aus:

    Montag: Klinik- Entgiftungsstation mit Gruppe

    Dienstag: Zweiwöchentlich Beratungsstelle- Antrag Therapie und damit verbunden Sozialbericht.

    Freitag: Hausarzt, Klinik

    Dazu kamen dreiwöchentlich Gespräche mit dem Klinikpsychologen und regelmäßige Besuche bei meiner Krankenkasse, wenn mal wieder etwas “nicht lief”.

    Die “freie” Zeit nutzte ich für Besuche bei allen, die ich nur noch vom Telefon kannte, ausgiebige Fahrradtouren (während der Übertragungen von der WM waren die Straßen ziemlich leer) und nicht zuletzt, um meine Wohnung aufzuräumen und von Grund auf zu reinigen. Ich bin wahrlich kein Putzteufel, aber die dadurch hervorgerufenen Verbesserungen blieben mir nicht verborgen- Erfolgserlebnisse.

    Außerdem musste ich ja für den Therapieantrag meinen Lebenslauf schreiben. Es sollte nicht der letzte sein…

    Ich war also ganz gut beschäftigt und genoss das Gefühl, wieder am Leben teilzunehmen. Nicht vom Telefon und PC aus, nein, richtig. Ich fühlte mich wieder dazugehörig. Auch die Kontakte zum Arbeitgeber und zu den Kollegen ließ ich nicht abreißen. Die Gespräche über die letzten Jahre, meine Situation, meine Zukunft… Reden tat gut und bestärkte mich in meinen Plänen. Es musste mehr passieren. Ich wollte diese Arbeit nicht mehr machen und mir wurde klar, dass ich auch meine Wohnsituation ändern musste.

    Die Frage: “Was trinke ich denn jetzt” hatte ich für mich so gelöst, dass ich mich mit Säften eindeckte. Ich tat jedoch unbewusst das Richtige und war zu meinen Trinkzeiten unterwegs. Weil alle Leute, die ich besuchte “Bescheid” wussten und sich entsprechend verhielten, bewegte ich mich quasi im geschützten Raum.

    Ein Ereignis ist mir aus dieser Zeit im Gedächtnis. Ich lud gerade Wasser und Saft in meinen Wagen, als mir auffiel, welche enormen Mengen an alkoholischen Getränken die Leute aus dem Laden schleppten. WM- Zeit. Ich schlug “mit Schmackes” die Kofferraumklappe zu und sagte ziemlich laut: “Das habe ICH nicht mehr nötig”. Die seltsamen Blicke taten richtig gut.

    Und dann war ja da noch diese vermeintliche Liebe, an die ich mich klammerte und die mich immer mehr emotional belastete. Zum Glück wusste mein Suchtberater und der Klinikpsychologe (bei dem sie auch in Behandlung war) davon und ich konnte mich dort ausweinen. Nur die Konsequenzen zog ich nicht- gegen deren ausdrücklichen Rat.

    Bis ich zum bitteren Ende erkennen musste, dass ich es nicht nur mit einer rückfälligen Alkoholikerin zu tun hatte, sondern mit einer gespaltenen Persönlichkeit. Offenbar hervorgerufen durch ihre Medikamentensucht.

    Ich war ziemlich fertig, habe nächtelang geweint und doch: Ein paar Erkenntnis blieben mir aus dieser “Affäre”: Hör auf die, die dir helfen wollen. Nie mehr so eine Geschichte (im Hinblick auf die Therapie) und:


    KEIN MENSCH IST ES WERT; DASS ICH SEINETWEGEN WIEDER TRINKE!

    unterwegs...

  • KEIN MENSCH IST ES WERT; DASS ICH SEINETWEGEN WIEDER TRINKE!


    “Wie ist das denn- Fußball gucken ohne Bier zu trinken?” Mein Suchtberater fragte das in einem der ersten Gespräche. “Ich will Fußball gucken, nicht trinken” war meine spontane Antwort und so war´s auch. Die meiste Zeit war ich sowieso mit dem Fahrrad unterwegs. Fit werden für die Therapie, zumindest körperlich. Denn auf die Frage, was ich mir unter “Therapie” vorstellte, fiel mir nicht viel mehr ein als: “Reden”. Aber das machte ich ja nun auch schon intensiv auf der Beratungsstelle.

    Nicht nur da. Ich hatte meinem Arbeitgeber ja zugesagt, ihn über alle Schritte zu informieren und so machte ich´s dann auch. Erstaunlicherweise (heute erstaunt´s mich nicht, es war eine logische Folge) ergab sich in diesen Gesprächen eine ganz neue Perspektive: Warum an meinem alten Arbeitsplatz mit all seinen Stolperfallen festhalten? Wieso nicht neue Perspektiven entwickeln, die zudem das Problemfeld Wohnung entscheidend entschärften?

    Ich war also auf mehreren “Spielfeldern” aktiv, nicht zuletzt ja auch zweimal pro Woche auf der Entgiftungsstation. Hier bot sich mir nach wie vor das gesamte Spektrum unserer Krankheit: Der Fußballfan, der trocken werden wollte und im gleichen Atemzug sagte: “Kein Borusse geht nüchtern ins Stadion!” - Ein anderer, der “gar nicht ohne Alkohol leben will” und natürlich alle paar Wochen dort auftauchte. Der Beamte, der in Therapie wollte, um “mal zu gucken, was mit mir nicht stimmt…” oder die Lehrerin, die regelmäßig hier entgiftet und hofft: ”DER Rückfall hat mich richtig viel Geld gekostet- hoffentlich hab´ ich was draus gelernt…” Viele Drehtürpatienten, die sich alle gut kannten, hier zusammen saßen, redeten, stritten, Pläne machten und verwarfen, Hoffnungen und Hoffnungslosigkeit. Und natürlich immer wieder Neuzugänge. Die siebzehnjährige, der ein Mitpatient etwas erklären wollte und die ihn angiftete: “Ich bin nicht zum ersten Mal hier!!!” (doch nicht neu) und meine erste Begegnung mit Korsakow:

    Ich nenne ihn hier Karl. Karl verbrauchte beim Frühstück Unmengen Butter. Karl konnte essen, ohne ein Ende zu finden. Fünf Stücke Obsttorte mit Sahne, bis nichts mehr da war. Er wusste nicht, wie viel er aß, er vergaß es sofort. Sättigungsgefühl hatte er offenbar nicht und so mussten wir ihn bremsen. Fragte ich ihn, wie lange er hier war, bekam ich innerhalb kürzester Zeit die verschiedensten Antworten: “Oh, da muß ich mal überlegen… Also, vor zwei Monaten war ich…” - später und ganz spontan: “seit zwei Wochen!” - In Wahrheit war er sechs Wochen da und wartete auf einen Platz im betreuten Wohnen.

    Das angebotene Entspannungstraining nahm ich weiterhin wahr: Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Je mehr ich übte, umso besser klappte es. Ich gewöhnte mir an, meinen Tag damit zu beschließen. Vor dem Einschlafen eine viertel Stunde lang im Liegen, entsprechende Musik (es geht auch ohne) hatte ich mir besorgt, so mancher trübe Gedanke flog vorbei, kein Grübeln mehr. Ich fühlte, dass ich mich besser im Griff hatte. Ein schönes, ein beruhigendes Gefühl.

    Gegen Suchtdruck wurde dann versuchsweise Akupunktur angeboten. Ich hatte zwar keinen Druck, aber das Angebot nahm ich ebenfalls gern an. Fünf Nadeln in´s Ohr, danach eine Viertelstunde (möglichst alleine) liegend ruhen und an “nichts” denken (dabei halfen die Erfahrungen der anderen Entspannungstechnik)- es war jedes Mal eine Wohltat.

    Meine ausgiebigen Touren durch den Wald, die meinen Blick und mein Gehör schärften und nicht zuletzt zu einem neuen Hobby führten: Hier begann ich zu fotografieren. Ich hatte mir im Versandhandel (Rückfall) eine preiswerte Digitalkamera zugelegt, mit der ich fortan ständig unterwegs war. Treuer Weggefährte für ein Jahr.

    Meine neue Unternehmungslust dokumentierte sich auch in einer anderen, kleinen Begebenheit: Morgens las ich in der Zeitung von einem Blutspendetermin, mittags war ich da. (Ich wollte immer schon Blut spenden, auch um meine Blutgruppe zu wissen, hatte es aber aus “bestimmten” Gründen nie dahin geschafft). Und da saß ich dann mit dem Fragebogen und der Frage nach “Suchtmitteln”. Ich beantwortete alles wahrheitsgemäß und im anschließenden Arztgespräch erklärte ich nicht ohne Stolz, seit sechs Wochen “trocken” zu sein.

    Und auch, als das Auto mal nicht wollte fand ich eine akzeptable Lösung (die einzige!) Nachdem ich mir verschiedene “Notlügen” ausgedacht hatte, warum ich nicht kommen konnte, rief ich an, sagte die Wahrheit, versprach aber zu kommen und setzte mich auf´s Rad. Ich brauchte für die 15 km eine viertel Stunde länger als mit dem Wagen, war aber mächtig zufrieden, als ich da war und wurde auch entsprechend empfangen.- Erfolgserlebnis.

    Und nicht zuletzt die Gruppengespräche, die als Vorbereitung auf die Therapie so immens wichtig waren. Nicht mit dem ultimativen Tiefgang, schließlich war ich auf der Entgiftungsstation, wo häufig das IAS- Syndrom die Gedanken bestimmte und die Besetzung der Gruppe ja ständig wechselte- aber ich lernte zuzuhören, zu reden, anzunehmen.


    Ich war also ganz gut ausgelastet und hatte keine Langeweile- außerdem war ja noch WM.

    “Ich möchte ihren Antrag Richtung Daun schicken” sagte mein Berater in dieser Zeit. Er kenne die Klinik und die sei das Richtige für mich. Also habe ich mich im Internet schlau gemacht, mir die Klinikseite angesehen, die Hausordnung runtergeladen und überlegt, wie ich mein Auto für diese weite Reise fit bekomme. Denn mit dem Auto durfte ich dahin anreisen, das stand in der Beschreibung der Klinik. Sonst wäre es ja nicht gegangen. Meine Phobie, öffentliche Verkehrsmittel betreffend, hatte ich bis dahin gar nicht so recht beachtet. Aber das Problem stellte sich ja nun zum Glück nicht. Was natürlich nicht bedeutete, dass es nicht Thema in den Gesprächen war.

    Also in die Eifel, nach Daun. Und als zusätzliche Information:


    “DIE WARTEZEIT BETRÄGT SECHS BIS ACHT WOCHEN”

    unterwegs...

  • Servus kommal,

    :oops: ... ganz von Deinem Thema ab...aber ich wünsche Dir und kommaline superschöne Pfingsten :D:D !!!


    Liebe Grüße Dir

    Claudia, die nun urlaubt für eine Woche :wink:

  • Hallo kommal,

    hab heute hier deine Geschichte entdeckt, und bin gespannt auf die Fortsetzung.
    Jetzt wünsch ich dir aber erst einmal schöne Pfingsttage.

    lg Lämmchen

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • “DIE WARTEZEIT BETRÄGT SECHS BIS ACHT WOCHEN”


    In dieser Zeit begann eine Entwicklung, von der ich zunächst nichts bemerkte: Ich musste lernen, mit meiner Angst umzugehen. Eine Angst, die ich bis dahin so nicht kannte.

    In den nassen Jahren lebte ich ja sehr zurückgezogen. Stetes bedacht, dass von meinem Privatleben nichts nach draußen gelangte. Privat hieß ja quasi saufen. Und das hatte ich ja im stillen Kämmerlein gemacht.

    So war es also nicht verwunderlich, dass mein Leben im Großen und Ganzen daraus bestanden hatte, mich und meine Gefühle zu verstellen, ja zu verstecken. Möglichst alle Klippen und Fallstricke des Alltags unbeschadet- nämlich unentdeckt- zu bewältigen. Dass ich dazu gar nicht mehr in der Lage war, hatte ich ja nicht bemerkt, sondern durch ständigen Einsatzwillen kaschiert. Vor allem mir gegenüber.

    Die Arbeit als Versteck!

    Räumliche Distanz zu meinen Gesprächspartnern (vielleicht riecht “man” ja doch was…), niemandem in die Augen schauen (das habe ich nachher oft gehört) und eben mein ausgedehnter Hang zur Telefonie (die ja beides beinhaltete) und das ständige Erfinden von Ausreden, warum ich wann nicht kommen konnte, wenn ich mal wieder eingeladen wurde. “Meine Freizeit ist mir heilig” - wie oft hatte ich diesen Satz gesagt? (Und gemeint: Lasst mich in Ruhe saufen!)

    Die Situation hatte sich vollend gewandelt. Ich war zwar krank geschrieben, aber doch fast täglich kurz in der Firma anwesend und privat ja eh auf meiner “ich bin-wieder-da-Tournee”. Und durch den offenen Umgang mit meiner Saufgeschichte gab es keinen Grund mehr, mich zu verstecken. Ich praktizierte ja das Gegenteil.

    Ich nahm wieder am Leben teil und das war ein schönes Gefühl. Aber unbekannt. Oft saß ich abends da und spürte eine Unruhe in mir. Wie lange konnte “das” gut gehen? Die Tage in Zufriedenheit und Harmonie mit meiner Umgebung kamen mir so unwirklich vor. Wo waren meine Sorgen (im Prinzip war es ja die Sorge entdeckt zu werden)? Sicher, das Leben machte wieder Spaß, ich hatte Pläne und war guter Dinge. Alles verlief ganz NORMAL. Und genau das war es, was ich nicht gewohnt war. Ein normales Leben, ohne diese Ängste die ich jahrelang unbewusst (unbewusst? Bewusstlos? Ohne Bewusstsein?) mitgeschleppt hatte. Diese Normalität kannte ich eben nicht. Nicht als “normal”. Ein Tag in der Vergangenheit, wo alles geklappt hatte war doch immer ein Grund gewesen, noch einen zu schlucken- zur Belohnung. Und jetzt? Jetzt belohnte mich das Leben- Mit Normalität, die ich als solche erst noch lernen musste. Und mit Perspektiven. Ein Alltag ohne Krise statt Krise als Alltag?

    So erinnere ich mich an eine Situation, die wohl in die Rubrik “Suchtgedächtnis” gehört:

    Wieder einmal war so ein “Super- Tag” vorbei. Alles hatte wie am Schnürchen geklappt und ich war von einer tiefen Zufriedenheit erfüllt. Ich wollte mir mein Abendbrot herrichten und öffnete den Kühlschrank. Als ich hineinschaute bekam ich einen Riesenschreck!!! Ich wusste zuerst gar nicht, warum. War doch gar nichts Schlimmes drin. Da begriff ich: Genau in dieser Stimmung hätte ich noch vor kurzem hineingegriffen und mir VOR dem Essen eine Flasche Bier aufgemacht! Als mir das klar wurde, begriff ich einmal mehr, wie tief ich im Sumpf gesteckt hatte.

    Ich beschloss, ab sofort diese schönen Tage als normal zu akzeptieren und zu genießen. Dass ich mit Ereignissen, die unverhofft eintreten, umzugehen verstand, hatte ich mir schon bewiesen. Also warum angsterfüllt darauf warten, quasi wie das Kaninchen vor der Schlange- ALLES QUATSCH! Ich hatte kein schlechtes Gewissen mehr.

    Es sollte noch Monate dauern, bis ich damit umgehen konnte…

    Meine alte, positive Grundstimmung gewann die Oberhand und das tat sooo gut. Ich fühlte mich fit und wusste etwas mit meiner Zeit anzufangen.

    Ich redete: Mit der Klinikpsychologin, meinem Hausarzt, meinem Arbeitgeber, meinen Freunden und Bekannten, der Gruppe in der Klinik und dem Personal dort und mit meinem Suchtberater. Mein Therapieantrag war unterwegs und ich schaute immer wieder auf die Internet- Seite der Klinik. Daun- schön gelegen in der Vulkaneifel. Vieles über die Klinik hatte ich auch auf der Entgiftungsstation gehört.

    Meine erste “große Reise” seit Jahrzehnten. Meine Reise zu mir…


    ICH WARTETE

    unterwegs...

  • Hallo Kommal,

    ich lese ja auch schon länger mit, habe mir gerade mal die Seite der Klinik aufgemacht, mal sehen ob das auch etwas für mich ist, da ich ja
    auch eine Therapie anstrebe.

    Warte schon geduldig auf Deine Fortsetzung, Du schreibst, das Alles sehr gut auf, da macht das lesen spass.

    Danke Marion

  • Meine erste “große Reise” seit Jahrzehnten. Meine Reise zu mir…


    ICH WARTETE


    “Hat jemand meine Brille gesehen?”

    “Guck mal nach unten, Karl.” Die Pfleger hatten unserem Korsakow- Patienten die Brille um den Hals gehängt, damit sie nicht ständig verschwindet. Wenn er wieder einmal sein Zimmer suchte, waren wir zur Stelle.

    Die Entgiftungsstation und das Klinikgelände waren fast schon mein zweites zuhause. Immer neue Erlebnisse, gleich und doch so verschieden, immer wieder neue (und bekannte) Gesichter, die ich hier zweimal in der Woche traf. Und immer mehr Routine in den Gruppengesprächen. Eine Routine, die aber meine Aufmerksamkeit forderte. Ich lernte zuhören!

    Bis dahin bin ich ja fast allen Leuten in´s Wort gefallen- Verteidigungsstrategie. Hier konnte ich auch einmal das Gehörte “sacken” lassen, über das Gesagte nachdenken. Eine wertvolle Zeit als Vorarbeit für die LZT, aber auch für mich und meine Entwicklung.

    Inzwischen hatte ich mir eine Digitalkamera angeschafft, die ich fast immer dabei hatte und auch nutzte. Im Wald und auch auf meinen Fahrradtouren. So hatte ich bei schlechtem Wetter eine interessante Beschäftigung: Die Nachbearbeitung der Fotos auf dem PC. Kostenlose Programme hatte ich schnell gefunden. Das Fotografieren hatte auch einen angenehmen Effekt: Ich sah meine Umwelt genauer an, irgendwie mit anderen Augen. Mein Blick schärfte sich. für Dinge, die ich bisher übersehen hatte. Die Motivsuche machte Spaß. Die Kamera sollte für die nächsten Monate mein treuer Begleiter werden- und tausende Fotos machen :)

    Meine Gedanken kreisten immer mehr um mein Auto. Die Zeit schritt voran und langsam machte ich mir Gedanken um den Zustand meines Gefährtes. Die Eifel ist nicht gerade flach und wenn ich noch lange warten musste, konnte es ja durchaus sein dass Schnee liegt- zumindest bei meiner Abreise. Dann stellte ich fest, dass der TÜV- Termin nahte.

    Auf einer Fahrt ins weitere Umland (erstaunlich, was plötzlich alles ging) hatte ich ein Flattern im Lenkrad festgestellt. Ich ließ also meinen alten “Autokontakt” aufleben und machte einen Termin: TÜV- fertig machen und nach dem Fehler in der Lenkung suchen. Als die Diagnose kam, war ich doch ein wenig erschreckt: Ich war mit einer gebrochenen Feder durch die Weltgeschichte gefahren! “Die hätte durchaus in den Reifen schlagen können!” war die Auskunft des Fachmanns. Puuh, Glück gehabt.

    Der Wagen ging nach der Reparatur, Ölwechsel etc. über den TÜV und ich war eine Sorge los. Die Fahrt nach Daun war gesichert. - Wirklich? Was ist mit den Reifen? Sommerreifen. Das ich damit bei Minusgraden nicht durchs Mittelgebirge kurven konnte war mir klar, aber noch war es ja nicht soweit- immer noch nicht. Meine Tage drohten ein wenig in Routine zu ersticken. Nicht, dass ich nicht beschäftigt war oder mich beschäftigte. Aber irgendwie war der Schwung raus, bewegte sich nichts.

    Auch bei meinen Besuchen in der Firma hörte ich immer öfter Fragen wie diese: “Bist Du noch nicht weg?” - “Wie lange dauert´s denn noch?” - “Du siehst aber gut aus, wann fährst Du denn?” …Meine Antwort war immer gleich: Der Antrag läuft und die von der Beratungsstelle fragen regelmäßig beim Kostenträger nach. Als Konsequenz reduzierte ich meine Besuche- ich wollte ja niemanden provozieren.

    Eines Tages klingelte mein Telefon und die Personalabteilung war dran. Meinem Abteilungsleiter dauerte es jetzt wohl auch “etwas lange” und einige Kollegen hätten (angeblich) wohl auch schon gefragt, was denn mit mir los sei. - Neid? Ich machte ja schließlich keinen Urlaub.

    Ich rief meinen Berater an um ihn auf den bevorstehenden Anruf aus der Firma hinzuweisen. “Keine Panik, mehr können sie/wir nicht tun. Mit denen werde ich schon fertig!” Das bestätigte mich in meiner Haltung. Ich hatte kein schlechtes Gewissen, ICH wartete ja!

    Also ging es weiter wie gehabt. Die WM ging zu Ende, ich nahm meine Termine wahr und war viel unterwegs.

    Mittlerweile war es September! Bei einem meiner Waldspaziergänge klingelt mein Handy. Mein Berater war dran. Mir einer guten und mit einer schlechten Nachricht. "Ihr Antrag ist genehmigt!" - Die Bilder der Klinik, die ich mir zigmal angesehen hatte gingen mir durch den Kopf, die Vulkaneifel mit den Wäldern und Maaren- aufgeregte Freude…


    “ABER ES GEHT NICHT NACH DAUN!!! “

    unterwegs...

  • “ABER ES GEHT NICHT NACH DAUN!!! “

    Mein neues Ziel lag über hundert Kilometer weiter nördlich. Doch das war nicht das Problem: An- und Abreise mit dem eigenen PKW waren kategorisch ausgeschlossen.
    Das erfuhr ich durch einen Anruf dort - HILFE!!!

    Mein Suchtberater war ziemlich erstaunt, welches Riesenproblem sich mir mit dieser Änderung darstellte. Stunden- und tagelang grübelte ich. Holte Preisauskünfte ein (Taxi), fragte Bekannte und am Ende wälzte ich vorsichtig Fahrpläne um zu sehen, wie ich “da” hinkam. 250 km, die mich von meiner Therapieeinrichtung trennten.

    Natürlich sah ich mir auch die Internet- Seite der Klinik an. Vieles war ähnlich wie in Daun: Wohnräume einer Gruppe jeweils an einem Flur, Gruppenräume, Sporthalle, Teeküchen und eine Aussage, die ich zum wiederholten Male las:

    Wir wollen, dass sie zum Experten ihrer Krankheit werden!

    Ich fand mich mit dem Gedanken ab, irgendwie “da” hin zu kommen- eine Lösung hatte ich noch nicht.

    Aber ich hatte plötzlich einen großen Nachteil an Daun entdeckt: War doch meine verflossene “Liebschaft” aus der Entgiftungsklinik dort in Therapie gewesen. Hätte mich nicht vieles dort an sie erinnert? Sie hatte mir sogar die Namen einiger Therapeuten genannt. - Ein Wink des Schicksals?

    Und die neue Klinik? - Die hatte ein Schwimmbad im Haus! Ein eindeutiges PLUS für eine Wasserratte wie mich.

    Kurzum, ich versuchte das Beste aus der Situation zu machen und verzichtete darauf, gegen die Entscheidung des Kostenträgers Einspruch zu erheben. Ich hatte lange genug gewartet und brannte darauf, dass es endlich losging. Ich wartete also weiter, jetzt aber auf Post von der Klinik, insbesondere meinen Anreisetermin.

    Was nehme ich mit? Die Antwort auf diese Frage gab´s natürlich auf der Klinikseite. Auf jeden Fall warme Klamotten, mittlerweile war es ja schon Herbst und die Therapie sollte mindestens acht Wochen dauern. Ich hatte mich übrigens von Anfang an auf 16 Wochen eingestellt- die Regelzeit.

    Meine Gedanken rotierten in meinem Kopf und vor meiner Wohnung rotierte das nächste Problem: Mein tierischer Mitbewohner. Vor langer Zeit zugelaufen, blitzschnell und immer auf dem Sprung, mir mit einem gezielten Biss in den Oberschenkel seinen bevorstehenden Hungertod zu signalisieren.. Stets angriffslustig aber auch minutenlang handzahm. Mein einziger Mitbewohner, Empfangskomitee bei der Heimkehr.

    Ich hatte mich zwar “mal ein bisschen” umgehört, ob jemand das Tierchen übernehmen wollte, doch bis zu diesem Zeitpunkt deutete sich nur eine Lösung als Sofabewohner an. Das wollte ich ihr (und der neuen Besitzerin) nicht antun. Ich strebte übrigens eine dauerhafte Trennung an, weil der Gedanke des Wohnungswechsels zu diesem Zeitpunkt schon recht konkret war. Und: Das Tierheim sollte die allerletzte Lösung sein.

    Ich hatte während dieser langen Wartezeit- mittlerweile waren seit der Entgiftung über drei Monate vergangen- einen Indikator für mein Befinden ausgemacht: Meinen Schlaf. Der war nach wie vor tief und fest. Morgens wachte ich erholt und recht unternehmenslustig auf und begann den Tag mit einem gemütlichen Frühstück. Meine ausgedehnten Spaziergänge und Fahrradtouren trugen das übrige dazu bei, dass ich nicht grübelnd im Bett lag und um meinen Schlaf ringen musste. Außerdem machte ich jeden Abend die in der Klinik kennen gelernte Entspannungsübung (PMR), die gut gegen Kopfkino half. Ich hatte das getan, was mir das Personal in der Klinik geraten hatte: So hatte sich durch das permanente Üben während der letzten Monate der gewünschte Effekt eingestellt. Ich hatte vertraut und Hilfe angenommen. Eine wichtige Erfahrung.

    Zurück zu meinem tierischen Problem: Ich ließ nichts unversucht, ein passendes Zuhause zu finden. Telefonate und Gespräche mit Freunden, Bekannten, Kollegen… quasi im Endspurt hatte ich es geschafft: Das passende Domizil auf einem Bauernhof- Ideal! Die Erinnerungen an das Einfangen, hier waren mehrere Versuche über ein paar Tage verteilt nötig, möchte ich hier nicht mehr aufleben lassen. Sie sind zu schmerzhaft! Noch eine Erfahrung: Ich konnte meine Probleme selber lösen, wenn ich mir helfen ließ.

    Die Geschichte nahm mich immerhin so in Anspruch, dass mich kurz vor meiner Abreise mein Berater und die Sozialarbeiterin im Krankenhaus unabhängig voneinander fragten, ob ich die letzten Tage und Nächte nicht in der Klinik verbringen wollte, denn:

    “ICH HALTE SIE FÜR STARK RÜCKFALLGEFÄHRDET”

    unterwegs...

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