• Hallo zusammen,

    ich habe mir die Diskussion von Anfang bis Ende durchgelesen und dabei kam immer wieder eine Frage bei mir hoch. Die gehört jetzt vielleicht gar nicht hierher, eventuell sollte ich einen eigenen Thread dazu aufmachen:

    Wann ist man ein trockener Alkoholiker?

    Nach 1 Tag ohne Alk, nach 10 Tagen, nach 100 Tagen...

    Gibt es einen trockeneren Alkoholiker als nur den einfachen trockenen?

    Wie gesagt, die Frage ist einfach so hochgeschwappt bei mir während des Lesens. Dies ist mein erster Beitrag im offenen Bereich und eigentlich wollte ich ihn mit einer "offiziellen" Vorstellung besetzen).

    Schöne Grüsse
    chiemseefischer
    Alkoholiker, heute den 15. Tag ohne
    (und ich sage bewusst nicht trocken)

  • Hallo Chiemseefischer,

    erstmal herzlich Wilkommen hier,

    ich als Kind eines Alkoholikers glaube das ein Alkoholiker nach dem Köperlichen Entzug ab dem Tag trocken ist ab dem er begriffen hat das sein restliches Leben ohne Alkohol verbringen wird.

    Lieben Gruß
    Marina

  • Servus Marina, Hallo an alle hier,

    ich bin 'mal auf die Reaktionen gespannt.
    Ich habe kurz zu dem Thema gegoogelt und tatsächlich keine Antwort (zumindest nicht auf die Schnelle) gefunden.

    Schöne Grüsse
    chiemseefischer

  • Zitat

    Wann ist man ein trockener Alkoholiker?

    Für mich kann ich diese Fragen nicht beantworten. Für mich verbirgt sich hinter dieser Frage, die Hoffnung das ab diesem Zeitpunkt ein Stillstand erwirkt wird.

    So - jetzt bin ich trocken.
    Das klingt irgendwie so endgültig. Und genau da lauert doch die Gefahr, denn die Arbeit an sich wird fortwährend andauern.

    Ich glaub´ nicht, daß man das zeitlich bemessen kann und hinsichtlich der Trockenheitsarbeit auch nicht sollte.

    Meine spontanen Gedanken hierzu.

    Mieken

  • Hallo Chiemsee,

    schwierige, aber erstmal sinnlose Frage.
    Ich habe mich zu Anfang auch immer gefragt, was ich denn nun bin?
    Trocken, nüchtern, Alk-frei? Begriffe wie Trockenheit oder Nasser
    Alkoholiker kommen ja aus dem Themenbereich Alkohlsucht und sind
    nicht etwa hier enstanden.

    Solange keine Arroganz oder Übermut mitschwingt darfts Du dich nennen
    wiel Du willst. (Ich meine diese Art der Arroganz nach dem Motto: Ich
    habs geschafft). Es kommt mehr auf die innerliche Einstellung zum
    Alkohol an, als auf eine Bezeichnung für Deinen Status.

    Mir persönlich war es allerdings zu früh, nach ein paar Wochen von
    Trockenheit zu reden. Die innere Stimme sagt einem schon wo man
    wirklich steht.

    Das wichtigste ist jedoch das Du nichts trinkst, alles andere ergibt sich.

    LG
    Paolo

  • Hallo Chiemseefischer,

    für mich ist nicht entscheidend trocken zu sein. sondern trocken zu leben. Das sage ich auch, wenn ich gefragt werde. Ich finde, dass drückt aus, dass ich aktiv an meiner "Trockenheit" arbeite. Jeden Tag.

    LG kommal

    unterwegs...

  • Hallo chiemseefischer,

    eine Zeitangabe gibt es da für mich nicht ,da es ein immer weiterführender Prozess ist. Würde ich heute sagen ich bin endgültig trocken besteht die Gefahr das sich eine Überheblichkeit einschleicht und ein Hintertürchen auflässt.

    ich habe in meine Trinkpausen auch von trocken geredet aber nicht gedacht.Ich hatte nichts verändert und einfach nur mit Willen mein Glas weggestellt und bin mit der geballten Faust in der Tasche herum gelaufen.

    erst als ich den Kampf aufgab und vor dem Alkohol kapituliert hatte , verbunden mit meinen Gang des Weges der Grundbausteine, hat sich mein "Nasses" ins Trockene Denken verändert. Somit auch mein trockenes Leben angefangen. Ich sehe es wie Kommal und lebe trocken und denke trocken.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Guten Morgen zusammen,

    Danke erstmal für eure Meinungen zum Thema.

    Die Frage ist insofern natürlich sinnlos, als daß ich auch keine endgültige Antwort darauf erwarte, weil es die wahrscheinlich auch nicht gibt. Aber ich denke, es gibt Meinungen dazu, und die wollte ich 'mal hören.

    In vielen Beiträgen hier wird letztlich ja das Atrribut "trocken" mit einer Zeitspanne verknüpft. Ich gehe sogar noch weiter: Manche Argumente werden mit der Dauer der sogenannten Trockenheit untermauert nach dem Motto "Ich bin schon soundso lange trocken, ich kenne mich aus!" Auch der persönliche Erfolg wird verbunden mit der Dauer: "Seit x Tagen trocken!"

    Aus diesem Grund ging mir die Frage nicht aus dem Kopf: Ab wann bin ich eigentlich ein trockener Alkoholiker? Ist das tatsächlich eine Frage der Anzahl der Tage, die seit dem letzten Besäufnis vergangen sind?

    Wenn ich über 10 Jahre exzessiv gesoffen habe (mein Fall!) und ich habe jetzt 15 Tage nichts getrunken, bin ich dann trocken? Wenn ich nach 30 Tagen wieder angefangen habe zu saufen, war ich dann rückblickend trocken?

    Die Meinung von kommal gefällt mir. Ich bin nicht trocken, ich lebe trocken!

    Ich habe vor kurzem ein gutes Buch eines Alkoholikers gelesen, der die Trockenheit als einen "alternativen Lebensentwurf" bezeichnet.

    Schöne Grüsse
    chiemseefischer

  • Hallo chiemseefischer,

    Zitat

    In vielen Beiträgen hier wird letztlich ja das Atrribut "trocken" mit einer Zeitspanne verknüpft

    und auf diese Zeitspanne habe ich am Anfang genau hingeschaut wie lange dieser Mensch trocken ist und welche Erfahrungen er mir vermittelt. Je länger jemand zufrieden trocken lebt , je mehr konnte ich was für meinen Weg herausziehen . Denn da will ich ja auch hin.

    Der Austausch mit den kürzeren trockenen oder gleicher Augenhöhe hat mir gezeigt , wie weit ich in meinem Weg schon bin.

    Am Anfang zählte ich auch die Tage , dann wurden es Wochen und ich hörte auf zu zählen. Da es mich immer wieder an meine Trinkpausen erinnerte , wo ich mir selber auf die Schulter klopfte , das ich kein Alkoholiker bin und was für ein toller Hecht ich war.

    es muss jeder für sich selbst entscheiden was er mit seinem Zählen der Tage bezweckt.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo zusammen,

    in meiner Gruppe unterscheiden wir sehr wohl zwischen abstinent und trocken.
    Trocken werden dort diejenigen genannt, die etwa ein bis zwei Jahre konsequent abstinent gelebt haben, weil man erst nach dieser Zeit alle möglichen typischen Situationen ohne Alkohol durchlebt hat, die einen eventuell an früher einnern. Das können also Feiertage oder Geburtstage, aber auch Urlaub oder so etwas sein.
    Ich persönlich finde diese Einteilung durchaus einleuchtend. Nach einem Jahr mit all seinen Ereignissen (egal ob positiv oder negativ) kann ich einen Alkoholkranken durchaus als stabil bezeichnen. Und dieser Stabilität können dann eben weitere trockene Jahre folgen.

    Aber natürlich habt ihr Recht, wenn ihr sagt, dass es letztendlich auf die persönliche Einstellung ankommt.

    LG
    espoir

  • Hallo,

    im Zusammenhang mit den Ausdrücken *trocken und nass*, die ich heute wiedermal sehr häufig gelesen habe, möchte ich gern mal wieder diesen Thread nach oben holen.

    Ist ein Alkoholiker wirklich trocken, wenn er aus der Klinik kommt?

    Bin gespannt, ob noch einige Gedanken dazu zusammenkommen.

    Lieben Gruß

    S.Käferchen

  • Wirklich keine leichte Frage!

    Ich denke "trocken" ist nicht einfach ein Zustand, der sich nach einem gewissen Zeitraum automatisch einstellt. Vielmehr würde ich sagen, dass "trocken" einer Einstellung entspricht (oder einer Einsicht), die es mir erlaubt die Krankheit zu akzeptieren und einzusehen, dass diese Krankheit nur durch Abstinenz zum Stillstand gebracht werden kann. Die Einsicht, dass auch später einmal kontrolliertes Trinken nicht möglich ist.

    Ich will es an meinem Beispiel verdeutlichen. Als ich in die Entgiftung ging (erstmalig in meinem Leben etwas gegen dieses Problem getan habe), war ich zwar soweit einzusehen, dass ich ein Problem mit dem Alk habe, aber dass ich tatsächlich Alkoholiker bin und nie wieder etwas trinken darf (bzw. die Krankheit kontrolliertes Trinken nicht möglich macht), soweit war ich auch nach den zwei Wochen Entgiftung noch nicht. Ich hab zwar nicht getrunken, aber trocken (von meiner Einstellung her) war ich noch lange nicht.

    Die Einsicht, dass ich Alkoholiker bin, eine Krankheit in mir trage, die zwar zum Stillstand gebracht, aber nicht geheilt werden kann, kam erst einige Wochen später während der Langzeittherapie und hat sich in den letzten zwei Jahren langsam aber stetig verfestigt. Und ich denke, dass dieser Prozess bei jedem seine eigene Zeit braucht.

    Von daher denke ich auch nicht, dass die Aussage "ich bin trocken" automatisch überheblich macht. Ich kann für mich sagen, dass ich trocken bin, aber nicht geheilt!

  • Zitat von Hartmut


    eine Zeitangabe gibt es da für mich nicht ,da es ein immer weiterführender Prozess ist.
    Ich sehe es wie Kommal und lebe trocken und denke trocken.

    Hallo chiemseefischer,

    jemand sagte mir 18 Jahre nicht zu trinken, aber erst jetzt angekommen zu sein, trocken zu sein, verstanden zu haben, daß es nicht um das "nicht Trinken" ging. Die Veränderung der Gedanken beginnt täglich neu.

    LG Kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Hallo zusammen,

    Danke S.Käferchen, daß du den Thread wieder nach oben gebracht hast - vor ein paar Tagen wollte ich ihn selbst wieder "aktualisieren", um doch noch ein paar Meinungen mehr zu hören.

    Hintergrund sind die Aussagen doch relativ vieler Leute hier, die sich schon nach ein paar Tagen Nicht-Trinken als trocken bezeichnen.

    Nach nur nunmehr 105 Tagen Nüchternheit würde ich das nicht von mir behaupten. Es widerstrebt mir regelrecht, weil ich es als Selbstlüge empfinden würde. Wie einige hier denke ich - oder besser: spüre ich (jeden Tag ein wenig intensiver), daß Trockenheit das Resultat eines langen und tiefgreifenden Veränderungsprozesses ist. Nicht trinken steht für mich nur am Anfang dieses Prozesses bzw. ist die Voraussetzung, daß dieser Prozess überhaupt ablaufen kann.

    Schöne Grüsse
    chiemseefischer

  • Hallo,

    ich finde die Frage auch sehr interessant und habe jetzt zwei Tage darüber nachgedacht. Eine Antwort habe ich allerdings nicht gefunden. :wink:

    Vielleicht sollte man dem Wort gar nicht so eine hohe Bedeutung geben. Für mich beschreibt das Wort einen Alkoholiker der, willentlich, nicht auf sein Suchtmittel zurückgreift. Allerdings ohne Aussage auf zukünftiges Verhalten.
    Mehr nicht.

    Das Wort Zufriedenheit und die damit verbundenen Zusammenhänge, haben dagegen eine wesentlich höhere Bedeutung für mich. Denn ohne Zufriedenheit ist Trockenheit, meiner Meinung nach, auf Dauer nicht möglich.

    VG
    Oliver

  • Hallo Ihr,

    ich finde die Frage verwirrend ("Ab wann ist man trocken?") – aber vielleicht liegt es daran, dass einfache Worte (trocken, nüchtern, nass usw.) für teilweise verdammt komplexe Angelegenheiten verwendet werden.

    Da passiert es leicht, dass ein Wort ständig von allen benutzt wird, und jeder versteht etwas Anderes darunter.

    Naja, hier ist jedenfalls meine Definition: "trocken" bedeutet für mich im Zusammenhang mit Alkoholikern keinen Zustand, den man zu einem bestimmten (wenn auch individuellen) Zeitpunkt erreicht. Vielmehr ist es ein Prozess des Nachdenkens, der nie aufhört. Keiner von uns wird plötzlich ein bestimmtes Level erreichen, auf dem alle Probleme und Fragen des Alkoholikerdaseins gelöst sind. Diese Art von Ankommen gibt es genausowenig, wie wir plötzlich alle von unserer Krankheit "geheilt" sind.

    Vielleicht sollten wir uns einfach alle mal auf die Suche nach schöneren, aussagekräftigeren Wörtern machen :wink:

    Viele Grüße,

    Zeppeline

  • Hallo,

    "Ab wann ist man trocken?". Ich denke diese Frage kann jeder, wie auch die Frage: "Bin ich alkoholkrank?", nur fuer sich selber beantworten.

    Ich persoenlich lege jetzt auf diese Formulierung gar keinen so grossen Wert mehr. Wie Zeppeline es schrieb, ist es ein Prozess von Veraenderungen die nie ganz aufhoeren werden.

    Bis bald
    Andreas

    "Und mein Weg ist immer noch nicht zu Ende, und wird es auch nie sein, denn die Alkohol-Krankheit tragen wir in uns, zwar schlafend solange wir abstinent leben, und abgespeichert in unserem Suchtgedächtnis." (Rose)

  • Hallo ihr

    Ich habe vor einiger Zeit in meiner SHG ein Seminar über das Thema Trockenheit mitgemacht.

    Die Definition der sog.Trockenheit ist uns auch schwergefallen.
    Dann wurde das Wort durch die Eigenschaft "zufrieden" ergänzt und schon hatten wir eine bessere Vorstellung,was mit diesem Begriff gemeint ist.
    Bin ich mit mir und meinem Leben z.Z. zufrieden?
    Habe ich noch "Verzichtsgedanken?
    Was habe ich geändert seid dem letzten Glas Alkohol?
    Habe ich einen befriedigenden Ersatz gefunden oder habe ich nichts geändert ausser das Weglassen vom Alkohol?

    Ich denke,das Wort Trockenheit beschreibt einen "zufriedenen körperlichen und seelischen Zustand",den ich dauerhaft beibehalten möchte.
    Der Weg ist das Ziel...diese Worte fielen auf dem Seminar auch.
    Bin ich jemals am Ziel?Ist es mein Ziel den heutigen Zustand jemals zu toppen und ist das notwendig? Fühle ich mich heute nicht zufrieden genug ?

    Ich glaube ,ich verheddere mich jetzt und lass das einfach mal so stehen.
    Liebe Grüsse
    Backmaus

  • Für mich ist die Antwort auf diese Frage durchaus faßbar.

    Da "trocken sein" hier nicht nur auf einen physischen Zustand (= Abwesenheit von Alkohol) abzielt, sondern vor allem auf einen geistigen Zustand (= sich-selbst-tragende, zufriedene Trockenheit), kann eine bestimmte Zeitspanne an trockenen Tagen oder Jahren schon mal nicht der Indikator für "richtig trocken sein" sein.

    Vielmehr beantwortet man die Frage damit, indem man kritisch in sich hineinhorcht, ob man - seitdem man nicht mehr trinkt - so weit sein Leben geändert hat, dass man folgende 2 Fragen eindeutig beantworten kann:

    1. "Führst du jetzt deiner Meinung nach ein im Großen und Ganzen sinnerfülltes und zufriedenes Leben?"
    2. "Gibt es noch Situationen, in welchen du dich nach dem Alkohol zurücksehnst oder meinst, auf etwas verzichten zu müssen, wenn du nicht trinkst?"

    Nur wenn man die erste Frage mit "Ja" und die zweite Frage mit einem eindeutigen "Nein" beantworten kann, dann ist man - meiner Meinung nach - ein wirklich trockener Alkoholiker, der nicht mal nur eben eine Trinkpause macht.

    Herzlichst,

    Blizzard

    Erst unter den Hammerschlägen des Schicksals, in der Weißglut des Leidens an ihm, gewinnt das Leben Form und Gestalt. (V.E. Frankl)

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